Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.15/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_15/2015

Urteil vom 31. März 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Evalotta Samuelsson,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. November 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1963 geborene A.________ ist ausgebildete Pflegeassistentin und übte diesen
Beruf zuletzt ab November 2010 in einem 80 %-Pensum beim Verein B.________ aus.
Ab 7. Juni 2011 bestand wegen Bandscheibenproblemen eine Arbeitsunfähigkeit. Im
Januar 2012 meldete sich A.________ deswegen bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog nebst weiteren
Abklärungen das vom zuständigen Krankentaggeldversicherer eingeholte
bidisziplinäre (neurologische/psychiatrische) Gutachten der Klinik C.________
vom 29. Juli 2012 bei. Mit Verfügung vom 11. April 2013 sprach sie der
Versicherten ab 1. Juli 2012 bei einem Invaliditätsgrad von 72 % eine bis 31.
Oktober 2012 befristete ganze Invalidenrente zu.

B. 
Beschwerdeweise beantragte A.________, in Aufhebung der Verfügung vom 11. April
2013 sei die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese ein
interdisziplinäres, die Fachrichtungen Neurochirurgie, Rheumatologie und
Psychiatrie umfassendes Gutachten einhole und danach neu entscheide. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde mit Entscheid
vom 24. November 2014 ab.

C. 
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie
beantragt die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und erneuert ihr
vorinstanzliches Rechtsbegehren.
Es wird kein Schriftenwechsel durchgeführt.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweisen).
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2. 
Die Versicherte legt weder im Antrag noch in der Begründung der Beschwerde dar,
welchen Leistungsanspruch sie über die von der Verwaltung verfügte und vom
kantonalen Gericht bestätigte befristete ganze Rente hinaus anstrebt. Am
ehesten dürfte sie sich wohl an der Rentenbefristung stören, ohne dass dies
aber aus ihren - auf Beweisfragen und formelle Rügen beschränkten -
Ausführungen erkennbar wäre. Das lässt die Zulässigkeit der Beschwerde
zweifelhaft erscheinen, zumal eine reformatorische Entscheidung des
Bundesgerichts nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (vgl. LAURENT
MERZ, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 16 und 18 zu
Art.42 BGG). Letztlich kann dies aber offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin
unbegründet ist, wie die folgenden Erwägungen zeigen.

3. 
Die Beschwerdeführerin rügt wie schon im vorinstanzlichen Verfahren, die
Verwaltungsverfügung vom 11. April 2013 sei ungenügend begründet. Das verletze
ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Daraus leitet sie aber offensichtlich
keine Rechtsfolgen ab, hält sie doch zugleich fest, eine Rückweisung der Sache
zur Begründung der Verfügung würde nur das Verfahren verzögern. Damit hat es
diesbezüglich sein Bewenden. Eine solche Rückweisung wäre im Übrigen schon
deswegen nicht angezeigt, weil ein allfälliger Gehörsmangel im vorliegenden
Fall als im kantonalen Verfahren geheilt zu betrachten wäre.

4. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Anspruch auf eine
Invalidenrente, zu deren Befristung unter rentenrevisionsrechtlichen
Gesichtspunkten und zur Invaliditätsbemessung mittels Einkommensvergleich
zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die zu beachtenden Beweisregeln. Darauf
wird verwiesen.

5. 
Die Versicherte hat unbestrittenermassen ab 1. Juli 2012 bei einem
Invaliditätsgrad von 72 % Anspruch auf eine ganze Invalidenrente.
Die Vorinstanz ist sodann zum Ergebnis gelangt, infolge zwischenzeitlich
eingetretener gesundheitlicher Besserung sei nunmehr eine angepasste Tätigkeit
zu 100 % zumutbar. Der davon ausgehende Einkommensvergleich führe zu einem
nicht mehr rentenbegründenden Invaliditätsgrad, weshalb die Rente zu Recht
befristet worden sei.

6. 
Die Einwände der Beschwerdeführerin betreffen die der Rentenbefristung zugrunde
gelegte Beurteilung von Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit.

6.1. Das kantonale Gericht hat hiezu vorab erkannt, die Rentenzusprechung habe
auf der Annahme einer - in der auch operativ behandelten
Bandscheibenproblematik begründeten - 90%igen Arbeitsunfähigkeit in der
angestammten und in angepassten Tätigkeiten basiert. Das ist nicht umstritten.

6.2. Die Vorinstanz hat weiter erwogen, die Verwaltung sei gestützt auf das
Gutachten der Klinik C.________ zu Recht davon ausgegangen, dass kein
relevantes psychisches Leiden vorliege und aus somatomedizinischer Sicht nach
Abheilung der Operationsfolgen sowie den nachfolgenden Untersuchungen ab 29.
Juli 2012 eine 100%ige Arbeitsfähigkeit in angepassten Tätigkeiten bestanden
habe. Die Versicherte erhebt Einwände gegen die Beurteilung des körperlichen
Gesundheitszustandes und seiner Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit.

6.3. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur
Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum handelt es
sich grundsätzlich um Entscheidungen über Tatfragen, welche das Bundesgericht
nur im Rahmen von Art. 105 Abs. 2 BGG beurteilen kann. Das gilt auch
hinsichtlich der konkreten Beweiswürdigung. Dagegen ist die Beachtung des
Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln vom Bundesgericht frei
überprüfbare Rechtsfrage im Sinne von Art. 95 BGG (vgl. BGE 132 V 393 E. 3.2
und 4 S. 397 ff.; SVR 2014 IV Nr. 1 S. 1, 9C_228/2013 E. 1.2; 2014 IV Nr. 20 S.
72, 9C_460/2013 E. 1.3).

6.4. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, das Gutachten der Klinik
C.________ sei aus formellen Gründen nicht verwertbar, weil sie vor Erteilung
des Begutachtungsauftrags keine Gelegenheit erhalten habe, sich zum Inhalt des
Begutachtungsauftrags zu äussern und der Begutachtungsstelle eigene Fragen zu
unterbreiten. Das verstosse gegen die Verfahrensgrundsätze gemäss BGE 137 V 210
und verletze auch Art. 6 EMRK.
Das kantonale Gericht hat diesen Einwand namentlich mit der Begründung
verworfen, BGE 137 V 210 habe im Zeitpunkt der Formulierung der Gutachterfragen
noch nicht vorgelegen. Zudem habe die Versicherte ihre Rüge zu spät erhoben.
Wie es sich diesbezüglich verhält, kann aus folgenden Gründen offenbleiben: Das
von der Versicherten angerufene Leiturteil BGE 137 V 210 wie auch die sich
darauf beziehenden Präjudizien (vgl. etwa BGE 139 V 349; 138 V 318) beschlagen
die medizinischen Gutachten, welche der mit dem streitigen
sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch befasste Versicherungsträger
selber einholt. Im vorliegenden Fall verhält es sich indessen so, dass der
private Krankentaggeldversicherer die Begutachtungsstelle auswählte, ihr den
Begutachtungsauftrag erteilte und auch Empfänger der fertiggestellten Expertise
war. Die IV-Stelle wurde zwar vom Krankentaggeldversicherer vorab angefragt, ob
sie sich an den Expertisenkosten beteiligen wolle, und sie konnte der
Begutachtungsstelle eigene Fragen unterbreiten. Dies ändert aber nichts daran,
dass nicht sie, sondern der Krankentaggeldversicherer das Gutachten eingeholt
hat. Die Verfahrensgrundsätze, welche namentlich in BGE 137 V 210 umschrieben
wurden, finden daher keine Anwendung. Das gilt auch für das Recht der
versicherten Person, sich vorgängig zum Begutachtungsauftrag und zum
Fragenkatalog zu äussern. Die IV-Stelle war weder gehalten noch zuständig, der
Versicherten die Gelegenheit hiefür einzuräumen. Darin liegt auch keine
Verletzung von Art. 6 EMRK. Es ist im Übrigen zu Recht nicht umstritten, dass
der Sozialversicherungsträger befugt, ja gehalten ist, auch nicht von ihm
selber veranlasste ärztliche Berichte und Gutachten zu berücksichtigen, soweit
diese zur Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes beitragen können.

6.5. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Vorinstanz habe zwar zu
Recht Ausstands- und Befangenheitsgründe gegen die Experten der Klinik
C.________ verneint. Das neurologische Teilgutachten des Facharztes Prof. Dr.
med. D.________ der Klinik C.________ vom 29. Juli 2012 weise aber erhebliche
Mängel auf und sei materiell beweisuntauglich. Die Vorinstanz hätte somit nicht
darauf abstellen dürfen, sondern wäre gehalten gewesen, eine polydisziplinäre
medizinische Expertise einzuholen.
Das kantonale Gericht hat einlässlich dargelegt, weshalb es das Gutachten der
Klinik C.________ mit der neurologischen Teilexpertise des Prof. Dr. med.
D.________ auch hinsichtlich des körperlichen Gesundheitszustandes und seiner
Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit als umfassende und beweiswertige
Beurteilungsgrundlage erachtet.
Diese Sachverhaltsfeststellungen sind im Rahmen der bundesgerichtlichen
Überprüfungsbefugnis nicht zu beanstanden. Die Vorbringen der Versicherten
rechtfertigen keine andere Betrachtungsweise. Das Teilgutachten des Prof. Dr.
med. D.________ ist einlässlich und überzeugend begründet. Es stützt sich auf
eingehende, fachgerechte Untersuchungen und die medizinischen Vorakten. Es ist
nicht nachvollziehbar, inwiefern der neurologische Gutachter bei seinen
Abklärungen in unzulässiger Weise vorgegangen sein soll. Widersprüche oder
Begründungslücken, welche die Beweiskraft der Expertise in Frage stellen
könnten, liegen nicht vor. Die Schmerzmedikation war Prof. Dr. med. D.________
bekannt und wurde von ihm offensichtlich im Rahmen seiner Folgerungen
berücksichtigt. Das gilt auch für die in den medizinischen Vorakten erwähnte
Nervenwurzelkompression. Die Dauer der Begutachtung wie auch die radikuläre
Problematik hat das kantonale Gericht in nicht bundesrechtswidriger Weise
gewürdigt. Gleiches gilt hinsichtlich der von ihm verneinten Notwendigkeit
weiterer Abklärungen aus anderen medizinischen Fachgebieten. Diese Beurteilung
wird auch durch den Bericht des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 27.
September 2012 gestützt. Dem RAD obliegt u.a. die Aufgabe, eine umfassende
Einordnung vorzunehmen, welche Fachdisziplinen an der Begutachtung zu
beteiligen sind (SVR 2014 IV Nr. 6 S. 25, 9C_656/2013 E. 3.2). Die
orthopädische Chirurgin des RAD ist zum Ergebnis gelangt, das Gutachten der
Klinik C.________ sei umfassend und beweiswertig. Die medizinischen Vorakten
(einschliesslich der Berichte der Höhenklinik E.________ und des Spitals
F.________) und der Bericht der Klinik G.________ vom 20. Dezember 2012 lassen
die vorinstanzliche Beurteilung ebenfalls nicht als offensichtlich unrichtig
oder in anderer Weise bundesrechtswidrig erscheinen. Insbesondere wird die
Einschätzung einer vollen Arbeitsfähigkeit in angepasster Tätigkeit dadurch
nicht in Frage gestellt. Der angefochtene Entscheid setzt sich auch hinreichend
mit den Akten und den Vorbringen der Versicherten auseinander. Eine Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor. Die Versicherte beruft
sich sodann darauf, sie sei ab 1. November 2012 weiterhin zu 100 %
arbeitsunfähig geschrieben worden. Im damit offenbar gemeinten ärztlichen
Attest wurde diese Arbeitsunfähigkeit aber nicht mit der Rückenproblematik,
sondern mit einem Unfall begründet. Damit dürfte es sich um den in den Akten
erwähnten Bruch eines Mittelfussknochens handeln. Aus der Beschwerde ergibt
sich jedenfalls nichts anderes. Es wird auch nicht dargelegt, weshalb es sich
hier nicht um eine passagere Arbeitsunfähigkeit bis zur Besserung des Bruches
gehandelt haben soll. Damit vermag auch dieses Vorbringen die vorinstanzliche
Beurteilung nicht in Frage zu stellen.

6.6. Zu erwähnen bleibt, dass die Vorinstanz zu weiteren, im kantonalen
Verfahren aufgelegten medizinischen Berichten erwogen hat, diese seien nach dem
Erlass der Verwaltungsverfügung vom 11. April 2013 ergangen, äusserten sich
nicht zum massgeblichen Sachverhalt bis dahin und seien daher nicht zu
berücksichtigen. Diese Beurteilung ist letztinstanzlich nicht umstritten. Damit
hat es diesbezüglich sein Bewenden.

6.7. Die Vorinstanz hat erkannt, der auf den erwähnten medizinischen
Feststellungen (hier behandelt in E. 6.5) beruhende Einkommensvergleich ergebe
einen Invaliditätsgrad von nurmehr höchstens 28 %, weshalb die Rente zu Recht
befristet worden sei. Diese Erwägungen werden nicht beanstandet und geben
keinen Anlass für Weiterungen. Die Beschwerde ist abzuweisen.

7. 
Die Kosten des Verfahrens sind von der unterliegenden Beschwerdeführerin zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. März 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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