Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.208/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
8C_208/2015        
{T 0/2}

Urteil vom 17. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Maillard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Brender,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Heilbehandlung; Integritätsentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 13. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1956 geborene A.________ ist als Flugzeugingenieur bei der B.________ AG
tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 14. März 2008 wurde er von
einer Zecke gestochen. Hierauf erkrankte er an einer
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), was zu einer Arbeitsunfähigkeit führte.
Die SUVA gewährte Heilbehandlung und richtete Taggeld aus. Ab Oktober 2008 war
A.________ wieder zu 50 %, ab April 2009 zu 75 % und ab August 2009 zu 100 %
arbeitsfähig. Er klagte aber nach wie vor über gesundheitliche Beschwerden. Mit
Verfügung vom 14. März 2013 schloss die SUVA den Fall per 13. Februar 2013 ab.
Sie verneinte einen weiteren Leistungsanspruch mit der Begründung, die noch
bestehenden Beschwerden seien nicht auf die durchgemachte FSME zurückzuführen.
Daran hielt der Unfallversicherer mit Einspracheentscheid vom 22. Juli 2013
fest.

B. 
Beschwerdeweise beantragte A.________, in Aufhebung des Einspracheentscheids
sei die SUVA zu verpflichten, die nach wie vor anfallenden Heilbehandlungs-/
Medikamentenkosten zu übernehmen; evtl. sei die Sache zu weiteren medizinischen
Abklärungen an den Versicherer zurückzuweisen. Im weiteren Verfahrensgang
machte A.________ geltend, die Sache sei zur Prüfung des Anspruchs auf
Heilbehandlung nach Art. 21 UVG sowie auf eine Integritätsentschädigung an die
SUVA zurückzuweisen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 13. Februar 2015 ab.

C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________,
es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Sache an das kantonale
Gericht resp. den Unfallversicherer zurückweisen mit der Anweisung, weiterhin
die zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit erforderliche Heilbehandlung zu gewähren
sowie den Grad des Integritätsschadens festzulegen und die Entschädigung hiefür
zu verfügen.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Beschwerde, ohne sich weiter zur Sache zu
äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1 S. 138).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder der Unfallversicherung (zu diesen Geldleistungen zählt die
Integritätsentschädigung) ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und
Art. 105 Abs. 3 BGG). Hingegen legt das Bundesgericht bei Sachleistungen (hiezu
zählt die Heilbehandlung) seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Letztinstanzlich steht fest und ist nicht mehr umstritten, dass der
Fallabschluss im Sinne von Art. 19 Abs. 1 UVG und BGE 134 V 109 zu Recht
erfolgt ist und der geltend gemachte Anspruch auf weitere Heilbehandlung sich
nur aus Art. 21 Abs. 1 UVG ergeben könnte. Streitig ist sodann der Anspruch auf
Integritätsentschädigung.

3. 
Nach der Rechtsprechung erfüllt der Zeckenstich sämtliche Merkmale des
Unfallbegriffs, weshalb der obligatorische Unfallversicherer für die damit
verbundenen Infektionskrankheiten (Lyme-Krankheit, Enzephalitis) und deren
Folgen aufzukommen hat (BGE 122 V 230 und seitherige Entscheide).

Die gesetzlichen Grundlagen der streitigen Leistungsansprüche und die
Grundsätze zu den erforderlichen kausalen Zusammenhängen sind im angefochtenen
Entscheid zutreffend dargelegt. Hervorzuheben ist, dass ein Leistungsanspruch
nach UVG einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und dem eingetretenen Schaden voraussetzt. Dabei spielt die Adäquanz als
rechtliche Eingrenzung der sich aus dem natürlichen Kausalzusammenhang
ergebenden Haftung des Unfallversicherers im Bereich organisch objektiv
ausgewiesener Unfallfolgen praktisch keine Rolle, da sich hier die adäquate
weitgehend mit der natürlichen Kausalität deckt. Sind die geklagten Beschwerden
natürlich unfallkausal, aber nicht organisch objektiv ausgewiesen, so ist die
Adäquanz besonders zu prüfen (BGE 138 V 238 E. 4 S. 250 f. mit Hinweisen). Dies
erfolgt bei psychischen Beschwerden nach einem Schreckereignis gemäss der
allgemeinen Adäquanzformel (BGE 129 V 177 E. 4 S. 183 ff.; SVR 2014 UV Nr. 27
S. 90, 8C_480/2013 E. 2). Gleich wurde bei Beschwerden als direkte Folgen eines
zeckenstichbedingten Leidens entschieden (SVR 2002 UV Nr. 11 S. 31, U 245/99 E.
4 und 6; vgl. auch Urteil 17/00 vom 9. Juli 2001 E. 1b und 3b). Bei
Schleudertraumen und vergleichbaren Unfallmechanismen erfolgt die
Adäquanzbeurteilung nach der sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109; 117 V
359, 369) und im Übrigen gemäss den zu psychischen Fehlentwicklungen nach
Unfall entwickelten Grundsätzen (BGE 115 V 133).

4. 
Die Vorinstanz hat einen Anspruch auf Integritätsentschädigung namentlich mit
der Begründung verneint, es fehle am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen den
bestehenden Beschwerden und dem Zeckenstich resp. der hienach durchgemachten
FSME. Es hat sodann erkannt, demnach könne die Frage nach dem natürlichen
Kausalzusammenhang offen gelassen werden.

Letzteres ist nicht zu beanstanden, wenn die Adäquanz zu Recht verneint wurde (
BGE 135 V 465 E. 5.1 S. 472). Das gilt es zu prüfen.

4.1. Das kantonale Gericht hat erkannt, es bestünden keine organisch
nachweisbare Funktionsausfälle. Diese Beurteilung trifft nach den medizinischen
Akten und der Rechtsprechung zu den Anforderungen an den Nachweis organischer
Unfallfolgen (BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251 mit Hinweisen) zu. Auch die weiterhin
geltend gemachten neuropsychologischen Beschwerden wurden nicht im Sinne dieser
Rechtsprechung mit apparativen/bildgebenden Untersuchungen bestätigt. Zudem ist
in antizipierter Beweiswürdigung davon auszugehen, dass ein solcher Nachweis
mit ergänzenden Abklärungen nicht erbracht werden könnte.

4.2. Die Vorinstanz hat erwogen, die Adäquanz sei nach BGE 115 V 133 zu prüfen.
Der Zeckenstich sei als leichter Unfall zu qualifizieren. Dies führe zur
Verneinung des adäquaten Kausalzusammenhangs und damit des Anspruchs auf eine
Integritätsentschädigung.

4.2.1. Die Anwendbarkeit der Grundsätze gemäss BGE 115 V 133 wird zu Recht
nicht in Frage gestellt. Zwar werden Beschwerden wie während der
FSME-Erkrankung geklagt. Letztere wird aber von fachärztlicher Seite fast
einhellig als seit mehreren Jahren ausgeheilt betrachtet. Zudem übt der
Versicherte seine angestammte, anspruchsvolle Tätigkeit seit mehreren Jahren
wieder mit vollem Pensum aus. Bezüglich der Frage, ob die noch bestehenden
Beschwerden dennoch direkt der FSME zuzurechnen sind oder nicht, gehen die
ärztlichen Meinungen auseinander. Der Neurologe Dr. med. C.________ kommt im
Konsiliarbericht vom 19. November 2012 zum Ergebnis, die geklagten Beschwerden
seien unspezifisch und somato-medizinisch nicht erklärbar. Ein Zusammenhang mit
der im Sommer 2008 durchgemachten und ausgeheilten FSME sei allenfalls möglich,
aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Die gleiche Meinung vertreten die Dres.
med. D.________ und E.________ von der Abteilung Versicherungsmedizin der SUVA
in den Neurologischen Beurteilungen vom 23. Juli 2012 und 14. Januar 2013. Auch
im Untersuchungsbericht des Dr. med. F.________, Klinik G.________, vom 23.
August 2012 wird lediglich von einem nicht auszuschliessenden kausalen
Zusammenhang zur unfallbedingten Erkrankung ausgegangen. Sodann werden in
verschiedenen Akten diverse unfallfremde Faktoren und Leiden aufgeführt, die
die geklagten Beschwerden mindestens teilweise erklären können. Eine andere
Auffassung vertreten die behandelnden Ärzte. Ihre Ausführungen vermögen aber
nicht, die überzeugend begründeten Einschätzungen der vorerwähnten Fachärzte in
Frage zu stellen. Abgesehen davon sind Berichte behandelnder Haus- und
Spezialärzte aufgrund deren auftragsrechtlicher Vertrauensstellung zu Patientin
und Patient praxisgemäss zurückhaltend zu gewichten (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S.
353; SVR 2008 IV Nr. 2 S. 3, I 697/05 E. 4.2; Urteil 8C_892/2013 vom 27. März
2014 E. 5.3.2; vgl. auch BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470). Von weiteren
Abklärungen, wie etwa der beantragten neuropsychologischen
Verlaufsuntersuchung, ist abzusehen, weil sie keinen entscheidrelevanten neuen
Aufschluss erwarten lassen.

4.2.2. Dass ein lediglich leichter Unfall vorliegt, wird richtigerweise nicht
bestritten. Rechtens und nicht in Frage gestellt ist auch die Beurteilung, dass
die Adäquanz demnach zu verneinen ist (vgl. BGE 115 V 133 E. 6a S. 139), was
einen Leistungsanspruch ausschliesst.

4.3. Festzuhalten bleibt, dass nach der allgemeinen Adäquanzformel nicht anders
zu entscheiden wäre. Ein derart langwieriger Beschwerdeverlauf aus einer
zeckenstichbedingten FSME bei zugleich seit Jahren gegebener voller
Arbeitsfähigkeit in einer anspruchsvollen beruflichen Tätigkeit entspricht wohl
kaum dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung.

5. 
Die dargelegten kausalrechtlichen Anforderungen gelten auch für den Anspruch
auf Heilbehandlung nach Art. 21 Abs. 1 UVG. Fehlt es nach dem Gesagten an der
adäquaten Unfallkausalität der noch bestehenden Beschwerden, schliesst dies
daher auch einen solchen Leistungsanspruch aus. Es kann offen bleiben, ob ein
solcher Anspruch im Sinne der vorinstanzlichen Erwägungen auch aus anderen
Gründen zu verneinen wäre. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.

6. 
Die Kosten des Verfahrens sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 17. Juni 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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