Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.252/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_252/2015

Urteil vom 29. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hebeisen,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung
(Invalidenrente; Integritätsentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau
vom 4. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1957 geborene A.________ war seit 2. April 1980 als Bauarbeiter für
die B.________ AG tätig und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen und
Berufskrankheiten versichert. Am 27. Januar 2005 fiel er beim Ausschalen einer
Decke von der Bockleiter und zog sich dabei eine Commotio cerebri sowie eine
Schulter- und Beckenkontusion rechts zu (Austrittsbericht des Spitals
C.________ vom 1. Februar 2005). Die SUVA kam für die Heilbehandlung auf und
richtete Taggelder aus. A.________ nahm seine Arbeit am 9. Juni 2005 zu 50 %
und ab 1. Juli 2005 zu 100 % wieder auf. Mit Schreiben vom 15. Februar 2006
stellte die SUVA die Versicherungsleistungen ein und schloss den Fall ab.
Dagegen opponierte A.________ am 6. März 2006 unter Hinweis auf persistierende
Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und Probleme mit dem Gehör.
Beim Versuch, einen Stahlquerträger einzuschweissen, verlor A.________ am 22.
August 2006 das Gleichgewicht, stürzte unbehelmt aus einer Höhe von ungefähr
fünf Metern in eine Baugrube und erlitt gemäss Austrittsbericht des Spitals
D.________ vom 18. September 2006 eine Distraktionsverletzung Th8/9 mit
Processus-articularis- und Lamina-Fraktur, einen Vorderkantenabriss Th9, eine
Thoraxkontusion mit Rippenfraktur Costa 8 links und 9 rechts und Sternumfraktur
sowie ein Schädel-Hirntrauma mit Commotio cerebri und ausgedehnter
Rissquetschwunde am Schädel frontal. Er wurde mit der REGA ins Spital
D.________ geflogen, wo am gleichen Tag eine Rückenoperation durchgeführt
wurde. Die SUVA erbrachte auch im Zusammenhang mit diesem Unfall
Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom 31. Juli 2008 stellte sie ihre
Leistungen bezüglich der Ereignisse vom 27. Januar 2005 und 22. August 2006
mangels organisch nachweisbarer Unfallfolgen bei fehlender Unfallkausalität
psychisch bedingter Beeinträchtigungen auf den 15. August 2008 ein, was sie mit
Einspracheentscheid vom 17. Juli 2009 bestätigte. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau wies das dagegen gerichtete Rechtsmittel ab (Entscheid vom 14.
Juli 2010). In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das
Bundesgericht den Entscheid des kantonalen Gerichts und den Einspracheentscheid
der SUVA auf und wies die Sache an den Unfallversicherer zurück, damit er, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch ab 16.
August 2008 neu verfüge (Urteil 8C_780/2010 vom 4. Juli 2011). In den
Erwägungen wies es unter anderem darauf hin, dass es im
invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren mit Urteil 8C_215/2011 gleichentags
eine Beschwerde des A.________ gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 19. Januar 2011 abgewiesen habe, mit welcher die
Durchführung beruflicher Massnahmen und die Zusprechung einer unbefristeten
ganzen Rente beantragt worden war, und dass in diesem Verfahren umfangreiche
medizinische Stellungnahmen, darunter auch die polydisziplinäre Expertise des
medizinischen Abklärungsinstituts E.________ vom 15. September 2009, vorliegen
würden (Urteil 8C_780/2010 vom 4. Juli 2011 E. 5.2).

A.b. In Nachachtung des Urteils 8C_780/2010 vom 4. Juli 2011 zog die SUVA die
Akten der Invalidenversicherung bei und holte den Bericht des Kreisarztes Dr.
med. F.________, Facharzt für Chirurgie FMH, vom 5. Juli 2012 ein. Mit
Verfügung vom 1. Juli 2013 wies sie einen Anspruch auf Invalidenrente und
Integritätsentschädigung erneut ab. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 3. April 2014).

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau wies die dagegen erhobene Beschwerde
ab (Entscheid vom 4. Februar 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien ihm eine Invalidenrente, entsprechend einer
vollständigen Erwerbsunfähigkeit, und eine Integritätsentschädigung, basierend
auf einer Integritätseinbusse von mindestens 80 %, zuzusprechen; eventualiter
sei die Sache zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung an das kantonale
Gericht, subeventualiter an die SUVA zurückzuweisen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Auf die Durchführung eines
Schriftenwechsels wurde verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet
das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die
in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem
angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation
der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 II 136 E. 1.4 S.
140). Immerhin prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen
Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur
die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche
Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor
Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Im angefochtenen Entscheid werden die für die streitgegenständliche Beurteilung
einschlägigen Rechtsgrundlagen zutreffend wiedergegeben. Hervorzuheben sind die
Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung
im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 4 ATSG) und zu den
einzelnen Leistungsarten im Speziellen (namentlich Art. 18 ff. UVG in
Verbindung mit Art. 7 und 8 ATSG [Invalidenrente] und Art. 24 f. UVG in
Verbindung mit Art. 36 UVV [Integritätsentschädigung]) sowie zu dem für die
Leistungspflicht des Unfallversicherers nebst anderem vorausgesetzten
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
Gesundheitsschaden (Krankheit, Invalidität, Tod; Art. 6 Abs. 1 UVG; BGE 129 V
177 E. 3.1 und 3.2 S. 181 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111
f.). Korrekt dargelegt hat das kantonale Gericht ferner die Rechtsprechung zu
den Anforderungen an beweiskräftige medizinische Berichte und Gutachten (BGE
125 V 351 E. 3 S. 352 ff.; ferner BGE 137 V 210 E. 6.2.2 S. 269; 135 V 465 E.
4.4 S. 469 f.; 134 V 231 E. 5.1 S. 232). Darauf wird verwiesen.

3.

3.1. Das kantonale Gericht hat, nunmehr in umfassender Würdigung der gesamten
medizinischen Aktenlage, namentlich unter Einbezug des Gutachtens des
medizinischen Abklärungsinstituts E.________ vom 15. September 2009, und nach
Einholung des Kreisarztberichtes vom 5. Juli 2012 mit einlässlicher und in
allen Teilen überzeugender Begründung - worauf verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3
BGG) - erkannt, dass seit dem Zeitpunkt des Fallabschlusses (16. August 2008)
in Berücksichtigung der unfallkausalen Rückenschmerzen eine 100%ige
Arbeitsfähigkeit in leidensadaptierten Tätigkeiten gegeben sei. Selbst wenn
hinsichtlich der psychischen Beschwerden erst ab dem Datum der Begutachtung des
medizinischen Abklärungsinstituts E.________ (17./18. August 2009) von einer
100%igen Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Beschäftigungen ausgegangen
werde, könne nichts anderes gelten, da die psychischen Einschränkungen - soweit
sie auch im Zeitraum vom 16. August 2008 bis 17./18. August 2009 bestanden
haben sollten - für die Beurteilung der Leistungspflicht mangels eines
adäquaten Kausalzusammenhangs zu den beiden Unfällen vom 27. Januar 2005 und
22. August 2006 nicht weiter massgebend wären.

3.2. Die letztinstanzlich dagegen vorgebrachten Einwendungen führen, zumal sie
sich im Wesentlichen in einer Wiederholung der bereits im kantonalen Verfahren
erhobenen und entkräfteten Rügen erschöpfen, zu keinem anderen Resultat.
Entgegen der Interpretation des Beschwerdeführers kann keine Rede davon sein,
dass das Bundesgericht im Urteil 8C_780/2010 vom 4. Juli 2011 von einer
Unvollständigkeit des Gutachtens des medizinischen Abklärungsinstituts
E.________ vom 15. September 2009 hinsichtlich der Belange der
Unfallversicherung ausgegangen wäre und die Angelegenheit deshalb an die SUVA
zurückgewiesen hätte. Vielmehr äusserte es sich damals zur Aussagekraft der
Expertise in unfallversicherungsrechtlicher Hinsicht überhaupt nicht. Ob
zusätzliche medizinische Abklärungen notwendig sein würden, liess es offen,
indem es die Angelegenheit an die Verwaltung zurückwies, damit diese "nach
Beizug der Akten der Invalidenversicherung und gestützt auf das Ergebnis
allenfalls notwendiger zusätzlicher Abklärungen" über den Renten- und
Integritätsentschädigungsanspruch neu verfüge (Urteil 8C_780/2010 vom 4. Juli
2011 E. 5.2). Mit Blick auf das auch für das unfallversicherungsrechtliche
Verfahren aussagekräftige Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts
E.________ ist dem kantonalen Gericht beizupflichten, dass von weiteren
medizinischen Abklärungen keine neuen entscheidrelevanten Ergebnisse mehr zu
erwarten sind, weshalb darauf zu verzichten ist; dies verstösst weder gegen den
Untersuchungsgrundsatz noch gegen den Gehörsanspruch (antizipierte
Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236; Urteil 8C_468/2013 vom 24.
Februar 2014 E. 5.3.2). Der Unfallversicherer und die Vorinstanz haben mit
ihrer Vorgehensweise die Verfahrensgarantien gemäss Art. 6 EMRK und Art. 29 BV
nicht verletzt. Von willkürlicher Beweiswürdigung (Art. 9 BV) kann ebenfalls
nicht gesprochen werden. Sodann bringt der Beschwerdeführer gegen die
Adäquanzbeurteilung des kantonalen Gerichts, welche lediglich für den Fall
vorgenommen wurde, dass im Zeitraum vom 16. August 2008 bis 17./18. August 2009
überhaupt psychisch bedingte Einschränkungen in einer leidensangepassten
Tätigkeit bestanden haben sollten, keinerlei stichhaltigen Argumente vor.

4.

4.1. Die Vorinstanz legt dem auf den mutmasslichen Lohnentwicklungen bis 2008
basierenden Einkommensvergleich ein Valideneinkommen von Fr. 5'055.- monatlich
bzw. Fr. 65'715.- jährlich (inklusive 13. Monatslohn) und ein
Invalideneinkommen von Fr. 59'978.88 im Jahr zugrunde und errechnet einen
rentenausschliessenden Erwerbsunfähigkeitsgrad von 9 %.

4.2. Der Beschwerdeführer weist grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass
gemäss Vereinbarung zum Landesmantelvertrag für das Schweizerische
Bauhauptgewerbe über die Anpassung der Löhne für das Jahr 2008 eine generelle
Lohnerhöhung für Arbeitnehmende im Monatslohn von Fr. 100.- pro Monat
vorgesehen wurde (Art. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 und Abs. 2 lit. a/aa der
Vereinbarung). Er übersieht jedoch bei seiner Forderung, der mutmasslich im
Gesundheitsfall bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin erzielte Lohn von Fr.
5'020.- ab 1. Januar 2008 sei um Fr. 100.- auf Fr. 5'120.- zu erhöhen, dass
gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b der Vereinbarung von Arbeitgebern seit dem 1.
Januar 2008 geleistete Lohnerhöhungen an diese Lohnanpassung angerechnet werden
können. Nach Angaben der B.________ AG beträgt der monatliche Validenlohn im
Jahr 2007 Fr. 4'955.-, ab 1. Januar 2008 Fr. 5'020.- und ab 1. Mai 2008 Fr.
5'055.- (jeweils zuzüglich 13. Monatslohn). Das vom kantonalen Gericht
angenommene Valideneinkommen von Fr. 5'055.- trägt somit der Erhöhung des
Sockelbetrags um monatlich Fr. 100.- im Vergleich zum Verdienst im Jahr 2007
vollumfänglich Rechnung.
In einer körperlich leichten Tätigkeit mit einem Traglimit von 10 kg in
wechselnden Positionen, ohne Zwangshaltungen des Rumpfes und ohne regelmässige
Überkopfbewegungen der Arme, ohne Arbeiten mit Absturzgefahr besteht gemäss
Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts E.________ eine zeitlich und
leistungsmässig uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit. Es ist mit Blick auf dieses
Anforderungsprofil an eine leidensangepasste Beschäftigung zu erwarten, dass
der Versicherte den von der Vorinstanz gestützt auf die Schweizerische
Lohnstrukturerhebung 2008 des Bundesamtes für Statistik, Tabelle TA 1, Zeile
"Total", Männer im Anforderungsniveau 4, errechneten Jahreslohn von Fr.
59'978.88 erzielen könnte; somit ist vom entsprechenden Tabellenlohn entgegen
seinen Ausführungen kein Abzug im Sinne von BGE 126 V 75 vorzunehmen.

5. 
In Anbetracht der geringen Unfallrestfolgen vermag der Beschwerdeführer
schliesslich auch mit seinem Begehren um Zusprechung einer
Integritätsentschädigung nicht durchzudringen.

6. 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und wird im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG, ohne Durchführung eines
Schriftenwechsels, erledigt. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten (Art.
65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG) vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei
zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und
dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Mai 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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