Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.138/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_138/2015

Urteil vom 26. Oktober 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Laube,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Arbeitsunfähigkeit; Rente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich vom 22. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1958 geborene gelernte Elektroingenieur FH A.________ arbeitete als
Geschäftsführer für Zentraleuropa und Delegierter des Verwaltungsrates bei der
B.________ AG in C.________. Am 12. Mai 2010 erlitt er einen Schlaganfall
(PICA-Insult links). In der Folge wurde das Arbeitsverhältnis von Seiten der
Arbeitgeberin aufgelöst. A.________ meldete sich am 25. Oktober 2010 bei der
Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die Sozialversicherungsanstalt
des Kantons Zürich, IV-Stelle, nahm Abklärungen in erwerblicher und
medizinischer Hinsicht vor und beauftragte die D.________ GmbH, mit einer
polydisziplinären Begutachtung (Expertise vom 3. Dezember 2012). Die Ärzte
attestierten insbesondere wegen neurologischen Defiziten in der angestammten
Tätigkeit eine um 20 % eingeschränkte Leistung bei voller zeitlicher Präsenz.
Für übliche Büroarbeiten bestünde keine Einschränkung. Ebenso wenig bestünde
aus psychiatrischer Sicht eine Arbeitsunfähigkeit. Eine ehemalige depressive
Störung sei remittiert, entsprechende Symptome seien nicht mehr vorhanden.
Gestützt auf diese Angaben eröffnete die IV-Stelle dem Versicherten mit
Verfügung vom 2. Oktober 2013, er habe keinen Anspruch auf eine Rente, weil er
nie während eines Jahres zu durchschnittlich 40 % arbeitsunfähig gewesen sei.

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies eine gegen die Verfügung
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 22. Januar 2015 ab.

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei ihm ab Mai 2011
eine ganze Invalidenrente zuzusprechen; eventuell seien weitere medizinische
Abklärungen zu treffen.

Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
Vernehmlassungen.
Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
Seinem Urteil legt es den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz,
auf Rüge hin oder von Amtes wegen, berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 BGG).
Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig,
wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig
unzutreffend ist (BGE 132 I 42 E. 3.1 S. 44). Es liegt noch keine
offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in
Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erschiene (vgl. BGE 129 I
8 E. 2.1 S. 9; Urteil 8C_345/2014 vom 5. Juni 2015 E.1.1).

2. 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Die Vorinstanz hat die
Bestimmungen und Grundsätze über die Begriffe der Invalidität (Art. 8 ATSG in
Verbindung mit Art. 4 IVG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), die
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des
Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; BGE 128 V 29 E. 1 S. 30) und den Anspruch
auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe
gilt für den Beweiswert von ärztlichen Berichten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232;
125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen.

3. 

3.1. Das kantonale Gericht hat in Würdigung sämtlicher medizinischer Akten und
insbesondere des Gutachtens der D.________ GmbH vom 3. Dezember 2012 - auch
unter Berücksichtigung der nach Erstattung dieser Expertise erstellten
ärztlichen Berichte und Gutachten (Bericht der Dr. med. E.________, Fachärztin
für Neurologie FMH, vom 7. April 2013, Berichte über einen stationären
Aufenthalt im Zentrum der Klinik F.________ vom 26. August 2013 und vom 3.
September 2013 und Gutachten der Dr. phil. G.________, Neuropsychologisches
Ambulatorium, vom 18. Dezember 2013) - festgestellt, das polydisziplinäre
Gutachten sei schlüssig und überzeugend. Der Beschwerdeführer sei in seiner
angestammten Tätigkeit zu 80 % arbeitsfähig. Es gäbe keine objektivierbaren
Hinweise für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit der
Begutachtung.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet ein, das kantonale Gericht habe
Beweiswürdigungsregeln verletzt, indem es einseitig auf die Angaben im
Gutachten der D.________ GmbH abgestellt habe und auf widersprechende andere
ärztliche Einschätzungen und Zeugnisse nicht eingegangen sei. Zudem hätten die
Untersuchungen der D.________ GmbH im September 2012 stattgefunden, wohingegen
die leistungsverweigernde Verfügung vom 2. Oktober 2013 datiere. Damit sei die
Expertise, auf welche die Vorinstanz abgestellt habe, nicht mehr aktuell
gewesen. Zudem werde im angefochtenen Entscheid nicht auf die Widersprüche
zwischen dem Gutachten und früheren Zeugnissen eingegangen; so namentlich
hinsichtlich kognitiver Defizite und der depressiven Symptomatik. Zudem lässt
der Beschwerdeführer vorbringen, weder die Verwaltung noch die Vorinstanz
hätten abgeklärt, welche Aufgaben er in seiner angestammten Arbeit habe
erledigen müssen und welchen zeitlichen Umfang diese eingenommen hätten. Damit
sei es den die Arbeitsfähigkeit einschätzenden Ärzten gar nicht möglich
gewesen, diesbezüglich klare Aussagen zu machen.

4. 

4.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, das Gutachten der D.________ GmbH
vom 3. Dezember 2012 sei im Zeitpunkt der ablehnenden Rentenverfügung vom 2.
Oktober 2013 nicht mehr aktuell gewesen, kann ihm nicht gefolgt werden. Das
kantonale Gericht hat sich eingehend mit der bereits vorinstanzlich geltend
gemachten Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit der Begutachtung der
D.________ GmbH auseinandergesetzt und festgestellt, es gebe weder hinsichtlich
der psychischen Verfassung noch bezüglich des neurologischen
Gesundheitszustandes objektivierbare Hinweise für eine Verschlechterung. Die
beschwerdeführerischen Vorbringen beschlagen somit die konkrete Beweiswürdigung
des kantonalen Gerichts. Diese ist tatsächlicher Natur und daher für das
Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (E. 1 hievor).

4.2. Auch die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers bezüglich des
festgestellten medizinischen Sachverhaltes erschöpfen sich weitgehend in einer
appellatorischen, im Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis des
Bundesgerichts unzulässigen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung und
der dieser zu Grunde liegenden Arztberichte und Gutachten, insbesondere an der
Expertise der D.________ GmbH vom 3. Dezember 2012. Soweit der Versicherte
erneut die medizinische Beurteilung bezüglich der kognitiven Defizite im
erwähnten Gutachten rügt, ist dieser appellatorischen Kritik nichts zu
entnehmen, was die vorinstanzliche Begründung als willkürlich erscheinen
liesse. Das kantonale Gericht hat sich mit sämtlichen bei den Akten liegenden
medizinischen Berichten und Gutachten auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb
es seinen Entscheid auf das Gutachten vom 3. Dezember 2012 stützt. Auf die
medizinische Zumutbarkeitseinschätzung gemäss dieser Expertise ist daher
abzustellen. Daran ist das Bundesgericht grundsätzlich gebunden.

5. 
Der Beschwerdeführer rügt im weiteren, das kantonale Gericht habe die Bemessung
der Invalidität nicht nach Massgabe der Art. 16 ATSG sowie Art. 28a IVG
vorgenommen.

5.1. Für die Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das
Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und
nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger
Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener
Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung
gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid
geworden wäre (sog. Valideneinkommen). Vergleichszeitpunkt bildet der
frühestmögliche Rentenbeginn (BGE 129 V 222 E. 4.3.1 S. 224).

5.2. Tatsächlich haben weder die IV-Stelle noch das kantonale Gericht einen
Einkommensvergleich durchgeführt. Damit haben sie Bundesrecht verletzt. Die
Vorinstanz begnügte sich damit festzustellen, das Gutachten der D.________ GmbH
vom 3. Dezember 2012 genüge nicht nur den formellen Anforderungen an ein
Gutachten, sondern erweise sich auch als schlüssig und überzeugend. Mit den
Gutachern der D.________ GmbH sei daher davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer in seiner angestammten Tätigkeit zu 80 % arbeitsfähig sei. Er
habe somit keinen Anspruch auf eine Rente.

5.3. Der Beschwerdeführer verlor seine angestammte Arbeitsstelle aus
gesundheitlichen Gründen (Kündigungsschreiben vom 28. September 2010 auf Ende
Januar 2011). Das Invalideneinkommen ist daher ausgehend von einer zumutbaren
80 %igen Arbeitsfähigkeit bei einer täglichen Präsenz von acht Stunden -
entsprechend den als schlüssig und überzeugend erachteten Ausführungen des
neurologischen Teilgutachters - mit Hilfe statistischer Werte zu bestimmen und
dem ebenfalls noch zu ermittelnden Valideneinkommen gegenüber zu stellen. Dabei
wird zu berücksichtigen sein, dass ein vor Eintritt des Gesundheitsschadens
erzieltes (hohes) Einkommen, welches bei einem überdurchschnittlichen
zeitlichen Aufwand erarbeitet worden ist, im Rahmen des
sozialversicherungsrechtlichen Einkommensvergleichs nicht systematisch auf ein
100%-Pensum reduziert werden muss (Urteil 8C_671/2010 E. 4.5).

6. 
Die Rückweisung der Sache an die IV-Stelle zu erneuter Verfügung (mit noch
offenem Ausgang) gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch
der Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1
sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt oder ob das
entsprechende Begehren im Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 132
V 215 E. 6.1 S. 235; Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni 2008 E. 4.1). Demgemäss
sind die Prozesskosten der Beschwerdegegnerin zu überbinden. Ferner hat sie dem
anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten.
 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. Januar 2015 und die
Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 2. Oktober 2013 werden
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons
Zürich zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des
vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. Oktober 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Schüpfer

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