Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.704/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_704/2015

Urteil vom 16. Februar 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Verletzung von Verkehrsregeln; Wiederherstellung der Frist,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
9. Juni 2015.

Erwägungen:

1.

1.1. Das Kreisgericht See-Gaster, Einzelrichter, verurteilte den
Beschwerdeführer am 13. November 2014 wegen Verletzung der Verkehrsregeln zu
einer Busse von Fr. 400.-- bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen. Der
Entscheid wurde am 13. November 2014 mündlich eröffnet.
Der Beschwerdeführer meldete anlässlich der Verhandlung die Berufung mündlich
zu Protokoll an.
Mit eingeschriebenem Brief vom 22. Dezember 2014 wies er das Kreisgericht - wie
er es nach seinen Angaben bereits anlässlich der Verhandlung getan hatte - auf
seine bevorstehende Landesabwesenheit bis Ende April 2015 hin. Er bat um
entsprechende Orientierung des zuständigen (Berufungs-) Gerichts, da er vor
diesem Zeitpunkt nicht an einer Verhandlung werde teilnehmen können.

1.2. Der begründete Entscheid des Kreisgerichts wurde am 8. Januar 2015
versandt, konnte dem Beschwerdeführer am 12. Januar 2015 aber nicht zugestellt
werden. Entsprechend wurde eine Abholeinladung in seiner Post hinterlassen.

1.3. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz fand der Beschwerdeführer am 13. April
2015 lediglich die Abholeinladung sowie eine Rechnung über Fr. 2'130.-- (Busse
und Kosten) in seiner Post vor. Auf Nachfrage hin erklärte ihm der
Einzelrichter des Kreisgerichts am 27. April 2015, man habe zur Kenntnis
genommen, dass er für längere Zeit im Ausland gewesen sei. Darauf könne keine
Rücksicht genommen werden. Das Gesetz sehe vor, dass das Gericht begründete
Urteile innert 60 Tagen zustelle (Art. 84 Abs. 4 StPO). Diese Frist könne nicht
auf Ersuchen einer Partei erstreckt werden. Er - der Beschwerdeführer - sei als
Verfahrensbeteiligter dafür verantwortlich, dass während Abwesenheiten
Gerichtssendungen entgegengenommen und Fristen eingehalten werden könnten. Er
lasse ihm den begründeten Entscheid in Kopie mit A-Post nochmals zugehen. Eine
fristauslösende Wirkung komme dieser erneuten Zustellung allerdings nicht zu.
Aufgrund der Zustellfiktion müsse er - der Beschwerdeführer - damit rechnen,
dass die Frist zur Berufungserklärung inzwischen verstrichen sei. Darüber habe
das Kantonsgericht St. Gallen zu befinden (kantonale Akten, Strafakten
Kreisgericht, Schreiben vom 27. April 2015).

1.4. Am 30. April 2015 wandte sich der Beschwerdeführer telefonisch an das
Kantonsgericht. Es wurden ihm die Modalitäten des Wiederherstellungsverfahrens
erläutert. Entsprechend der ihm erteilten Auskunft verlangte der anwaltlich
nicht vertretene Beschwerdeführer in der Folge mit Eingabe vom 1. Mai 2015 die
"Wiederaufnahme des Verfahrens" betreffend "Erstellen der Fristen für eine
Berufung".

1.5. Das Kantonsgericht trat am 9. Juni 2015 auf das Gesuch um
Wiederherstellung nicht ein. Zwar habe der Beschwerdeführer nach Wegfall des
Säumnisgrundes fristgerecht um Wiederherstellung der Frist zur
Berufungserklärung ersucht, innert Frist die versäumte Verfahrenshandlung aber
nicht nachgeholt. Auf die Berufung trat das Kantonsgericht ebenfalls wegen der
fehlenden Berufungserklärung nicht ein, ohne dies allerdings im Dispositiv
festzuhalten. Es stellte die Rechtskraft des Entscheids des Kreisgerichts
See-Gaster vom 13. November 2014 fest.

1.6. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung
des Entscheids vom 9. Juni 2015. Er wisse bis heute nicht, was er machen müsse,
um seine Rechte zu wahren. Um eine Zustellung zu verhindern, habe er das
Kreisgericht, Einzelrichter, auf seine Landesabwesenheit bis Ende April 2015
hingewiesen. Seine Meldung sei nicht beachtet worden. Man habe ihn auch nicht
darauf hingewiesen, dass er allenfalls einen Vertreter benennen müsste. Man
wolle die Fristen nicht neu setzen bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens
verhindern. Er habe seiner Ansicht nach stets hinreichend klar dargelegt, dass
er den Entscheid des Kreisgerichts See-Gaster anfechten wolle. Der
Beschwerdeführer stellt sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.

1.7. Das Kantonsgericht St. Gallen hat auf eine Stellungnahme verzichtet (act.
10). Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat sich nicht vernehmen
lassen.

2.

2.1. Nach Art. 399 Abs. 1 StPO ist die Berufung dem erstinstanzlichen Gericht
innert 10 Tagen seit Eröffnung des Urteils schriftlich oder mündlich zu
Protokoll anzumelden. Nach Ausfertigung des begründeten Urteils übermittelt das
erstinstanzliche Gericht die Anmeldung zusammen mit den Akten dem
Berufungsgericht (Art. 399 Abs. 2 StPO). Die Partei, die Berufung angemeldet
hat, reicht dem Berufungsgericht gemäss Art. 399 Abs. 3 StPO innert 20 Tagen
seit Zustellung des begründeten Urteils eine schriftliche Berufungserklärung
ein.

2.2. Das Gericht stellt seine Entscheide in der Regel durch eingeschriebene
Postsendung oder Gerichtsurkunde zu (vgl. Art. 85 Abs. 2 StPO). Wird der
Empfänger einer eingeschriebenen Briefpostsendung oder Gerichtsurkunde nicht
angetroffen und wird daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder in
sein Postfach gelegt, so wird die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt
betrachtet, in welchem sie auf der Poststelle abgeholt wird. Wird die Sendung
nicht abgeholt, so gilt die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolgslosen
Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen
musste (Art. 85 Abs. 4 lit. a StPO).

2.3. Mit einer Zustellung ist insbesondere in einem hängigen Verfahren zu
rechnen, also während eines bestehenden Prozessrechtsverhältnisses. Dieses
verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter
anderem dafür zu sorgen, dass Entscheide, welche das Verfahren betreffen,
grundsätzlich zugestellt werden können (BGE 139 IV 228 E. 1.1 S. 230; 138 III
225 E. 3.1 S. 227; 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; je mit Hinweisen). Sowohl die
Zustellpflicht der Behörde als auch die Empfangspflicht des Adressaten sind
Pflichten prozessualer Natur. Sie sind vernünftig, d.h. weder mit übertriebener
Strenge noch mit ungerechtfertigtem Formalismus, zu handhaben. Von einem
Betroffenen kann daher verlangt werden, dass er um die Nachsendung seiner an
die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz besorgt ist, allenfalls längere
Ortsabwesenheiten der Behörde mitteilt oder einen Stellvertreter ernennt (BGE
139 IV 228 E. 1.1 S. 230; 119 V 89 E. 4b/aa S. 94; Urteil 6B_32/2014 vom 6.
Februar 2014 E. 3; je mit Hinweisen).

2.4. Die ordnungsgemässe Zustellung eines (begründeten) Entscheids hat
fristauslösende Wirkung. Als erster Tag der Rechtsmittelfrist gilt der Folgetag
der (fingierten) Zustellung (vgl. Art. 90 Abs. 1 StPO). Allfällige
Säumnisfolgen bei Fristen können unter Umständen mit der Wiederherstellung
gemäss Art. 94 StPO behoben werden. Ein nicht rechtsgültig zugestellter
Entscheid entfaltet demgegenüber keine Rechtswirkung. Fristen werden nicht
ausgelöst. Einem Betroffenen kann folglich auch nicht vorgehalten werden, er
habe eine Frist verpasst. Eine Wiederherstellung zufolge versäumter Fristen im
Sinne von Art. 94 StPO fällt insoweit ausser Betracht. Denn von einer
Rechtsmittelmöglichkeit kann selbstredend nur Gebrauch machen, wer einen
Entscheid tatsächlich oder kraft Fiktion rechtsgültig erhalten hat (vgl. für
die Einsprache bzw. Einsprachefrist Urteil 6B_1155/2014 vom 19. August 2015 E.
2).

3.

3.1. Vorliegend steht fest, dass der Beschwerdeführer gegen den Entscheid des
Kreisgerichts vom 13. November 2014 fristgerecht Berufung anmeldete. Es steht
ebenfalls fest, dass er vom Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses ausging,
mit einer möglichen Zustellung rechnete und das Kreisgericht deshalb mündlich
am 13. November 2014 anlässlich der Verhandlung sowie schriftlich am 22.
Dezember 2014 mit eingeschriebenem Brief über seine bevorstehende
Landesabwesenheit bis Ende April 2015 informierte, damit dieses auf eine
Zustellung in dieser Zeit verzichte (kantonale Akten, Strafakten, act. 17;
vorstehend E. 1.1). Das Kreisgericht nahm hievon nachweislich Kenntnis
(vorstehend E. 1.3). Damit hatte der Beschwerdeführer seine Ortsabwesenheit
hinreichend und gehörig angezeigt. Er genügte seiner prozessualen
Empfangspflicht. Er durfte deshalb in guten Treuen annehmen, es werde ihm
während seiner angekündigten Abwesenheit ein fristauslösender Entscheid nicht
zugestellt. Von etwas anderem hätte er nur ausgehen müssen, wenn das
Kreisgericht auf seine Anzeige umgehend reagiert und ihn aufgefordert hätte,
für die Zeit seiner Ortsabwesenheit einen Stellvertreter zu bezeichnen oder
weitere Vorkehren zu treffen, damit ihn gerichtliche Sendungen auch während
seiner Abwesenheit erreichen könnten. Das Kreisgericht tat nichts dergleichen.
Unter diesen Umständen musste der Beschwerdeführer nicht mit einer Zustellung
rechnen.

3.2. Die trotz Wissen um die Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers vorgenommene
Zustellung durch das Kreisgericht ist mit einem fairen Verfahren nicht
vereinbar und rechtlich unbeachtlich. Die Zustellfiktion gelangt nicht zur
Anwendung. Das Verhalten des Kreisgerichts beruht offensichtlich auf einem
unrichtigen Verständnis von Art. 84 Abs. 4 StPO, wonach Gerichte
Urteilsbegründungen im Regelfall innert 60 Tagen zuzustellen haben. Es handelt
sich hierbei nicht um eine gesetzliche Frist, die nicht erstreckt werden kann,
sondern um eine bloss das Beschleunigungsgebot konkretisierende
Ordnungsvorschrift, deren Missachtung die Gültigkeit des Urteils nicht berührt
(DANIELA BRÜSCHWEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung,
hrsg. von Donatsch et al., 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 84 StPO; NIKLAUS SCHMID,
Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, N. 907). Auch
den zweiten Versand des begründeten Urteils durch das Kreisgericht muss sich
der Beschwerdeführer nicht entgegenhalten lassen, zumal dieser Zustellung - wie
sich aus dem Begleitschreiben vom 27. April 2015 ergibt - eine fristauslösende
Wirkung ausdrücklich aberkannt wurde (vorstehend E. 1.3).

3.3. Die Zustellungen durch das Kreisgericht blieben demnach ohne
Rechtswirkung. Fristen wurden nicht ausgelöst und konnten folglich auch nicht
ungenutzt verstreichen oder verpasst werden. Der Beschwerdeführer wurde damit
zu Unrecht auf das Wiederherstellungsverfahren nach Art. 94 StPO verwiesen. Die
Vorinstanz hätte sich vielmehr mit den Vorbringen des Beschwerdeführers zur
Zustellung durch das Kreisgericht auseinandersetzen und über die Folgen des zu
Recht als nicht rechtswirksam gerügten Zugangs des begründeten Entscheids vom
13. November 2014 befinden müssen. Sie hat das in Verletzung von Bundesrecht
nicht getan. Die Beschwerde ist bereits aus diesem Grund gutzuheissen.

4.

4.1. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, der kreisgerichtliche Entscheid sei
dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugegangen und dieser wegen
(unverschuldeter) Fristversäumnis zu Recht auf die Wiederherstellung nach Art.
94 StPO verwiesen worden, hielte der angefochtene Entscheid vor Bundesrecht
nicht stand und wäre die Beschwerde gutzuheissen.

4.2. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes wie auch aus dem Verbot des
überspitzen Formalismus ergibt sich eine Pflicht staatlicher Stellen, unter
Umständen eine Prozesspartei, die einen Verfahrensfehler begeht oder im Begriff
steht, dies zu tun, von Amtes wegen darauf aufmerksam zu machen, sofern der
Fehler rechtzeitig entdeckt wird und noch innert Frist behoben oder verhindert
werden kann (BGE 124 II 265 S. 270; 120 Ib 183 E. 3c). Dies gilt insbesondere,
wenn die rechtsunkundige Partei - wie hier - nicht durch einen Anwalt vertreten
ist (Urteil 6B_86/2013 vom 12. April 2013 E. 3.2).

4.3. Ein Gerichtsschreiber der Vorinstanz erklärte dem anwaltlich nicht
vertretenen Beschwerdeführer am 30. April 2015 anlässlich eines Telefonats die
Modalitäten des Wiederherstellungsverfahrens. Er wies diesen darauf hin, innert
30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes die Wiederherstellung verlangen und
das Versäumte, hier die Berufungserklärung, nachholen zu müssen. Die
diesbezüglich erstellte Aktennotiz wurde dem Beschwerdeführer als Beilage zum
Schreiben vom 6. Mai 2015 zugestellt (kantonale Akten, Berufungsakten, act. W3
und W/5; vgl. nachstehend E. 4.5).

4.4. Der Beschwerdeführer stellte das Gesuch um Wiederherstellung nach Erhalt
der Rechtsauskunft umgehend mit Eingabe vom 1. Mai 2015. Dass er den
Schuldspruch wegen einfacher Verkehrsregelverletzung durch das Berufungsgericht
beurteilt haben lassen wollte, gab er dem Gerichtsschreiber der Vorinstanz
bereits am 30. April 2015 anlässlich des Telefongesprächs zu verstehen. Das
ergibt sich ohne weiteres aus der diesbezüglich erstellten Aktennotiz (vgl.
kantonale Akten, Berufungsakten, act. W/3).

4.5. Auch wenn es der Beschwerdeführer in der Folge unterliess, neben dem
Gesuch um Wiederherstellung eine eigentliche schriftliche Berufungserklärung
einzureichen, war für die Vorinstanz aufgrund des Telefonats vom 30. April 2015
doch offensichtlich, dass er die Durchführung des Berufungsverfahrens
anstrebte. Sein Handeln war augenscheinlich stets darauf ausgerichtet, seine
Rechte im Hinblick auf die Anfechtung des kreisgerichtlichen Entscheids zu
wahren. Die Vorinstanz hätte den Beschwerdeführer daher gestützt auf den
Grundsatz des Vertrauensschutzes und das Verbot des überspitzten Formalismus
auf das Fehlen der schriftlichen Berufungserklärung aufmerksam machen müssen,
zumal dieser formelle Mangel leicht erkennbar ist bzw. war und innert der Frist
von 30 Tagen nach Art. 94 StPO hätte behoben bzw. verhindert werden können.
Stattdessen beschränkte sie sich im Wesentlichen darauf, dem Beschwerdeführer
am 6. Mai 2015 den Eingang seines Gesuchs um Wiederherstellung zu bestätigen
und ihn über die voraussichtliche Besetzung des Gerichts zu informieren, welche
darüber befinden werde. Zudem ersuchte sie ihn mitzuteilen und zu belegen, wann
er in die Schweiz zurückgekehrt sei und wann er vom begründeten Entscheid des
Kreisgerichts Kenntnis erhalten habe (kantonale Akten, Berufungsakten, act. W/
5). Der Beschwerdeführer reagierte auf das vorinstanzliche Schreiben umgehend
mit Eingabe vom 14. Mai 2015 (kantonale Akten, Berufungsakten. act. W/6). Unter
diesen konkreten Umständen durfte er als Laie in guten Treuen gestützt auf das
vorinstanzliche Verhalten davon ausgehen, er habe das Erforderliche getan, so
dass der Durchführung des Berufungsverfahrens formell grundsätzlich nichts mehr
im Wege stehe.

5.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ist
aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4
BGG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer ist keine
Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG; BGE 133 III 439 E. 4). Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos geworden.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen
vom 9. Juni 2015 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Februar 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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