Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.167/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_167/2015

Urteil vom 11. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden
vom 15. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1977, war von 13. April bis 30. November 2012 bei der
B.________ AG als Bauarbeiter und Maschinenführer angestellt und in dieser
Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend:
SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 4. Mai 2012 verletzte er
sich bei der Arbeit am linken Oberschenkel. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen
Leistungen. Mit Verfügung vom 22. Oktober 2013, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 12. Februar 2014, stellte sie ihre Leistungen per 30.
Oktober 2013 ein und verneinte einen Anspruch auf eine
Integritätsentschädigung.

B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies die dagegen erhobene
Beschwerde mit Entscheid vom 15. Dezember 2014 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es sei ihm eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von
100 % sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von
mindestens 50 % zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur
Weiterbehandlung zurückzuweisen. Zudem ersucht er um einen zweiten
Schriftenwechsel.
Während die SUVA Beschwerdeabweisung beantragt, verzichtet das Bundesamt für
Gesundheit auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Von der Durchführung des beantragten zweiten Schriftenwechsels ist abzusehen,
da die SUVA mit Eingabe vom 13. April 2015 keine einlässliche Stellungnahme
einreichte, sondern unter blossem Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid
die Abweisung der Beschwerde beantragte, so dass weder prozessual zulässige,
für den Verfahrensausgang wesentliche neue Aspekte, zu denen der Versicherte
vor der Entscheidfällung angehört werden müsste, vorliegen, noch ein zweiter
Schriftenwechsel dazu dient, Anträge und Rügen vorzubringen, die bereits in der
Beschwerde selbst hätten gestellt oder vorgebracht werden können und müssen
(Art. 102 BGG; vgl. Urteil 8C_117/2014 vom 3. Juli 2014 E. 2 mit Hinweis). Im
Übrigen wäre es dem Versicherten freigestellt gewesen, im Rahmen des
rechtlichen Gehörs auf die Eingabe der SUVA vom 13. April 2015 zu reagieren,
worauf er jedoch verzichtete.

3. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Leistungsvoraussetzungen des natürlichen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit
Hinweisen) und des adäquaten Kausalzusammenhangs (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181
mit Hinweis) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Anforderungen an einen
ärztlichen Bericht (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) und
die Einholung eines versicherungsexternen Gutachtens (Art. 44 ATSG; BGE 135 V
465 E. 4 S. 467). Darauf wird verwiesen.

4. 
Der Versicherte rügt einerseits eine Verletzung des Prinzips der
Waffengleichheit nach Art. 6 EMRK; andererseits macht er eine Verletzung von
Art. 24 UVG geltend, da ihm keine Integritätsentschädigung zugesprochen wurde.
Schliesslich beanstandet er, die separate Betrachtung der physischen und
psychischen Folgen stelle eine Verletzung von Art. 36 UVG dar.

5. 
Die Vorinstanz hat die massgeblichen medizinischen Berichte einlässlich
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

6.

6.1. Der Versicherte stützt seine geltend gemachten Leistungsansprüche (Rente
sowie Integritätsentschädigung) massgeblich auf den Bericht des Dr. med.
C.________, Facharzt für Neurologie, vom 24. Januar 2014. Dieser schliesst
darin auf schwere Unfallfolgen am Oberschenkel, welche einer partiellen
Femoralisparese gleichkämen und zu einer Integritätsentschädigung bei einer
Integritätseinbusse von 20 % berechtigen würden. Dr. med. C.________ nimmt
dabei weder Bezug auf einen anderen ärztlichen Bericht noch äussert er sich zur
Arbeitsfähigkeit in angestammter oder zumutbarer Tätigkeit. Die Behauptung des
Versicherten, Dr. med. C.________ attestiere eine erhebliche Arbeitsunfähigkeit
ist somit aktenwidrig. Die Einschätzung des Dr. med. C.________ steht im
Übrigen zu den anderen ärztlichen Beurteilungen derart in Widerspruch, dass sie
nicht geeignet ist, auch nur geringe Zweifel an der Einschätzung der übrigen
Ärzte zu wecken. Namentlich ist seine Schlussfolgerung schwerer Unfallfolgen
nicht mit der Tatsache vereinbar, dass der Versicherte im Zeitpunkt der
Untersuchung durch Dr. med. C.________ bereits wieder während neun Monaten
seiner angestammten Tätigkeit im Strassenbau zu einem vollen Pensum nachging
(vgl. dazu die Beurteilung durch den behandelnden Dr. med. D.________, Facharzt
für Innere Medizin, vom 2. Mai 2013, welcher den Versicherten speziell
bezüglich der Narbe behandelte und diesen mit Antritt der neuen Stelle als voll
arbeitsfähig erachtete, sowie die Angaben des Versicherten im Rahmen der
psychiatrischen Untersuchung bei Dr. med. E.________, Facharzt für Psychiatrie
und Psychotherapie, Versicherungsmedizin, SUVA, am 8. Oktober 2013, wonach er
Ende April 2013 eine Stelle bei der F.________ AG, seinem Arbeitgeber im
Zeitpunkt des Unfalls von 2001, in der angestammten Tätigkeit angetreten habe;
vgl. dazu auch den Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2013). Bei Einstellung der
Leistungen per Ende Oktober 2013 hatte der Versicherte bereits während einem
halben Jahr wieder in der angestammten Tätigkeit im Strassenbau zu einem vollen
Pensum gearbeitet. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist nicht zu
beanstanden, dass die Vorinstanz gestützt auf die übrigen ärztlichen Berichte,
namentlich die Einschätzungen durch den Kreisarzt Dr. med. G.________, Facharzt
für orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, sowie Dr.
med. von H.________, Facharzt für Neurologie, Versicherungsmedizin, SUVA, im
Zeitpunkt der Leistungseinstellung in somatischer Hinsicht von einer vollen
Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit ausging.

6.2. Der Versicherte war nach dem Unfall vom 4. Mai 2012 anfänglich beim
diplomierten Psychotherapeuten I.________ in Behandlung; dieser hält in seinem
Bericht vom 4. Juni 2013 fest, er habe den Versicherten an das psychiatrische
Ambulatorium J.________ zur Begutachtung bezüglich der Arbeitsfähigkeit
überwiesen, bei ihm sei der Versicherte jedoch nicht mehr erschienen.
Anlässlich der Untersuchung durch Dr. med. E.________ vom 8. Oktober 2013
berichtete der Versicherte, seit er Ende April 2013 die Stelle bei der
F.________ AG in der angestammten Tätigkeit angetreten habe (vgl. dazu auch den
Arbeitsvertrag vom 3. Mai 2013 sowie das Schreiben des Versicherten vom 17.
Oktober 2013), seien die beiden Unfallerlebnisse (jenes vom 4. Mai 2012 sowie
jenes von 2001, bei welchem er zwar nicht direkt beteiligt war, aber sein Onkel
von der Maschine seines Vaters überrollt und getötet wurde, vgl. dazu den
Polizeibericht vom 5. Juni 2001) abgeklungen. Hingegen beklagte sich der
Versicherte über die entstellende Narbe, die fehlende Übernahme seiner
Augenarztrechnungen, die fehlende Lohnentschädigung für die Monate Oktober und
November 2012 sowie über den Umstand, dass sich der Arbeitskollege, welcher den
Unfall vom 4. Mai 2012 verursacht habe, nie nach seinem Befinden erkundigt
habe. Das psychiatrische Ambulatorium J.________ habe ihn an jenes in
K.________ verwiesen, welches er jedoch nicht aufgesucht habe, da er es
vorgezogen habe, anstatt der Attestierung einer psychischen Arbeitsunfähigkeit
nach Italien zu seinen Eltern zu fahren. Dr. med. E.________ kam zum Schluss,
dass das psychische Beschwerdebild, welches zur Behandlung durch den
Psychologen I.________ führte, Doppelfolge der Unfälle vom 4. Mai 2012 sowie
vom 17. Mai 2001 sei; angesichts des positiven Verlaufs seit Arbeitsaufnahme im
Frühling 2013 stehe einem Fallabschluss nichts entgegen, ein Rückfall bei
ungünstigen Lebensumständen sei aber nicht ausgeschlossen. Bei den Akten finden
sich keinerlei Hinweise, die im Zeitpunkt der Leistungseinstellung noch auf
massgebliche psychische Beschwerden schliessen liessen. Etwas anderes macht
denn auch der Versicherte nicht geltend, beantragt er vor Bundesgericht doch
lediglich eine Begutachtung durch eine Fachperson der Orthopädie resp. der
Neurologie.
Beim Unfall vom 4. Mai 2012 hat sich der Versicherte unbestrittenermassen weder
ein Schleudertrauma noch eine damit vergleichbare Verletzung zugezogen, so dass
für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs von psychischen
Beschwerden die Rechtsprechung von BGE 115 V 133 massgeblich ist. Bezüglich der
Prüfung der für den adäquaten Kausalzusammenhang massgebenden Kriterien kann
auf die vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden, zu welchen sich der
Versicherte nicht äussert. Demnach ist mit der Vorinstanz die Adäquanz
(allfälliger) psychischer Beschwerden zu verneinen. Daran ändert auch die
Berufung auf Art. 36 UVG nichts: Bei Art. 36 UVG geht es - entgegen der Ansicht
des Versicherten - nicht um die einheitliche Beurteilung von psychischen und
physischen Beeinträchtigungen, sondern um das Zusammentreffen von
Schadensursachen, d.h. um die Beurteilung von (vorbestehenden) Leiden, welche
durch ein Unfallgeschehen verstärkt oder erst ausgelöst werden.

6.3. Nachdem der Bericht des Dr. med. C.________ vorliegend nicht geeignet ist,
die Einschätzungen der übrigen Ärzte auch nur geringfügig in Zweifel zu ziehen
(vgl. BGE 135 V 465 unter Bezugnahme auf Art. 6 Ziff. 1 EMRK), kann ihm auch
bezüglich der Integritätseinbusse nicht gefolgt werden, so dass es bei der
Verneinung des Anspruchs auf eine Integritätsentschädigung mangels
Erheblichkeit der Integritätsminderung sein Bewenden hat.

7. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 11. Juni 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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