Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.125/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
8C_125/2015

Urteil vom 26. Juni 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Elisabeth Tribaldos,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 22. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Die 1961 geboren A.________ erhielt nach einem erlittenen Schleudertrauma
der Halswirbelsäule ab 1. Mai 2000 eine ganze Rente der Invalidenversicherung
(Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 23. März 2001). Der
entsprechende Anspruch wurde in der Folge u.a. mit Mitteilung vom 4. Juli 2003
bestätigt.

A.b. Gestützt auf die per 1. Januar 2012 in Kraft getretenen
Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 (6. IV-Revision,
erstes Massnahmenpaket [AS 2011 5659]; nachfolgend: SchlBest. IV 6/1) hob die
IV-Stelle die Rente mit Verfügung vom 26. Juni 2012, nach Durchführung des
Vorbescheidverfahrens, auf den ersten Tag des zweiten Monats nach Zustellung
der Verfügung auf. Gleichzeitig gewährte sie der Versicherten ab 2. August 2012
Eingliederungsmassnahmen nach Massgabe von lit. a Abs. 2 Satz 1 SchlBest. IV 6/
1, während welchen die Rente bis längstens Ende Juli 2014 weiter ausgerichtet
werde, und erteilte eine Kostengutsprache für eine Potenzialabklärung
(Mitteilungen vom 26. Juni 2012). Diesen Verwaltungsakten opponierte A.________
nicht. Auf gleichlautenden Vorbescheid hin verfügte die Verwaltung am 29.
September 2014 den Abbruch der Wiedereingliederungsmassnahmen und die
Einstellung der Rentenleistungen auf Ende Juli 2014.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. Dezember 2014 in dem Sinne gut, dass es
die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache an die IV-Stelle zurückwies,
damit sie nach durchgeführten Abklärungen im Sinne der Erwägungen neu verfüge.

C. 
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit
dem Rechtsbegehren, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die
Verfügung vom 29. September 2014 zu bestätigen.
Die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. A.________ lässt auf
Nichteintreten, eventualiter auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das
Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) beantragt deren Gutheissung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz hat die Angelegenheit an die Beschwerdeführerin
zurückgewiesen, damit sie nach durchgeführter Abklärung im Sinne der Erwägungen
neu verfüge.

1.2. Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren
noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der
Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (vgl. Urteil 9C_684/2007 vom
27. Dezember 2007 E. 1.1 mit Hinweisen, in: SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131), um
einen selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
BGG (BGE 133 V 477 E. 4.2 S. 481 f. mit Hinweisen). Die Zulässigkeit der
Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht
wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die
Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit
einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges
Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Dies gilt auch für den Fall,
dass damit über materielle Teilaspekte entschieden wird, da diese ebenfalls
zusammen mit dem Endentscheid anfechtbar sind (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 133 V
477 E. 4.2 und 4.3 S. 481 f.; 132 III 785 E. 3.2 S. 790 f.; 129 I 313 E. 3.2 S.
316 f.).

1.2.1. Rechtsprechungsgemäss bewirkt ein Rückweisungsentscheid in der Regel
keinen irreversiblen Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil der
Rechtsuchende ihn später zusammen mit dem neu zu fällenden Endentscheid wird
anfechten können (vgl. Art. 93 Abs. 3 BGG). Anders verhält es sich allerdings
für die Verwaltung bzw. den Versicherungsträger, wenn sie durch den
Rückweisungsentscheid gezwungen werden, eine ihres Erachtens rechtswidrige
Verfügung zu erlassen. Diesfalls kann bereits dieser Entscheid angefochten und
braucht nicht der Endentscheid abgewartet zu werden (BGE 140 V 282 E. 4.2 S.
285 f.; 133 V 477 E. 5.2, 5.2.1-5.2.4 S. 483 ff.).

1.2.2. Das kantonale Gericht hat festgestellt, nach Abschluss der maximal zwei
Jahre dauernden Wiedereingliederungsmassnahmen bleibe es nicht zwangsläufig bei
der vorgängig verfügten Rentenaufhebung. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin
zu prüfen, ob der Beschwerdegegnerin nach Abschluss der
Wiedereingliederungsvorkehren unter Berücksichtigung sämtlicher subjektiver und
objektiver Elemente der Schritt zurück in das Erwerbsleben zumutbar sei.
Hierfür sei die Angelegenheit an die Verwaltung zurückzuweisen. Der
angefochtene Entscheid enthält damit materiellrechtlich verbindliche
Anordnungen, welche den Beurteilungsspielraum des Versicherungsträgers
wesentlich einschränken. Der Umstand, dass der darauf beruhende Endentscheid
praktisch nicht angefochten und das Ergebnis nicht mehr korrigiert werden
könnte, stellt nach dem Gesagten einen offenkundigen, nicht wieder
gutzumachenden Nachteil im Sinne des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG dar. Auf die
Beschwerde ist daher einzutreten.

2. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die
Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung
des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des
Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder
ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).

3.

3.1. Lit. a SchlBest. IV 6/1 beinhaltet die Überprüfung der Renten, die bei
pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebildern ohne
nachweisbare organische Grundlage gesprochen wurden.

3.2. Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung werden Renten, die bei einem
entsprechenden Beschwerdebild gesprochen wurden, innerhalb von drei Jahren nach
Inkrafttreten dieser Änderung überprüft. Sind die Voraussetzungen nach Art. 7
ATSG nicht erfüllt, so wird die Rente herabgesetzt oder aufgehoben, auch wenn
die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 1 ATSG nicht erfüllt sind. Wird die Rente
herabgesetzt oder aufgehoben, so hat die Bezügerin oder der Bezüger Anspruch
auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG. Ein Anspruch auf eine
Übergangsleistung nach Art. 32 Abs. 1 lit. c IVG entsteht dadurch nicht (Abs.
2). Werden Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG durchgeführt, so
wird die Rente bis zum Abschluss der Massnahmen weiter ausgerichtet, längstens
aber während zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufhebung oder Herabsetzung (Abs.
3).

4.

4.1. Im kantonalen Entscheid wurde im Wesentlichen erwogen, die am 26. Juni
2012 verfügte Rentenaufhebung sei zwar unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Hingegen stelle sich die - zu bejahende - Frage, ob die Beschwerdeführerin auf
Grund der auch nach Durchführung der Wiedereingliederungsmassnahmen nur
teilweise wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit der Beschwerdegegnerin nicht
verpflichtet gewesen wäre, diesem Umstand im Rahmen der angefochtenen
Renteneinstellung vom 29. September 2014 Rechnung zu tragen und die
Zumutbarkeit des Wiedereintritts der Versicherten in das Erwerbsleben erneut zu
prüfen.

4.2. Die beschwerdeführende IV-Stelle bringt dagegen, unterstützt durch das
BSV, zur Hauptsache vor, dass es sich bei den während der Eingliederungsphase
erbrachten Rentenleistungen um eine akzessorische Ausrichtung handle. Diese
seien auf maximal zwei Jahre beschränkt, weshalb in der Folge kein Anspruch auf
Leistungen der Invalidenversicherung mehr bestünde. Sodann sei unbestritten,
dass die Verfügung vom 26. Juni 2012, mit welcher sie die bisherige Rente der
Versicherten nach Massgabe der SchlBest. IV 6/1 aufgehoben habe, unangefochten
in Rechtskraft erwachsen sei. Eine erneute Prüfung sei deshalb nicht
vorzunehmen.

5.

5.1. Der Begründung der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Das Bundesgericht
hat mit Urteil 9C_64/2015 vom 27. April 2015 (E. 4.1) unter Verweis auf die
einschlägigen Materialien erkannt, dass, wenn ein unklares, nicht
invalidisierendes Beschwerdebild im Sinne von lit. a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1
vorliegt, die Rente herabgesetzt bzw. aufgehoben wird.  Gleichzeitig - so die
Erwägungen im Weiteren - entsteht ein Anspruch auf Massnahmen zur
Wiedereingliederung (mit akzessorischer Weiterausrichtung der bisherigen
Rente). Über die Rentenrevision wird mithin entschieden,  bevor Massnahmen zur
Eingliederung stattgefunden haben. Der Anspruch auf
Wiedereingliederungsmassnahmen ist demnach  Folge der Reduktion oder Aufhebung
der Rente. Die Betrachtungsweise, wonach über die Revisionsvoraussetzungen erst
nach Abschluss dieser Vorkehren zu befinden wäre, lässt sich mit dem Wortlaut
von lit. a SchlBest. IV 6/1 nicht begründen. Vielmehr spricht der Aufbau der
Bestimmung klarerweise für das in der bundesrätlichen Botschaft bzw. in der
parlamentarischen Diskussion skizzierte Vorgehen: Zunächst erfolgt die Prüfung,
ob die Voraussetzungen nach Art. 7 ATSG gemäss der Rechtsprechung erfüllt sind
(Abs. 1 zweiter Satz). Sind sie es nicht, d.h. ist keine Erwerbsunfähigkeit
ausgewiesen, wird die Rente für die Zukunft herabgesetzt oder aufgehoben, wobei
ein Anspruch auf Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Art. 8a IVG vorgesehen
ist (Abs. 2 erster Satz). Gegenteiliges lässt sich, wie die in E. 4.1 des
Urteils aufgeführten Hinweise belegen, auch der Lehre nicht entnehmen. Die
Massnahmen zur Wiedereingliederung und die Weiterausrichtung der Rente sind
demnach als eine übergangsrechtliche Unterstützung zu verstehen. Die
Übergangsbestimmungen bezwecken den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu
erleichtern, ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdegegnerin
mit der rechtskräftigen Rentenaufhebung keine Invalidität mehr attestiert
wurde.

5.2. Der Entscheid über die Rentenreduktion bzw. -aufhebung gemäss den
SchlBest. IV 6/1 ergeht demnach  vor der Durchführung von
Wiedereingliederungsmassnahmen gemäss Art. 8a IVG. Diesem im Gesetz
vorgegebenen Ablauf Rechnung tragend hat das Bundesgericht Entscheide über die
Rentenaufhebung gemäss lit. a SchlBest. IV 6/1 denn auch als Endentscheide
qualifiziert und ist auf entsprechende Beschwerden eingetreten (vgl.
beispielsweise Urteile 9C_812/2013 vom 5. Februar 2014, 9C_10/2014 vom 20.
August 2014 und 8C_104/2014 vom 26. Juni 2014). Dass in Konstellationen wie der
hier gegebenen einzig noch über die Rechtmässigkeit des Abbruchs der
Wiedereingliederungsmassnahmen und der Einstellung der Invalidenrente zu
entscheiden ist (nicht aber über die Revisionsvoraussetzungen im Sinne von lit.
a SchlBest. IV 6/1 an sich), kann auch dem Urteil 8C_583/2014 vom 12. Dezember
2014 entnommen werden (E. 2 und 3; vgl. zudem Urteil 8C_664/2013 vom 25. März
2014). Nichts anderes lässt sich im Übrigen aus dem Urteil 8C_773/2013 vom 6.
März 2014 (insb. E. 4, in: SVR 2014 IV Nr. 17 S. 65) ableiten, auf das die
Vorinstanz verweist.
Zusammenfassend ist nach gescheiterten Wiedereingliederungsmassnahmen eine
gestützt auf lit. a SchlBest. IV 6/1 verfügte Rentenaufhebung nicht erneut zu
prüfen.

6. 
Die Beschwerdegegnerin macht letztinstanzlich ferner geltend, auf die am 26.
Juni 2012 basierend auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1 verfügte Aufhebung der
bisherigen ganzen Rente sei nach Massgabe von Art. 53 Abs. 1 ATSG (prozessuale
Revision) bzw. Art. 53 Abs. 2 ATSG (Wiedererwägung) zurückzukommen.

6.1. Im Verfahren vor Bundesgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur
soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass
gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs. 2 BGG).

6.2. Neue Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG sind
Tatsachen, die weder im vorangegangenen Verfahren vorgebracht noch von der
Vorinstanz festgestellt worden sind. Eine Tatsache, die sich aus den
vorinstanzlichen Akten ergibt, ist nicht neu. Das gilt auch dann, wenn die
Vorinstanz diese Tatsache in ihrem Entscheid nicht ausdrücklich festgestellt
hat, wäre andernfalls doch die Rüge von vornherein unzulässig, die Vorinstanz
habe den Sachverhalt unter Missachtung vorhandener Akten festgestellt (BGE 136
V 362 E. 3.3.1 S. 364 f. mit Hinweisen).
In diesem Sinne ist die sachverhaltliche Basis für den Antrag der
Beschwerdegegnerin, es sei auf die rechtskräftige Verfügung vom 26. Juni 2012
zurückzukommen, kein unzulässiges Novum. Die für die Aufhebung der bisherigen
Rente entscheidrelevanten Unterlagen, namentlich die für die Beurteilung der
Anwendbarkeit von lit. a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1 erforderlichen medizinischen
Grundlagen, befinden sich in den IV-Akten.

6.3. Fraglich ist indessen, ob ein unzulässiges neues Begehren im Sinne von
Art. 99 Abs. 2 BGG vorliegt.

6.3.1. Ein Rückkommen auf die am 26. Juni 2012 rechtskräftig verfügte
Einstellung der bisherigen Rentenleistungen unter den Rechtstiteln der Abs. 1
und 2 von Art. 53 ATSG war bis anhin nicht Gegenstand des Verfahrens. Erst in
ihrer Vernehmlassung vor Bundesgericht bringt die Beschwerdegegnerin
Entsprechendes vor.

6.3.2. Die Neuheit eines Begehrens bezieht sich auf den Streitgegenstand:
Dieser kann vor Bundesgericht nur noch eingeschränkt (minus), aber nicht
ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (BGE 136 V 362 E. 3.4.2 S. 365
mit Hinweisen). Der vorinstanzlich beurteilte Streitgegenstand bestimmt sich
dabei durch das Dispositiv des angefochtenen Entscheids. Im Falle der
Zusprechung bzw. Aufhebung einer Rente ist Streitgegenstand die
Versicherungsleistung als solche. Wird deren Aufhebung beanstandet, muss dies
auch unter Rechtstiteln möglich sein, die bisher nicht thematisiert worden
sind. Damit findet keine Veränderung des Streitgegenstands statt, sondern es
handelt sich um ein anderes rechtliches Argument im Rahmen desselben (BGE 136 V
362 E. 3.4.3 und 3.4.4 S. 365 f. mit Hinweisen).

7.

7.1. Neue rechtliche Begründungen sind vor Bundesgericht im Rahmen des
Streitgegenstands zulässig (Art. 95 lit. a und Art. 106 Abs. 1 BGG). Da das
Bundesgericht seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt
zugrunde legt (Art. 105 Abs. 1 BGG), wird die Zulässigkeit neuer rechtlicher
Argumentation grundsätzlich an die Voraussetzung geknüpft, dass sie sich auf
einen im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalt stützt. Das
Bundesgericht kann aber als Ausnahme von der Bindung an den vorinstanzlich
festgestellten Sachverhalt auch selber eine Sachverhaltsfeststellung ergänzen
(Art. 105 Abs. 2 BGG), dies namentlich dann, wenn die Vorinstanz einen
Sachverhalt mangels Relevanz gar nicht zu beurteilen hatte, dieser aber infolge
einer anderen rechtlichen Betrachtung des Bundesgerichts rechtserheblich wird.
Unzulässig ist dies nur, wenn dazu neue Tatsachen im Sinne von Art. 99 Abs. 1
BGG festgestellt werden müssten. Hingegen kann eine neue rechtliche Begründung
jedenfalls dann erfolgen, wenn sie sich auf aktenkundige Tatsachen stützt (BGE
136 V 362 E. 4.1 S. 366 f. mit diversen Hinweisen).

7.2. Die Neuheit eines Begehrens bemisst sich im Verhältnis zu den
vorinstanzlich gestellten Begehren (BGE 136 V 362 E. 4.2 S. 367 mit Hinweisen).
Die Beschwerdegegnerin hatte vor der Vorinstanz um Aufhebung der Verfügung der
Beschwerdeführerin vom 29. September 2014 und Zusprechung der gesetzlichen
Leistungen ersucht. Wenn sie vor Bundesgericht ein Rückkommen auf die Verfügung
vom 26. Juni 2012 unter den Titeln der prozessualen Revision bzw. der
Wiedererwägung beantragt, so liegt darin keine Veränderung des
Streitgegenstands und kein unzulässiges neues Begehren, sondern eine andere
rechtliche Begründung für das vorinstanzlich gestellte Begehren (BGE 136 V 362
E. 4.2 S. 367 mit Hinweis). Der auf aktenkundige Tatsachen gestützte Antrag der
Beschwerdeführerin, von einer Einstellung der Rentenleistungen sei abzusehen,
ist deshalb zulässig.

7.3. Zieht das Bundesgericht ein vom vorinstanzlichen Streitgegenstand
erfasstes, jedoch im kantonalen Verfahren nicht beurteiltes Element des
streitigen Rechtsverhältnisses auf Grund des Rechtsbegehrens in die materielle
Beurteilung ein, so hat es das Anhörungsrecht der von einer möglichen
Schlechterstellung bedrohten Partei zu beachten. Diese muss sich zu der neu
aufgeworfenen Streitfrage äussern können (BGE 136 V 362 E. 4.3 S. 367 mit
Hinweisen). Vorliegend wurde die Vernehmlassung der Versicherten der
Beschwerdeführerin im Rahmen des Schriftenwechsels zugestellt. Diese hatte
somit Gelegenheit, sich zur neuen rechtlichen Argumentationslinie der
Beschwerdegegnerin zu äussern.

8.

8.1. Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und
Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person
oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen
entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich
war.

8.2. Wie in E. 5 hievor dargelegt, stellen die im Anschluss an die gestützt auf
lit. a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1 verfügte Rentenaufhebung durchgeführten
Wiedereingliederungsmassnahmen nach lit. a Abs. 2 Satz 1 SchlBest. IV 6/1 eine
übergangsrechtliche Unterstützungsvorkehr dar. Damit soll ein mit der
sofortigen Einstellung der bisherigen Rentenleistungen allenfalls verbundener
Härtefall vermieden und der Wiedereinstieg in das Arbeitsleben erleichtert
werden (vgl. auch Urteil 8C_773/2013 vom 6. März 2014 E. 4.3.2, in: SVR 2014 IV
Nr. 17 S. 65). Deren Durchführung und der daraus resultierende
Wiedereingliederungserfolg oder -misserfolg ändern jedoch nichts am Umstand,
dass mit der Verfügung vom 26. Juni 2012 rechtskräftig und abschliessend eine
nicht mehr rentenbegründende Invalidität festgestellt worden war. Eine
erhebliche neue Tatsache, die eine (prozessuale) Revision der Verfügung im
Sinne von Art. 53 Abs. 1 ATSG zu bewirken vermöchte, ist darin entgegen der
Betrachtungsweise der Beschwerdegegnerin jedenfalls nicht zu erblicken.

9.

9.1. Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügung oder
Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und
wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2 ATSG).
Vorausgesetzt ist, dass kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der
Verfügung möglich, folglich nur dieser einzige Schluss denkbar ist. Als in
diesem Sinne qualifiziert unrichtig erweist sich eine Verfügung zum einen dann,
wenn die notwendigen fachärztlichen Abklärungen überhaupt nicht oder nicht mit
der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden sind (vgl. Urteil 9C_427/2014
vom 1. Dezember 2014 E. 2.2 mit Hinweisen). Weiter ist zweifellose
Unrichtigkeit in der Regel gegeben, wenn eine Leistungszusprechung auf Grund
falscher Rechtsregeln erfolgt ist oder massgebliche Bestimmungen nicht oder
unrichtig angewandt wurden (so Urteile 8C_846/2010 vom 10. Dezember 2010 E. 1.4
und 9C_342/2008 vom 20. November 2008 E. 1, nicht publ. in: BGE 135 I 1, aber
in: SVR 2009 IV Nr. 20 S. 52). Soweit indessen ermessensgeprägte Teile der
Anspruchsprüfung vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage einschliesslich
der Rechtspraxis im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung bzw.
-aufhebung (BGE 125 V 383 E. 3 S. 389 f.) in vertretbarer Weise beurteilt
worden sind, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus (Urteil 8C_680
/2014 vom 16. März 2015 E. 3.1 mit Hinweisen).

9.2.

9.2.1. Der Versicherten war mit Verfügung der Beschwerdeführerin vom 23. März
2001 rückwirkend ab 1. Mai 2000 gestützt auf die Diagnose einer anhaltenden
somatoformen Schmerzstörung eine ganze Invalidenrente zugesprochen und in der
Folge bestätigt worden. Im von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen
interdisziplinären Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom
17. Juli 2010 hatten die Ärzte sodann festgestellt, dass neben die
Arbeitsfähigkeit nicht beeinflussenden organischen Beschwerden weiterhin eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung vorliege. Diese Einschätzung eines -
infolge Verneinung der sog. Foerster-Kriterien (dazu BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 49
f.; 130 V 352 E. 2 S. 353 ff.) - nicht invalidisierenden Beschwerdebildes wurde
mit ergänzenden Berichten der medizinischen Abklärungsstelle B.________ vom 31.
Dezember 2010 und 2. April 2011 bekräftigt. Der beigezogene Regionale Ärztliche
Dienst (RAD) schloss sich in seinen Stellungnahmen vom 9. Mai 2011 und 13.
Februar 2012 den gutachtlichen Schlussfolgerungen an. Auf dieser Grundlage hob
die Beschwerdeführerin, nach entsprechender vorbescheidweiser Ankündigung am
15. März 2012, die Rente gestützt auf lit. a Abs. 1 SchlBest. IV 6/1 mit
Verfügung vom 26. Juni 2012 auf.

9.2.2. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, inwiefern die am 26. Juni
2012 verfügte Rentenaufhebung qualifiziert fehlerhaft im Sinne von Art. 53 Abs.
2 ATSG erfolgt sein soll. Sie basierte auf den Ergebnissen eingehender
fachärztlicher Abklärungen und erging in Berücksichtigung der massgeblichen
Rechtsgrundlagen. Wie sich aus den relevanten medizinischen Akten ergibt, wurde
entgegen dem Einwand der Beschwerdegegnerin sehr wohl überprüft, ob auch
objektivierbare Gesundheitsstörungen vorlagen. Die Erkenntnisse aus dem im
Anschluss während zweier Jahre durchgeführten, Ende Juli 2014 abgeschlossenen
Wiedereingliederungsprozess zeigen schliesslich ebenfalls keine zweifellose
Unrichtigkeit des damaligen Entscheids auf (so etwa Abschlussbericht Massnahmen
bei der Institution C.________ GmbH vom 29. November 2013). Vielmehr bilden sie
eine allfällige Grundlage für eine der Versicherten jederzeit offen stehende
Neuanmeldung.
Nach dem Gesagten verletzt der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht und ist
daher aufzuheben.

10. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden
Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 22. Dezember 2014 wird aufgehoben und die Verfügung der
IV-Stelle des Kantons Zürich vom 29. September 2014 bestätigt.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten (Gerichtskosten,
Prozessentschädigung) des vorangegangenen Verfahrens an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 26. Juni 2015
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl

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