Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.166/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_166/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 5. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Gehring,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 28. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________, geboren 1971, meldete sich im März 2008 bei der
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an und gab an, er sei bis auf Weiteres
voll arbeitsunfähig. Gestützt auf sein Schreiben an die Vorsorgeeinrichtung vom
10. September 2007, mit welchem er mitteilte, er sei seit 3. August 2007 wieder
voll arbeitsfähig, erhob diese Einwand gegen die vorgesehene Zusprechung einer
(halben) Invalidenrente, teilte aber auch mit, dass A.________ ab Oktober 2007
erneut voll arbeitsunfähig sei. Mit Verfügung vom 26. Mai 2009 sprach die
IV-Stelle des Kantons Zürich A.________ ab 1. August 2008 eine ganze
Invalidenrente zu. Die Vorsorgeeinrichtung reichte dagegen Beschwerde ein. Per
1. Mai 2010 nahm A.________ eine Arbeit bei der B.________ AG auf. Mit
Entscheid vom 22. Juni 2010 wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich die Sache unter Aufhebung der Rentenverfügung an die IV-Stelle zu
weiteren Abklärungen und neuer Festsetzung des Rentenbeginns zurück. Der
zuständige Berater von A.________ stellte der IV-Stelle Berichte zum Verlauf
der Erwerbstätigkeit zu, welche erneut Schwierigkeiten beim Erhalt der Stelle
aufzeigten. Mit Verfügung vom 19. Mai 2011 forderte die IV-Stelle mangels
Verrechnung mit den Leistungen des Krankenversicherers zu viel ausgerichtete
Renten zurück. Am 12. September 2011 sprach die IV-Stelle von 1. August 2008
bis 31. Mai 2009 eine ganze Invalidenrente zu und verrechnete diese. Mit
Schreiben vom 16. Januar 2012 ersuchte A.________ die IV-Stelle dringend um
eine Besprechung, da sich bei seiner neuen Stelle (C.________ AG) dieselben
gesundheitlichen Beschwerden bemerkbar machten, welche er schon bei seinem
früheren Arbeitgeber B.________ AG gehabt habe. Am 29. März 2012 erliess die
IV-Stelle den Vorbescheid zur vorgesehenen Rückforderung infolge rückwirkend
reduzierter Invalidenrente sowie die Verfügung der neu von 1. Juli 2008 bis 31.
Juli 2010 befristeten halben Invalidenrente. Mit Verfügungen vom 16. Mai 2012
sprach sie A.________ von 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2010 eine halbe
Invalidenrente zu und forderte die von 1. August 2008 bis 31. März 2012 zu viel
ausbezahlten Rentenbetreffnisse zurück. Nachdem A.________ dagegen hatte
Beschwerde erheben lassen, verfügte die IV-Stelle in Absprache mit dem
Rechtsvertreter am 3. Dezember 2012 zur Behebung eines Eröffnungsfehlers erneut
die Rückforderung für zu viel bezahlte Renten vom 1. Juni 2009 bis 31. März
2012 in der Höhe von Fr. 48'844.-. Mit Entscheid vom 7. August 2013 hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diese Verfügungen auf und stellte
einen Anspruch auf eine ganze Invalidenrente von 1. Juli 2008 bis 31. Juli 2009
sowie auf eine halbe Invalidenrente von 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 fest,
nahm die vor dem 29. März 2011 ausbezahlten Renten von der Rückforderung aus
und wies die Sache zur Neuberechnung der Rückforderung an die IV-Stelle zurück.
Gestützt auf diesen Entscheid stellte die IV-Stelle am 11. November 2013 die
Rückforderung von Fr. 22'272.- für die Zeit vom 1. April 2011 bis 31. März 2012
in Aussicht, was sie mit Verfügung vom 24. März 2014 bestätigte. A.________
liess dagegen Beschwerde einreichen. Mit der lite pendente erlassenen Verfügung
vom 2. Oktober 2014 verlangte die IV-Stelle die Rückforderung von Fr. 11'794.70
infolge zu viel ausbezahlter Rentenbetreffnisse in der Zeit vom 1. April 2011
bis 31. März 2012, indem sie die am 1. Juli 2014 zugesprochenen Taggelder mit
der Rückforderung gemäss Verfügung vom 24. März 2014 verrechnete.

B. 
Mit Entscheid vom 28. Januar 2015 stellte das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich das Dahinfallen der Verfügung vom         24. März 2014 fest und
schützte die Rückforderung im Umfang der Verfügung vom 2. Oktober 2014.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben, soweit damit
die Rückforderung im Betrag von          Fr. 11'794.70 geschützt werde, und
festzustellen, dass keine Rückerstattungspflicht bestehe.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung
abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist
die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht
eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich
nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine
erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen,
wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die
Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur
insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV
286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

2. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Rückforderung
unrechtmässig bezogener Invalidenrente (Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 ATSG)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist gegen
selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide, wozu auch die
Rückweisungsentscheide zählen (BGE 133 V 477), nur unter bestimmten
Voraussetzungen zulässig (Art. 93 Abs. 1 BGG). Ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 93 Abs. 1 und 2 nicht zulässig
oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und
Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit
sie sich auf dessen Inhalt auswirken (Art. 93 Abs. 3 BGG). Dies hat zur Folge,
dass das Bundesgericht im Rahmen der Beurteilung des Endentscheids an
unangefochten gebliebene vorinstanzliche Rückweisungsentscheide nicht gebunden
ist. Insofern kann der Versicherte aus dem Entscheid vom          7. August
2013 bezüglich der Rückforderung nichts zu seinen Gunsten ableiten.

4.

4.1. Spricht die IV-Stelle eine Rente zu und richtet Leistungen aus, bevor die
betreffende Verfügung rechtskräftig geworden ist, beginnt im Falle eines
gerichtlich festgestellten zusätzlichen Abklärungsbedarfs die relative
einjährige Verwirkungsfrist von Art. 25 Abs. 2 ATSG für die Geltendmachung des
Rückforderungsanspruchs frühestens zu laufen, wenn sie um das definitive
Ergebnis der Abklärungen weiss, auf denen der das Renten (streit) verfahren
abschliessende Entscheid beruht (SVR 2015 IV Nr. 5 S. 10 E. 4, 9C_195/2014, mit
Verweis auf SVR 2014 IV Nr. 15 S. 60 E. 5.2.2.4, 8C_631/2013). Es ist
bundesrechtskonform, wenn eine (kantonale) Vorinstanz nicht die Zustellung des
kantonalen Rechtsmittelentscheids als Auslöser für den Beginn der einjährigen
Verwirkungsfrist von Art. 25 Abs. 2 ATSG genügen lässt, sondern erst den
Eintritt der Rechtskraft dieses kantonalen Entscheids (SVR 2015 IV Nr. 4 S. 8
E. 2, 8C_316/2014).

4.2. Die Vorinstanz setzte mit Entscheid vom 7. August 2013 erstmals die
Ansprüche des Versicherten auf eine Invalidenrente fest, nachdem sie noch mit
Entscheid vom 22. Juni 2010 die Rentenverfügungen der IV-Stelle aufgehoben und
die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer Verfügung an diese zurückgewiesen
hatte. Dieser Entscheid vom 7. August 2013 blieb unangefochten. Damit beginnt
nach der Rechtsprechung (E. 4.1) die relative einjährige Verwirkungsfrist mit
Ablauf der 30-tägigen Beschwerdefrist des am 6. September 2013 bei der
IV-Stelle eingegangenen Entscheids. Bei dieser Sach- und Rechtslage ist nicht
nur die Rückforderungsverfügung vom 24. März 2014, sondern auch die lite
pendente erlassene Verfügung vom         2. Oktober 2014 innert der einjährigen
relativen Verwirkungsfrist ergangen. Die Rückforderungsansprüche der IV-Stelle
sind somit nicht verwirkt.
Daran ändern auch die Einwände des Versicherten nichts. Zwar ist ihm
zuzustimmen, dass BGE 139 V 6 vorliegend nicht einschlägig ist. Jedoch sind
entgegen seiner Ansicht der hier strittige Fall der noch nicht rechtskräftig
festgesetzten Invalidenrenten und jener im Rahmen einer Revision nach Art. 17
ATSG nicht vergleichbar, weshalb sich auch nicht die geforderte
Gleichbehandlung gebietet. Ebenso wenig vermag die - unbestrittenermassen
erfüllte - Mitwirkungspflicht des Versicherten zu einem anderen Ergebnis zu
führen. Denn angesichts seines instabilen Gesundheitszustandes, welcher immer
wieder zu einer Überforderung an der jeweiligen Arbeitsstelle führte, und der
damit verbundenen Schwankungen in der Arbeitsfähigkeit waren nicht bereits mit
Mitteilung der Arbeitsaufnahme auf den 1. Mai 2010 weitere Rentenzahlungen
ausgeschlossen. Wie sich letztlich zeigte, erfolgten auch nach dem
Stellenantritt per 1. Mai 2010 aus gesundheitlichen Gründen Arbeitsplatzwechsel
und Änderungen in der beruflichen Tätigkeit (vgl. etwa das Schreiben des
Versicherten vom 16. Januar 2012). Somit kann der IV-Stelle nicht vorgeworfen
werden, sie hätte bereits seit der Arbeitsaufnahme am 1. Mai 2010 um den
Rückforderungsanspruch gewusst oder wissen müssen.

5. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Der unterliegende Versicherte hat die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Juni 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold

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