Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 8C.10/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]         
8C_10/2015 {T 0/2}     

Urteil vom 5. September 2015

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
Bundesrichter Ursprung, Frésard, Maillard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Hofer.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Müller-Ranacher,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit),

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 17. November 2014.

Sachverhalt:

A.

A.a. Der 1974 geborene A.________ war als Lenker seines Personenwagens in fünf
durch die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versicherte Unfälle
verwickelt: Bei einem Auffahrunfall am 15. Juni 1997 erlitt er eine Kontusion
der Hals- (HWS) und Brustwirbelsäule (BWS). Am 24. Januar 2002 kam es in einem
Kreisverkehr zu einer Kollision mit einem Sattelschlepper, wobei der
Versicherte sich eine Distorsion der HWS und der Lendenwirbelsäule (LWS) zuzog.
Als Folge eines weiteren Auffahrunfalls vom 17. Februar 2003 wurden eine
HWS-Distorsion und eine BWS-/LWS-Kontusion diagnostiziert. Nach einem
Heck-Auffahrunfall am 19. Oktober 2003 nahmen die Rücken- und Nackenschmerzen
abermals zu. Schliesslich stellte sich nach einem neuerlichen Auffahrunfall vom
9. November 2005 eine Verstärkung der Beschwerden ein. Die SUVA verfügte am 13.
Februar 2006, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 10. Mai 2006, die
Einstellung der bisher in Form von Heilbehandlung und Taggeldern ausgerichteten
Versicherungsleistungen auf Ende Februar 2006. Die dagegen erhobene Beschwerde
wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 30.
April 2008). Das in der Folge angerufene Bundesgericht hiess die Beschwerde mit
Urteil 8C_477/2008 vom 19. Dezember 2008 gut, hob die Entscheide der
Vorinstanzen auf und stellte fest, dass A.________ auch nach dem 28. Februar
2006 Anspruch auf Versicherungsleistungen habe.

A.b. Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach A.________ mit Verfügungen vom 6.
Mai und 18. Juni 2009, insbesondere gestützt auf die Schlussfolgerungen eines
beim Zentrum B.________ eingeholten polydisziplinären Gutachtens vom 28. August
2008, für die Zeit vom 1. Februar bis 30. Juni 2004 eine ganze Rente, vom 1.
Juli 2004 bis 30. November 2008 eine Dreiviertelsrente und ab 1. Dezember 2008
wiederum eine ganze Rente zu.

A.c. Am 29./30. Juni 2010 wurde der Versicherte im Auftrag der SUVA im Institut
C.________ internistisch, rheumatologisch, neurologisch und psychiatrisch
untersucht und begutachtet (Expertise vom 20. Oktober 2010). Per 1. Januar 2012
trat A.________ eine 30 %ige Arbeitsstelle als Geschäftsführer bei der Firma
D.________ GmbH an. Die SUVA holte, nachdem sich die behandelnde Ärztin Frau
Dr. med. E.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, am 26.
April 2010 und 7. Februar 2011 kritisch zu den Schlussfolgerungen des
Gutachtens des Instituts C.________ geäussert und der Versicherte zusätzlich
Berichte des Zentrums F.________ vom 6. Juli und 5. August 2011 sowie 14.
Februar 2012 hatte zu den Akten reichen lassen, ergänzende Stellungnahmen des
Dr. med. G.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,
Versicherungspsychiatrischer Dienst der SUVA, vom 28. September 2011 und 12.
Dezember 2012 sowie des Instituts C.________ vom 4. September 2012 ein. Auf
dieser Basis stellte sie die bisherigen Versicherungsleistungen mit Verfügungen
vom 25. Januar und 6. Februar 2013 auf Ende Februar 2013 ein; der Anspruch auf
eine Invalidenrente und/oder eine Integritätsentschädigung wurde mit der
Begründung verneint, dass die noch vorhandenen Beschwerden überwindbar und
damit nicht invalidisierend seien. Daran hielt der Unfallversicherer mit
Einspracheentscheid vom 19. April 2013 fest.

B. 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 17. November 2014).

C. 
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und beantragen, es seien ihm für die Folgen der Unfälle vom 17. Februar und 19.
Oktober 2003 sowie 9. November 2005 eine Invalidenrente und eine
Integritätsentschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei das vorliegende
Verfahren bis zur Vorlage des von der Invalidenversicherung vorgesehenen
interdisziplinären Gutachtens zu sistieren und ihm hierauf eine Frist zur
Begründung oder zum Rückzug der Beschwerde anzusetzen. Subeventualiter sei die
SUVA anzuweisen, die umstrittenen Fragen durch ein weiteres Gutachten abklären
zu lassen. Der Eingabe liegt u.a. ein Bericht der Frau Dr. med. E.________ vom
26. November 2014 bei.
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten das
kantonale Gericht und das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

D. 
Mit Verfügung vom 22. Juni 2015 gab das Bundesgericht den Parteien Gelegenheit,
aufgrund des Grundsatzurteils 9C_492/2014 vom 3. Juni 2015 im Bereich der
invalidenversicherungsrechtlichen Rechtsprechung zu den anhaltenden
somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden in
der vorliegenden Streitsache allfällige Ergänzungen anzubringen. Der
Versicherte änderte am 1. Juli 2015 seinen in der Beschwerde gestellten Antrag
wie folgt ab: Es sei dem Versicherten für die Folgen der Unfälle vom 17.
Feb-ruar 2003, 19. Oktober 2003 und 9. November 2005 eine Invalidenrente und
Integritätsentschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei die Beschwerdegegnerin
anzuweisen, ein neues interdisziplinäres Gutachten zu veranlassen und dabei die
Frage der Überwindbarkeit durch Verwendung des im bundesgerichtlichen Entscheid
vom 3. Juni 2015 (9C_492/2014) aufgezeigten Indikatorenkataloges abklären zu
lassen. Subeventualiter sei das vorliegende Verfahren bis zur Vorlage des von
der Invalidenversicherung veranlassten interdisziplinären Gutachtens (die
Begutachtung fand Ende April 2015 statt) zu sistieren und dem Beschwerdeführer
dann eine Frist für Ergänzungen der Beschwerde anzusetzen. Die SUVA hielt am 3.
Juli 2015 am Antrag auf Abweisung der Beschwerde fest. Das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) äusserte sich am 7. Juli 2015 und das kantonale Gericht am 3.
Juli 2015. Der Versicherte nahm am 10. Juli 2015 nochmals Stellung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben
werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus
einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer
von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE
130 III 136 E. 1.4 S. 140). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die
geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche
Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor
Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von
Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern
prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden
ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).

1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von
Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht
an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
(Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).

2. 
Das Bundesgericht hatte sich in seinem Urteil 8C_477/2008 vom 19. Dezember 2008
mit der Frage zu befassen, ob die über Ende Februar 2006 hinaus geklagten
Beschwerden des Versicherten in einem rechtsgenüglichen Zusammenhang zu den
Unfallereignissen vom 15. Juni 1997, 24. Januar 2002, 17. Februar und 19.
Oktober 2003 sowie 9. November 2005 standen. Es stellte dabei verbindlich fest,
dass die fünf Auffahrunfälle weder zu organischen Gesundheitsstörungen im Sinne
von strukturellen, bildgebend nachweisbaren Verletzungen geführt haben, noch
dadurch neurologisch objektivierbare Ausfallserscheinungen bewirkt worden sind
(E. 3.2). Ferner sah es als erstellt an, dass die beiden ersten Auffahrunfälle
vom 15. Juni 1997 und 24. Januar 2002 nicht verantwortlich zeichneten für die
über Februar 2006 hinaus anhaltenden Beschwerden (E. 4.2). Weiter ging das
Bundesgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls anlässlich der
Unfälle vom 17. Februar und 19. Oktober 2003 HWS-Verletzungen erlitten hat,
welche für die danach - insbesondere nach dem 28. Februar 2006 - aufgetretenen
Beschwerden zumindest teilweise natürlich kausal waren, was die Anwendung der
sog. Schleudertrauma-Praxis bei der Adäquanzprüfung indizierte (E. 5.3). Die
adäquanzrechtliche Beurteilung nach den in BGE 134 V 109 präzisierten
Grundsätzen führte das Bundesgericht schliesslich zum Schluss, dass fünf der
relevanten Kriterien vorlägen. Damit sei die Adäquanz des Kausalzusammenhangs
und folglich die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin für die als
unfallbedingt zu qualifizierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen über Ende
Februar 2006 hinaus zu bejahen (E. 6.4).

3.

3.1. Die Beschwerdegegnerin ist in ihrem Einspracheentscheid vom 19. April 2013
zum Ergebnis gelangt, dass, da von der Fortsetzung der ärztlichen Behandlung
keine namhafte Besserung des Gesundheitszustands mehr erwartet werden könne und
Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung nicht zur Diskussion
stünden, der Rentenanspruch zu Recht Ende Februar 2013 geprüft und die
Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen auf diesen Zeitpunkt eingestellt worden
seien. In einem nächsten Schritt hat sie auf BGE 136 V 279 Bezug genommen,
demgemäss sich die Frage, ob sich die Folgen einer spezifischen und
unfalladäquaten HWS-Verletzung (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare
Funktionsausfälle invalidisierend auswirken, analog der Rechtsprechung zu den
anhaltenden somatoformen Schmerzstörungen beurteilt. Gestützt auf das als
beweiskräftig eingestufte Gutachten des Instituts C.________ vom 20. Oktober
2010 (samt Ergänzung vom 4. September 2012) und die Stellungnahmen des Dr. med.
G.________ vom 28. September 2011 und 12. Dezember 2012 wurde sodann erkannt,
dass dem Beschwerdeführer die willentliche Leidensüberwindung zumutbar sei. Die
Arbeitsfähigkeit sei unfallbedingt weder in der angestammten Tätigkeit als
Chauffeur noch in einer leidensangepassten Beschäftigung in einem erheblichen
Masse eingeschränkt. Damit bestehe kein Anspruch auf Rentenleistungen und/oder
eine Integritätsentschädigung. Die Vorinstanz hat diese Einschätzung mit
Entscheid vom 17. November 2014 in allen Teilen bestätigt.

3.2. Zu keinen Einwänden Anlass gegeben hat letztinstanzlich der in Bezug auf
die Heilbehandlungs- und Taggeldleistungen per 28. Feb-ruar 2013 vorgenommene
Fallabschluss. Ebenfalls nicht beanstandet werden die Erwägungen des kantonalen
Gerichts, wonach das Vorhandensein anspruchsbegründender unfallkausaler
somatischer Einschränkungen zu verneinen sei. Weiterungen zu diesen Punkten
erübrigen sich (vgl. E. 1.1 am Ende hievor).

3.3. Zu prüfen ist, ob die über Ende Februar 2013 hinaus fortbestehenden, nach
HWS-Verletzungen spezifischen Störungen die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zu
beeinträchtigen vermögen.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen und Grundsätze zu den
Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs der obligatorischen
Unfallversicherung (Art. 7. ff. ATSG; Art. 18 Abs. 1 UVG) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3.4. Korrekt dargelegt hat das kantonale Gericht auch die bisherige
Rechtsprechung zur invalidenversicherungsrechtlichen Relevanz unklarer
Beschwerdebilder (BGE 130 V 352 und seitherige Rechtsprechung). Ebenfalls
zutreffend ist, dass die im Bereich der somatoformen Schmerzstörungen
entwickelten Grundsätze rechtsprechungsgemäss bei der Würdigung des
invalidisierenden Charakters einer HWS-Verletzung (Schleudertrauma) ohne
organisch nachweisbare Funktionsausfälle analog anwendbar war (BGE 136 V 279).
Nachdem das Bundesgericht mit zur Publikation bestimmtem Urteil 9C_492/2014 vom
3. Juni 2015 seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen, unter denen
anhaltende somatoforme Schmerzstörungen und vergleichbare psychosomatische
Leiden eine rentenbegründende Invalidität zu bewirken vermögen, grundlegend
überdacht und teilweise geändert hat, ist zu prüfen, welche Auswirkungen sich
dadurch auf den hier zu beurteilenden Fall ergeben (zur Anwendbarkeit einer
Rechtsprechungsänderung auf laufende Verfahren vgl. BGE 137 V 210 E. 6 S. 266).

4.

4.1. Weiterhin kann eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit nur
anspruchserheblich sein, wenn sie Folge einer fachärztlich einwandfrei
diagnostizierten Gesundheitsbeeinträchtigung ist (BGE 130 V 396). Auch künftig
wird der Rentenanspruch - in Nachachtung der verfassungs- und gesetzmässigen
Vorgaben von Art. 8 und 29 BV (Rechtsgleichheit) und Art. 7 Abs. 2 ATSG
(objektivierte Zumutbarkeitsbeurteilung) - anhand von normativen
Rahmenbedingungen beurteilt (vgl. bisher: BGE 130 V 352 E. 2.2.2 S. 353 und 139
V 547 E. 5.9 S. 558 f.), und es braucht medizinische Evidenz, dass die
Erwerbsunfähigkeit aus objektiver Sicht eingeschränkt ist. Indes hält das
Bundesgericht - der seit längerem namentlich aus medizinischer, aber auch aus
juristischer Sicht an der bisherigen Schmerzrechtsprechung geäusserten Kritik
Rechnung tragend - an der Überwindbarkeitsvermutung nicht weiter fest (Urteil
9C_492/2014 vom 3. Juni 2015    E. 3.5). Anstelle des bisherigen Regel/
Ausnahme-Modells tritt ein strukturierter, normativer Prüfraster. In dessen
Rahmen wird im Regelfall anhand von auf den funktionellen Schweregrad bezogenen
Standardindikatoren das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen ergebnisoffen
und symmetrisch beurteilt, indem gleichermassen den äusseren Belastungsfaktoren
wie den vorhandenen Ressourcen Rechnung getragen wird (Urteil 9C_899/2014 vom
29. Juni 2015 E. 3.1, zusammenfassend publiziert in SZS 2015 S. 385).

4.2. Zwar hatten die Ärztinnen und Ärzte bereits bis anhin ihre Stellungnahmen
zur Arbeitsfähigkeit so substanziell wie möglich zu begründen, und es war für
die ärztliche Plausibilitätsprüfung wichtig, in welchen Funktionen die
versicherte Person eingeschränkt ist (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 196). Die
diesbezüglichen Anforderungen hat das Bundesgericht aber nunmehr dahin gehend
konkretisiert, dass aus den medizinischen Unterlagen genauer als bisher
ersichtlich sein muss, welche funktionellen Ausfälle in Beruf und Alltag aus
den versicherten Gesundheitsschäden resultieren. Diagnosestellung und - in der
Folge - Invaliditätsbemessung haben somit stärker als bis anhin die
entsprechenden Auswirkungen der diagnoserelevanten Befunde zu berücksichtigen.
Medizinisch muss schlüssig begründet sein, inwiefern sich aus den funktionellen
Ausfällen bei objektivierter Zumutbarkeitsbeurteilung anhand der
Standardindikatoren eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ergibt. Wo dies
nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann, trägt
weiterhin die materiell beweisbelastete versicherte Person die Folgen. Eine
anhaltende somatoforme Schmerzstörung und vergleichbare Leiden können somit
eine Invalidität begründen, sofern funktionelle Auswirkungen der medizinisch
festgestellten gesundheitlichen Anspruchsgrundlage im Einzelfall anhand der
Standardindikatoren schlüssig und widerspruchsfrei mit zumindest überwiegender
Wahrscheinlichkeit in einem anspruchs-erheblichen Ausmass nachgewiesen sind
(Urteil 9C_492/2014 vom    3. Juni 2015 E. 6).

5.

5.1. Es stellt sich zunächst die Frage, ob die im Bereich der
Invalidenversicherung ergangene Rechtsprechungsänderung zu den anhaltenden
somatoformen Schmerzstörungen und vergleichbaren psychosomatischen Leiden
gemäss Urteil 9C_492/2014 auch für die obligatorische Unfallversicherung gilt.
In BGE 136 V 279 hat das Bundesgericht die mit BGE 130 V 352 im Hinblick auf
die IV-Rentenberechtigung begründete Rechtsprechung zur invalidisierenden
Wirkung anhaltender somatoformer Schmerzstörungen - ebenfalls im Hinblick auf
einen IV-Rentenanspruch - sinngemäss auch dann anwendbar erklärt, wenn sich die
Frage nach der invalidisierenden Wirkung einer spezifischen und unfalladäquaten
HWS-Verletzung (Schleudertrauma) ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle
stellt (BGE 137 V 199 E. 2.2 S. 203). Aus Gründen der Rechtsgleichheit sollen
sämtliche pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen Beschwerdebilder ohne
nachweisbare organische Grundlage den gleichen sozialversicherungsrechtlichen
Anforderungen unterstellt werden (BGE 136 V 279 E. 3.2.3 S. 283). Mithin war
auch bei organisch objektiv nicht ausgewiesenen Beschwerden, die natürlich- und
adäquatkausal auf einen Schleudertrauma-Mechanismus zurückzuführen waren,
abzuklären, ob eine psychische Komorbidität von erheblicher Schwere,
Intensität, Ausprägung und Dauer (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f.) und die von der
Praxis alternativ umschriebenen Kriterien vorlagen, welche die
Schmerzbewältigung objektiv konstant und intensiv behindern können (vgl. BGE
130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f.; 131 V 49 E. 1.2 S. 50 f.). Dies galt nicht nur
für die Invalidenversicherung (BGE 136 V 279), sondern wurde auch für die
Beurteilung des Anspruchs auf Invalidenrente nach dem UVG so gehandhabt (Urteil
8C_79/2013 vom 25. Juli 2013 E. 4.2.2; vgl. auch BGE 137 V 199).

5.2. Sowohl in der Invalidenversicherung (Art. 4 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 lit. c
IVG) wie auch in der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG) beurteilt sich die
invalidisierende Wirkung des Leidens nach Art. 8 ATSG. Diese Bestimmung
umschreibt unter Bezugnahme auf die in Art. 7 ATSG enthaltene Definition der
Erwerbsunfähigkeit die Invalidität. Gemäss Art. 7 Abs. 2 (in Kraft seit 1.
Januar 2008) sind für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit
ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu
berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt nur vor, wenn sie aus objektiver
Sicht nicht überwindbar ist. Damit wurden der Zumutbarkeitsgrundsatz und das
Gebot der Objektivierbarkeit gesetzlich verankert (vgl. dazu BGE 139 V 547 E.
5.7 S. 557). Daran hat das Urteil 9C_492/2014 nichts geändert (E. 3.7.1).
Anlass des bundesgerichtlichen Urteils war die Prüfung der Frage, ob an der
Vermutung festzuhalten ist, wonach eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung
oder ein vergleichbarer ätiologisch unklarer syndromaler Zustand mit zumutbarer
Willensanstrengung überwindbar ist. Das Bundesgericht kam dabei - nicht
IV-spezifisch, sondern insbesondere bezogen auf Art. 7 Abs. 2 ATSG - zum
Schluss, dass das bisherige Regel/Ausnahme-Modell (Überwindbarkeitsvermutung)
durch einen strukturierten, normativen Prüfungsraster zu ersetzen sei. Da es
geboten erscheint, sämtliche pathogenetisch-ätiologisch unklaren syndromalen
Beschwerdebilder ohne nachweisbare organische Grundlage (vgl. BGE 140 V 8 E.
2.2.1.3    S. 13) den gleichen sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen zu
unterstellen (vgl. E. 5.1 hievor), soll die im Hinblick auf einen
IV-Rentenanspruch erfolgte Rechtsprechungsänderung gemäss Urteil 9C_492/2014
sinngemäss auch im Bereich des UVG Anwendung finden. Vorausgesetzt wird
allerdings, dass zwischen dem Unfall und den Beschwerden ein natürlicher und
adäquater Kausalzusammenhang besteht.

6.

6.1. Der Beschwerdeführer beantragt subeventualiter, es sei das Verfahren bis
zur Vorlage des von der Invalidenversicherung veranlassten interdisziplinären
Gutachtens (Begutachtung von Ende April 2015) zu sistieren und ihm alsdann eine
Frist für Ergänzungsfragen anzusetzen. Davon ist abzusehen, da keine
Anhaltspunkte darüber bestehen, wie weit das diesbezügliche Verfahren
vorangeschritten ist und neue Beweismittel ohnehin nur soweit vorgebracht
werden können, als erst der Entscheid der Vorinstanz Anlass gibt (Art. 99 Abs.
1 BGG).

6.2. Eventualiter schliesst der Beschwerdeführer auf Rückweisung der Sache an
die SUVA, damit diese ein neues, der Rechtsprechung gemäss Urteil 9C_492/2014
Rechnung tragendes interdisziplinäres Gutachten in Auftrag gebe. Nach der
Rechtsprechung ist im Einzelfall zu prüfen, ob die beigezogenen administrativen
und/oder gerichtlichen Sachverständigengutachten - gegebenenfalls im Kontext
mit weiteren fachärztlichen Berichten - eine schlüssige Beurteilung im Lichte
der massgeblichen Indikatoren erlauben oder nicht (Urteil 9C_492/2014   E. 8).

6.3. Die Vorinstanz hielt fest, eine invalidisierende Wirkung der nach Lage der
psychiatrischen Akten höchstens als mittelschwer einzustufenden depressiven
Störung sei zwar nicht schlechterdings auszuschliessen. Indessen bedinge deren
Annahme, dass es sich nicht bloss um eine Begleiterscheinung einer
Schmerzkrankheit, sondern um ein selbstständiges, vom psychogenen
Schmerzsyndrom losgelöstes depressives Leiden handle, und setze im Weiteren
voraus, dass eine konsequente Depressionstherapie befolgt werde, deren
Scheitern das Leiden als resistent ausweise. Vorliegend sei davon auszugehen,
dass die konstatierte depressive Störung eine Begleiterscheinung der erlittenen
HWS-Distorsion mit dem für derartige Verletzungen typischen, komplexen und
vielschichtigen Beschwerdebild und nicht ein selbstständiges, vom übrigen
Krankheitsgeschehen losgelöstes depressives Leiden im Sinne einer psychischen
Komorbidität darstelle. Die depressive Verstimmung habe sich im Zusammenhang
mit der Schmerzproblematik herausgebildet und werde massgeblich von dieser
unterhalten. Die ausgewiesene, höchstens mittelgradige depressive Episode könne
jedenfalls nicht als eigenständiges Krankheitsgeschehen im Sinne einer
massgebenden Komorbidität betrachtet werden. Soweit die Gutachter des Instituts
C.________ von einem verselbständigten Leiden sprechen würden, könne ihnen
nicht gefolgt werden, da ihre Ausführungen hauptsächlich unter dem
Gesichtswinkel der - vom Bundesgericht bereits beurteilten - Unfallkausalität
ergangen seien.

6.4. Die medizinischen Unterlagen enthalten unterschiedliche Angaben zu den
(unfallkausalen) diagnostischen Befunden. Die Gutachter des Instituts
C.________ gehen zudem - in Abweichung von der verbindlichen Beurteilung des
Bundesgerichts im Urteil 8C_477/2008 - davon aus, dass gar keine unfallkausalen
Beschwerden mehr vorliegen würden. Aufgrund der Unklarheiten bzw. Divergenzen
in den verfügbaren medizinischen Grundlagen, lässt sich keine schlüssige
Beurteilung im Lichte der gemäss Urteil 9C_492/2014 massgeblichen Indikatoren
vornehmen. Es hat daher eine Ergänzung des medizinischen Sachverhalts zu
erfolgen. Hinzu kommt, dass das Gutachten des Instituts C.________ vom 20.
Oktober 2010 datiert und die Gutachter in ihrer nachträglichen Stellungnahme
vom 4. September 2012 für eine aktuelle Beurteilung eine nochmalige
Begutachtung für erforderlich hielten. Die Sache ist daher an die SUVA
zurückzuweisen, damit diese (bei anderen Sachverständigen) ein neues,
interdisziplinäres Gutachten einhole und gestützt darauf neu entscheide.

7. 
Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu erneuter Abklärung gilt für die
Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als
vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2
BGG, unabhängig davon, ob sie beantragt und ob das entsprechende Begehren im
Haupt- oder im Eventualantrag gestellt wird (BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271 mit
Hinweisen). Die unterliegende SUVA trägt die Gerichtskosten und bezahlt dem
Beschwerdeführer eine Parteientschädigung (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 17. November 2014 und der
Einspracheentscheid der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom
19. April 2013 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) zurückgewiesen. Im Übrigen
wird die Beschwerde abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen
Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. September 2015

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Leuzinger

Die Gerichtsschreiberin: Hofer

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