Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.177/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_177/2015

Urteil vom 14. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Josef Flury,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 22. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die 1966 geborene A.________ ist Mutter von zwei Söhnen (B.________, geboren
1992, und C.________, geboren 1997) und seit 2008 vom Vater der beiden Kinder
geschieden. Seit Juli 2002 bezieht sie eine Rente der Invalidenversicherung,
zunächst bis September 2005 eine halbe und ab Oktober 2005 eine
Dreiviertelsrente, je zuzüglich Kinderrente für ihre beiden Söhne. Der Vater
der Kinder bezieht mindestens seit 1. April 2009 ebenfalls eine
Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung, wobei die zwei Kinderrenten zu
dieser Rente direkt der Mutter ausbezahlt wurden. Vom 7. Januar bis 7. April
2013 absolvierte B.________ ein unentgeltliches Praktikum bei "Radio
D.________", um - gemäss Praktikumsvertrag vom 7./10. Januar 2013 - die eigene
Motivation und Fähigkeit zum Berufswunsch Journalist zu erkennen, die Chance
für eine Anstellung bei einem anderen Medium zu erhöhen und um Praxis zu
bekommen, z.B. in Ergänzung zum Theorieteil beim Studium.

Die IV-Stelle Zürich kündigte mit Vorbescheid vom 13. Juni 2013 die teilweise
Rückforderung der Kinderrente an und vermerkte, die Versicherte habe
Gelegenheit, sich innert 30 Tagen seit Zustellung des Schreibens schriftlich
dazu zu äussern. Anlässlich einer telefonischen Nachfrage wurde dem
Rechtsvertreter von A.________ zugesichert, dass die Frist für die Erhebung von
Einwänden bis 15. August 2013 dauere. Trotzdem forderte die IV-Stelle bereits
mit Verfügung vom 23. Juli 2013 die A.________ von Januar bis Mai 2013
ausgerichtete Kinderrente für den Sohn B.________ in der Höhe von Fr. 2'565.-
(zu ihrer Invalidenrente) und Fr. 2'700.- (zur Invalidenrente des Kindsvaters),
insgesamt Fr. 5'265.-, zurück.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab, auferlegte die Gerichtskosten aber zufolge Verletzung des
rechtlichen Gehörs durch die Verwaltung der IV-Stelle und verpflichtete diese,
A.________ eine Prozessentschädigung von Fr. 900.- zu bezahlen (Entscheid vom
22. Januar 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und das Rechtsbegehren stellen, die Kinderrente sei durchgehend bis zur
Beendigung der Berufslehre zu gewähren; eventualiter sei die Sache an die
IV-Stelle zurückzuweisen und diese sei zu verpflichten, ergänzende Abklärungen
vorzunehmen, das rechtliche Gehör zu gewähren und anschliessend neu zu
verfügen.

Die IV-Stelle schliesst ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann
wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung
nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf
einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an
die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem
anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit
einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (
BGE 137 II 313 E. 1.4 S. 317 f. mit Hinweis). Trotzdem obliegt es der
Beschwerde führenden Partei, sich in ihrer Beschwerde sachbezogen mit den
Darlegungen im angefochtenen Entscheid auseinanderzusetzen (Art. 42 Abs. 1 und
2 BGG). Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge-
und Begründungspflicht - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in
seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten. Es ist jedenfalls nicht
gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen
Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen
werden.

2.

2.1. Die Vorinstanz stellte fest, die IV-Stelle habe durch den Erlass der
Verfügung vom 23. Juli 2013 das rechtliche Gehör verletzt, nachdem sie der
Versicherten eine Frist bis zum 16. August 2013 zugesichert habe, um zur am 13.
Juni 2013 in Aussicht gestellten Rückforderung Stellung zu nehmen. Nachdem sich
die Beschwerdeführerin aber im Verfahren vor dem kantonalen Gericht, wo sowohl
Sachverhalt als auch Rechtslage frei überprüfbar seien, zur Frage der
Rückforderung habe äussern können, sei die Verletzung des rechtlichen Gehörs
als geheilt zu betrachten und von einer Rückweisung der Sache an die IV-Stelle
sei Abstand zu nehmen; dies umso mehr, als die Versicherte die Angelegenheit
nunmehr selber als beurteilbar betrachte, womit eine Rückweisung einem
formalistischen Leerlauf gleichkommen und zu unnötigen Verzögerungen führen
würde. In der Folge prüfte das kantonale Gericht, ob die Rückforderung der
Kinderrente zu Recht erfolgt war, und gelangte zum Ergebnis, dass es sich bei
dem von B.________ vom 7. Januar bis 7. April 2013 beim Radiosender
absolvierten Praktikum nicht um eine Ausbildung im Sinne von Art. 25 Abs. 5
AHVG handle, und dass der Sohn im Übrigen unbestrittenermassen auch im Monat
Mai 2013 keiner Ausbildung nachgegangen sei. Deshalb sei nicht zu beanstanden,
dass die IV-Stelle die für 1. Januar bis 31. Mai 2013 für B.________ zu Unrecht
ausgerichtete Kinderrente zurückgefordert habe.

2.2. Die Beschwerdeführerin teilt grundsätzlich die Ansicht, dass der Mangel
des vorzeitigen Verfügungserlasses durch die Äusserungsmöglichkeiten im
kantonalen Beschwerdeverfahren einer Heilung zugänglich war. Sie macht jedoch
geltend, dass zum Anspruch auf rechtliches Gehör auch die Begründungspflicht
der IV-Stelle gehöre, welcher diese nicht nachgekommen sei. B.________ habe von
Januar bis April 2013 bei "Radio D.________" ein Praktikum als Journalist,
anschliessend bei E.________ (Fernsehsender der F.________ gmbh) eine
Schnupperlehre als Videojournalist im Bereich Produktion von Fernsehberichten
sowie ab Juli 2013 für zwölf Monate ein Praktikum bei der F.________ gmbh
absolviert. Diese Stellen würden seine Chancen auf eine Lehrstelle massiv
erhöhen, weshalb sie faktisch notwendig gewesen seien, um in dieser Branche
eine Lehrstelle zu finden. Damit sei seine Situation zu vergleichen mit dem
Sachverhalt, wie er dem Urteil 8C_90/2013 vom 10. April 2013 (publiziert in BGE
139 V 209) zugrunde liege. Alle drei Anstellungen seien in der
Journalismusbranche erfolgt, was zeige, dass er gewillt sei, in diesem Bereich
einen Beruf zu erlernen.

3.

3.1. Gemäss Art. 57a Abs. 1 IVG teilt die IV-Stelle der versicherten Person den
vorgesehenen Endentscheid über ein Leistungsbegehren oder den Entzug oder die
Herabsetzung einer bisher gewährten Leistung mittels Vorbescheid mit (Satz 1);
die versicherte Person hat Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Artikel
42 ATSG (Satz 2). Die Parteien können innerhalb einer Frist von 30 Tagen
Einwände zum Vorbescheid vorbringen (Art. 73ter Abs. 1 IVV). Der Sinn und Zweck
des Vorbescheidverfahrens besteht darin, eine unkomplizierte Diskussion des
Sachverhalts zu ermöglichen und dadurch die Akzeptanz des Entscheids bei den
Versicherten zu verbessern (BGE 134 V 97 E. 2.7 S. 106). Die IV-Stelle darf
sich nicht darauf beschränken, die von der versicherten Person vorgebrachten
Einwände tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen. Sie hat ihre
Überlegungen dem Betroffenen gegenüber auch namhaft zu machen und sich dabei
ausdrücklich mit den (entscheidwesentlichen) Einwänden auseinanderzusetzen,
oder aber zumindest die Gründe anzugeben, weshalb sie gewisse Gesichtspunkte
nicht berücksichtigen kann (BGE 124 V 180 E. 2b S. 183). Das
Vorbescheidverfahren geht über den verfassungsrechtlichen Mindestanspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) hinaus, indem es Gelegenheit gibt, sich
nicht nur zur Sache, sondern auch zum vorgesehenen Endentscheid zu äussern (BGE
134 V 97 E. 2.8.2 S. 107 mit Hinweisen).
Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst unter anderem das
Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung
eingreifenden Akts zur Sache äussern zu können. Er verlangt von der Behörde,
dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer
Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle form- und
fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten
Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188
mit Hinweisen; 112 Ia 1 E. 3c).

3.2. Die IV-Stelle sicherte der Beschwerdeführerin in casu auf telefonische
Anfrage im Rahmen des Vorbescheidverfahrens hin unbestrittenermassen zu, dass
sie (wohl in Berücksichtigung des Fristenstillstandes vom 15. Juli bis und mit
15. August gemäss Art. 38 Abs. 4 ATSG) bis am 15. (oder gemäss Vorinstanz: 16.)
August 2013 Einwände werde vorbringen können. Der Verfügungserlass bereits am
23. Juli 2013 beruhte nach Aussage der Verwaltung auf einem internen Versehen.
Durch den unerwartet frühen Verfügungserlass konnte die Versicherte im
Vorbescheidverfahren keine Einwendungen mehr erheben. In diesem Punkt liegt
eine Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) vor. Diese führt jedoch zu keiner
formellrechtlich begründeten Rückweisung der Streitsache an die Verwaltung:
Nach der Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des
rechtlichen Gehörs ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person
die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl
den Sachverhalt wie die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser
Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst
bei einer schwerwiegenden Verletzung des Gehörs von einer Rückweisung der Sache
an die Verwaltung abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem
formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die
mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an
einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137
I 195 E. 2.3.2; 136 V 117 E. 4.2.2.2; je mit Hinweisen). Weil die
Beschwerdeführerin schon im kantonalen Gerichtsverfahren eine beförderliche
Verfahrenserledigung einem formell richtigen Verfahren vorgezogen hatte (BGE
132 V 387 E. 6.1 S. 391 mit Hinweis), rechtfertigte es sich - ungeachtet des
Schweregrades der Gehörsverletzung -, dass die Vorinstanz einen abschliessenden
Entscheid in der Sache fällte. Auch letztinstanzlich möchte die Versicherte -
konsequenterweise - in erster Linie einen Entscheid in der Sache.
Soweit die Versicherte eine Verletzung der - aus dem Anspruch auf rechtliches
Gehör fliessenden - Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 134 I 83 E. 4.1
S. 88) durch die IV-Stelle geltend macht, muss ihr entgegengehalten werden,
dass diesem Mangel in der vorliegenden Konstellation neben der vom kantonalen
Gericht bejahten Gehörsverletzung keine separate Bedeutung zukommt.

4. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen zur Rückerstattung unrechtmässig
bezogener Leistungen zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

5. 
Die Rückforderungsverfügung bezieht sich auf die Kinderrente im Zeitraum Januar
bis Mai 2013. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus die Gewährung der
Kinderrente "bis zur Beendigung der Berufslehre" beantragt, kann auf ihre
Beschwerde nicht eingetreten werden. Zu beurteilen ist demgemäss einzig die
Beschäftigung von B.________ für den Radiosender D.________ vom 7. Januar bis
7. April 2013. Über die Qualifikation der nachfolgenden Tätigkeiten
(Schnupperlehre als Videojournalist vom 15. bis 19. Juli 2013 und Praktikum vom
22. Juli 2013 bis 21. Juli 2014 bei der F.________ gmbh, während welchem er in
alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Produktion von Fernsehberichten für
verschiedene Sendegefässe sowie von eigenen Studioproduktionen eingeführt
werden sollte), ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.

5.1.

5.1.1. Männer und Frauen, denen eine Invalidenrente zusteht, haben in Anwendung
von Art. 35 Abs. 1 IVG für jedes Kind, das im Falle ihres Todes eine
Waisenrente der Alters- und Hinterlassenenversicherung beanspruchen könnte,
Anspruch auf eine Kinderrente. Anspruch auf eine Waisenrente haben nach Art. 25
Abs. 1 AHVG Kinder, deren Vater oder Mutter gestorben ist. Der Anspruch auf die
Waisenrente erlischt gemäss Art. 25 Abs. 4 AHVG mit der Vollendung des 18.
Altersjahres oder mit dem Tod der Waise. Für Kinder, die noch in Ausbildung
sind, dauert der Rentenanspruch nach Art. 25 Abs. 5 AHVG bis zu deren
Abschluss, längstens aber bis zum vollendeten 25. Altersjahr.
Art. 25 Abs. 5 Satz 2 AHVG beauftragt den Bundesrat, den Begriff der Ausbildung
zu regeln, was dieser mit den auf den 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Art.
49bis und 49ter AHVV getan hat. Unter den Begriff der Ausbildung fallen danach
ordentliche Lehrverhältnisse sowie Tätigkeiten zum Erwerb von Vorkenntnissen
für ein Lehrverhältnis, aber auch Kurs- und Schulbesuche, wenn sie der
berufsbezogenen Vorbereitung auf eine Ausbildung oder späteren Berufsausübung
dienen. Bei Kurs- und Schulbesuchen sind Art der Lehranstalt und
Ausbildungsziel unerheblich, soweit diese im Rahmen eines ordnungsgemässen,
(faktisch oder rechtlich) anerkannten Lehrganges eine systematische
Vorbereitung auf das jeweilige Ziel bieten. Danach gilt nur als Bestandteil der
Ausbildung, wenn zwischen diesem und dem Berufsziel ein Zusammenhang besteht.
Die Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) über die Renten
in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (RWL
in der vorliegend relevanten Fassung vom 1. Januar 2013, teilweise überholt
durch neuere Rechtsprechung) hält zudem fest, dass die systematische
Vorbereitung erfordert, dass das Kind die Ausbildung mit dem objektiv
zumutbaren Einsatz betreibt, um sie innert nützlicher Frist abschliessen zu
können. Ein Praktikum wird als Ausbildung anerkannt, wenn es gesetzlich oder
reglementarisch eine Voraussetzung bildet für die Zulassung zu einem
Bildungsgang oder zu einer Prüfung, oder wenn es zum Erwerb eines Diploms oder
eines Berufsabschlusses verlangt wird (RWL Rz. 3361). Wenn diese
Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wird ein Praktikum dennoch als Ausbildung
anerkannt, wenn es für eine bestimmte Ausbildung faktisch geboten ist und mit
dem Antritt des Praktikums tatsächlich die Absicht besteht, die angestrebte
Ausbildung zu realisieren (BGE 139 V 209 E. 5.3 S. 211, vgl. den entsprechend
abgeänderten Abschnitt in Rz. 3361.1 der RWL in der Fassung vom 1. Januar 2015)
und das Praktikum im betreffenden Betrieb höchstens ein Jahr dauert (BGE 140 V
299; RWL Rz. 3361.1). Die Anerkennung eines Praktikums als Ausbildung im Sinne
von Art. 49bis Abs. 1 AHVV hängt nicht davon ab, ob im Anschluss an das
Praktikum im selben Betrieb eine Lehrstelle angetreten werden kann (vgl. BGE
139 V 209 S. 211 E. 5.2 und RWL Rz. 3361.1 in der Fassung vom 1. Januar 2012),
sondern davon, ob das Praktikum für die Ausbildung faktisch notwendig ist (BGE
139 V 209 S. 211 E. 5.3). Zudem muss bei Antritt des Praktikums tatsächlich die
Absicht bestehen, die angestrebte Ausbildung zu realisieren (BGE 139 V 209 S.
211 f. E. 5.3). Übt das Kind jedoch lediglich eine praktische Tätigkeit aus, um
sich dabei einige Branchenkenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, um die
Anstellungschancen bei schwieriger Beschäftigungssituation zu verbessern oder
um eine Berufswahl zu treffen, liegt keine Ausbildung vor (Urteil 9C_223/2008
vom 1. April 2008 E. 1.2; RWL Rz. 3362).

5.1.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, alle drei Beschäftigungen, also
sowohl das Praktikum beim Radiosender als auch die Schnupperlehre und das
Praktikum bei F.________ gmbh, seien faktisch notwendig gewesen, um eine
Lehrstelle zu finden. Zur Begründung gibt sie an, dass diese Tätigkeiten die
Chancen auf eine Lehrstelle massiv erhöht hätten und "in dieser Branche"
praktisch immer Praktika verlangt würden. Sie lässt aber völlig offen, welche
Lehrstelle B.________ gesucht hat bzw. auf welchem Weg er damals sein
Berufsziel "Journalist" erreichen wollte. Diese Angaben wären - zusätzlich zum
genannten Berufsziel - aber notwendig gewesen und konnten weder durch
Abklärungen der IV-Stelle noch Nachforschungen des kantonalen Gerichts ersetzt
werden. Denn Journalismus ist ein frei zugänglicher Beruf und ausbildungsmässig
nicht geregelt. Damit bleibt der Stellenwert des Praktikums beim Radiosender
unklar. Um Ausbildung geht es zwar unter anderem auch dort, wo von vornherein
kein spezieller Berufsabschluss beabsichtigt und nur die Ausübung des
betreffenden Berufs angestrebt wird. Dabei ist aber unter allen Umständen - und
ganz besonders dort, wo es sich nicht um eine Berufsausbildung im engeren Sinn
handelt - eine systematische Vorbereitung auf das Bildungsziel (Berufsausübung
ohne Abschluss bzw. Bereitstellung berufsbezogener Vorkenntnisse) hin
erforderlich, und zwar auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder
zumindest faktisch anerkannten (üblichen) Lehrgangs (vgl. Art. 49bis Abs. 1
AHVV; Urteil 9C_223/2008 vom 1. April 2008 E. 1.1 mit Hinweis). Die Versicherte
bleibt Erläuterungen darüber, welche Schritte B.________ unternehmen wollte und
musste, um sein Berufsziel zu erreichen, durchwegs schuldig. Das Argument,
durch ein Praktikum würden die Chancen auf eine Lehrstelle erhöht, ist in
diesem Zusammenhang nicht stichhaltig, denn jede zusätzlich erworbene
Berufserfahrung ist grundsätzlich geeignet, die Chance auf eine Anstellung zu
steigern. Nicht jedes Praktikum kann jedoch automatisch als Ausbildung
verstanden werden (BGE 139 V 209 E. 5.3 S. 211). Eine Verbesserung der
Anstellungschancen allein reicht nicht, um das Praktikum beim Radiosender als
Ausbildung zu qualifizieren (vgl. Urteil 9C_223/2008 vom 1. April 2008 E. 1.2).

Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, ihr Sohn habe seine Absicht, auch
tatsächlich eine Ausbildung im Journalismusbereich zu absolvieren, mit seinen
drei Anstellungen deutlich zum Ausdruck gebracht. Dabei verkennt sie, dass sich
der Streit im vorliegenden Rückforderungsprozess auf das dreimonatige Praktikum
beim Radiosender bzw. den Kinderrentenanspruch im Zeitraum Januar bis Mai 2013
beschränkt. Im damaligen Zeitpunkt musste somit die Absicht, Journalist zu
werden, bereits bestanden haben, und das Praktikum musste Teil der
systematischen Vorbereitung auf das Berufsziel bilden. Diesbezüglich ist jedoch
einzig bekannt, dass B.________ gemäss seinem formulierten Ziel im
Praktikumsvertrag beim Radiosender die eigene Motivation und die Fähigkeit zum
Berufswunsch Journalist erkennen, die Chance für eine Anstellung "bei einem
anderen Medium" erhöhen und Praxis erwerben wollte (Praktikumsvertrag "Radio
D.________" vom 7./10. Januar 2013). Es lässt sich entgegen der Ansicht der
Versicherten nicht als willkürlich beanstanden, dass die Vorinstanz gestützt
auf diese Zielsetzung darauf schliesst, der Sohn der Versicherten habe damals
(noch) nicht die Absicht gehabt, eine bestimmte Ausbildung zu absolvieren. Die
Beschwerdeführerin verkennt, dass die Absicht, eine bestimmte Ausbildung zu
absolvieren, bereits bei Antritt des Praktikums bestanden haben muss. Sie weist
nicht nach (und behauptet auch nicht), dass eine solche Absicht am 7. Januar
2013 schon manifest gewesen wäre.

5.1.3. Der Sachverhalt, welcher BGE 139 V 209 (in der Beschwerde zitiertes
Urteil 8C_90/2013 vom 10. April 2013) zugrunde liegt, ist mit der vorliegenden
Situation nicht zu vergleichen. Dort absolvierte die Tochter der
rentenberechtigten Person ein einjähriges Praktikum in einem Kinderhort, um
anschliessend eine Lehre als Kleinkinderzieherin anzutreten. Das Bundesgericht
hielt dazu fest, bereits die Dauer des Praktikums zeuge von der
Ernsthaftigkeit, die angestrebte Ausbildung zu absolvieren (BGE 139 V 209 E.
5.3 S. 211 f.). Im Gegensatz dazu hatte vorliegend das dreimonatige Praktikum -
wie bereits erwähnt - namentlich zum Ziel, sich über Motivation und Fähigkeit
im Hinblick auf den Berufswunsch Journalist klar zu werden. Demzufolge war der
Entscheid zur Realisierung der Ausbildung bei Antritt des Praktikums am 7.
Januar 2013 eben gerade noch nicht gefallen. Im zitierten Urteil hielt das
Bundesgericht ausdrücklich fest, dass nicht jedes Praktikum automatisch im
Sinne einer Ausbildung verstanden werden kann, sondern nur dann, wenn mit dem
Antritt eines Praktikums tatsächlich die Absicht besteht, die angestrebte
Ausbildung zu realisieren (BGE 139 V 209 E. 5.3 S. 211 f.). Im angefochtenen
Entscheid wird in diesem Zusammenhang nicht die RWL zitiert, in welche diese
bundesgerichtliche Rechtsprechung Eingang gefunden hat. Aus der Argumentation
der Beschwerdeführerin, wonach das Sozialversicherungsgericht an
Verwaltungsweisungen nicht gebunden sei, lässt sich daher von vornherein nichts
zu ihren Gunsten ableiten.

5.1.4. Soweit die Versicherte auf die Abklärungspflicht der IV-Stelle verweist,
ist ihr entgegenzuhalten, dass sie ebenfalls eine Mitwirkungspflicht trifft.
Gemäss Art. 28 Abs. 2 ATSG muss, wer Versicherungsleistungen beansprucht, alle
Auskünfte erteilen, die zur Abklärung des Anspruchs erforderlich sind. Es wäre
somit ihre Aufgabe gewesen, der IV-Stelle, bzw. im Beschwerdeverfahren dem
kantonalen Gericht, darzulegen, wann ihr Sohn den Entschluss gefasst hatte,
Journalist zu werden und auf welchem Weg er sein Berufsziel erreichen wollte.
Es kann nicht angehen, von der Verwaltung Mutmassungen über den
ausbildungsmässig nicht geregelten Berufsbildungsweg anzustellen, wenn einzig
das Berufsziel "Journalist" angegeben wird.

5.1.5. Da das Praktikum mangels (bereits) bei Antritt am 7. Januar 2013
manifester Absicht des B.________, eine Ausbildung zum Journalisten zu
absolvieren, nicht als Ausbildung qualifiziert werden kann, erübrigen sich
Erörterungen darüber, ob das Praktikum faktisch notwendig war, und über den
Stellenwert des im Juli 2013 angetretenen Praktikums bei der F.________ gmbh
(vgl. BGE 139 V 122). Die Frage nach einer unmittelbaren Fortsetzung der
Ausbildung innerhalb von längstens vier Monaten gemäss Art. 49ter Abs. 3 lit. a
AHVV bzw. einer Weiterausrichtung der Kinderrente während der Zeit ohne
Anstellung von 8. April bis Ende Mai 2013 kann sich folglich entgegen der
Auffassung der Versicherten gar nicht stellen. Die Rückforderung der
Kinderrente für die Monate Januar bis Mai 2013 ist rechtens.

6.

6.1. Kostenmässig trug die Vorinstanz der Gehörsverletzung Rechnung, indem sie
die Gerichtskosten der IV-Stelle auferlegte und der Versicherten eine
Prozessentschädigung von Fr. 900.- zusprach, welche die zusätzlichen
Aufwendungen wegen Ausführungen zu prozessualen Fragen und zum rechtlichen
Gehör abgelten sollten, während sie für die Aufwendungen im Zusammenhang mit
der Stellungnahme zur Rückforderung, welche ohnehin entstanden wären, keine
Vergütung vorsah. Gegen diese Kostenverteilung vermag die Beschwerdeführerin
keine stichhaltigen Gründe vorzubringen. Entgegen ihrer Ansicht ändert daran
nichts, dass die Gehörsverletzung im Vorbescheidverfahren schwer wiegt. Denn in
der Sache hätte die Versicherte auch ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs
durch die IV-Stelle eine Beschwerde ans kantonale Gericht erheben müssen.

6.2. Das Verfahren vor Bundesgericht ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a
BGG). Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt
(Art. 65 Abs. 4 lit. a in Verbindung mit Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 14. Oktober 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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