Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.249/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_249/2015

Urteil vom 13. Juli 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Hochuli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Freiburg,
Route du Mont-Carmel 5, 1762 Givisiez,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts Freiburg
vom 24. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1959 geborene A.________ ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Im
Rahmen einer Saisonniertätigkeit war er seit 1992 als Marmorist erwerbstätig.
Wegen Rückenbeschwerden bezog er nach einer Diskektomie vom 15. Mai 1996 mit
Wirkung ab 1. Mai 1996 eine halbe Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von
60 %. Mit Verfügung vom 18. Mai 2001 gewährte die Invalidenversicherung dem
Versicherten auf dessen Gesuch hin eine Kapitalhilfe von Fr. 21'000.- für die
geplante Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit als Betreiber eines
Imbisswagens. Nach dem Scheitern dieses Planes nahm der Versicherte am 21. Mai
2001 eine Tätigkeit als Betriebsmitarbeiter der Firma B.________ AG mit
Vollpensum auf. Er verlor diese Beschäftigung unter anderem infolge vieler
Absenzen per Ende April 2002. Ab Mai 2002 trat er eine neue Arbeitsstelle als
Marmorist an, weshalb die IV-Stelle die Invalidenrente revisionsweise mit
Verfügung vom 4. März 2005 aufhob. Nachdem der Versicherte seit Juli 2007
wieder voll arbeitsunfähig war, löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis
per Ende September 2007 auf. Am 29. Juli 2008 meldete sich A.________ erneut
bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an und am 14. April 2009
erlitt er einen Herzinfarkt. Nach weiteren medizinischen Abklärungen bot die
IV-Stelle des Kantons Freiburg dem Versicherten Unterstützung bei der
Arbeitsvermittlung an, verneinte jedoch bei einem ermittelten Invaliditätsgrad
von 24 % einen Anspruch auf eine Invalidenrente (Verfügung vom 7. November
2012).

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Kantonsgericht
Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof, mit Entscheid vom 24. Februar 2015
teilweise gut. Es passte die Verfügung der IV-Stelle vom 7. November 2012 in
dem Sinne an, als es bestimmte, dass der Versicherte vom 1. Januar 2009 bis 30.
April 2009 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hat.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ unter
Aufhebung des angefochtenen Gerichtsentscheides beantragen, die Verfügung vom
7. November 2012 sei in dem Sinne anzupassen, dass er ab 1. Januar 2009
Anspruch auf eine ganze Invalidenrente habe. Zudem lässt er um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersuchen.
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wird nicht
durchgeführt.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG)
kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat
die beschwerdeführende Partei darzulegen. Dazu genügt es nicht, einen von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu
behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1
S. 356; Urteil 9C_779/2010 vom 30. September 2011 E. 1.1.2, nicht publ. in: BGE
137 V 446, aber in: SVR 2012 BVG Nr. 11 S. 44). Eine Sachverhaltsfeststellung
ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden,
sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 132 I 42
E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil
eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die
plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9; Urteile 8C_685/2014 vom
22. Mai 2015 E. 2.1 und 9C_967/2008 vom 5. Januar 2009 E. 5.1).

1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG; vgl. dazu BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 II 136 E. 1.4 S. 140).
Immerhin prüft es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht
der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) - grundsätzlich nur die geltend
gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich
sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle
sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen).

2. 
Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst
der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 135 V
194). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen
hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von
unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten
vorgebracht werden können. Das Vorbringen von Tatsachen, die sich erst nach dem
angefochtenen Entscheid ereigneten oder entstanden (echte Noven), ist vor
Bundesgericht unzulässig (Urteil 8C_690/2011 vom 16. Juli 2012 E. 1.3 mit
Hinweis, nicht publ. in: BGE 138 V 286, aber in: SVR 2012 FZ Nr. 3 S. 7). Bei
dem am 25. März 2015 zu Handen des Rechtsvertreters des Versicherten erstellten
Bericht des behandelnden Pneumologen Dr. med. C.________ handelt es sich um ein
grundsätzlich unzulässiges Novum, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

3. 
Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt das Sozialversicherungsgericht die
Gesetzmässigkeit der Verwaltungsverfügungen in der Regel nach dem Sachverhalt,
der zur Zeit des Verfügungserlasses (hier: 7. November 2012) gegeben war.
Tatsachen, die jenen Sachverhalt seither verändert haben, sollen im Normalfall
Gegenstand einer neuen Verwaltungsverfügung sein (BGE 132 V 215 E. 3.1.1 S.
220; 121 V 366 E. 1b mit Hinweis; Urteil 8C_674/2014 vom 5. Mai 2015 E. 4.1).

4. 
Fest steht und unbestritten ist, dass der Versicherte gemäss
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zwar bereits ab 13. Juli 2007 und bis
zum Herzinfarkt vom 14. April 2009 voll arbeitsunfähig war, jedoch auf Grund
der verspäteten Anmeldung zum Leistungsbezug im Juli 2008 der Rentenanspruch
praxisgemäss (BGE 138 V 475 E. 3.4 S. 480) erst - aber immerhin - mit Wirkung
ab 1. Januar 2009 entstehen konnte. Strittig ist demgegenüber, ob das kantonale
Gericht nach Aktenlage ohne Bundesrechtsverletzung ab Mai 2009 auf eine wieder
erlangte uneingeschränkte Leistungsfähigkeit hinsichtlich einer
leidensangepassten Tätigkeit geschlossen und folglich den zugesprochenen
Rentenanspruch zu Recht bis zum 30. April 2009 befristet hat.

4.1. Die Vorinstanz hat nach eingehender Würdigung der medizinischen Aktenlage
in tatsächlicher Hinsicht für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich
festgestellt (vgl. E. 1), dass insbesondere unter Mitberücksichtigung der
Leistungsfähigkeitsbeurteilung des im Spital D.________ anlässlich des
Herzinfarktes behandelnden Dr. med. E.________ ab Mai 2009 mit Blick auf eine
auch hinsichtlich der Schulter- und Rückenbeschwerden zumutbare
leidensangepasste Tätigkeit weder aus orthopädischer noch aus kardiologischer
Sicht von einer weiter anhaltenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit
auszugehen war. Das kantonale Gericht hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb
auf die gegenteiligen Einschätzungen des behandelnden Hausarztes und des
Regionalen Ärztlichen Dienstes der Invalidenversicherung (RAD) nicht
abzustellen ist.

4.2. Dass die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung das Willkürverbot oder
sonstwie Bundesrecht verletzt habe, indem sie unter anderem auf die
nachvollziehbar begründete, schlüssige und überzeugende Beurteilung des
Kardiologen Dr. med. E.________ abgestellt hat, legt der Beschwerdeführer nicht
dar. Statt dessen stellt er der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung,
welche sich auch mit den abweichenden medizinischen Einschätzungen
auseinandergesetzt hat, seinen gegenteiligen Standpunkt gegenüber, indem er
sich nur auf die für eine umfangreichere und länger anhaltende
Leistungsfähigkeitseinschränkung sprechenden Arztberichte beruft. Dabei
übersieht er, dass das Schlafapnoe-Sydrom, wie es bei ihm laut Bericht des Dr.
med. E.________ diagnostiziert wurde, durch die eingeleitete CPAP-Therapie
grundsätzlich wirksam behandelt werden kann und diese Behandlungsmassnahme dem
Versicherten im Rahmen der Schadenminderungspflicht praxisgemäss auch zumutbar
war (BGE 134 V 109 E. 10.2.7 S. 129 mit Hinweisen und Urteil 8C_53/2010 vom 26.
Mai 2010 E. 5.2.1 mit Hinweis). Dass er diese Therapie beim ersten Versuch aus
invalidenversicherungsrechtlich relevanten medizinischen Gründen nicht
toleriert hätte, macht er nicht geltend und ist nicht ersichtlich. Vielmehr
weist der Beschwerdeführer selber darauf hin, dass der Neustart der
CPAP-Therapie nach zwischenzeitlich anhaltendem Leidensdruck dann ab September
2014 tatsächlich erfolgreich verlief. Schliesslich beruft sich der Versicherte
- soweit hier überhaupt zulässig (vgl. E. 2 hievor) - unter Verweis auf die
Einschätzungen seines behandelnden Pneumologen auf eine maximal 20%ige
Leistungsfähigkeitseinschränkung. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass auch die
zusätzliche Berücksichtigung einer solchen Einschränkung - über den bereits von
der Verwaltung im Rahmen des Einkommensvergleichs einbezogenen leidensbedingten
Abzug hinaus - nicht zu einem anspruchsbegründenden Invaliditätsgrad von
mindestens 40 % führen würde. Insofern ist auch nicht erkennbar, inwiefern
nicht nur die Begründung des angefochtenen Entscheids, sondern auch dessen
Ergebnis unhaltbar und damit willkürlich (vgl. BGE 138 I 49 E. 7.1 i.f. S. 51
mit Hinweisen) sein soll.

4.3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und folglich abzuweisen.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Die
Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66
Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch
entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit ausgewiesen und die Beschwerde nicht
als aussichtslos zu bezeichnen ist; ferner war die Vertretung durch einen
Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es
wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach
die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu in der Lage ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Patrik Gruber wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes
vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 13. Juli 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Hochuli

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben