Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.152/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_152/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 22. Juli 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiber Nabold.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische National-Versicherungs-
Gesellschaft AG, Steinengraben 41, 4051 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 11.
Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
Die 1964 geborene A.________ war als Angestellte der B.________ AG bei der
Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG (nachstehend: National)
gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie sich am 28. Dezember 2013
beim Karaoke-Singen an der Achillessehne des linken Fusses verletzte. Die
Ruptur wurde am 31. Dezember 2013 in der Klink C.________ saniert. Gegenüber
dem Operateur, Dr. med. D._______, äusserte die Versicherte den Verdacht, die
Achillessehne bereits "einige Tage früher" beim Treppensteigen traumatisiert zu
haben. Die National verneinte mit Verfügung vom 27. Februar 2014 und
Einspracheentscheid vom 28. April 2014 ihre Leistungspflicht, da die Verletzung
der Achillessehne nicht Folge eines versicherten Ereignisses gewesen sei.

B. 
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht
Basel-Landschaft mit Entscheid vom 11. Dezember 2014 gut und verpflichtete die
National unter Aufhebung des Einspracheentscheides vom 28. April 2014, für die
Folgen des Ereignisses vom 28. Dezember 2013 die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen.

C. 
Mit Beschwerde beantragt die National, es sei unter Aufhebung des kantonalen
Gerichtsentscheides ihr Einspracheentscheid vom 28. April 2014 zu bestätigen.
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das
Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist
somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die
Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen
als dem angerufenen Grund gutheissen oder es kann sie mit einer von der
Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 140 V 136 E.
1.1 S. 137 f.). Das Bundesgericht prüft indessen, unter Berücksichtigung der
allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die
geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht
geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280; vgl. auch BGE 140 V
136 E. 1.1    S. 138).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Streitig ist die Leistungspflicht der National für die Folgen der
Achillessehenruptur. Dabei steht fest und ist unbestritten, dass die
Beschwerdegegnerin weder an den Folgen einer Berufskrankheit leidet, noch das
Ereignis vom 28. Dezember 2013 als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren ist.
Zu prüfen ist demgegenüber, ob die Beschwerdegegnerin bei diesem Ereignis eine
unfallähnliche Körperschädigung erlitten hat. Die Versicherte macht zudem
geltend, das Ereignis vom 28. Dezember 2013 sei mittelbare Folge eines am 30.
November 2013 erlittenen Unfalls.

3. 
Bei unfallähnlichen Körperschädigungen nach Art. 9 Abs. 2 UVV müssen zur
Begründung der Leistungspflicht des Unfallversicherers - wie das kantonale
Gericht zutreffend dargelegt hat - mit Ausnahme der Ungewöhnlichkeit die
übrigen Tatbestandsmerkmale des Unfalls erfüllt sein. Besondere Bedeutung kommt
hierbei der Voraussetzung des äusseren Ereignisses zu, d.h. eines ausserhalb
des Körpers liegenden, objektiv feststellbaren, sinnfälligen, eben
unfallähnlichen Vorfalles (BGE 129 V 466 E. 2.2 S. 467). Die schädigende
äussere Einwirkung kann in einer körpereigenen Bewegung bestehen (BGE 129 V 466
E. 4.1 S. 468 mit Hinweisen). Das Auftreten von Schmerzen als solches ist kein
äusserer (schädigender) Faktor im Sinne der Rechtsprechung, weshalb dieser
nicht gegeben ist, wenn die versicherte Person nur das (erstmalige) Auftreten
von Schmerzen in zeitlicher Hinsicht anzugeben vermag (BGE 129 V 466 E. 4.2.1
S. 469). Nicht erfüllt ist das Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors
auch, wenn das erstmalige Auftreten der Schmerzen mit einer blossen
Lebensverrichtung einhergeht, welche die versicherte Person zu beschreiben in
der Lage ist. Vielmehr ist gemäss Rechtsprechung für die Bejahung eines
äusseren auf den menschlichen Körper schädigend einwirkenden Faktors stets ein
Geschehen verlangt, dem ein gewisses gesteigertes Gefährdungspotenzial
innewohnt. Das ist zu bejahen, wenn die zum einschiessenden Schmerz führende
Tätigkeit im Rahmen einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird,
wie dies etwa für viele sportliche Betätigungen zutreffen kann. Der äussere
Faktor mit erheblichem Schädigungspotenzial ist sodann auch zu bejahen, wenn
die in Frage stehende Lebensverrichtung einer mehr als physiologisch normalen
und psychologisch beherrschten Beanspruchung des Körpers, insbesondere seiner
Gliedmassen, gleichkommt. Deswegen fallen einschiessende Schmerzen als Symptome
einer Schädigung nach Art. 9 Abs. 2 UVV ausser Betracht, wenn sie allein bei
der Vornahme einer alltäglichen Lebensverrichtung auftreten, ohne dass hiezu
ein davon unterscheidbares äusseres Moment hineinspielt. Die physiologische
Beanspruchung des Skelettes, der Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bänder stellt
keinen äusseren Faktor dar, dem ein zwar nicht ungewöhnliches, jedoch gegenüber
dem normalen Gebrauch der Körperteile gesteigertes Gefährdungspotenzial
innewohnen muss (BGE 129 V 466 E. 4.2.2 S. 470). Erforderlich für die Bejahung
eines äusseren Faktors ist demzufolge ein gesteigertes Schädigungspotenzial,
sei es zufolge einer allgemein gesteigerten Gefahrenlage, sei es durch
Hinzutreten eines zur Unkontrollierbarkeit der Vornahme der alltäglichen
Lebensverrichtung führenden Faktors (BGE 129 V 466 E. 4.3 S. 471).

4. 

4.1. Am 28. Dezember 2013 kniete die Versicherte mit einem Mikrophon in der
Hand vor ihrem Fernsehgerät, weil sie mit ihrem Partner "Singstar", ein
Karaoke-Spiel, spielte. Beim Aufstehen aus dieser Stellung riss die
Achillessehne. Entgegen den Ausführungen der Parteien und des kantonalen
Gerichts braucht nicht näher geprüft zu werden, wie sich der Bewegungsverlauf
genau abspielte, ist doch selbst in der für die Versicherte günstigsten
Variante ein allgemein gesteigertes Schädigungspotenzial im Sinne der
Rechtsprechung zu verneinen: Das Bundesgericht hat im Urteil 8C_772/2009 vom 7.
Mai 2010 E. 3.3 festgehalten, das Aufstehen aus der Hocke mit einem Kleinkind
in der Hand stelle eine alltägliche Verrichtung ohne besonderes
Gefährdungspotenzial dar. Gleich hat es im Urteil 8C_282/2013 vom 27. Mai 2013
E. 3.1 bezüglich dem Aufstehen aus einer knienden Stellung entschieden. Es sind
keine Gründe ersichtlich, weshalb auf diese Praxis zurückgekommen werden
sollte. Es leuchtet auch nicht ein, weshalb sich das Ereignis vom 28. Dezember
2013 wesentlich von diesen beurteilten Präjudizien unterscheiden sollte, ist
doch für ein Aufstehen aus der Hocke oder aus kniender Stellung immer ein
gewisser Schwung nötig. Somit ist festzuhalten, dass das Ereignis vom 28.
Dezember 2013 nicht als unfallähnliche Körperschädigung im Sinne von Art. 9 UVV
zu qualifizieren ist.

4.2. Soweit die Beschwerdegegnerin vor Bundesgericht erneut geltend macht, das
Ereignis vom 28. Dezember 2013 sei jedenfalls eine mittelbare Folge eines am
30. November 2013 erlittenen Unfalles auf einer Treppe, so kann gestützt auf
die vorliegenden Akten ein solcher Kausalzusammenhang höchstens als möglich,
nicht jedoch als mit dem notwendigen Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erstellt betrachtet werden. Da zudem das Ereignis vom 30.
November 2013 nie der Unfallversicherung gemeldet wurde, die Versicherte nach
diesem Ereignis offenbar keinen Arzt aufgesucht hat und damit keine
echtzeitlichen Dokumente vorliegen, die Achillessehne aber bereits am 31.
Dezember 2013 operativ saniert wurde, ist auch nicht zu erwarten, dass weitere
Abklärungen diesbezüglich noch zu einem eindeutigeren Beweisergebnis führen
könnten. Auf solche kann daher in antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I
229 E. 5.3 S. 236) verzichtet werden.

4.3. Ist das Ereignis vom 28. Dezember 2013 somit für sich betrachtet nicht als
versichertes Ereignis zu werten und ist ein Kausalzusammenhang zwischen dem
geltend gemachten Unfall auf einer Treppe am 30. November 2013 und dem
Achillessehnenriss nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt, so hat
die Unfallversicherung ihre Leistungspflicht zu Recht verneint. Der
anderslautende kantonale Gerichtsentscheid ist demnach aufzuheben und der
Einsprache-entscheid der National vom 28. April 2014 zu bestätigen.

5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 11. Dezember 2014 wird aufgehoben und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft AG
vom 28. April 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung
Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 22. Juli 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Der Gerichtsschreiber: Nabold

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