Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.778/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_778/2015

Urteil vom 10. November 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Stationsstrasse 21, 8306 Brüttisellen, vertreten durch Rechtsanwalt
Hans Werner Meier, Stauffacherstrasse 35, 8004 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
2. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Ivo Harb,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Rechtzeitigkeit der Berufung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 7. Juli 2015.

Sachverhalt:

A.
Nach einer Auseinandersetzung zwischen X.________ und A.________ wurde gegen
beide Kontrahenten je ein Strafverfahren eingeleitet, wobei sie sich im jeweils
anderen Verfahren als Privatkläger konstituierten.

B.
Das Bezirksgericht Bülach sprach am 12. November 2014 A.________ vom Vorwurf
der Tätlichkeiten frei. Das Obergericht des Kantons Zürich trat am 24. März
2015 auf die gegen das bezirksgerichtliche Urteil erhobene Berufung von
X.________ nicht ein, weil dieser innert Frist keine Berufungserklärung
eingereicht hatte. Seine Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht mit
Urteil 6B_469/2015 vom 17. August 2015 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Das Bezirksgericht Bülach verurteilte am 12. November 2014 X.________ wegen
einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu
Fr. 30.-- und verpflichtete ihn zur Zahlung von Genugtuung und Schadenersatz an
A.________.
Das Obergericht des Kantons Zürich trat am 7. Juli 2015 wegen nicht
fristgemässer Berufungserklärung auf die Berufung von X.________ nicht ein.

D.
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den Beschluss des
Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, entweder ein Beweisverfahren
über die Rechtzeitigkeit der Berufungserklärung durchzuführen oder auf die
Berufung sofort einzutreten. Die Kosten seien den Beschwerdegegnern
aufzuerlegen, und diese seien zur Bezahlung einer Anwaltsentschädigung zu
verpflichten. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Es sei
ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer bezeichnet keine Norm, die verletzt sein sollte. In dieser
Weise lässt sich nicht darlegen, "inwiefern der angefochtene Akt Recht
verletzt" (Art. 42 Abs. 2 BGG). Sachlich richtet sich die Beschwerde gegen die
Beweiswürdigung. Damit wird grundsätzlich eine Verfassungsverletzung im Sinne
von Art. 9 BV behauptet. In diesem Fall gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 42
Abs. 2 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; ausführlich BGE 140 III
264 E. 2.3). Die Beschwerde erweist sich als appellatorisch.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verteidigung habe den fehlenden
Zustellungsbeleg der Post für den 23. Februar 2015 erst nach dem Eingang der
vorinstanzlichen Präsidialverfügung vom 2. März 2015 bemerkt (Poststempel auf
der Berufungserklärung: 27. Februar 2015) und zur Kenntnis nehmen müssen, dass
die Eingabe bei der Post nicht regulär behandelt wurde.
Damit bestätigt der Beschwerdeführer den vorinstanzlichen Sachverhalt: Die
Frist für die Berufungserklärung lief am 23. Februar 2015 ab. Die
Berufungserklärung ging am 2. März 2015 ein. Das Datum des Poststempels ist der
27. Februar 2015 (Beschluss E. 2.2).

2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verteidigung habe das
Postempfangsscheinbuch als Beweismittel bei der Vorinstanz eingereicht. Die
Verteidigung habe, wie oft, wenn sie die Postbucheinträge selber vornehme, eine
Seite nicht voll genutzt. Der Schalter, an den die Post am 23. Februar 2015
gebracht wurde, könne eruiert werden, was heute noch möglich sei, und die
Postangestellte könnte befragt werden, eventuell wäre am verwendeten PC
festzustellen, wann an der Berufungserklärung letztmals gearbeitet worden sei,
etc. Die Verteidigung habe die bei der Sihlpost abgehende Post am 23. Februar
2015 überprüft. Der Beschuldigte sei zum Beweis zuzulassen, und dies besonders
dann, wenn ein späteres Datum gestempelt werde. Die Agenda und der
Handaufschrieb der Korrespondenz könnten im Beweisverfahren vorgelegt werden.
Auch die Fristwiederherstellung wäre denkbar. Ein grobes Verschulden der
Verteidigung liege nicht vor.
Unbestritten stellt die Vorinstanz fest, weder aufgrund einer
Sendungsverfolgung noch des Eintrags im Postempfangsscheinbuch könne der
Nachweis erbracht werden, dass die Berufungserklärung der Post am 23. Februar
2015 übergeben wurde. Dass bei Aufgabe von zwei Sendungen nur eine
ordnungsgemäss spediert und gestempelt werde, sei eher unwahrscheinlich.
Betreffend die Sendung mit der Berufungserklärung fehle nicht nur der Stempel
im Postempfangsscheinbuch, sondern auch der Barcode auf dem Couvert. Es wäre
der Verteidigung zumutbar gewesen, bei nur zwei aufgegebenen Sendungen zu
kontrollieren, ob beide ordnungsgemäss spediert würden, zumal ihr bewusst
gewesen sein müsse, dass die Frist an jenem Tage ablief und die Verteidigung
für die fristgerechte Aufgabe verantwortlich und beweispflichtig sein würde.
Diese Beweiswürdigung ist nicht offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Auch die weiteren Vorbringen sind unbehelflich. An einer rechtskonformen
Willküranfechtung fehlt es ohnehin, so dass darauf nicht einzutreten ist.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der
Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 BGG). Die Gerichtskosten sind dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist praxisgemäss Rechnung zu tragen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m.
Art. 65 Abs. 2 BGG).
Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen. Ihm sind im
bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden.
Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos geworden.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. November 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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