Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.157/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_157/2015

Urteil vom 18. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

Verfahrensbeteiligte
A.________ und B.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Flavio Gisler,
Beschwerdeführer,

gegen

Gesundheits-, Sozial- und Umweltdirektion
des Kantons Uri, Klausenstrasse 4, 6460 Altdorf,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Kantonale Sozialversicherung (Prämienverbilligung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Uri vom 9. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ und B.________ ersuchten am 5. März 2013 für das Jahr 2013 um
Prämienverbilligung. Das Amt für Gesundheit des Kantons Uri gewährte mit
Verfügung vom 12. August 2013 eine Prämienverbilligung im Betrag von Fr.
1'000.-. Das wurde auf die von den Gesuchstellern erhobene
Verwaltungsbeschwerde hin mit Entscheid der Gesundheits-, Sozial- und
Umweltdirektion des Kantons Uri (nachfolgend: GSD) vom 30. September 2013
bestätigt.

B. 
Hiegegen erhoben A.________ und B.________ beim Obergericht des Kantons Uri
Beschwerde. Sie machten dabei wie bereits im Verwaltungsbeschwerdeverfahren
geltend, das für den Prämienverbilligungsanspruch massgebliche Einkommen sei
unter Anrechnung der Verluste aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit gemäss
Steuerveranlagungsverfügung 2011 auf Fr. 0.- anzusetzen. Das Obergericht wies
die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Januar 2015 ab.

C. 
A.________ und B.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, es sei der vorinstanzliche Entscheid
aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen.

Die GSD verzichtet auf eine Vernehmlassung und hält an ihrer im kantonalen
Verfahren vertretenen Auffassung fest.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen
Instanz, gegen den nicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht geführt
werden kann (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Er betrifft eine öffentlich-rechtliche
Angelegenheit (Art. 82 lit. a BGG). Ein Ausschlussgrund (Art. 83 BGG) liegt
nicht vor. Das gilt, da das kantonale Recht einen Anspruch auf die streitige
Prämienverbilligung vorsieht, auch für den Ausschlussgrund betreffend
Subventionen (Art. 83 lit. k BGG; vgl. BGE 134 I 313 E. 1.2 S. 314). Die
übrigen Voraussetzungen für das Eintreten auf die Beschwerde sind ebenfalls
erfüllt.

2. 
Die von den Kantonen erlassenen Bestimmungen zur Prämienverbilligung in der
Krankenversicherung stellen autonomes kantonales Recht dar (vgl. BGE 134 I 313
E. 3 S. 315). Die Verletzung kantonaler Bestimmungen bildet - abgesehen von den
hier nicht gegebenen Fällen gemäss Art. 95 lit. c und d BGG - nur dann einen
zulässigen Beschwerdegrund, wenn eine derartige Rechtsverletzung einen Verstoss
gegen Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a BGG oder Völkerrecht im Sinne von
Art. 95 lit. b BGG zur Folge hat (BGE 140 I 320 E. 3.1 S. 321 mit Hinweisen).

3. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG),
doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und
Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten
Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu
offensichtlich sind. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem oder interkantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rügepflicht (Art.
106 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f. mit Hinweisen).

Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei
offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG).

4. 
Gemäss dem angefochtenen Entscheid richtet sich der streitige Anspruch auf
Prämienverbilligung noch nach dem urnerischen Reglement für die
Prämienverbilligung für die Krankenpflege-Grundversicherung vom 26. September
2006 (nachfolgend: aPVR) und nicht nach dessen am 1. Januar 2014 in Kraft
getretenen, gleich betitelten Folgeerlass vom 3. Dezember 2013 (RB 20.2213).
Das ist nicht umstritten.

Die Grundlage für die Beurteilung des Anspruchs auf Prämienverbilligung bilden
gemäss Art. 8 Abs. 1 aPVR die anrechenbaren Prämien und das
Prämienverbilligungs-Einkommen (PV-Einkommen) der Antrag stellenden Person.
Art. 11 aPVR regelt die Bestimmung des PV-Einkommens. Die Grundlage hiefür
bildet gemäss dem hier interessierenden Art. 11 Abs. 3 aPVR die vorletzte
Steuerperiode im Sinne der kantonalen Steuergesetzgebung, resp. ausnahmsweise
die letzte Steuerperiode, wenn die versicherte Person dies innerhalb des
Anspruch begründenden Jahres beantragt und sich die massgebenden Nettoeinkünfte
um mindestens 25 % verändert haben. Art. 12 aPVR regelt zwei Sonderfälle. Von
Belang ist hier folgende Regelung gemäss Art. 12 Abs. 2 aPVR (in der ab 1.
Januar 2010 in Kraft gestandenen Fassung) : Entsprechen die Steuerwerte
offensichtlich nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antrag
stellenden Person, ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzustellen.

5. 
Die Beschwerdeführer haben gemäss Steuererklärung im Jahr 2010 aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit einen Verlust von Fr. 274'634.- erlitten.
Dieser Verlust wurde bei der Bestimmung des steuerbaren Einkommens in der
Veranlagungsverfügung für das Jahr 2010 vollumfänglich und in der
Veranlagungsverfügung für das Jahr 2011 als Verlustvortrag in der Höhe von noch
Fr. 191'425.- angerechnet. Auf der Grundlage der Veranlagungsverfügung 2010 und
des darin berücksichtigten Verlustes erhielten die Beschwerdeführer für das
Jahr 2012 Fr. 8'100.- Prämienverbilligung zugesprochen. Bei der Bestimmung des
PV-Einkommens für das Jahr 2013 hingegen wurde der besagte Verlust weder ganz
noch anteilsmässig angerechnet. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

6.

6.1. Das kantonale Gericht hat erwogen, grundsätzlich werde dem Prinzip, wonach
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit massgeblich sei, Genüge getan, indem
gemäss Art. 11 Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 aPVR e contrario auf die Steuerwerte
der rechtskräftigen Steuerveranlagung der vorletzten Steuerperiode abgestellt
werde. Vorbehalten blieben aber Sonderfälle gemäss Art. 12 aPVR. Im
vorliegenden Fall habe sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Beschwerdeführer im Jahr 2011 im Vergleich zum Jahr 2010 nicht wesentlich
geändert. Dementsprechend habe die Steuerveranlagung für 2011 gegenüber
derjenigen für 2010 keine Änderung erfahren. Bei der Prämienverbilligung gehe
es indessen um das Jahr 2013. Wolle man dem Grundsatz der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit Rechnung tragen, spiele der Verlust aus früherer
selbstständiger Erwerbstätigkeit keine Rolle mehr. Die Vorinstanz schliesst
damit auf einen Sonderfall im Sinne von Art. 12 Abs. 2 aPVR, indem sie für die
Prämienverbilligung im Jahr 2013 auf die für dieses Jahr ausgewiesene
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellt und den in der Steuerveranlagung
2011 angerechneten Verlustvortrag nicht berücksichtigt.

6.2. In der Beschwerde wird gerügt, diese Beurteilung verletze das
Gleichbehandlungsgebot gemäss Art. 8 Abs. 1 BV, den Grundsatz der Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäss Art. 127 Abs. 2 BV und das
Willkürverbot gemäss Art. 9 BV.

6.2.1. Gemäss Art. 8 Abs. 1 BV sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Die
Beschwerdeführer machen hiezu geltend, obwohl im Jahr 2011 noch Verluste im
Rahmen der Steuerveranlagung hätten verrechnet werden können, sei dies im
Rahmen der Prämienverbilligungsberechnung im Jahr 2013 nicht berücksichtigt
worden. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes gemäss Art. 8 Abs. 1 BV
kann darin aber nicht gesehen werden, wird doch weder dargetan noch ist
ersichtlich, dass von der kantonalen Regelung betroffene Dritte, die in
vergleichbaren Verhältnissen stehen, anders behandelt worden wären.

6.2.2. Nach Art. 127 Abs. 2 BV sind bei der Besteuerung, soweit es die Art der
Steuer zulässt, insbesondere die Grundsätze der Allgemeinheit und der
Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der Grundsatz der Besteuerung nach der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beachten. Diese Grundsätze sind indessen
nicht anwendbar auf die Prüfung eines Anspruchs auf Prämienverbilligung. Daran
ändert nichts, dass bei dieser Anspruchsprüfung gegebenenfalls auf
Steuerveranlagungen zurückgegriffen wird.

6.2.3. Zu beurteilen bleibt die Willkürrüge. Laut Art. 9 BV hat jede Person
Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden.
Nach ständiger Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung
vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 140 III 167 E. 2.1 S. 168 mit
Hinweis). Im hier zu beurteilenden Fall hat die Vorinstanz gestützt auf die
kantonalen Bestimmungen überzeugende Gründe dafür angegeben, weshalb für das
Jahr 2013 auf die aktuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzustellen und
der frühere Verlust nicht mehr zu berücksichtigen ist. Sie hat namentlich auch
nachvollziehbar dargelegt, weshalb diesbezüglich bei der Prämienverbilligung
anders zu entscheiden ist als bei der Steuererhebung. Diese Beurteilung ist
nicht willkürlich. Sie deckt sich denn auch mit der Regelung gemäss Art. 6 Abs.
4 aPVR, wonach für den Anspruch auf Prämienverbilligungen die persönlichen und
familiären Verhältnisse am 1. Januar des Antragsjahres massgeblich sind. Auch
diese Rüge ist somit unbegründet. Die Beschwerde ist abzuweisen.

6.2.4. An diesem Ergebnis vermöchten auch die letztinstanzlich aufgelegten
Steuerveranlagungen 2012 und 2013 und der sich daraus ergebende Umstand, dass
der Verlust aus dem Jahr 2010 offenbar weiter, in kontinuierlich sinkendem
Umfang, als Abzugsfaktor beim Steuereinkommen berücksichtigt wurde, nichts zu
ändern. Daher kann offen bleiben, ob diese Unterlagen überhaupt novenrechtlich
(Art. 99 Abs. 1 BGG) zulässig sind.

7. 
Die Kosten des Verfahrens sind von den unterliegenden Beschwerdeführern zu
tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri und dem
Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 18. Juni 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Lanz

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