Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.22/2015
Zurück zum Index I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015
Retour à l'indice I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_22/2015         
{T 0/2}

Urteil vom 5. Mai 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel, Viaduktstrasse 42, 4051 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Familienzulage (Rückerstattung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt vom 1. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1962, bezog seit Januar 2009 Familienzulagen für die im
September 2005 geborene A.B.________. Am 23. August 2011 wurde die Ehe des
A.________ mit der Mutter der A.B.________, B.B.________ (1986), geschieden;
gleichentags stellte das Zivilgericht Basel-Stadt auf Klage des A.________ hin
fest, dass zwischen dem Kläger und A.B.________ kein Kindesverhältnis besteht.
Entsprechend der gerichtlich genehmigten Scheidungsvereinbarung wohnte
A.________ noch während zwei Jahren mit seiner Ex-Ehefrau und deren Tochter
zusammen und kam in dieser Zeit weiterhin für den Unterhalt von A.B.________
auf. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2013 und Einspracheentscheid vom 15.
November 2013 verneinte die Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel
rückwirkend ab 13. September 2011 einen Anspruch des A.________ auf
Familienzulagen für A.B.________ und forderte die zwischen 13. September 2011
und September 2013 ausbezahlten Kinderzulagen zurück.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 1.
Dezember 2014 gut und hob den angefochtenen Einspracheentscheid ersatzlos auf.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel, es sei
unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid vom
15. November 2013 zu bestätigen.

Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt das
Bundesamt für Sozialversicherungen deren Gutheissung.

Erwägungen:

1. 

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich
weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von
der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das
Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).

1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner in der Zeit zwischen 13.
September 2011 und September 2013 Anspruch auf Kinderzulagen für die Tochter
seiner Ex-Ehefrau hatte.

3. 

3.1. Familienzulagen sind einmalige oder periodische Geldleistungen, die
ausgerichtet werden, um die finanzielle Belastung durch ein oder mehrere Kinder
teilweise auszugleichen (Art. 2 FamZG). Für das gleiche Kind wird gemäss Art. 6
FamZG nur eine Zulage derselben Art ausgerichtet. Die Differenzzahlung nach
Art. 7 Abs. 2 FamZG bleibt vorbehalten.

3.2. Zum Anspruch auf Familienzulagen berechtigen nach Art. 4 Abs. 1 FamZG:

a.       Kinder, zu denen ein Kindesverhältnis im Sinne des Zivilgesetzbuches
besteht;
b.       Stiefkinder;
c.       Pflegekinder;
d.       Geschwister und Enkelkinder der bezugsberechtigten Person, wenn diese
für deren Unterhalt in überwiegendem Mass aufkommt.

3.3. Haben mehrere Personen für das gleiche Kind Anspruch auf Familienzulagen
nach eidgenössischem oder kantonalem Recht, so steht der Anspruch gemäss Art. 7
Abs. 1 FamZG in nachstehender Reihenfolge zu:
a.       der erwerbstätigen Person;
b.       der Person, welche die elterliche Sorge hat oder bis zur Mündigkeit
des Kindes hatte;
c.       der Person, bei der das Kind überwiegend lebt oder bis zu seiner
Mündigkeit lebte;
d.       der Person, auf welche die Familienzulagenordnung im Wohnsitz- kanton
des Kindes anwendbar ist;
e.       der Person mit dem höheren AHV-pflichtigen Einkommen aus un-
selbstständiger Erwerbstätigkeit;
f.       der Person mit dem höheren AHV-pflichtigen Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit.

3.4. Rechtsprechungsgemäss gilt Art. 7 Abs. 1 FamZG bereits ab dem Zeitpunkt
des Entstehens des Lohnanspruches. Dies hat die Folge, dass in jenen Fällen, in
denen sich der Anspruch der erstansprechenden Person nachträglich als
nachrangig erweist, unter Umständen der zweitansprechenden Person Nachzahlungen
erbracht werden müssen, während die erstansprechende Person grundsätzlich zur
Rückzahlung der unrechtmässig bezogenen Leistungen verpflichtet ist (BGE 139 V
429 E. 4 S. 432 f.).

4. 

4.1. Gemäss den vorinstanzlichen Erwägungen steht der Beschwerdegegner zwar in
keinem der in Art. 4 Abs. 1 FamZG aufgeführten Verhältnisse zum Kind, für
welches er Kinderzulagen bezogen hat; es stehe aber immerhin fest, dass er in
der fraglichen Zeit für den Unterhalt des Kindes aufgekommen sei. Das Gesetz
sei diesbezüglich lückenhaft; es rechtfertige sich daher, den Anwendungsbereich
von Art. 4 Abs. 1 FamZG auch auf den Beschwerdegegner "auszudehnen". Die
beschwerdeführende Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen
bringen dagegen vor, die Aufzählung in Art. 4 Abs. 1 FamZG sei abschliessend.

4.2. Gemäss der verbindlichen und während des ganzen Verfahrens unbestritten
gebliebenen Feststellung der Vorinstanz nahm die Mutter von A.B.________ im
September 2011 eine Erwerbstätigkeit auf. Haben mehrere erwerbstätige Personen
einen grundsätzlichen Anspruch auf Kinderzulagen, so steht der Anspruch
derjenigen Person zu, welche die elterliche Sorge hat (Art. 7 Abs. 1 lit. b
FamZG). Da der Beschwerdegegner im Gegensatz zur Kindsmutter im hier streitigen
Zeitraum nicht sorgeberechtigt war, stand der Anspruch der Kindsmutter zu. Wie
die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, folgt daraus, dass der
Beschwerdegegner unabhängig davon, ob er als Anspruchsberechtigter überhaupt in
Frage kommt, keinen Anspruch auf die zwischen 13. September 2011 und September
2013 bezogenen Kinderzulagen hatte und diese grundsätzlich zurückzuerstatten
hat (vgl. E. 3.4 hievor). Die Frage nach der Tragweite von Art. 4 Abs. 1 FamZG
braucht daher im vorliegenden Verfahren nicht näher geprüft zu werden. Die
offensichtlich begründete Beschwerde ist demgemäss im Verfahren nach Art. 109
Abs. 2 lit. b BGG gutzuheissen, der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben und
der Einspracheentscheid vom 15. November 2013 zu bestätigen.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem
Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Basel-Stadt vom 1. Dezember 2014 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Familienausgleichskasse Arbeitgeber Basel vom 15.
November 2013 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Mai 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben