Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.188/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_188/2015

Urteil vom 2. Dezember 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
AXA Versicherungen AG,
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Fürsprecher Eric Blindenbacher,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 5. Februar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1962 geborene A.________ war seit November 1997 im Reinigungsdienst
angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Winterthur Versicherungen (heute:
AXA Versicherungen AG; nachfolgend: AXA) obligatorisch gegen Folgen von
Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 26. Mai 1998 blieb sie in einem
Lift stecken und klemmte sich beim Versuch, die Lifttür zu öffnen, den linken
Arm ein. Dabei zog sie sich eine Ellbogenkontusion links mit Ulnarissyndrom und
eine leichte Thoraxkontusion links antero-lateral zu (Arztzeugnis des Dr. med.
B.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 19. Juni 1998). Die AXA erbrachte die
gesetzlichen Leistungen. Nachdem A.________ die Stelle gewechselt hatte und
nach zwei Rückfallmeldungen vom 27. März 2000 und 10. Mai 2000 sprach ihr die
AXA mit Verfügung vom 12. Dezember 2003 eine Integritätsentschädigung,
entsprechend einer Integritätseinbusse von 40 %, und mit Wirkung ab 1. November
2003 eine Rente, basierend auf einem Invaliditätsgrad von 50 %, zu.
Im Rahmen eines am 5. August 2009 von A.________ gestellten und in der Folge
wieder zurückgezogenen Antrags um Revision, welche daraufhin von der AXA von
Amtes wegen durchgeführt worden war, liess der Unfallversicherer A.________
observieren (Bericht vom 12. Januar 2010). Gestützt auf die
Observationsergebnisse und ein Aktengutachten der medizinischen
Abklärungsstelle C.________ vom 1. April 2011 sowie unter Hinweis auf eine
Mitwirkungspflichtverletzung von A.________ in Form der Weigerung, sich
fachärztlich untersuchen zu lassen, stellte die AXA die Rentenleistungen und
die Übernahme von Heilungskosten per 31. Mai 2011 ein (Verfügung vom 27. Juli
2011). Im dagegen von A.________ eingeleiteten Einspracheverfahren holte die
AXA in Koordination mit der Invalidenversicherung ein interdisziplinäres
Gutachten (Handchirurgie/Neurologie/Psychiatrie) des Spitals D.________ vom 28.
Dezember 2012 und der Dr. med. E.________, Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, vom 1. Februar 2013 ein. Dr. med. F.________, Physikalische
Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen FMH, nahm am 18. April
2013 zur gesundheitlichen Entwicklung Stellung. Die Gutachter äusserten sich am
29. August 2013 ergänzend. In teilweiser Gutheissung der Einsprache gewährte
die AXA A.________ ab 1. Juni 2011 eine Rente, entsprechend einer
Erwerbsunfähigkeit von 37 %, lehnte hingegen die Weiterausrichtung von
Heilungskosten über den 31. Mai 2011 hinaus sowie die Vergütung von
Abklärungskosten im Betrag von Fr. 3'100.- ab (Einspracheentscheid vom 30.
Januar 2014).

B. 
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern den Einspracheentscheid insoweit ab, als es
A.________ über den 31. Mai 2011 hinaus eine Rente bei einem Invaliditätsgrad
von 50 % sowie einen Verzugszins von 5 % seit 1. August 2011 ab jeweiliger
Fälligkeit der Rentenbetreffnisse zusprach; im Übrigen wies es das Rechtsmittel
ab, soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer 1). Ferner verpflichtete es die
AXA, A.________ einen Beitrag an die Parteikosten von Fr. 4'000.- zu bezahlen
(Dispositiv-Ziffer 3).

C. 
Die AXA führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, die Dispositiv-Ziffern 1 und 3 des kantonalen Gerichtsentscheids seien
aufzuheben und die vom Unfallversicherer gestützt auf einen IV-Grad von 37 %
per 1. Juni 2011 vorgenommene Rentenanpassung auf Fr. 423.- pro Monat sei zu
bestätigen. Ferner wird darum ersucht, der Beschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zu erteilen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Mit Verfügung vom 30. April 2015 hat das Bundesgericht der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).

Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen
der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art.
97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Voraussetzung für eine Rentenrevision ist die Änderung des Grades der
Invalidität eines Rentenbezügers in einer für den Anspruch erheblichen Weise
(Art. 17 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 UVG; BGE 134 V 131 E. 3 S.
132 f. mit Hinweisen; 130 V 343 E. 3.5 S. 349). Anlass zur Rentenrevision gibt
jede wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die geeignet ist,
den Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen (BGE 134 V
131 E. 3 S. 132 mit Hinweisen). Die Invalidenrente ist somit nicht nur bei
einer wesentlichen Veränderung des Gesundheitszustandes, sondern auch dann
revidierbar, wenn sich die erwerblichen Auswirkungen des an sich gleich
gebliebenen Gesundheitsschadens erheblich verändert haben (BGE 130 V 343 E. 3.5
S. 349 mit Hinweisen). Die Frage der wesentlichen Änderung in den tatsächlichen
Verhältnissen beurteilt sich durch Vergleich des Sachverhalts, wie er im
Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenverfügung bestanden hat (beziehungsweise der
letzten rechtskräftigen Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des
Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und
Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht), mit demjenigen zur Zeit des
streitigen Einspracheentscheids (BGE 133 V 108 E. 5 S. 110 ff.; vgl. auch BGE
134 V 131 E. 3 S. 132 f. mit Hinweis).
Im vorliegenden Fall ist somit der Sachverhalt im Zeitpunkt der
rentenzusprechenden Verfügung vom 12. Dezember 2003 mit demjenigen im Zeitpunkt
des Einspracheentscheides vom 30. Januar 2014 zu vergleichen.

3.

3.1. Der Rentenzusprechung mit Verfügung vom 12. Dezember 2003 lag das
Gutachten des Dr. med. G.________, Facharzt für Chirurgie FMH, speziell
Handchirurgie, vom 24. Juni 2002 bzw. die gestützt darauf getroffene Annahme
einer 60%igen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit zugrunde.
Der Experte diagnostizierte einen Status nach Kontusions-Quetschverletzung des
Nervus-ulnaris-Stammes knapp distal des linken Ellbogengelenkes mit
konsekutivem Complex Regional Pain Syndrom (CRPS) II und Komponenten eines CRPS
I bei Linkshändigkeit, eine unfallbedingte, erhebliche Gebrauchsminderung des
linken Armes und einen Status nach Epineurolyse des Nervus ulnaris und
Subcutan-Verlagerung am Ellbogen links. Zumutbar waren nach seiner Einschätzung
nur noch Beschäftigungen in einem Teilzeitpensum zwischen 50 bis 62,5 %, die
vermehrt mit Geisteskraft ausgeübt werden können, bei welchen der linke Arm
nicht oder lediglich als Hilfshand eingesetzt werden muss. Im Rahmen der
Invaliditätsbemessung wurde der hypothetische Verdienst in der bisherigen
Tätigkeit als Reinigungshilfe (Valideneinkommen; Fr. 49'680.-) dem
tatsächlichen Einkommen in der nach dem Unfall aufgenommenen 60%-Beschäftigung
als Verkaufsberaterin in einer Bijouterie (Invalideneinkommen; Fr. 24'480.-)
verglichen und daraus ein Invaliditätsgrad von 50 % errechnet. Auf den 31. Juli
2007 gab die Beschwerdegegnerin die Stelle als Bijouterieverkäuferin aus
gesundheitlichen Gründen auf. Am 13. August 2007 machte sie bei der
Beschwerdeführerin einen Rückfall geltend. In der Folge meldete sie sich auch
bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an. Im Oktober 2011 machte
sie sich beruflich selbstständig (Franchising) und übernahm die Leitung eines
Esoterikladens. Mit Blick auf diese Umstände nimmt die Vorinstanz an, aufgrund
des Stellenwechsels und der unterschiedlichen Tätigkeit liege ein erwerblicher
Revisionsgrund vor. Ob auch ein medizinischer Revisionsgrund im Sinne einer
Besserung des Gesundheitszustandes gegeben sei, wie von der Versicherung mit
ausführlicher Begründung geltend gemacht werde, könne damit offen bleiben.
Weiterungen bezüglich der Frage zum Beweiswert der medizinischen Akten
hinsichtlich eines allfälligen Revisionsgrundes wegen einer Veränderung des
Gesundheitszustandes würden sich ebenfalls erübrigen. Wegen des erwerblichen
Revisionsgrundes sei der Rentenanspruch in rechtlicher und tatsächlicher
Hinsicht allseitig neu zu prüfen.

3.2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, sie habe eine Revision per 1.
Juni 2011 nicht aufgrund eines Tätigkeitswechsels der Versicherten vorgenommen,
sondern weil sie der Ansicht gewesen sei, dass sich der unfallbedingte
Gesundheitszustand spätestens zu jenem Zeitpunkt geändert habe. In diesem
Zusammenhang muss ihr allerdings entgegengehalten werden, dass es keine
Rangordnung unter verschiedenen Revisionsgründen gibt. Sie übersieht, dass
bereits mit der Aufgabe der Stelle als Bijouterieverkäuferin auf den 31. Juli
2007 - und entgegen ihrer Ansicht nicht erst mit dem Beginn der selbstständigen
Erwerbstätigkeit am 1. Oktober 2011 mit zumindest in der Anfangszeit
vollständig fehlendem Verdienst - eine wesentliche Änderung in den
tatsächlichen Verhältnissen eingetreten war, die geeignet ist, den
Invaliditätsgrad und damit den Rentenanspruch zu beeinflussen (vgl. Kieser,
ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 32 zu Art. 17 ATSG), da der der
Rentenverfügung vom 12. Dezember 2003 zugrundeliegende Einkommensvergleich auf
dem Verdienst aus der Beschäftigung als Bijouterieverkäuferin
(Invalideneinkommen) fusst (vgl. E. 2 hiervor). Nach der (gesundheitsbedingten)
Aufgabe dieser Tätigkeit, mit welcher die Versicherte die ihr verbliebene
Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausgeschöpft hatte, musste mit Blick
auf das veränderte Invalideneinkommen eine neue Invaliditätsbemessung erfolgen.
Irrelevant ist, ob das Revisionsverfahren ursprünglich von der Versicherten
oder von der Beschwerdeführerin eingeleitet worden war. Ebenso unerheblich ist,
dass die AXA die Rentenleistungen und Heilungskosten mit Verfügung vom 27. Juli
2011 zunächst unter Hinweis auf eine Mitwirkungspflichtverletzung der
Versicherten (wegen der Weigerung, sich medizinisch begutachten zu lassen)
eingestellt hatte. Denn die Beschwerdegegnerin hatte sich (zumindest) im
Einspracheverfahren unstreitig bereit erklärt, sich einer Begutachtung zu
unterziehen. Da das kantonale Gericht an den von der Unfallversicherung geltend
gemachten Revisionsgrund der gesundheitlichen Besserung nicht gebunden war,
konnte es sich stattdessen auf den Revisionsgrund der erwerblichen Veränderung
stützen und die Frage, ob sich aus den medizinischen Akten in gesundheitlicher
Hinsicht verglichen mit der Situation bei der erstmaligen Rentenzusprechung
eine entscheidende Veränderung ergibt, offen lassen. Auch letztinstanzlich muss
auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin, soweit
sie sich damit auseinandersetzen, ob eine Änderung des unfallbedingten
Gesundheitszustandes eingetreten ist, nicht weiter eingegangen werden. Denn bei
dieser Ausgangslage ist aus medizinischer Sicht einzig relevant, welche -
zumindest teilkausalen - Auswirkungen der aktuelle Gesundheitszustand auf die
Arbeitsfähigkeit hat.

4.

4.1. Gemäss Gutachten des Spitals D.________ vom 28. Dezember 2012 und der Dr.
med. E.________ vom 1. Februar 2013 leidet die Versicherte an einem CRPS II der
linken oberen Extremität mit lokaler Nervenverletzung am proximalen Vorderarm
und an handchirurgisch-neurologisch nicht erklärbaren generalisierten
Körperschmerzen. Aus psychiatrischer Sicht wird keine Diagnose mit Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit gestellt. Ohne Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit
werden eine Agoraphobie ohne Panikstörung, ein Verdacht auf eine sonstige
depressive Episode und als Differentialdiagnosen eine chronische Schmerzstörung
mit somatischen und psychischen Faktoren sowie sonstige Persönlichkeits- und
Verhaltensstörungen festgehalten. In einer leichten manuellen Tätigkeit mit
Wechselbelastung sowie selbst einteilbaren Pausen wird aus
handchirurgisch-neurologischer Sicht eine maximal 50%ige Arbeitsfähigkeit
attestiert. Aus psychiatrischer Sicht wird keine andauernde Arbeitsunfähigkeit
festgestellt. Gestützt auf dieses polydisziplinäre Gutachten geht die
Vorinstanz von einer zumutbaren 50%igen Arbeitsfähigkeit aus. Zur Ermittlung
des Valideneinkommens stellt sie im Vergleich zu den Grundlagen der ersten
Rentenverfügung vom 12. Dezember 2003 unverändert auf den Lohn in der vor dem
Unfall ausgeübten Tätigkeit im Reinigungsdienst von teuerungsangepasst Fr.
55'427.- für das Jahr 2011 ab. Das Invalideneinkommen setzt sie, ausgehend von
einem zumutbaren 50%-Pensum in einer körperlich leichten Verweistätigkeit,
gestützt auf die Zahlen der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des
Bundesamtes für Statistik (LSE) 2010, Tabelle TA1, Total, Frauen im
Anforderungsniveau 4, angepasst an die Teuerung im Jahr 2011 auf Fr. 26'692.-
fest, was im Vergleich mit dem Valideneinkommen zu einem
Erwerbsunfähigkeitsgrad von 52 % führt. Da die Differenz gegenüber der
ursprünglichen Rentenverfügung (Invaliditätsgrad von 50 %) weniger als 5 %
beträgt, erachtet das kantonale Gericht die Änderung als nicht erheblich.
Folglich seien die Voraussetzungen für eine revisionsweise Neufestsetzung der
Rente nicht erfüllt, weshalb die Versicherte über den 31. Mai 2011 hinaus
weiterhin Anspruch auf die bis zu jenem Zeitpunkt ausgerichtete Rente der
Unfallversicherung habe. Dazu bestehe Anspruch auf einen Verzugszins von 5 %
seit 1. August 2011 ab jeweiliger Fälligkeit der einzelnen Rentenbetreffnisse.
Die Weiterausrichtung von Pflegeleistungen über den 31. Mai 2011 hinaus müsse
hingegen abgelehnt werden.

4.2.

4.2.1. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ist namentlich gestützt auf den
Bericht des Dr. med. F.________ vom 18. April 2013 klar, dass sich seit 2003
die Auswirkungen der unfallkausalen Beeinträchtigungen auf die
Leistungsfähigkeit relevant verändert hätten. Soweit die Gutachter des Spitals
D.________ demgegenüber im Wesentlichen die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit
von Dr. med. G.________ aus dem Jahr 2003 bestätigten, obwohl sie selber auch
von einem evolutiven Verlauf und nicht mehr so stark ausgeprägten CRPS-Befunden
ausgehen würden, könne darauf offensichtlich nicht abgestellt werden. Dies umso
weniger, als sich die Gutachter nur sehr oberflächlich und ungenügend mit den
Ergebnissen der Observation auseinandergesetzt und zudem auch die nicht
unfallkausale Schmerzkomponente bzw. die generalisierten Körperschmerzen und
auf die antrainierte Schonung zurückzuführenden Einschränkungen bei der
Bemessung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt hätten. Anders als die
Gutachter beachte Dr. med. F.________ den Umstand, dass die Versicherte bei
diversen alltäglichen Handlungen beobachtet worden sei und dabei (verschiedene
Gelegenheiten im öffentlichen Raum, Fahren ihres Personenwagens, Ein- und
Aussteigen aus demselben, Tragen von leichten Lasten, bei einem Kleiderstand im
Supermarkt und im Bijouteriegeschäft etc.) keine eindeutige Schonung und keine
eindeutig pathologischen Bewegungsmuster des gesamten linken Armes oder der
linken Hand erkennbar gewesen seien. Da mit Blick auf die Videoaufzeichnungen
(aus der Observation) für Alltagsverrichtungen grundsätzlich keine
Einschränkung der Funktion des linken Armes und der linken Hand festzustellen
sei und in einer beruflichen Tätigkeit als Bijouterieverkäuferin oder Beraterin
in einem Esoterikgeschäft der Einsatz der linken dominanten Hand nicht
vollzeitlich gefordert werde, sei Dr. med. F.________ in diesem
Tätigkeitsbereich schlüssig von einem zumutbaren Pensum in der Höhe von 70 %,
ohne relevante Leistungseinbusse, ausgegangen. Auf diese differenzierte
Beurteilung sei abzustellen.

4.2.2. Dr. med. F.________ hat sich als beratender Arzt der Beschwerdeführerin
geäussert. Als solcher ist er, was den Beweiswert seiner ärztlichen Beurteilung
angeht, einem versicherungsinternen Arzt gleichzusetzen (Urteile 8C_400/2013
vom 31. Juli 2013 E. 5.1 und 8C_160/2012 vom 13. Juni 2012 E. 3.2.1 mit
Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kommt auch den Berichten und Gutachten
versicherungsinterner Ärzte Beweiswert zu, sofern sie als schlüssig erscheinen,
nachvollziehbar begründet sowie in sich widerspruchsfrei sind und keine
Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit bestehen (BGE 125 V 351 E. 3b/ee S. 353 f.;
vgl. auch BGE 135 V 465 E. 4.4 S. 470 mit Hinweis). Dr. med. F.________ hat
seine Stellungnahme ohne Untersuchung, nur gestützt auf die ihm vorliegenden
Akten, abgegeben. Bei seiner auf 70 % geschätzten Arbeits- und
Leistungsfähigkeit in einer angepassten Beschäftigung lässt er sich vorwiegend
von den im Rahmen der Observation entstandenen Videoaufzeichnungen leiten,
obwohl er selber angibt, dass die Aussagekraft des Videomaterials auf nicht
belastende Alltagstätigkeiten beschränkt sei und auch bezüglich der
"Ausdauerfähigkeiten" nicht zuverlässig darauf abgestellt werden könne. Im
interdisziplinären Gutachten des Spitals D.________ vom 28. Dezember 2012 und
der Dr. med. E.________ vom 1. Februar 2013 wird hingegen einlässlich erörtert,
aus welchem Grund selbst in einer leidensangepassten Tätigkeit nicht von einer
über 50%igen Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden kann. Aufgrund der
Videoaufzeichnungen vermutet der neurologische Gutachter eine gewisse Schonung
der linken Hand und die darin gezeigten Aktivitäten sind nach seiner Ansicht
mit lokalen Schmerzen (an der linken Hand) vereinbar. In der handchirurgischen
Beurteilung wird verdeutlicht, dass die Ausdauer auch in Alltagstätigkeiten
massiv reduziert ist und es wird auf die ausserordentliche Fähigkeit der
Versicherten hingewiesen, sich einzuteilen und nur soviel zuzumuten, dass
tagelange Schmerzspitzen vermieden werden können. Die Videoaufzeichnungen
zeigen die Versicherte nach der Beschreibung der Gutachter des Spitals
D.________ in ihrer Stellungnahme vom 29. August 2013 zum Bericht des
beratenden Arztes in "nicht belasteten Situationen". Die Beschwerdegegnerin
könne ihre Leistung eben nicht steigern, da dies sonst linear mit verstärkter
Schmerzauslösung gekoppelt sei. Dr. med. F.________ leitet aus dem in den
Videoaufzeichnungen gezeigten Einsatz der linken Hand im Alltag für körperlich
nicht belastende Tätigkeiten eine höhere Arbeitsfähigkeit ab, ohne sich jedoch
mit dem Umstand auseinanderzusetzen, dass sich der Belastungsschmerz erst
einige Stunden nach Belastung verstärkt einstellt. Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin vermag die Einschätzung des Dr. med. F.________ deshalb an
der Schlüssigkeit des interdisziplinären Gutachtens nichts zu ändern. Die
Einschränkung auf eine 50%ige Leistungsfähigkeit ergibt sich nachvollziehbar
aus der bei Nichtbeachtung der Belastbarkeitslimiten folgenden
Schmerzexazerbation auch in körperlich leichten Tätigkeiten, was im Übrigen mit
dem Ergebnis der im Rahmen der Begutachtung vorgenommenen ergotherapeutischen
Abklärung übereinstimmt. Es kann keine Rede davon sein, dass sich die Experten
nur oberflächlich mit den Observationsergebnissen auseinandergesetzt hätten.
Vielmehr geht aus dem interdisziplinären Gutachten nachvollziehbar hervor, dass
aus den beobachteten Alltagsaktivitäten nicht ohne weiteres auf die zumutbare
Dauer der täglichen Belastung durch eine Erwerbstätigkeit geschlossen werden
darf.

4.2.3. Die Experten des Spitals D.________ gehen von einem CRPS II der linken
oberen Extremität aus und bejahen diesbezüglich einen natürlichen
Kausalzusammenhang zum Unfall vom 26. Mai 1998. In Bezug auf die
generalisierten Körperschmerzen, welche neurologisch nicht erklärt werden
konnten, erachten sie einen natürlichen Kausalzusammenhang hingegen als nicht
wahrscheinlich. Sowohl aus handchirurgisch-neurologischer als auch aus
psychiatrischer Sicht werden dieser Diagnose keine Auswirkungen auf die
Arbeitsfähigkeit zugeschrieben. Beim CRPS handelt es sich um eine
zusammenfassende Bezeichnung für Krankheitsbilder, welche die Extremitäten
betreffen, sich nach einem schädigenden Ereignis entwickeln und durch
anhaltenden Schmerz mit Störungen des vegetativen Nervensystems, der
Sensibilität und der Motorik gekennzeichnet sind. Das CRPS II bezeichnet
brennende Schmerzen und Störungen des sympathetischen Nervensystems als Folge
einer definierten peripheren Nervenläsion (häufig Hyperkompression). Klinische
Zeichen bzw. Symptome des CRPS sind schwer lokalisierbare brennende Schmerzen
(z.B. Allodynie, Hyperalgesie) zusammen mit autonomen (Ödeme, Temperatur- und
Schweisssekretionsstörung, eventuell trophische Störung der Haut,
Nagelveränderungen, lokal vermehrtes Haarwachstum), sensiblen und motorischen
Störungen. Das CRPS gehört zu den neurologisch-orthopädisch-traumatologischen
Erkrankungen und ist ein organischer bzw. körperlicher Gesundheitsschaden
(Urteil 8C_673/2009 vom 22. März 2010 E. 5.1). Bei der Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Beschäftigung haben die Gutachter
nur die Einschränkungen infolge des unbestrittenermassen unfallbedingten CRPS
II berücksichtigt. Dabei begründen sie nachvollziehbar, dass - trotz leichter
Besserung bzw. im Vergleich zur Beschreibung des Dr. med. G.________ vom 24.
Juni 2004 etwas weniger stark ausgeprägtem Befund an der linken oberen
Extremität - ein über vier Stunden andauernder Einsatz nicht möglich ist. Da
sie aus den von handchirurgisch-neurologischer Seite diagnostizierten
generalisierten Körperschmerzen bzw. aus den psychiatrischerseits erhobenen
Befunden keine Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit ableiten, ist die
Forderung der Beschwerdeführerin nach einer gesonderten Adäquanzprüfung
obsolet. Offen gelassen werden kann schliesslich auch, ob der Unfall - wie von
Dr. med. G.________ im Zeitpunkt der Rentenzusprechung angegeben - eine
Nervus-ulnaris-Läsion oder (nach Meinung der Gutachter des Spitals D.________)
eine Verletzung lokaler Hautnervenäste bewirkt hat, weil diese Unterscheidung
an der somatischen Diagnose und der Ausprägung des CRPS II nichts ändert.

4.2.4. Mit Blick auf die dargelegten Umstände ist die Vorinstanz zu Recht von
einer 50%igen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Erwerbstätigkeit
ausgegangen. Der gestützt darauf vorgenommene Einkommensvergleich wird nicht
bestritten. Damit hat die Beschwerdegegnerin über den 31. Mai 2011 hinaus
unverändert Anspruch auf eine Rente der Unfallversicherung, basierend auf einer
50%igen Erwerbsunfähigkeit. Die Einstellung der Pflegeleistungen ist
unbestritten.

5. 
Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die der
Rentenaufhebungsverfügung vom 27. Juli 2011 zugrunde liegende
Mitwirkungspflichtverletzung der Versicherten eine Verzugszinspflicht generell
und eventualiter auch hinsichtlich des Beginns ab 1. August 2011 bestreitet,
ist ihr entgegenzuhalten, dass die Frage der Mitwirkungspflichtverletzung im
weiteren Verlauf des Prozesses nicht mehr abschliessend geprüft werden musste.
Die Beschwerdegegnerin hatte eine Mitwirkungspflichtverletzung stets bestritten
und geltend gemacht, sie habe sich zu keiner Zeit gegen eine gutachtliche
Abklärung gewehrt und der anfängliche Untersuchungstermin bei der medizinischen
Abklärungsstelle C.________ habe lediglich wegen einer Terminkollision
verschoben werden müssen. Daran hält sie auch in ihrer Vernehmlassung im
letztinstanzlichen Verfahren fest. Bei nicht manifester
Mitwirkungspflichtverletzung und mit Blick auf die - abgesehen davon -
verschuldensunabhängig ausgestaltete sozialversicherungsrechtliche
Verzugszinspflicht nach Art. 26 Abs. 2 ATSG ist die vorinstanzlich bejahte
Pflicht zu Verzugszinszahlungen zu bestätigen. Die Zinsen dienen
ausschliesslich dazu, den Schaden (Geldentwertung) auszugleichen, den die
verspätete Ausrichtung der Leistungen für die versicherte Person hat (BGE 137 V
273 E. 4.5 in fine S. 280 mit Hinweisen auf die Lehre). Dies gilt unabhängig
davon, ob die Rente bestätigt oder erhöht wird. Umgekehrt kann es für den
Beginn der Verzugszinspflicht nach Art. 26 Abs. 2 ATSG (Fälligkeitstermin für
alle nachzuzahlenden Leistungen) keinen Unterschied machen, ob das
Revisionsverfahren von Amtes wegen eingeleitet wurde oder auf Gesuch der
versicherten Person hin. In beiden Fällen wird der Versicherung eine gewisse
Zeitspanne gewährt, innerhalb der sie - in Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1 ATSG) - die notwendigen Abklärungen
vornehmen kann, ohne sogleich mit der Bezahlung von Verzugszinsen rechnen zu
müssen (vgl. BGE 140 V 558 E. 3.3 S. 561 mit Hinweisen). In casu fällt der
Beginn der Verzugszinspflicht mit Blick darauf, dass die Beschwerdegegnerin am
5. August 2009 ein Revisionsgesuch gestellt hatte und der Unfallversicherer das
Revisionsverfahren nach Rückzug des Gesuchs seitens der Versicherten von Amtes
wegen fortführte, auf den 1. August 2011.

6. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat der anwaltlich vertretenen
Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. Dezember 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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