Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.72/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_72/2015

Urteil vom 27. Mai 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Robert Frauchiger,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Urkundenfälschung, Widerhandlung gegen das Ausländergesetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 20. November 2014.

Sachverhalt:

A.

 Soweit vorliegend noch relevant, stellt das Obergericht des Kantons Aargau
fest, X.________ werde in der Anklageschrift vorgeworfen, er habe sich der
Urkundenfälschung schuldig gemacht, indem er nach seiner Einreise in die
Schweiz vom 15. Januar 2012 am 21. Januar 2012 mit A.________ (Privatkläger)
einen Arbeitsvertrag über eine Festanstellung bei einem monatlichen
Bruttoverdienst von Fr. 4'600.-- abschloss. Tatsächlich sei ein Stundenlohn von
Fr. 25.-- mit einem von der Arbeitslage abhängigen Beschäftigungsgrad abgemacht
worden. X.________ habe nur wenige Tage gearbeitet und wenige hundert Franken
verdient. Er habe mit dem Vertrag beim Amt für Migration und Integration des
Kantons Aargau eine ab dem 10. Januar 2012 gültige Aufenthaltsbewilligung der
Kategorie B erhalten und dafür Fr. 10'000.-- an den Privatkläger gezahlt
(Urteil S. 20 f.).

B.

 Das Bezirksgericht Zurzach sprach am 25. September 2013 X.________ von den
Vorwürfen der Gehilfenschaft zu versuchter vorsätzlicher Tötung und schwerer
Körperverletzung sowie der Urkundenfälschung und Täuschung der
Migrationsbehörde frei. Es verurteilte ihn wegen Raufhandels zu einer bedingten
Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.-- und rechnete ihm die ausgestandene
Untersuchungshaft von 42 Tagen an.

 X.________, die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und der Zivil- und
Strafkläger meldeten Berufung an. Das Obergericht des Kantons Aargau trat am
20. November 2014 auf die Berufung des Zivil- und Strafklägers nicht ein. Es
sprach X.________ von den Vorwürfen der Gehilfenschaft zu versuchter
vorsätzlicher Tötung und schwerer Körperverletzung frei. Es verurteilte ihn
wegen Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 StGB) und Widerhandlung gegen Art.
118 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR
142.20) zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 20.--.

C.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche
Urteil betreffend Schuld und Strafe sowie die erstinstanzlichen und
obergerichtlichen Kostenauflagen und Rückerstattungspflicht der hälftigen
Kosten der amtlichen Verteidigung aufzuheben, ihn von Schuld und Strafe
freizusprechen und ihm zulasten des Kantons Aargau eine Haftentschädigung von
Fr. 200.-- pro Tag, entsprechend Fr. 8'400.-- für 42 Hafttage, zuzusprechen.
Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an
das Obergericht zurückzuweisen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren.

 Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichteten
auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Erstinstanz habe ihn in dubio pro reo
freigesprochen, weil die Darstellung der Anklage, dass er und der Privatkläger
im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung wussten, dass der Arbeitsvertrag so
nicht eingehalten würde, es sich also um eine unwahre Urkunde handelte,
lediglich eine Vermutung sei. Dieser Beurteilung folge die Vorinstanz im
Wesentlichen mit zwei Argumenten nicht.

 Erstens unterschlage sie die Unsicherheit des Privatklägers in der
Fragebeantwortung, ob er den Beschwerdeführer im Stundenlohn oder Monatslohn
angestellt habe ("Ich weiss es nicht mehr, ich glaube auf Stundenlohnbasis."),
und ignoriere dessen Aussage, dass der Vertrag im Nachhinein wegen schlechten
Wetters und fehlender Arbeit mündlich in einen Stundenlohn abgeändert wurde. Im
Arbeitsvertrag stehe nichts von einem Monatslohn, sondern "Der Grundlohn ergibt
einen Bruttomonatslohn von 4'600.00 [...]", und weiter, die Arbeitszeit richte
sich "nach dem betrieblichen Arbeitszeitkalender der Firma. Die Verteilung
dieser Jahrestotalstunden im Sinne von 42,5 Stunden wöchentliche
Normalarbeitszeiten erfolgt in Absprache unter den Parteien in Anlehnung an die
örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse." Dem Arbeitsvertrag sei letztlich nicht
zu entnehmen, ob die Lohnzahlung in monatlich gleichen Beträgen oder abhängig
von der jeweils geleisteten Arbeitszeit entrichtet werde. Schon unter diesem
Aspekt sei der Vorwurf, einen gefälschten Arbeitsvertrag eingereicht zu haben,
verfehlt.

 Als zweites Argument erwähne die Vorinstanz, es sei lebensfremd und schlicht
nicht plausibel, dass der Arbeitsvertrag kurze Zeit nach Vertragsabschluss
wegen schlechten Wetters und Arbeitsmangels geändert wurde. Die Vorinstanz
verletze den Grundsatz in dubio pro reo (Art. 10 Abs. 3 StPO).

1.2.

1.2.1. Die Vorinstanz stellt fest, der Privatkläger wisse nach seiner Aussage
nicht mehr, ob der Vertag mit Stunden- oder Monatslohn abgeschlossen worden
sei, und habe nach Vorlage des Arbeitsvertrags erklärt, dies könne schon sein,
sie hätten nachträglich einen Stundenlohn abgemacht. Das Arbeitsverhältnis habe
mit dem Vorfall vom 9. März 2012 geendet (dabei ging es um den Streit eines
Verwandten des Beschwerdeführers mit dem Privatkläger um noch geschuldeten
Lohn, woran der Beschwerdeführer beteiligt war; Anklage, Urteil S. 3). Vor der
Erstinstanz sei der Privatkläger dabei geblieben, den Arbeitsvertrag wegen des
schlechten Wetters geändert zu haben, und habe erklärt, für die
Arbeitsbewilligung reiche auch die Vereinbarung eines Stundenlohns.

1.2.2. Die Vorinstanz führt weiter aus, der Beschwerdeführer habe angegeben,
keinen schriftlichen Vertrag erhalten zu haben. B.________ habe in der
Konfrontationseinvernahme erklärt, der Beschwerdeführer könne kein Deutsch und
habe wohl nicht gewusst, um was es gehe. Er habe alles für ihn erledigt. Dieser
habe den Vertrag nur erhalten, damit er an ein Visum komme. Als Lohn sei
einfach irgend eine Summe genannt worden. Der Beschwerdeführer habe in der
Folge ausgesagt, er habe einfach unterschrieben, aber nicht gelesen. Mündlich
seien Fr. 25.-- vereinbart worden. Vor der Erstinstanz habe der
Beschwerdeführer angegeben, er habe einen Arbeitsvertrag unterschrieben, bei
welchem er netto Fr. 4'000.-- verdienen sollte. Mündlich sei Stundenlohn
vereinbart gewesen.

1.2.3. Für die Vorinstanz erscheint die Abänderung des Vertrags wenig
glaubhaft. Nach den Aussagen sei anfänglich ein Stundenlohn vereinbart gewesen.
Der Beschwerdeführer habe sogar angegeben, er habe keinen Arbeitsvertrag
erhalten und schwarz gearbeitet. Diese falschen Angaben seien wohl auf seine
fehlenden Deutschkenntnisse zurückzuführen. Bezeichnenderweise sei das einzige,
was er genau wusste, die Vereinbarung des Stundenlohnes von Fr. 25.-- gewesen.
Der Privatkläger sei seit längerer Zeit im Baugewerbe tätig. Nur wenige Tage
nach Vertragsschluss wolle er gemerkt haben, dass kaltes Wetter komme und er
weniger Arbeitskräfte brauche. Das sei lebensfremd und schlicht nicht
glaubhaft. Als Beweisergebnis sei festzuhalten, dass die Parteien einen
Arbeitsvertrag mit Festanstellung mit 42,5 Stunden-Woche und Fr. 4'600.-- Lohn
abschlossen, diese Regelung aber nicht ihrem wirklichen Willen entsprach
(Urteil S. 24).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig"
bedeutet willkürlich. Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit
vorgebracht und substanziiert begründet werden. Auf eine rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140
III 264 E. 2.3; 137 IV 1 E. 4.2.3). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt - in
der vorliegend einzig in Betracht fallenden Funktion - als
Beweiswürdigungsmaxime im bundesgerichtlichen Verfahren keine über das
Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7; 127
I 38 E. 2a).

1.3.1. Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind jedenfalls im Ergebnis
unbegründet. Weder unterschlägt noch ignoriert die Vorinstanz die Aussagen, auf
welche er hinweist (oben E. 1.1). Soweit er geltend macht, im Arbeitsvertrag
stehe "nichts von einem Monatslohn", zitiert er selber aus dem Vertrag, wonach
der Grundlohn einen "Bruttomonatslohn von 4'600.00" ergibt. Dass dieser Betrag
aufgrund eines Stundenlohns von Fr. 25.-- und einer 42,5-Stundenwoche
errechenbar ist, lässt die Sache in keinem wesentlich anderen Licht erscheinen.
Insoweit ist keine willkürliche, das heisst schlechterdings unhaltbare (Urteil
6B_630/2014 vom 20. Januar 2015 E. 3.3), Beweiswürdigung ersichtlich. Die
Vorinstanz übersieht auch nicht, dass der Beschwerdeführer die Abmachung eines
Stundenlohns behauptete (oben E. 1.2.3). Wie es sich mit der behaupteten
nachträglichen Änderung des Arbeitsvertrags verhält, kann offenbleiben.
Jedenfalls beachteten die Beteiligten die in den Arbeitsvertrag aufgenommene
Klausel nicht, wonach Vertragsänderungen in der Schriftform zu erfolgen hatten.

 Wie sich nachfolgend ergibt, zeigt der Beschwerdeführer keine Willkür in der
entscheidrelevanten vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung auf. Die
Vorinstanz würdigt die vom Beschwerdeführer zitierten Aussagen der
Vertragsparteien, die sich allerdings nicht als entscheidwesentlich erweisen
(unten E. 1.5.3). Insbesondere unterlässt der Beschwerdeführer eine
Auseinandersetzung mit den Aussagen von B.________ (oben E. 1.2.2) sowie den
letztlich massgebenden tatsächlichen Schlussfolgerungen der Vorinstanz
hinsichtlich der Täuschung der Migrationsbehörde.

1.3.2. Die Vorinstanz führt bei ihrer Beurteilung unter dem Gesichtspunkt einer
Urkundenfälschung zudem aus, die unwahren Angaben seien einzig in den
Arbeitsvertrag aufgenommen worden, um dem Beschwerdeführer die Bewilligung zu
erleichtern, weshalb Täuschungsabsicht gegeben sei. Wer bewusst ungelesene
Urkunden unterzeichne, könne sich im Übrigen nicht darauf berufen, ihren wahren
Inhalt nicht gekannt zu haben (mit Hinweis auf BGE 135 IV 12 E. 2.3.1). Dass
der Beschwerdeführer die Falschbeurkundung zumindest in Kauf nahm, zeige sich
deutlich dadurch, dass sein "Berater" B.________ wusste, dass der Inhalt des
Vertrages nicht stimmen könne. Daher sei davon auszugehen, dass dies auch der
Beschwerdeführer wusste. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer genau wusste,
dass er den Arbeitsvertrag unterzeichnen musste, damit er die
Arbeitsbewilligung erhalte (Urteil S. 25 f.).

1.3.3. Der Beschwerdeführer nimmt zu der Konfrontationseinvernahme von
B.________ nicht Stellung. Er bestreitet die vorinstanzliche Vertragsauslegung
sowie die Annahme einer Urkundenfälschung gemäss Art. 251 StGB.

1.4. Die zivilrechtliche Vorfrage der Auslegung des Arbeitsvertrags erscheint
durchaus heikel. Keine Vertragspartei äussert sich eindeutig über dessen
Inhalt. Der Privatkläger wusste nicht mehr, ob der Vertag mit Stunden- oder
Monatslohn abgeschlossen wurde, und machte eine einvernehmliche
Vertragsänderung geltend (oben E. 1.2.1), die aber jedenfalls nicht
vertragskonform vorgenommen worden wäre (oben E. 1.3.1). Der Beschwerdeführer
seinerseits konnte den schriftlichen Vertrag nicht lesen. Sein "Berater"
wusste, dass der Inhalt des Vertrages nicht stimmen konnte. Der
Beschwerdeführer habe den Vertrag nur erhalten, damit er an ein Visum komme
(oben E. 1.2.2).

 Bei der Feststellung des inneren Parteiwillens handelt es sich in
zivilrechtlicher Betrachtungsweise zunächst um die empirische oder subjektive
Vertragsauslegung, die gegenüber der normativen oder objektivierten den Vorrang
hat (BGE 138 III 659 E. 4.2.1). Was der Täter wusste, wollte oder in Kauf nahm,
ist Tatfrage und prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür (
BGE 137 IV 1 E. 4.2.3). Eine willkürliche Beurteilung vermag der
Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Damit stellt die Vorinstanz für das
Bundesgericht in tatsächlicher Hinsicht verbindlich fest (Art. 105 Abs. 1 BGG),
dass die Regelung des Arbeitsvertrags nicht dem wirklichen Willen der Parteien
entsprach (oben E. 1.2.3, unten E. 1.5.3 und E. 2.3). Somit erübrigt sich eine
Beurteilung des Vertrags unter normativen Gesichtspunkten.

1.5. Zu prüfen ist die Frage einer Falschbeurkundung (nicht einer
Urkundenfälschung im engeren Sinn). Die Falschbeurkundung (Art. 251 StGB)
betrifft die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei welcher der
wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen.
Die Falschbeurkundung erfordert eine qualifizierte schriftliche Lüge. Eine
solche nimmt die Rechtsprechung nur an, wenn dem Schriftstück eine erhöhte
Glaubwürdigkeit zukommt und der Adressat diesem ein besonderes Vertrauen
entgegenbringt. Das ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die
Wahrheit der Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten, die gerade den Inhalt
bestimmter Schriftstücke näher festlegen. Blosse Erfahrungsregeln hinsichtlich
der Glaubwürdigkeit irgendwelcher schriftlicher Äusserungen genügen dagegen
nicht, mögen sie auch zur Folge haben, dass sich der Geschäftsverkehr in
gewissem Umfang auf die entsprechenden Angaben verlässt (vgl. BGE 132 IV 12 E.
8.1 S. 14 f.; 129 IV 130 E. 2.1 S. 133 f.; Urteil 6B_1105/2013 vom 18. Juli
2014 E. 3.2.2).

 Nach der Rechtsprechung kommt namentlich Lohnausweisen und Lohnabrechnungen,
soweit nicht besondere gesetzliche Vorschriften bestehen, keine erhöhte
Glaubwürdigkeit zu. Sie sind insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des
Sozialversicherungs- und Steuerrechts für die Frage der Falschbeurkundung
unerheblich (Urteile 6B_390/2012 vom 18. Februar 2013 E. 3.4 und 6B_1179/2013
vom 28. August 2014 E. 2.1 mit zahlreichen Hinweisen). Ferner wird
Falschbeurkundung bei simulierten Verträgen verneint, da die
einfach-schriftliche Urkunde - auch bei gesetzlich vorgeschriebener Schriftform
- grundsätzlich nicht beweist, dass die übereinstimmend abgegebenen
Willenserklärungen dem wirklichen Willen entsprechen ( MARKUS BOOG, in: Basler
Kommentar, Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2013, N. 156 zu Art. 251 StGB). So wird
Falschbeurkundung bei der Errichtung einer inhaltlich falschen
einfach-schriftlichen Vertragsurkunde, bei welcher weder besondere Garantien
für ihre Richtigkeit noch eine garantenähnliche Stellung gegenüber dem
Getäuschten bestehen, verneint (BGE 120 IV 25 E. 3f.). Ebenso verhält es sich
beim simulierten Rechtsgeschäft. Dieses liegt vor, wenn beide Vertragsparteien
sich darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht ihrem Willen
entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie entweder ein
Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft einen wirklich
beabsichtigten Vertrag verdecken wollen. Der simulierte Vertrag genügt den im
Rahmen der Falschbeurkundung verlangten höheren Anforderungen an die
Beweiseignung nicht (BGE 123 IV 61 E. 5c/cc).

1.5.1. Die Vorinstanz geht sachlich von einem simulierten Arbeitsvertrag aus,
d.h. einem Scheinvertrag zur Erlangung der Aufenthaltsbewilligung in der
Schweiz. Der Vereinbarung eines schlichten Einzelarbeitsvertrags gemäss Art.
319 OR kommt unter dem Gesichtspunkt der Falschbeurkundung kein
Urkundencharakter zu (vgl. BGE 123 IV 61 E. 5c/cc S. 69 oben). Dies gilt ebenso
für dessen Simulation. An dieser Rechtslage ändert die Tatsache nichts, dass
die Vertragsurkunde nach der Feststellung der Vorinstanz verfasst wurde, um
durch die "Täuschung der Behörden" (Art. 118 AuG) eine Arbeitsbewilligung zu
erlangen bzw. dass der Beschwerdeführer die Mitwirkungspflichten gemäss Art. 90
AuG verletzte. Die Täuschung der Behörde wird in Art. 118 AuG spezialgesetzlich
mit einer Vergehensstrafandrohung sanktioniert (unten E. 2). Ob diese
Bestimmung gegebenenfalls durch die Urkundendelikte konsumiert wird, erscheint
zweifelhaft und kann offenbleiben.

1.5.2. Es ist das Wesen der Simulation, dass sie "in der Absicht gebraucht
wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen" (Art. 18 Abs. 1 OR).
Es handelt sich um den Fall der absichtlichen Nichtübereinstimmung von Wortlaut
und Wille. Bloss scheinbare Erklärungen werden ausgetauscht, und zwar
Falscherklärungen. Das simulierte Geschäft ist völlig unwirksam ( JÄGGI/GAUCH/
HARTMANN, in: Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, 4. Aufl. 2014, NN. 103 f.
und 137 zu Art. 18 OR). Auch bei der Beurteilung des simulierten Vertrags ist
gemäss Art. 18 Abs. 1 OR der übereinstimmende wirkliche Wille "zu beachten",
nämlich das grundsätzlich gültige dissimulierte Rechtsgeschäft (vgl. a.a.O., N.
156).

1.5.3. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz bestand der
massgebende wirkliche Wille in der Errichtung einer Vertragsurkunde zur
Täuschung der Migrationsbehörde zwecks Erschleichung einer Arbeits- und
Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz (unten E. 2.3). Dieser Zweck wurde
erreicht. Die Auslegung des Wortlauts der abgefassten Vertragsurkunde bzw.
ihrer Vereinbarungen im Einzelnen erweist sich somit als müssig, da sie ohnehin
nicht dem gemäss Art. 18 Abs. 1 OR zu beachtenden wirklichen Willen
entsprachen, weshalb darauf nicht weiter einzutreten ist.

1.6. Es ist demnach von einem simulierten Einzelarbeitsvertrag auszugehen. Das
dissimulierte Geschäft bestand in der Errichtung einer Urkunde zur Täuschung
der Migrationsbehörde. Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR ist das dissimulierte Geschäft
grundsätzlich gültig. Angesichts dieser gesetzlichen Normierung kann in der
Errichtung eines entsprechenden Vertrags mithin keine Urkundenfälschung liegen.
Allerdings wird dieses Vorgehen zur Erreichung eines strafrechtlich verpönten
Erfolgs aus anderen Gründen auch zivilrechtlich unwirksam sein (so genannte
"Verbrechensabrede"). Das kann ebenfalls offenbleiben. Denn selbst dieser
Sachverhalt macht die Erstellung des Einzelarbeitsvertrags nicht zur
Falschbeurkundung. Der Beschwerdeführer ist vom Vorwurf der Urkundenfälschung
freizusprechen.

2.

2.1. Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, mit
dem Wegfall der Falschbeurkundung entfalle konsequenterweise auch der Vorwurf
der Widerhandlung gegen das AuG.

2.2. Gemäss Art. 118 Abs. 1 AuG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder Geldstrafe bestraft, wer die mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten
Behörden durch falsche Angaben oder Verschweigung wesentlicher Tatsachen
täuscht und dadurch (u.a.) die Erteilung einer Bewilligung für sich
erschleicht.

 Nach der Rechtsprechung muss sich die falsche bzw. ausbleibende Instruktion
der Behörde gemäss klarem Wortlaut des Gesetzes auf eine wesentliche Tatsache
beziehen. Der objektive Tatbestand der Strafnorm ist nicht erfüllt, wenn die
Falsch- oder Nichtangabe einen tatsächlichen Umstand betrifft, der ohne
Relevanz für den Entscheid ist bzw. sein muss. Die Täuschung muss mithin
dergestalt sein, dass ohne sie der entsprechende Entscheid - zu Recht - nicht
oder nicht in dieser Form ergangen wäre. Ist die falsche oder unterbliebene
Auskunft dagegen nicht geeignet, die Behörde in ihrer Entscheidfindung zu
beeinflussen bzw. darf sie sich davon nicht beeinflussen lassen, fehlt es am
objektiven Erfordernis der Wesentlichkeit der (Nicht-) Angabe. Ob die Behörde
diese de facto (zu Unrecht) für entscheidrelevant erachtet, spielt dagegen
keine Rolle. Entscheidend ist mithin, dass die beteiligten Personen mit ihrem
Verhalten die Bewilligungsbehörden täuschten, da diese in Kenntnis der wahren
Gegebenheiten keine Bewilligung erteilen würden (Urteil 6B_497/2010 vom 25.
Oktober 2010 E. 1.1 mit Hinweis auf die Botschaft).

2.3. Nach dem Beweisergebnis verwendete der Beschwerdeführer den "unwahren
Arbeitsvertrag" beim Migrationsamt in Täuschungsabsicht (Urteil S. 27). Es ist
deshalb auch irrelevant, ob im Vertrag ein fester Monatsverdienst von Fr.
4'600.-- oder ein Verdienst, der bei einem Stundenlohn von Fr. 25.-- und 42,5
Wochenstunden diesen monatlichen Lohn ergibt, vereinbart wurde, oder ob der
Vertrag, wie behauptet, nachträglich abgeändert wurde, wofür allerdings kein
Beleg existiert. Es ist vielmehr von einem simulierten Vertrag auszugehen, d.h.
einem Schriftstück, das mit dem Zweck der Täuschung der Migrationsbehörde
hergestellt und ihr in der Folge in Täuschungsabsicht eingereicht wurde. Es
ging dem Beschwerdeführer einzig um den Erhalt der Bewilligung (Urteil S. 29).
Indem er alles tat und unterschrieb, was ihm vorgelegt wurde, im Wissen darum,
dass er dafür die Bewilligung erhält, handelte er vorsätzlich, oder, wie die
Vorinstanz annimmt, zumindest eventualvorsätzlich (Urteil S. 28). Er erschlich
die Erteilung einer Bewilligung für sich und erfüllte damit den Tatbestand von
Art. 118 Abs. 1 AuG.

3.

 Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und im Übrigen abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Das Urteil ist aufzuheben und die Sache zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie wird den
Beschwerdeführer von der Anklage der Urkundenfälschung freizusprechen haben
sowie die Strafe für die Widerhandlung gegen Art. 118 Abs. 1 AuG festzusetzen
und die Kosten und Entschädigungen des erst- und vorinstanzlichen Verfahrens
neu festzulegen haben. Im Umfang der Gutheissung der Beschwerde ist das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden. Im Übrigen (betreffend
die Widerhandlung gegen das AuG) erschien es angesichts des erstinstanzlichen
Urteils nicht als von vornherein aussichtslos, weshalb es gutzuheissen und dem
Beschwerdeführer aus der Gerichtskasse eine Parteientschädigung zuzusprechen
ist (Art. 64 Abs. 2 BGG). Es sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau ist zu einer Parteientschädigung an den
Beschwerdeführer zu verpflichten (Art. 68 Abs. 1 BGG). Beide
Parteientschädigungen sind praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten
(vgl. Urteile 6B_1104/2014 vom 21. April 2015 E. 3 und 6B_768/2014 vom 24. März
2015 E. 4).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und im Übrigen abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20.
November 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, soweit es nicht
gegenstandslos geworden ist.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten auferlegt.

4. 
Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse mit
Fr. 1'500.-- entschädigt.

5. 
Der Kanton Aargau hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- auszurichten.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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