Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.137/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
8C_137/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 23. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
 A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Beschwerdeführer,

gegen

 Unia Arbeitslosenkasse,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 13. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Der 1977 geborene A.________ war ab 17. September 2012 über die
Temporärgesellschaft B.________ AG als Hilfsarbeiter im Einsatz. Am 6. November
2012 kündigte die B.________ AG das Arbeitsverhältnis auf den 8. November 2012.
Da A.________ ab 7. November 2012 krankheitshalber arbeitsunfähig war,
verlängerte sich das Arbeitsverhältnis und der Lohn wurde bis 13. Januar 2013
ausgerichtet. Nachdem er am 23. Januar 2013 wegen eines Karpaltunnelsyndroms
rechts operiert worden war, wurde ihm noch bis 31. März 2013 eine volle
Arbeitsunfähigkeit attestiert. Ab 1. Juli 2013 erfolgten kurze Arbeitseinsätze
bei verschiedenen Arbeitgebern, zuletzt vom 5. Mai bis 13. August 2014 für die
C.________ AG als Baumaschinist. In der Folge stellte A.________ Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung ab 14. August 2014. Mit Verfügung vom 28. August 2014
verneinte die Unia Arbeitslosenkasse einen Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung mit der Begründung, in der Rahmenfrist vom 14. August
2012 bis 13. August 2014 sei die Beitragszeit nicht erfüllt und eine Befreiung
von der Erfüllung der Beitragszeit werde nicht geltend gemacht. Die dagegen
erhobene Einsprache lehnte sie unter Hinweis darauf, dass während der
Rahmenfrist für die Beitragszeit nur eine Beitragszeit von 11,087 Monaten
vorgewiesen werde und als Befreiungsgrund bloss die dreieinhalbmonatige
Arbeitsunfähigkeit in Betracht komme, ab (Einspracheentscheid vom 6. Oktober
2014).

B. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab (Entscheid vom 13. Januar 2015).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen
auszurichten.

Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)
verzichten auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen
Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht
wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter
Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere
rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S.
280 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren
Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 105 Abs. 2 BGG).

2.

2.1. Nach Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung,
wer die Beitragszeit erfüllt hat (Art. 13 AVIG) oder von der Erfüllung der
Beitragszeit befreit ist (Art. 14 AVIG). Die Beitragszeit hat laut Art. 13 Abs.
1 AVIG erfüllt, wer innerhalb der dafür vorgesehenen Rahmenfrist für die
Beitragszeit während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige
Beschäftigung ausgeübt hat. Die Rahmenfrist für die Beitragszeit beginnt zwei
Jahre vor dem Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind
(Art. 9 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). Von der Erfüllung der
Beitragszeit befreit ist gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG unter anderem, wer
innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit während insgesamt mehr als zwölf
Monaten wegen Krankheit (Art. 3 ATSG), Unfall (Art. 4 ATSG) oder Mutterschaft
(Art. 5 ATSG) nicht in einem Arbeitsverhältnis stand und deshalb die
Beitragszeit nicht erfüllen konnte, sofern während dieser Zeit Wohnsitz in der
Schweiz bestand (Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG). Die Befreiungstatbestände von
Art. 14 Abs. 1 AVIG sind im Verhältnis zur Beitragszeit subsidiär. Sie gelangen
daher nur zur Anwendung, wenn die in Art. 13 Abs. 1 AVIG verlangte Erfüllung
der Mindestbeitragszeit aus den in Art. 14 Abs. 1 AVIG genannten Gründen nicht
möglich ist ( THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl. 2007, S. 2248 Rz.
233).

2.2. Nach den üblichen Regeln der Gesetzesauslegung (BGE 134 V 208 E. 2.2 S.
211; 133 V 314 E. 4.1 S. 316 f.) ist eine Bestimmung in erster Linie nach ihrem
Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene
Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter
Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie
der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der
einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und
unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, u.a.
dann, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren
Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der
Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem
Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (BGE 139 V 148 E. 5.1 S. 153 mit
Hinweisen).

Ausnahmebestimmungen sind weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem
Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen (BGE 139 V 148 E.
5.2 S. 153; 137 V 167 E. 3.4 S. 171 mit Hinweisen).

3. 
Es ist unbestritten, dass der Versicherte die zwölfmonatige Beitragszeit im
Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG nicht erfüllt. Auch wenn er - entgegen Verwaltung
und Vorinstanz - in der Rahmenfrist für die Beitragszeit (14. August 2012 bis
13. August 2014) offenbar während mehr als 11,087 Monaten in einem
Arbeitsverhältnis stand (17. September 2012 bis 31. Januar 2013 [nicht bis 13.
Januar 2013], 1. Juli bis 9. August 2013, 6. bis 13. September 2013, 1. bis 11.
Oktober 2013, 14. bis 18. Oktober 2013, 18. November bis 18. Dezember 2013, 28.
März bis 11. April 2014 und 5. Mai bis 13. August 2014), ist doch klar, dass
die Beitragszeit jedenfalls weniger als zwölf Monate beträgt. Umstritten ist,
ob die dreieinhalb Monate, in welchen der Versicherte während der Rahmenfrist
für die Beitragszeit krankheitshalber keiner Erwerbstätigkeit nachgehen konnte
(14. August bis 16. September 2012 und 1. Februar bis 31. März 2013), als
beitragsbefreite Zeit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG mit den 11,087
Monaten Beitragszeit zusammenzuzählen sind und folglich die
Anspruchsvoraussetzung des Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG als erfüllt zu betrachten
ist.

4.

4.1. Gemäss Rechtsprechung (SVR 2011 ALV Nr. 12 S. 34, 8C_750/2010 E. 7.2; ARV
2004 S. 269, C 106/03 E. 3.2; Urteil C 25/07 vom 22. November 2007 E. 4.2) ist
eine Kumulation ungenügender Beitragszeit mit Zeiten, für welche die
versicherte Person von der Erfüllung der Beitragszeit befreit war,
ausgeschlossen, weshalb es nicht möglich ist, fehlende Beitragszeiten mit
Zeiten der Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit aufzufüllen und
umgekehrt ( THOMAS NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2256 Rz. 254).

4.2. Nach Auffassung des Beschwerdeführers vermag diese Rechtsprechung vor den
Grundrechtsgarantien von Art. 8 Abs. 2 BV sowie Art. 8 in Verbindung mit Art.
14 EMRK nicht mehr zu überzeugen. Ein Nichtzusammenzählen von Beitragszeiten
aus Erwerbstätigkeiten und von beitragsbefreiten Zeiten erscheine nicht
sachgerecht, denn Zweck der Beitragsbefreiung sei es, einer versicherten
Person, welche unverschuldet keine Beiträge habe entrichten können, dennoch
eine Berechtigung zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern zu geben. Die Frage der
Beitragspflicht bei Krankheit während des Arbeitsverhältnisses sei völlig
unterschiedlich geregelt. Bei einer Lohnfortzahlung, welche sich bekanntlich
verlängere, je länger das Arbeitsverhältnis gedauert habe, würden Beiträge
entrichtet. Hätte sich der Beschwerdeführer somit in einem Arbeitsverhältnis
mit längerer Lohnfortzahlung befunden, hätte er die Beitragspflicht erfüllt,
ohne dass sich am Sachverhalt (Krankheit) etwas ändere. Im Übrigen komme es
vor, dass Betriebe mit einer Kollektiv-Krankentaggeldlösung die
Krankentaggelder einnehmen und der versicherten Person im Gegenzug weiterhin
den beitragspflichtigen Lohn ausrichten würden. Andererseits existierten viele
Krankentaggeldlösungen, bei welchen keine Beiträge erhoben würden. Es stehe
nicht in der Wahl der versicherten Person, welcher Modus Anwendung finde. Dies
werde vom Arbeitgeber je nach Ausgestaltung des Kollektivvertrags bestimmt.
Allen Varianten sei indes gemeinsam, dass die versicherte Person krank und
damit an der Arbeit verhindert sei.

4.3.

4.3.1. Der Beschwerdeführer übersieht, dass eine Kumulation von Beitragszeiten
und beitragsbefreiten Zeiten schon aufgrund der eindeutigen Formulierung in
Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG nicht in Frage kommt. Diese Gesetzesbestimmung setzt
alternativ voraus, dass die versicherte Person die Beitragszeit erfüllt oder
von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist. Zudem muss die versicherte
Person nach dem klaren Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 AVIG durch einen der in
dieser Bestimmung genannten Gründe an der Ausübung einer beitragspflichtigen
Beschäftigung verhindert worden sein. Zwischen dem Befreiungstatbestand und der
Nichterfüllung der Beitragszeit muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dabei
muss das Hindernis während mehr als zwölf Monaten bestanden haben (Art. 14 Abs.
1 AVIG). Denn bei kürzerer Verhinderung bleibt der versicherten Person während
der zweijährigen Beitragsrahmenfrist genügend Zeit, um eine ausreichende
beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben (BGE 126 V 384 E. 2b S. 387). Weil
diese Kausalität zwingend im Gesetz angelegt ist, besteht insoweit kein
Interpretationsspielraum im Sinne der Argumentation des Beschwerdeführers. Eine
Kumulation von Art. 14 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 AVIG scheitert mit anderen
Worten einerseits am klaren Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG und
andererseits an der zur Beitragsbefreiung nach Art. 14 Abs. 1 AVIG geforderten
Kausalität. Der Behauptung des Versicherten, wonach es keine gesetzliche
Grundlage gebe, welche ein Zusammenzählen verbieten würde, kann deshalb nicht
gefolgt werden. Ist der Wortlaut einer Gesetzesbestimmung klar, d.h. eindeutig
und unmissverständlich, darf vom Wortlaut nur abgewichen werden, wenn ein
triftiger Grund für die Annahme besteht, der Wortlaut ziele am "wahren Sinn"
der Regelung vorbei (BGE 140 II 80 E. 2.5.3 S. 87 mit Hinweisen).
Anhaltspunkte, welche die Annahme stützen könnten, die grammatikalische
Auslegung würde zu einem Ergebnis führen, das der Gesetzgeber nicht gewollt
haben kann, liegen nicht vor und werden vom Beschwerdeführer auch gar nicht
geltend gemacht. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Arbeitslosenversicherung
mit der Statuierung von Befreiungsgründen versicherte Personen aus sozialen
Motiven finanziell unterstützen will, welche eine Stelle suchen, ohne dass sie
vorher Beiträge geleistet haben (Boris Rubin, Commentaire de la loi sur
l'assurance-chômage, 2014, N. 7 und N. 3 zu Art. 14 AVIG).

4.3.2. Mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer vorliegend innerhalb der
Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 14. August 2012 bis 13. August 2014 eine
Beitragszeit von unter zwölf Monaten vorweist und lediglich dreieinhalb Monate
an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verhindert war, wären ihm immer noch
neun Monate geblieben, in welchen er eine beitragspflichtige Beschäftigung
hätte ausüben können. Da ein Befreiungsgrund während weniger als zwölf Monaten
gegeben war, hätte der Versicherte innerhalb der zweijährigen
Beitragsrahmenfrist die Mindestbeitragszeit trotz Befreiungsgrund während mehr
als 20 Monaten erfüllen können. Dennoch kann er keine genügende Beitragsdauer
vorweisen, weshalb für die fehlende Zeit eine Befreiung von der Erfüllung der
Beitragszeit ausser Betracht fällt (vgl. BGE 126 V 384 E. 2b S. 386 f. mit
Hinweis; SVR 2012 ALV Nr. 10 S. 31, 8C_318/2011 E. 5.2). Ausschlaggebend ist
dabei, dass der Versicherte in der Lage gewesen wäre, innerhalb der Rahmenfrist
für die Beitragszeit während über zwölf Monaten eine beitragspflichtige (Art. 2
Abs. 1 lit. a AVIG) Beschäftigung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 AVIG auszuüben
und somit massgebenden Lohn nach Art. 5 Abs. 2 AHVG zu beziehen. Es kann ihm
zwar beigepflichtet werden, dass die Ausgangslage nach Auflösung des
Arbeitsverhältnisses durch die B.________ AG per 31. Januar 2013 bzw. nach
Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit am 1. April 2013 nicht einfach war, um
sofort wieder eine Stelle zu finden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die
Suche nach einer neuen Arbeitsstelle für arbeitslose Personen aus
mannigfaltigen Gründen erschwert sein kann. Das Gesetz sieht nur für einzelne,
abschliessend geregelte Konstellationen Erleichterungen in Bezug auf die
Erfüllung der Beitragszeit vor. Die realen arbeitsmarktlichen Verhältnisse
stellen keinen Beitragsbefreiungsgrund dar, weder für sich allein noch in
Verbindung mit Krankheit oder Unfall gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG (Urteile
8C_516/2012 vom 28. Februar 2013 E. 6.2.2.2; 8C_616/2012 vom 4. Dezember 2012
E. 5.1.2), und können keinen Anlass bilden, um - abweichend vom klaren
Gesetzeswortlaut - eine Kumulation von Beitragszeiten und Phasen
krankheitsbedingter beitragsloser Zeit anzunehmen.

4.3.3. Es trifft zu, dass eine versicherte Person, die bei Krankheit in den
Genuss einer längeren Lohnfortzahlung kommt, die zwölfmonatige Beitragszeit
trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit leichter erfüllen kann als andere.
Obwohl sie krank ist, kann sie während der Dauer der Anstellung weiterhin
Beiträge leisten. Gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. c AVIG werden aber auch Zeiten, in
denen die versicherte Person zwar in einem Arbeitsverhältnis steht, aber wegen
Krankheit oder Unfalls keinen Lohn erhält und daher keine Beiträge bezahlt,
ebenfalls als Beitragszeit angerechnet, was der Beschwerdeführer bei seiner
Argumentation offensichtlich übersieht. Denn massgebend für die Frage, ob eine
versicherte Person die Beitragszeit erfüllt hat, ist die Dauer des
Arbeitsverhältnisses bzw. der Arbeitsverhältnisse innerhalb der Rahmenfrist für
die Beitragszeit und nicht die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht. Eine
Gleichbehandlung von kranken Personen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung
des Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG unabhängig davon, ob sie in einem
Arbeitsverhältnis stehen oder nicht, ist jedoch entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers durch den Gesetzeswortlaut ausgeschlossen. Solange die
versicherte Person angestellt ist, generiert sie Beitragszeit und sie kann sich
nicht gleichzeitig auf den Befreiungstatbestand des Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG
berufen. In casu war der Versicherte im Übrigen während der Rahmenfrist für die
Beitragszeit insgesamt, d.h. auch unter Berücksichtigung der
krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während andauerndem Arbeitsverhältnis,
bei weitem nicht zwölf Monate krank. Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG verlangt jedoch
eine mehr als zwölfmonatige Verhinderung an der Ausübung einer
beitragspflichtigen Beschäftigung. Ein Beitragsbefreiungstatbestand könnte
demzufolge nicht einmal dann angenommen werden, wenn man der - gesetzeswidrigen
- Argumentation des Beschwerdeführers folgen würde. Nur wenn die
dreieinhalbmonatige Zeit der fehlenden beitragspflichtigen Beschäftigung
infolge Krankheit als Beitragszeit uminterpretiert würde, könnte Art. 8 Abs. 1
lit. e AVIG erfüllt werden. Für eine solche Umqualifizierung fehlt aber
jegliche gesetzliche Grundlage.

4.3.4. Es kann schliesslich keine Rede davon sein, dass die geltende Regelung
zu einer Diskriminierung kranker Personen, welche während andauerndem
Arbeitsverhältnis nicht von einer Lohnfortzahlung profitieren können, und damit
zu einer Verletzung von Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 8 in Verbindung mit Art. 14
EMRK führt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können nämlich kranke
Personen, welche sich in einem Anstellungsverhältnis befinden, Beitragszeiten
auch dann erwerben, wenn ihnen kein Lohn (mehr) bezahlt wird (Art. 13 Abs. 2
lit. c AVIG; vgl. E. 4.3.3 hiervor). Dazu kommt, dass mit Art. 14 AVIG
bestimmten Personengruppen, so unter anderem gerade auch kranken Personen, aus
sozialen Gründen ausnahmsweise sogar ohne vorgängige genügende
beitragspflichtige Beschäftigung Versicherungsschutz gewährt wird (Thomas
Nussbaumer, a.a.O., S. 2248 Rz. 233). In diesem Sinne erfahren Personen, welche
in der Vergangenheit wegen Krankheit an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
verhindert waren, vielmehr eine Privilegierung. Die Befreiung von der Erfüllung
der Beitragszeit gemäss Art. 14 Abs. 1 AVIG stellt einen sozialen Vorteil im
Sinne des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15.
Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft
(ABl. L 257 vom 19. Oktober 1968 S. 2 ff.) und, als Ausfluss davon, des Art. 9
Abs. 2 Anhang I zum Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) dar
(BGE 133 V 367).

5. 
Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 23. September 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz

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