Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.219/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_219/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 12. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 27. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1969 geborene A.________ hatte sich 1993 erstmals zum Bezug von
Leistungen der Invalidenversicherung angemeldet, nachdem er sich am 23.
September 1992 bei einem Arbeitsunfall an zwei Fingern der linken Hand schwer
verletzt hatte. Die IV-Kommission des Kantons St. Gallen sprach ihm mit
Verfügung vom 27. Mai 1994 ab    1. November 1993 eine halbe Invalidenrente zu.
Im Rahmen eines Revisionsverfahrens verfügte die IV-Stelle am 30. Januar 1998
die Aufhebung der Invalidenrente auf Ende des der Zustellung der Verfügung
folgenden Monats. Einen dagegen gerichteten Rekurs wies das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 30. Mai 2000 ab.

A.b. Im Mai 2002 meldete sich A.________ erneut zum Bezug von Leistungen der
Invalidenversicherung an. Nachdem die IV-Stelle zunächst mit Verfügung vom 20.
Januar 2003 eine Invalidenrente verweigert hatte, widerrief sie diese am 14.
März 2003 und veranlasste weitere Abklärungen, namentlich eine psychiatrische
Begutachtung in der Klinik B.________ vom 28. Juli 2004 sowie eine
handchirurgische und psychiatrische Begutachtung in der Klinik C.________ vom
27. Februar 2006. Mit Verfügung vom 2. Mai 2006, bestätigt durch den
Einspracheentscheid vom 9. Oktober 2006, verneinte die IV-Stelle erneut einen
Rentenanspruch. Das Versicherungsgericht des Kantons         St. Gallen hiess
die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 16. Mai 2007 teilweise gut,
sprach A.________ basierend auf einem Invaliditätsgrad von 44 % eine
Viertelsrente zu und wies die Sache zur Festsetzung von Rentenbeginn und
Rentenhöhe an die IV-Stelle zurück. Das Bundesgericht hob diesen Entscheid mit
Urteil vom 28. Februar 2008 (8C_394/2007) auf und wies die Sache zur weiteren
psychiatrischen Abklärung an die IV-Stelle zurück.
Nach Einholung eines Gutachtens des Dr. med. D.________, Facharzt für
Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 26. Juni 2008, wies die IV-Stelle das
Rentenbegehren mit Verfügung vom 11. Dezember 2008 wiederum ab. Das
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hob die Verfügung in teilweiser
Gutheissung der dagegen gerichteten Beschwerde mit Entscheid vom 24. Februar
2011 auf und wies die Sache zur weiteren psychiatrischen Abklärung an die
IV-Stelle zurück. Gestützt auf das daraufhin eingeholte Gutachten der Klinik
E.________ vom 9. August 2011 sowie den Bericht des Regionalen Ärztlichen
Dienstes (RAD) vom 22. August 2012 verfügte die IV-Stelle am 5. März 2013 nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 0
% die Rentenabweisung.

B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher A.________ die Ausrichtung einer
Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 %
beantragen liess, hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit
Entscheid vom 27. Februar 2015 dahingehend gut, dass es dem Versicherten ab 1.
Juni 2005 eine Viertelsrente und ab 1. November 2011 eine ganze Invalidenrente
zusprach und die Angelegenheit zur Rentenberechnung und entsprechenden
Verfügung an die IV-Stelle zurückwies.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Bestätigung ihrer
Verfügung vom 5. März 2013. Zudem ersucht sie um Gewährung der aufschiebenden
Wirkung.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen und um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ersuchen.

D. 
Mit Verfügung vom 20. Mai 2015 hat der Instruktionsrichter der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

E. 
Mit Verfügung vom 2. Juli 2015 gab das Bundesgericht den Parteien Gelegenheit,
aufgrund des Grundsatzurteils BGE 141 V 281 vom       3. Juni 2015 im Bereich
der invalidenversicherungsrechtlichen Rechtsprechung zu den anhaltenden
somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden in
der vorliegenden Streitsache allfällige Ergänzungen anzubringen. Die IV-Stelle
hielt mit Eingabe vom 10. August 2015 an ihrer Beschwerde fest, während
A.________ mit Eingaben vom 17. und 28. August 2015 erneut auf Abweisung der
Beschwerde schliessen liess.

Erwägungen:

1. 
Der vorinstanzliche Entscheid spricht dem Beschwerdegegner eine abgestufte
Rente zu und weist im Übrigen die Sache an die Beschwerdeführerin zur
Berechnung der Rentenbeträge zurück. Dabei handelt es sich, formell, um einen
Rückweisungsentscheid, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder 93
BGG beim Bundesgericht anfechtbar ist. Da indessen die Rückweisung lediglich
noch der Umsetzung des von der Vorinstanz Angeordneten dient, wobei der
Verwaltung kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt, liegt in Wirklichkeit
ein Endentscheid nach Art. 90 BGG vor (Urteile 9C_366/2015 vom 22. September
2015 E. 1.1, 9C_684/2007 vom 27. Dezember 2007 E. 1.1, in: SVR 2008 IV Nr. 39
S. 131).

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es,
unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42
Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige
weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274
   E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 141 V 236 E. 1 S. 236; 140 V 136 E. 1.1 S. 137
f.).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.3. Bei den gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.). Ebenso
stellt die konkrete Beweiswürdigung eine Tatfrage dar. Dagegen sind die
unvollständige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie die Missachtung
des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) und der
Anforderungen an den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten Rechtsfragen
(BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232).

3. 
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie
dem Beschwerdegegner ab 1. Juni 2005 eine Viertelsrente und ab 1. November 2011
eine ganze Invalidenrente zugesprochen hat. Nicht mehr bestritten ist, dass
sich ein allfälliger Leistungsanspruch einzig aus einer die Arbeitsfähigkeit
einschränkenden psychischen Problematik ergeben kann.
Im angefochtenen Entscheid sowie in den in dieser Sache bereits ergangenen
Entscheiden des Versicherungsgerichts des Kantons   St. Gallen vom 16. Mai 2007
und 24. Februar 2011 sind die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf eine
Invalidenrente, zur Aufgabe von Arzt und Ärztin bei der Invaliditätsbemessung
sowie zur Beweiswürdigung, namentlich bezüglich ärztlicher Berichte und
Gutachten, zutreffend dargelegt worden. Hervorzuheben ist, dass die Beurteilung
sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche verlässlicher medizinischer
Entscheidungsgrundlagen bedarf. Hinsichtlich des Beweiswertes eines
Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend
ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden
berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in
der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der
medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten
begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232 mit Hinweis). Im Verwaltungs- und
im kantonalen Beschwerdeverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz (Art. 43 Abs.
1, Art. 61 lit. c ATSG).

4.

4.1. Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, der Beschwerdegegner sei
aufgrund einer andauernden Persönlichkeitsänderung und einem anamnestisch
dysphorisch-depressiven Syndrom seit 9. August 2011 (Datum Begutachtung Klinik
E.________) zu 100 % arbeitsunfähig; eine Arbeitsunfähigkeit von 30 % sei seit
24. Juni 2004 rechtsgenüglich ausgewiesen. Die Vorinstanz stützte sich dabei
auf das versicherungspsychiatrische Obergutachten der Klinik E.________ vom 9.
August 2011 und für die rückwirkende Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit
zusätzlich auf das Gutachten der Klinik B.________ vom 28. Juli 2004. Sie
erwog, die diagnostizierte Krankheit einer Persönlichkeitsänderung falle nicht
in den Anwendungsbereich der Überwindbarkeitspraxis von anhaltenden
somatoformen Schmerzstörungen, weshalb auch aus juristischer Sicht von einer
100%igen Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdegegners auszugehen sei. Selbst wenn
die Überwindbarkeitspraxis anwendbar wäre, so das kantonale Gericht, wären die
Foerster-Kriterien hinreichend ausgeprägt erfüllt, so dass von der
Unüberwindbarkeit des Leidens auszugehen wäre.

4.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, beim Beschwerdegegner liege kein
invalidisierender Gesundheitsschaden vor. Die diagnostizierte andauernde
Persönlichkeitsänderung sei nach den rechtlichen Kriterien zu beurteilen, die
für somatoforme Schmerzstörungen und ähnliche Leiden gelten. Die
Foerster-Kriterien seien nicht in genügender Weise erfüllt, um auf einen
ausnahmsweise invalidisierenden Charakter des Leidens zu schliessen. In
sämtlichen früheren Expertisen werde sodann eine für den Rentenanspruch
relevante Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht nachvollziehbar begründet.

4.3. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10. August 2015 legt die
Beschwerdeführerin dar, die geänderte bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den
psychosomatischen Leiden ändere nichts am Ergebnis, dass kein invalidisierender
Gesundheitsschaden vorliege.

5.

5.1. Im seit Mai 2002 hängigen, langwierigen Verfahren um die Zusprechung einer
Invalidenrente wurde der Beschwerdegegner mehrfach begutachtet, insbesondere in
psychiatrischer Hinsicht. Bezüglich Diagnosestellung und Frage einer
allfälligen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen bestehen
fachärztlicherseits unterschiedliche Angaben und widersprüchliche
Einschätzungen.

5.2. So wurden im psychiatrischen Gutachten der Klinik B.________ vom 28. Juli
2004 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine spezifische
Persönlichkeitsstörung mit impulsiven und passiv-aggressiven Zügen
diagnostiziert und festgehalten, aus psychiatrischer Sicht bestehe gegenwärtig
eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit mit einer verminderten Leistungsfähigkeit im
Ausmass von 20 %. Im Gutachten der Klinik C.________ vom 27. Februar 2006
wurden als Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit im Wesentlichen
persistierende, therapieresistente, elektrisierende beugeseitige Schmerzen von
Dig. II bis V der linken Hand mit Ausstrahlungen, St. n. Amputation Dig. II
sowie Dig. III und ein dysphorisch-leicht depressives Zustandsbild erwähnt. Die
Gutachter attestierten für die bisherige Tätigkeit eine 30%ige
Arbeitsunfähigkeit, hielten angepasste Tätigkeiten jedoch grundsätzlich
ganztags ohne zeitliche Einschränkungen für zumutbar. Dr. med. D.________
diagnostizierte im psychiatrischen Gutachten vom 26. Juni 2008 sodann ein
anhaltendes, dysphorisches und leicht depressives Zustandsbild seit Ende 1994
und führte aus, die psychische Situation habe sich seit den letzten
Begutachtungen kaum verändert. Er hielt fest, der Versicherte sei grundsätzlich
in der bisherigen wie auch in einer angepassten Tätigkeit in der Lage. ganztags
zu arbeiten, wobei insgesamt eine Leistungsminderung von ca. 30 % bestehe. Im
psychiatrischen Gutachten der Klinik E.________ vom          9. August 2011
schliesslich wurden als psychiatrische Diagnosen mit Einfluss auf die
Arbeitsfähigkeit eine andauernde Persönlichkeitsänderung sowie ein anamnestisch
dysphorisch-depressives Syndrom genannt. Die Gutachter attestierten dem
Versicherten aus rein psychiatrischer Sicht eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit,
wobei Rehabilitationsmassnahmen in einem mindestens 50%igen Pensum im Rahmen
einer therapeutisch geführten, tagesstrukturierenden Beschäftigung oder
(spätestens im Verlauf) in einer geschützten Werkstätte nicht nur möglich,
sondern dringend anzuraten seien.

5.3. Angesichts dieser stark voneinander abweichenden, letztlich nicht
schlüssigen Angaben zur zumutbaren Restarbeitsfähigkeit lässt sich der Grad der
Arbeitsunfähigkeit auf Grund der vorhandenen medizinischen Unterlagen entgegen
der Vorinstanz nicht zuverlässig bestimmen. Wohl beruht das Gutachten der
Klinik E.________ vom 9. August 2011, auf welches sich das kantonale Gericht
stützt, auf eigenen Untersuchungen und ist in Kenntnis der Vorakten abgefasst
worden. Bezüglich der attestierten 100%igen Arbeitsunfähigkeit sind die
Folgerungen der Experten jedoch nur sehr rudimentär begründet und setzen sich
insbesondere nicht genügend mit den stark abweichenden früheren Einschätzungen
auseinander. Namentlich fehlt eine überzeugende Auseinandersetzung mit dem
Gutachten des Dr. med. D.________ vom 26. Juni 2008, gemäss welchem der
Versicherte in der bisherigen wie auch in einer angepassten Tätigkeit in der
Lage sei ganztags zu arbeiten, wobei nur eine 30%ige Leistungsminderung
bestehe, und mit dem Gutachten der Klinik C.________ vom 27. Februar 2006,
gemäss welchem angepasste Tätigkeiten grundsätzlich ganztags ohne zeitliche
Einschränkungen zumutbar seien. Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb der
Beschwerdegegner (inzwischen) gar nicht mehr arbeitsfähig sein soll, jedoch
trotzdem dringend eine therapeutisch geführte, tagesstrukturierende
Beschäftigung, allenfalls in einer geschützten Werkstätte im Rahmen von 50 %
angeraten wird, ist nicht vorhanden. Das Gutachten der Klinik E.________ vom 9.
August 2011 bildet mithin keine hinreichende Beurteilungsgrundlage für die
Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit aus psychiatrischer Sicht. Der Sachverhalt
ist diesbezüglich trotz den bereits eingeholten Gutachten zu wenig abgeklärt,
um ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes über den Gesundheitszustand und
dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit befinden zu können. Es fehlt
namentlich ein psychiatrisches Obergutachten, welches die eigene Einschätzung
der Arbeitsunfähigkeit nachvollziehbar begründet und sich schlüssig mit den
bisherigen Gutachten, insbesondere mit den stark voneinander abweichenden
Einschätzungen der Arbeitsfähigkeit auseinandersetzt. Die Sache ist an die
Verwaltung zurückzuweisen, damit diese die notwendigen Abklärungen nachhole und
neu verfüge. Dies hat ohne jeden Verzug zu geschehen.

5.4. Soweit sich überdies - je nach Diagnosestellung - aus der neueren
Rechtsprechung des Bundesgerichts zu anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen
und vergleichbaren psychosomatischen Leiden (BGE 141 V 281 E. 5.2 S. 306 ff.)
erweiterte Anforderungen an die Begutachtung ergeben, werden diese durch die
Verwaltung zusätzlich zu berücksichtigen sein. In diesem Sinne ist die
Beschwerde gutzuheissen.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Rückweisung der Sache an
die Verwaltung zu erneuter Abklärung gilt für die Frage der Auferlegung der
Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im
Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob
sie beantragt und ob das entsprechende Begehren im Haupt- oder im
Eventualantrag gestellt wird (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit Hinweisen). Die
Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdegegner auferlegt (Art. 65
Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche
Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der
unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt
werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam
gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Februar 2015 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 5. März 2013 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons St.
Gallen zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und
Rechtsanwalt Werner Bodenmann wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes
vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet.

5. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 12. Oktober 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch

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