Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.170/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_170/2015

Urteil vom 29. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Tanja Strauch-Frei,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 27. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1961, war ab 16. Juni 2008 für die B.________ AG tätig und
in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(nachfolgend: SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 18. Juni 2008
war er als Beifahrer in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei welchem das
Fahrzeug von der Autobahn abkam und sich mehrfach überschlug. Die
Erstversorgung fand im Spital C.________ statt (Bericht vom 10. Juli 2008). Am
24. Juni 2008 wurde er ins Landeskrankenhaus (LKH) D.________/A, zur
stationären neurologischen Abklärung überwiesen (Bericht vom 9. Juli 2008). Vom
6. September bis 7. November 2008 wurde er in der psychiatrischen Abteilung,
LKH D.________, stationär behandelt (Bericht vom 11. November 2008). In der
Rehaklinik E.________ fand vom 15. Dezember 2008 bis 17. April 2009 eine
stationäre Behandlung und Abklärung statt (Austrittsbericht vom 19. April
2009). Vom 9. Dezember 2009 bis 4. Januar 2010 war er erneut in der
psychiatrischen Abteilung, LKH D.________, hospitalisiert (Bericht vom 13.
Januar 2010). Im Zentrum für psychosoziale Gesundheit F.________/A, fand vom
19. Juni bis 31. Juli 2012 eine stationäre Behandlung statt (Bericht vom 31.
Juli 2012). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Am 6. Juni 2013
teilte sie mit, sie werde ihre Taggeld- und Heilbehandlungsleistungen per Ende
November 2013 einstellen. Tags darauf verfügte sie, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 16. September 2013, dass kein Anspruch auf eine
Invalidenrente, aber auf eine Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 5 % bestehe.

B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 27. Januar 2015 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei die SUVA unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
zu verpflichten, ihm über den 30. November 2013 hinaus die gesetzlichen
Leistungen zu erbringen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz bzw. die
SUVA zu ergänzender neurologischer und oto-rhino-laryngologischer Begutachtung
sowie neuem Entscheid zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D. 
Mit Eingabe vom 26. Mai 2015 äussert sich A.________ zur Stellungnahme der SUVA
und hält an seinen Begehren fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Anforderungen an einen
ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) und
die Voraussetzungen des Fallabschlusses mit Prüfung der Rentenfrage (Art. 19
Abs. 1 UVG; BGE 137 V 199 E. 2.1 S. 201 und E. 2.2.3.1. S. 204; 134 V 109 E.
4.1 S. 113). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen bleibt einerseits, dass sich bei objektiv ausgewiesenen organischen
Unfallfolgen die adäquate, d.h. rechtserhebliche Kausalität weitgehend mit der
natürlichen Kausalität deckt; die Adäquanz hat hier gegenüber dem natürlichen
Kausalzusammenhang praktisch keine selbstständige Bedeutung (BGE 134 V 109 E.
2.1 S. 112). Objektivierbar sind Untersuchungsergebnisse, die reproduzierbar
und von der Person des Untersuchenden und den Angaben des Patienten unabhängig
sind. Von organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolgen kann somit erst dann
gesprochen werden, wenn die erhobenen Befunde mit apparativen/bildgebenden
Abklärungen bestätigt wurden und die hiebei angewendeten Untersuchungsmethoden
wissenschaftlich anerkannt sind ( BGE 138 V 248 E. 5.1 S. 251 mit Hinweisen).
Andererseits ist festzuhalten, dass im Verfahren um Zusprechung oder
Verweigerung von Sozialversicherungsleistungen kein förmlicher Anspruch auf
eine versicherungsexterne Begutachtung besteht, dass aber eine solche
anzuordnen ist, sofern auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und
Schlüssigkeit der verwaltungsinternen ärztlichen Feststellungen bestehen (BGE
135 V 465).

3. 
Der Versicherte beanstandet das Nichteintreten der Vorinstanz auf seine Rüge,
der Fall sei verfrüht abgeschlossen worden und es seien ihm weiterhin Taggelder
und Heilbehandlungen zu bezahlen. Weiter macht er geltend, die Prüfung der
Adäquanz sei nach der Rechtsprechung zu den Schleudertraumata resp. den
Schädelhirntraumata und nicht nach jener der Psychopraxis vorzunehmen. Im
Übrigen wirft er der Vorinstanz eine ungenügende und teilweise falsche
Sachverhaltsfeststellung sowie die Festlegung einer zu tiefen, da auf
unvollständigem Sachverhalt beruhenden Integritätsentschädigung vor.

4.

4.1. Nach der Rechtsprechung ergibt sich die Dauer der Leistung von Taggeldern
und Heilbehandlung aus Art. 19 UVG: Danach entsteht ein Rentenanspruch, wenn
von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr erwartet werden kann und allfällige
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind (Abs. 1
Satz 1); mit dem Rentenbeginn fallen die Heilbehandlung und Taggeldleistungen
dahin (Abs. 1 Satz 2). D.h. der Unfallversicherer hat - sofern die
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung abgeschlossen sind - die
Heilbehandlung und Taggelder solange zu gewähren, als von der Fortsetzung der
ärztlichen Behandlung noch eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes
erwartet werden kann; trifft dies nicht zu, ist der Fall unter Einstellung der
vorübergehenden Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld) mit gleichzeitiger Prüfung
des Anspruchs auf eine Invalidenrente und auf eine Integritätsentschädigung
abzuschliessen (BGE 134 V 109 E. 4.1 S. 114 mit Hinweisen). Ob eine namhafte
Besserung noch möglich ist, bestimmt sich insbesondere nach Massgabe der zu
erwartenden Steigerung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, soweit
diese unfallbedingt beeinträchtigt ist (Urteil 8C_888/2013 vom 2. Mai 2014 E.
4.1 mit Hinweisen).

4.2. Nach dem Gesagten hängen somit die Einstellung der vorübergehenden
Leistungen (Taggeld, Heilbehandlung) und der Fallabschluss mit Prüfung der
Rentenfrage und der Integritätsentschädigung derart eng zusammen, dass von
einem einheitlichen Streitgegenstand auszugehen ist. Insofern ist das
vorinstanzliche Nichteintreten auf die Frage der Taggelder und Heilbehandlung
bundesrechtswidrig. Ob - wie der Versicherte geltend machen lässt - ein
verfrühter Fallabschluss erfolgt ist, kann hingegen erst geprüft werden, wenn
der medizinische Sachverhalt rechtsgenüglich erstellt ist (nachfolgend E. 5).

5.

5.1. Aus den massgebenden ärztlichen Berichten ergibt sich Folgendes:

5.1.1. Im Austrittsbericht vom 10. Juli 2008 hielt das erstbehandelnde Spital
C.________ fest, es habe beim Eintritt keine Übelkeit, kein Erbrechen und keine
Amnesie für den Zeitraum des Unfallereignisses, aber starke Kopfschmerzen,
starke Atemnot, Schmerzen in Thorax und Schultern sowie eine Rissquetschwunde
frontal bestanden. Der Versicherte habe sich im Verlauf über
Lagerungsschwindel, temporal einstechende Schmerzen sowie Schwierigkeiten beim
Lesen beklagt. Aufgefallen sei eine Pupillenseitendifferenz. Das CCT sei ohne
pathologischen Befund geblieben und er sei jederzeit kreislaufstabil gewesen.
Die Überweisung erfolge zur neurologischen Abklärung.

5.1.2. Im Bericht vom 9. Juli 2008 diagnostizierte das LKH D.________ ein
Schädelhirntrauma, eine Fraktur LWK 1 und eine Fraktur BWK 3,
Lagerungsschwindel bei contusio labyrinthi links sowie eine arterielle
Hypertonie. Während der Hospitalisation vom 24. Juni bis 11. Juli 2008 wurde
ein langsames Alpha-Typ-EEG, eine Echokardiographie, ein CT-Angio, ein
Schädel-CT, eine MR-Angiographie sowie ein Röntgen Thorax erstellt. Ausserdem
fand ein HNO-Konsil sowie eine Vorstellung in der psychiatrischen Abteilung
statt. Am 21. Juli 2008 hielt das LKH D.________ fest, der Versicherte leide
nach wie vor unter einem pfeifenden Ohrgeräusch links und verstärktem
Schwindel; die Schwindelbeschwerden seien multifaktoriell (Schädelhirntrauma,
Wirbelsäulentrauma, contusio labyrinthi). Am 11. November 2008 hielt das LKH
D.________ eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige
Episode (ICD-10: F33.1) und eine dissoziative Sensibilitäts- und
Empfindungsstörung (ICD-10: F44.6) fest; die seit Jahren bestehende
dissoziative Störung habe nach dem Unfall deutlich zugenommen und es sei
zeitgleich zu finanziellen Problemen und zum Ende einer langjährigen Beziehung
gekommen.

5.1.3. Die Rehaklinik E.________ diagnostizierte am 19. April 2009 eine
Kopfprellung mit RQW frontal ohne Hinweise auf ein MTBI, eine stabile ventrale
Kompressionsfraktur LWK 1, Vorder-/Oberkantenabsprengung BKW 3,
Deckplattenimpressionen BWK4/5, Thorax- und Schulterkontusion rechts, Status
nach contusio labyrinthi links, eine rezidivierende depressive Störung,
gegenwärtig mittelgradige Episode bei somatoformer Schmerzstörung mit
multilokulären Missempfindungen, eine arterielle Hypertonie sowie beidseitige
Inguinalhernien. Es hätten keine Hinweise für eine traumatische Hirnverletzung
auch nur milder Ausprägung gefunden werden können; das Schädel-MRI sei
unauffällig gewesen. Die angestammte Tätigkeit als Vermessungstechniker sei
halbtags zumutbar, eine mittelschwere Arbeit (unter Berücksichtigung der
Inguinalhernien eine leichte bis mittelschwere Arbeit) sei vorerst halbtags
zumutbar und schrittweise auf ganztags zu steigern, wobei aktuell kein
übermässiger Zeitdruck verlangt werden könne. Die beobachteten
Leistungsschwankungen seien der psychischen Verfassung zuzuordnen.

5.1.4. Dr. med. G.________, Facharzt für Psychiatrie, welcher den Versicherten
seit 21. November 2008 betreut, berichtete am 10. August 2009 über die laufende
Behandlung, ohne Stellung einer Diagnose.

5.1.5. Nach dem stationären Aufenthalt vom 9. Dezember 2009 bis 4. Januar 2010
bestätigte das LKH D.________ die psychiatrischen Diagnosen gemäss Bericht vom
11. November 2008, allerdings mit gegenwärtig leichter depressiver Episode.

5.1.6. Frau Dr. med. H.________, Fachärztin für Allgemeinmedizin,
Pensionsversicherungsanstalt (PVA), hielt in ihrem Gesamtgutachten vom 22.
Februar 2010 nebst den psychiatrischen Diagnosen den Zustand nach Unfall vom
18. Juni 2008 mit Kopfprellung, Innenohrprellung und Lagerungsschwindel sowie
stabilen Brüchen im Lenden- und Brustwirbelkörperbereich fest (vgl. auch das
Gesamtgutachten der Frau Dr. med. I.________, Fachärztin für Allgemeinmedizin,
PVA, vom 3. August 2009, und das psychiatrische Fachgutachten des Dr. med.
J.________ vom 5. August 2009).

5.1.7. Am 21. September 2010 fertigte Dr. med. K.________, MR Institut
L.________, ein MRT des Gehirns und der HWS an.

5.1.8. Gemäss Einschätzung des Kreisarzt-Stellvertreters, Facharzt für
orthopädische Chirurgie, sei bei einer versicherungsmedizinischen Würdigung
durch Fachspezialisten der Tinnitus bei Trauma des Labyrinths links, die
posttraumatischen persistierenden Kopfschmerzen sowie das anhaltende psychische
Krankheitsbild abzuklären (Bericht vom 7. Januar 2011).

5.1.9. Dr. med. M.________, Facharzt für Unfallchirurgie, LKH N.________/A,
stellt im Gutachten vom 7. Oktober 2010 die Diagnose eines Schädelhirntraumas
sowie Bruch des 1. LWK und des 3. BWK; für die Beurteilung der
Schädelverletzungen und der neurologischen Ausfälle sei ein spezielles
Gutachten notwendig. Dr. med. O.________, Facharzt für Neurologie, LKH
N.________/A, kam am 17. Oktober 2009 zum Schluss, aktuell bestünden keine
neurologischen Ausfälle, die auf den Autounfall zurückzuführen seien; es sei
jedoch ein psychiatrisches Gutachten notwendig.

5.1.10. Die SUVA holte den Bericht des Dr. med. P.________, Facharzt für
Neurologie, LKH D.________, über die Hospitalisation vom 7. bis 8. Februar 2003
ein, gemäss welchem der Verdacht einer somatoformen Störung bestand, eine
langjährige psychotherapeutische Behandlung durchgeführt wurde und eine
Hochtonabsenke erwähnte, welche möglicherweise auf eine contusio labyrinthi
(Schädelhirntrauma ca. 1986) zurückzuführen sei. Am 14. September 2010 hielt
Dr. med. P.________ mehrere frühere Schädeltraumata in Kindheit und Jugend fest
und diagnostizierte bezüglich des Unfalles vom 18. Juni 2008 eine Kopfprellung
mit Risskontusionswunde frontal (ohne Hinweise auf eine MDBI, bei unauffälligem
Schädel-MRT vom Januar 2009, gedecktem Schädelhirntrauma ohne Bewusstlosigkeit
und ohne fassbare Verletzungszeichen bei normaler Schädel-MR-Angiographie, ohne
Hinweise auf Shearing-injuries, ischämische oder hämorrhagische Veränderungen
im Hirnstammbereich), linksseitige Gesichtsschmerzen unklarer Ätiologie, eine
stabile ventrale Kompressionsfraktur LWK 1, eine Vorder-/Oberkantenabsprengung
BWK 3, eine Deckplattenimpression BWK 4/5, eine Thorax- und Schulterkontusion
rechts sowie eine Erschütterung des Gleichgewichtsorgans links (sogenannte
contusio labyrinthi links). Weiter ging er von einer psychopathologisch
kollidierenden Kausalität im Sinne einer durch den Autounfall getriggerten
depressiv-psychosewertigen Symptomatik aus. Am 14. (recte: 21.) September 2010
berichtete er über das aktuelle Schädel-MRT, welches eine mit der bestehenden
arteriellen Hypertonie gut zu vereinbarende vaskuläre Leukenzephalopathie
zeige; es seien keine posttraumatischen Hirnkontusionszonen, Gliosen etc.
nachweisbar und es bestünden keine Hinweise für posttraumatische Residuen im
Halsmark; die HWS-Veränderungen seien degenerativer Natur. Mit diesen Befunden
werde das Ergebnis seines Gutachtens bestätigt, wonach keine neurologischen
Dauerfolgen bestünden.

5.1.11. Gestützt auf diese Fachgutachten holte die SUVA weitere Berichte ein,
u.a. jene des LKH N.________/A vom 22. November 2002 und vom 16. Juli 2002,
welche sich mit den früher erlittenen Schädelhirntraumata sowie einer unklaren
Schmerzsymptomatik befassten.

5.1.12. Im Rahmen der Stellungnahme zum Gutachten des Dr. med. P.________ von
2010 gibt der Versicherte an, er leide seit Jahren unter Sensibilitäts- und
Empfindungsstörungen, verwahrte sich aber gegen die Feststellung, er sei schon
vor dem Unfall in psychiatrischer Behandlung gestanden.

5.1.13. Dr. med. Q.________, Facharzt für Allgemeinmedizin, PVA, bestätigte im
Gesamtgutachten vom 10. Oktober 2012 die in früheren PVA-Gutachten erwähnten
Diagnosen.

5.1.14. Dr. med. R.________, Facharzt für Neurologie, Versicherungsmedizin,
SUVA, hielt im Gutachten vom 20. Dezember 2012 fest, es liege keine milde
traumatische Hirnverletzung (MTBI) vor, sondern eine Schädelprellung; aus den
Schädel-MRI von 2008 und 2010 seien keine unfallassoziierten Läsionen
erkennbar; es bestünden aber Mikroläsionen im Bereich des frontalen und
periventrikulären Marklagers, welche gut mit der vorbestehenden, schlecht
eingestellten arteriellen Hypertonie vereinbar seien. Aus neurologischer Sicht
bestehe keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.

5.1.15. Dr. med. S.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Versicherungsmedizin, SUVA, diagnostizierte am 1. März 2013 eine
posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1), Angst und Depression
gemischt (ICD-10: F41.2), anamnestisch ausgeprägte dissoziative Symptome sowie
ein auswärts festgestelltes Schlafapnoesyndrom. Er bezeichnete den Unfall vom
18. Juni 2008 sowohl für die PTBS als auch die Depression als teilkausal mit
noch bestehenden, besserungsfähigen Restbeschwerden. Insgesamt attestierte er
eine maximal 30 % eingeschränkte Arbeitsfähigkeit für einfache ungelernte
Tätigkeiten, wobei Arbeiten mit häufigem Unterwegssein im Strassenverkehr
vermieden werden sollten; für Tätigkeiten mit Publikumskontakt sei eine
Arbeitsfähigkeit von 50 % gegeben. Aus psychiatrischer Sicht sei der Endzustand
noch nicht erreicht; ein Integritätsschaden könne deshalb auch noch nicht
beurteilt werden.

5.2. Die vom Versicherten über den 30. November 2013 hinaus geklagten
Beschwerden lassen sich nicht durch einen im Sinne der Rechtsprechung organisch
hinreichend nachweisbaren Gesundheitsschaden erklären. Dementsprechend ist die
Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis und den
Beschwerden speziell zu prüfen. Die Prüfung der Adäquanz, d.h. der
Fallabschluss, ist bei Anwendung der Praxis gemäss BGE 115 V 133 in jenem
Zeitpunkt vorzunehmen, in dem von der Fortsetzung der auf die somatischen
Leiden gerichteten ärztlichen Behandlung keine namhafte Besserung des
Gesundheitszustandes mehr erwartet werden kann (BGE 134 V 109 E. 6.1 S. 116).
Demgegenüber wird die Adäquanz nach der "Schleudertrauma-Praxis" in jenem
Zeitpunkt geprüft, in dem von der Fortsetzung der auf das komplexe und
vielschichtige Schleudertrauma-Beschwerdebild - dessen psychische und physische
Komponenten nicht leicht zu differenzieren sind - gerichteten ärztlichen
Behandlung keine entsprechende Besserung mehr zu erwarten ist (vgl. BGE 134 V
109 E. 6.2 S. 116 f.; vgl. zum Ganzen auch Urteil 8C_295/2013 vom 25. September
2013 E. 3.1 sowie RUMO-JUNGO/ HOLZER, Bundesgesetz über die Unfallversicherung,
4. Aufl. 2012, S. 144 mit Hinweis). Das Vorliegen eines Schleudertraumas oder
einer damit vergleichbaren Verletzung - wie etwa ein Schädelhirntrauma (BGE 117
V 369) - ist auch massgeblich für die Wahl der Adäquanzformel.

5.3. Bezüglich des von der SUVA per 30. November 2013 vorgenommenen
Fallabschlusses spricht die lange Dauer seit dem Unfall vom 18. Juni 2008
dafür, dass keine namhafte Besserung resp. Erhöhung der Arbeitsfähigkeit (vgl.
E. 4.1) mehr zu erwarten wäre. Aus den medizinischen Akten ergeben sich
diesbezüglich aber Widersprüche, die kein klares Bild zulassen. So hat der
psychiatrische SUVA-Experte am 26. November 2012 - mithin ein Jahr vor dem
vorgenommenen Fallabschluss - noch der Kostenübernahme der vom Versicherten
beantragten spezifischen psychotherapeutischen Behandlung (zumindest bis zur
Erstattung der medizinischen Beurteilung durch ihn und Dr. med. R.________)
zugestimmt. In seiner Beurteilung vom 1. März 2013 hielt er teilkausale,
behandlungsbedürftige und besserungsfähige psychische Beschwerden - bei einer
attestierten Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen von 30 % - sowie die
Unmöglichkeit der Beurteilung einer Integritätsentschädigung infolge fehlendem
Erreichen des Endzustandes fest und prognostizierte, dass durch eine
"leitliniengestützte, fachgerechte störungsspezifische Behandlung eine
erhebliche Besserung der unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen"
erreicht werden könne, "wenn nicht gar im Hinblick auf das Leistungsbild,
sofern es Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet betrifft, eine
vollständige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bzgl. der in der Schweiz
zuletzt ausgeübten Tätigkeit möglich" sei. Der Versicherte hat diese am 26.
November 2012 vom psychiatrischen SUVA-Experten befürwortete spezifische
Behandlung aufgenommen und diese wurde von der SUVA auch bis Ende November 2013
bezahlt (vgl. dazu das Schreiben der SUVA vom 27. Juni 2013 sowie die folgende
E-Mailkorrespondenz).
Die Möglichkeit einer namhaften Verbesserung eines unfallkausalen
behandlungsbedürftigen Leidens kann somit gestützt auf die vorhandenen
medizinischen Akten zumindest nicht ausgeschlossen werden. Da es sich um ein
psychisches Leiden handelt, ist es aber nur zu berücksichtigen, falls ein
Schleudertrauma oder eine vergleichbare Verletzung (wie etwa das strittige
Schädelhirntrauma) gegeben ist (vgl. E. 5.2 mit Hinweis auf Urteil 8C_295/2013
vom 25. September 2013 E. 3.1). Fallabschluss und Adäquanz können somit nur
beurteilt werden, wenn die strittige Frage des Schädelhirntraumas beantwortet
werden kann.

5.4. Zur strittigen Frage, ob ein Schädelhirntrauma (oder eine andere, mit
einem Schleudertrauma vergleichbare Verletzung, BGE 117 V 369) vorlag, bestehen
folgende unterschiedlichen Einschätzungen:
Das erstbehandelnde Spital C.________ hielt kein Schädelhirntrauma, aber
immerhin Schwindel, Sehprobleme, eine Pupillenseitendifferenz, starke
Kopfschmerzen, Atemnot sowie eine Rissquetschwunde frontal fest und überwies
den Versicherten in die Neurologische Abteilung des LKH D.________ zur weiteren
Abklärung. Dort wurde in der Folge (u.a.) ein Schädelhirntrauma diagnostiziert
(Berichte vom 9. Juli 2008 und vom 10. Juli 2008). Die Rehaklinik E.________,
wo sich der Versicherte vom 15. Dezember 2008 bis 17. April 2009 aufhielt,
verneinte hingegen das Vorliegen eines Schädelhirntraumas, da es keine Hinweise
auf eine Hirnverletzung auch nur milder Ausprägung gegeben habe und das
Schädel-MRI unauffällig gewesen sei (Austrittsbericht vom 19. April 2009).
Nebst den behandelnden Ärzten diagnostizierte auch Dr. med. M.________,
Facharzt für Unfallchirurgie, LKH N.________/A, in seinem Gutachten vom 7.
Oktober 2009 ein Schädelhirntrauma. Dr. med. R.________ schloss sich hingegen
der Ansicht der Rehaklinik E.________ an, wonach kein Schädelhirntrauma gegeben
sei (Bericht vom 20. Dezember 2012).
Angesichts der dargelegten divergierenden Meinungen und dem Unfallhergang
(Abkommen von der Autobahn in einem Lieferwagen als Beifahrer bei über 100 km/h
und mit mehrfachem Überschlagen des Wagens; vgl. Polizeirapport vom 3. Juli
2008) kann das Vorliegen eines Schädelhirntraumas (oder einer vergleichbaren
Verletzung) nicht ohne Weiteres bejaht oder verneint werden.

5.5. Für die Beurteilung von Fallabschluss und Adäquanz liegt zudem kein den
Anforderungen der Rechtsprechung genügendes externes polydisziplinäres
Gutachten vor:
Die PVA-Gutachten wurden jeweils von Allgemeinmedizinern erstellt, so dass sie
den beweisrechtlichen Anforderungen an eine umfassende Beurteilung durch
Fachpersonen nicht zu genügen vermögen. Analoges gilt auch für die in
Österreich eingeholten Fachgutachten, da jeweils keine interdisziplinäre
Diskussion und Beurteilung stattfand.
Die Vorinstanz stützt sich bei ihrem Entscheid vornehmlich auf die Einschätzung
der Ärzte der Rehaklinik E.________, des Kreisarzt-Stellvertreters sowie der
beiden SUVA-Gutachter S.________ und R.________ (Austrittsbericht der
Rehaklinik E.________ vom 19. April 2009, Bericht des Kreisarzt-Stellvertreters
vom 7. Januar 2011, Gutachten des Dr. med. R.________ vom 20. Dezember 2012,
sowie Gutachten des Dr. med. S.________ vom 1. März 2013). Dabei handelt es
sich ausschliesslich um versicherungsinterne ärztliche Stellungnahmen.
Insgesamt sind die Feststellungen der verwaltungsexternen behandelnden Ärzte
jedoch geeignet, zumindest geringe Zweifel an den Schlussfolgerungen und
Beurteilungen der SUVA-Ärzte zu begründen.
Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ein
polydisziplinäres versicherungsexternes Gerichtsgutachten einhole und hernach
über den Leistungsanspruch nach dem 30. November 2013 (einschliesslich der
Integritätsentschädigung) neu entscheide. Die Gutachter werden dabei nicht nur
die Frage, ob der Versicherte sich anlässlich des Unfalls vom 18. Juni 2008 ein
Schädelhirntrauma oder eine vergleichbare Verletzung zugezogen hat, sowie den
aktuellen Gesundheitszustand und die - unter alleiniger Berücksichtigung der
unfallkausalen Beschwerden - noch zumutbare Arbeitsfähigkeit zu beurteilen
haben, sondern sie werden auch zu prüfen haben, ob der Fallabschluss per 30.
November 2013 gestützt auf die damals vorhandenen medizinischen Akten korrekt
war. Weiter sind für die Leistungsfestsetzung - sofern sich die geklagten
Beschwerden als natürlich und adäquat kausal erweisen - die Vorgaben nach BGE
141 V 281, welche bei Vorliegen der entsprechenden Beschwerdebilder auch im
Bereich der Unfallversicherung gelten (vgl. in der Amtlichen Sammlung noch
nicht publiziertes Urteil 8C_10/2015 vom 5. September 2015 E. 5.2), zu
beachten.

6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende SUVA hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Versicherte hat Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 27. Januar 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im
Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. September 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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