Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.690/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_690/2015

Urteil vom 25. November 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Widerhandlungen gegen das Waffengesetz, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Strafkammer, vom 20. April 2015.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn sprach A.________ mit Strafbefehl
vom 15. Juli 2013 wegen eines Vergehens gegen das Waffengesetz (Art. 4 Abs. 1
lit. a WG i. V. mit Art. 33 Abs. 1 lit. a WG), begangen im Mai 2012 in
T.________ bzw. V.________ schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von
10 Tagessätzen zu Fr. 140.--, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei
einer Probezeit von 2 Jahren. A.________ wurde vorgeworfen, er habe 13 Pistolen
SIG P228 FX (Trainingswaffen mit Farbmarkier-Projektilen) erworben, ohne über
den erforderlichen Waffenerwerbsschein zu verfügen. Gemäss Waffengesetz handle
es sich bei der Gebrauchsleihe um eine Form des Erwerbs, wozu gesetzlich ein
Waffenerwerbsschein vorgeschrieben sei.
Auf Einsprache des Beurteilten sprach das Gerichtspräsidium Thal-Gäu A.________
am 2. Juli 2014 vom Vorwurf des Vergehens gegen das Waffengesetz frei.
Gegen diesen Entscheid erhob die Oberstaatsanwaltschaft Berufung. Das
Obergericht des Kantons Solothurn bestätigte mit Urteil vom 20. April 2015 den
Freispruch vom Vorwurf des Vergehens gegen das Waffengesetz. Den Eventualantrag
um Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Rückweisung der Sache an die
erste Instanz zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und zur Fällung
eines neuen Urteils wies es ab.

B.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt Beschwerde in
Strafsachen. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Das Obergericht des Kantons Solothurn beantragt in seiner Vernehmlassung
sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. A.________ hat auf Stellungnahme
verzichtet.

Erwägungen:

1.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz bildet Ausgangspunkt des Verfahrens ein
Schreiben des Kommandanten der Kantonspolizei Solothurn vom 8. Juni 2012 an den
damaligen Oberstaatsanwalt, mit welchem jener um die Abklärung strafrechtlich
relevanter Sachverhalte und die direkte Vornahme von Ermittlungshandlungen
ersuchte. Gemäss diesem Schreiben soll der Beschwerdegegner, der zu jener Zeit
Mitarbeiter der Polizei war, einige Wochen zuvor an einem SWAT-Training
(Special Weapons and Tactics-Training, bei welchem mit Laien in voller
Kampfmontur und echten Waffen Einsätze von polizeilichen und militärischen
Sondereinheiten nachgespielt werden) in T.________ teilgenommen haben, während
er krankgeschrieben gewesen sei; darüber hinaus habe er bei der Firma
B.________ AG, W.________, auf die Adresse der Polizei Kanton Solothurn 13
Pistolen SIG P228 FX bestellt, ohne dass die hiefür erforderliche Bewilligung
vorgelegen habe. Die Anklage stützt sich nach den Feststellungen der Vorinstanz
auf einen dem Schreiben des Polizeikommandanten in Kopie beigelegten und an die
Polizei des Kantons Solothurn, A.________, adressierten Lieferschein der
B.________ AG vom 7. Mai 2012, sowie auf die schriftliche Beantwortung der von
der Staatsanwaltschaft gestellten Fragen durch die Firma B.________ AG vom 24.
Januar 2013.
Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die bei der Lieferfirma eingeholte
schriftliche Auskunft vom 24. Januar 2013 sei wegen Verletzung der
Mitwirkungsrechte des Beschwerdegegners und der fehlenden Belehrung über die
Rechte und Pflichten der befragten Person nicht zu seinen Lasten verwertbar
(angefochtenes Urteil S. 7 ff.). Es läge daher als einziges Beweismittel nur
der Lieferschein der B.________ AG vom 7. Mai 2012 vor. Mit diesem allein lasse
sich ein strafbares Verhalten des Beschwerdegegners im Sinne der Anklage nicht
beweisen (angefochtenes Urteil S. 9). Schliesslich sei in antizipierter
Beweiswürdigung davon abzusehen, ordnungsgemässe Beweiserhebungen bei
Vertretern der B.________ AG anzuordnen, da ausgeschlossen werden könne, dass
die mit der Lieferung der 13 Pistolen befassten Personen noch sachdienliche
Angaben zum tatsächlichen Verwendungszweck der Waffen machen könnten
(angefochtenes Urteil S. 10 f.).

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst gegen die Würdigung des
Lieferscheins der B.________ AG vom 7. Mai 2012. Der Lieferschein trage eine
Unterschrift mit einem charakteristischen Schriftzug, welche sich von der vom
Beschwerdegegner verwendeten Unterschrift nicht unterscheide. Zudem führe der
Lieferschein auch den Namen des Beschwerdegegners auf. Die Unterschrift müsse
daher vom Beschwerdegegner stammen, wenn sie nicht von einer Drittperson
gefälscht worden sei. Daraus ergebe sich auch, wie die erste Instanz zu Recht
angenommen habe, dass der Beschwerdegegner die Waffen entgegengenommen habe.
Soweit die Vorinstanz zu einem anderen Schluss gelange, verfalle sie in Willkür
(Beschwerde S. 7, 15).
Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz dem Schreiben
des Polizeikommandanten vom 8. Juni 2012 jegliche Eignung als Beweismittel
abspreche. In Bezug auf den Umstand, dass der Beschwerdegegner krank
geschrieben gewesen sei und dass die Waffen nicht durch die Polizei verwendet
worden seien, erschöpfe sich das Schreiben nicht in einem blossen Verdacht,
sondern enthalte eine beweisrelevante Stellungnahme (Beschwerde S. 7, 14).

2.2. Die Vorinstanz nimmt an, aus dem Lieferschein der Firma B.________ AG vom
7. Mai 2012 gehe weder hervor, wer die Waffen bestellt habe noch wem sie zu
welchem Zweck übergeben und wie sie verwendet worden seien noch wer sie wann
zurückgegeben habe (angefochtenes Urteil S. 7). Der Beleg sei lediglich ein
Indiz dafür, dass der Beschwerdegegner eine an die Polizei adressierte
Waffenlieferung entgegengenommen haben könnte (angefochtenes Urteil S. 9). Für
einen Erwerb ohne erforderlichen Waffenerwerbsschein lägen keine weiteren
objektiven Beweismittel vor, sondern lediglich die vom Polizeikommandanten mit
Schreiben vom 8. Juni 2012 geäusserten Verdachtsmomente (angefochtenes Urteil
S. 9).

2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat, sofern dieser nicht offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 105 BGG und Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Beweiswürdigung ist willkürlich,
wenn sie mit den Akten in klarem Widerspruch steht, wenn das Gericht den Sinn
und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkennt, wenn es ein
solches ohne ernsthafte Gründe ausser Acht lässt, obwohl es erheblich ist, und
schliesslich wenn es aus getroffenen Beweiserhebungen unhaltbare Schlüsse zieht
(BGE 140 III 264 E. 2.3; 135 II 356 E. 4.2.1; 129 I 8 E. 2.1).

2.4. Nach den tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanzen war der
Lieferschein vom 7. Mai 2012 von der B.________ AG ausgestellt und an die
"Polizei des Kantons Solothurn, A.________", adressiert (Adresse des
Polizeipostens U.________). Gegenstand des Lieferung waren "13 Pistolen SIG
P228 FX gebraucht ex C.________ AG". Auf dem Schein findet sich ein
handschriftliches Kürzel, welches nach der Auffassung der Vorinstanz
"A.________" bedeuten könnte (angefochtenes Urteil S. 7; erstinstanzliches
Urteil S. 8, Untersuchungsakten act. 62 Recto; vgl. Beschwerdebeilage 3;
Untersuchungsakten act. 15).
Die Vorinstanz nimmt an, das handschriftliche Zeichen bzw. die Unterschrift auf
dem Lieferschein sei ein Indiz dafür, dass der Beschwerdegegner die Waffen auf
dem Polizeiposten U.________ entgegengenommen haben könnte (angefochtenes
Urteil S. 9; vgl. auch erstinstanzliches Urteil S. 9, Untersuchungsakten act.
62 Verso). Wie die kantonalen Instanzen zu Recht erkennen, lässt sich aus dem
Lieferschein indes nicht ableiten, dass der Beschwerdegegner die Waffen im
Sinne der Anklage unberechtigterweise erworben hat. Dieser Schluss erscheint
jedenfalls nicht schlechterdings unhaltbar. Nicht zu beanstanden ist sodann,
dass die Vorinstanz dem Schreiben des Polizeikommandanten vom 8. Juni 2012
keine Bedeutung für den Nachweis des Anklagesachverhalts beimisst. Dem
genannten Schreiben ist lediglich zu entnehmen, dass der Beschwerdegegner an
einem SWAT-Training teilgenommen haben soll, während er krankgeschrieben war,
und dass er die 13 Pistolen bei der B.________ AG bestellt habe
(Beschwerdebeilage 2; Untersuchungsakten act. 14). Der Umstand, dass der
Beschwerdegegner zur Zeit, in welcher er am fraglichen Training teilgenommen
haben soll, krankgeschrieben war, und dass sein Arbeitsverhältnis per 15. Juni
2012 endete, sind für den Nachweis der Anklage nicht relevant. Entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich aus dem Schreiben des
Polizeikommandanten in Verbindung mit dem Lieferschein der B.________ AG nicht
ableiten, die Waffen seien nicht an den Polizeiposten U.________ geliefert und
vom Beschwerdegegner in W.________ entgegengenommen worden. Für den Nachweis
des Anklagesachverhalts genügt auch noch nicht, dass aus dem Schreiben
hervorgehen soll, die Pistolen seien nicht für Bedürfnisse der Polizei bestellt
worden (vgl. Beschwerde S. 15 f.). Jedenfalls ist das angefochtene Urteil in
diesem Punkt nicht unhaltbar. Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob der
Freispruch des Beschwerdegegners zu Recht erfolgt ist. Im Folgenden ist zu
prüfen, ob das angefochtene Urteil, soweit die Vorinstanz auf eigene
Beweiserhebungen verzichtet und die schriftliche Auskunft der B.________ AG vom
24. Januar 2013 als unverwertbar erachtet hat, vor Bundesrecht standhält.

3.

3.1.

3.1.1. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, die bei der Lieferfirma eingeholte
schriftliche Auskunft vom 24. Januar 2013 (Beschwerdebeilage 7;
Untersuchungsakten act. 23) sei wegen Verletzung der Teilnahmerechte nicht zu
Lasten des Beschwerdegegners verwertbar. Bei der schriftlichen Beantwortung der
unterbreiteten Fragen handle es sich nicht bloss um "völlig einfache ergänzende
Auskünfte", sondern um einen Bericht im Sinne von Art. 145 StPO. Bei Einholung
eines derartigen Berichts müssten die Teilnahmerechte der beschuldigten Person
gewahrt werden. Die Unverwertbarkeit des Beweismittels ergebe sich überdies
daraus, dass die Staatsanwaltschaft die von ihr angesprochene Person bzw. deren
Vertreter nicht gemäss Art. 177 Abs. 1 StPO über den Gegenstand des
Strafverfahrens, ihre prozessuale Eigenschaft sowie ihre Rechte und Pflichten
belehrt habe (angefochtenes Urteil S. 7 ff.; vgl. auch Vernehmlassung des
Obergerichts S. 3 ff.).

3.1.2. Die Vorinstanz nimmt ferner an, die Voraussetzungen für eine Rückweisung
der Sache zur Wiederholung von Beweisabnahmen seien nicht erfüllt. Der zur
Anklage gebrachte Vorwurf liege im zu beurteilenden Fall annähernd drei Jahre
zurück. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die Lieferung der 13 Pistolen
für die Vertreter der B.________ AG in irgendwelcher Hinsicht ein spezielles
Vorkommnis gewesen sei, zumal die Belieferung von Dienststellen der Polizei und
des Militärs zu den Kernaufgaben dieser Firma gehörten. Es könne ferner
ausgeschlossen werden, dass der Sachbearbeiter D.________ oder der auf dem
Lieferschein aufgeführte Mitarbeiter E.________ irgendwelche sachdienlichen
Angaben zum tatsächlichen Verwendungszweck dieser Waffen machen könnten. Es sei
daher in antizipierter Beweiswürdigung davon abzusehen, ordnungsgemässe Beweise
bei Vertretern der B.________ AG zu erheben. Zuletzt bleibe auch kein Raum für
die Vornahme neuer, bisher unterbliebener Beweiserhebungen im Sinne von Art.
343 Abs. 1 bzw. Art. 389 Abs. 3 StPO. Diese könnten sich allein auf die
Teilnahme des Beschwerdegegners an einem SWAT-Training und den Gebrauch der von
der B.________ AG gelieferten Waffen beziehen, welche indes nicht Gegenstand
der Anklage bildeten (angefochtenes Urteil S. 10 f.; vgl. auch Vernehmlassung
des Obergerichts S. 9 f.).

3.2.

3.2.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die schriftliche Stellungnahme der
B.________ AG sei ein korrekt erhobenes Beweismittel. Die schriftliche Auskunft
bei einer als juristische Person ausgestalteten Handelsfirma sei kein
schriftlicher Bericht einer einzuvernehmenden Person im Sinne von Art. 145
StPO. Das Recht des Beschuldigten, bei der Befragung anwesend zu sein und der
einvernommenen Person Fragen zu stellen, sei auf Vernehmungen, Augenscheine und
Tatrekonstruktionen zugeschnitten. Für die schriftliche Einholung einfachster
Auskünfte gelte das Teilnahmerecht und das damit verbundene Verwertungsverbot
gemäss Art. 147 StPO nicht. Es genüge in diesen Fällen, dass die Auskunft dem
Beschuldigten zur Kenntnis gebracht werde und er dazu Stellung nehmen könne
(Beschwerde S. 11 f.).
Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, es handle sich beim Schreiben der
B.________ AG nicht um eine Zeugenaussage gemäss Art. 162 StPO i.V.m. Art. 177
Abs. 1 StPO, zumal der Adressat von Art. 145 StPO nicht verpflichtet, sondern
nur eingeladen sei, den verlangten Bericht einzureichen. Die
Gültigkeitsbestimmungen in Bezug auf Zeugeneinvernahmen seien daher nicht auf
die Einholung von Berichten anwendbar. Dasselbe gelte in Bezug auf den Hinweis
auf die Strafandrohung gemäss Art. 307 StGB (Beschwerde S. 12 ff.).

3.2.2. Die Beschwerdeführerin rügt im Weiteren eine willkürliche antizipierte
Beweiswürdigung im Zusammenhang mit dem Verzicht der Vorinstanz auf weitere
Abklärungen. Die Annahme, es sei auszuschliessen, dass die Mitarbeiter der
B.________ AG drei Jahre nach der Tat sachdienliche Angaben zum tatsächlichen
Verwendungszweck der Waffen machen könnten, sei eine reine Mutmassung. Immerhin
seien die mit dem Geschäft befassten Personen sowohl von der Polizei als auch
von der Staatsanwaltschaft kontaktiert worden. Es sei im Gegenteil zu erwarten,
dass die betreffenden Mitarbeiter mindestens Angaben dazu machen könnten, von
wem die Waffen bestellt, an wen und wohin sie geliefert worden und wo sie
schliesslich wieder abgeholt worden seien. Es könne namentlich die Frage
geklärt werden, ob die Waffen zur Verwendung für die Polizei oder für private
Zwecke bestimmt gewesen seien (Beschwerde S. 7, 16 ff.).

3.3.

3.3.1. Gemäss Art. 145 StPO kann die Strafbehörde eine einzuvernehmende Person
einladen, an Stelle einer Einvernahme oder zu ihrer Ergänzung einen
schriftlichen Bericht abzugeben. Die Parteien haben nach Art. 147 Abs. 1 StPO
das Recht, bei Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte
anwesend zu sein und einvernommenen Personen Fragen zu stellen. Nach Abs. 4
derselben Bestimmung dürfen Beweise, die in Verletzung der Bestimmungen dieses
Artikels erhoben worden sind, nicht zulasten der Partei verwertet werden, die
nicht anwesend war.
Nach der Rechtsprechung sind schriftliche Berichte im Sinne von Art. 145 StPO
nur mit Zurückhaltung einzuholen. Sie dürften im Wesentlichen nur in Fällen,
bei denen technische oder komplexe, nur im Zusammenhang mit Belegen
verständliche Vorgänge darzustellen sind (Bankabfragen), oder bei
Massendelikten Bedeutung erlangen (Urteil 6B_835/2014 vom 8. Dezember 2014 E.
2.2; vgl. auch Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21.
Dezember 2005, BBl 2006 S. 1186; Daniel Häring, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 145 N 10 ff.; NIKLAUS
SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl., Art. 145
N 1 f., 4 f.; ders., Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl.,
2013 [Handbuch], N 816). Die Strafbehörde darf sich nicht auf die Einholung
eines schriftlichen Berichts beschränken, wenn ihre Aufklärungspflicht
gebietet, eine förmliche Einvernahme durchzuführen. Die Behörde wird jedenfalls
dann eine ergänzende mündliche Einvernahme durchführen müssen, wenn
Unklarheiten oder Zweifel an der Richtigkeit eines Berichts bestehen (Häring,
a.a.O., Art. 145 N 7; Gundhild Godenzi, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, hrsg. von Donatsch et al., 2. Aufl. 2014, Art. 145 N 6).
Die Einholung eines schriftlichen Berichts darf die Rechte der Parteien nicht
einschränken. Danach ist einerseits die schriftlich befragte Person etwa auf
ihre Rechte und Pflichten hinzuweisen. Andererseits sind bei der Einholung
schriftlicher Berichte die Teilnahmerechte der beschuldigten Person zu wahren.
Dabei ergibt sich freilich aus der Sache, dass das Recht der Parteien, bei
Beweiserhebungen anwesend zu sein und der einvernommenen Person Fragen zu
stellen, bei schriftlichen Berichten nicht unmittelbar gewahrt werden kann.
Sofern die berechtigte Person auf ihre Rechte nicht ausdrücklich verzichtet,
ist ihr daher Gelegenheit zu geben, sich zu den schriftlichen Ausführungen zu
äussern und - gegebenenfalls in einer nachfolgenden mündlichen Vernehmung -
Ergänzungsfragen zu stellen (Häring, a.a.O., Art. 145 N 10 f.; Godenzi, a.a.O.,
Art. 145 N 8 ff.; Olivier Thormann, in: Commentaire Romand, Code de procédure
pénale suisse, 2011, Art. 145 N 6, 8 f.; Schmid, Handbuch, N 817; Peter
Goldschmid et al., Kommentierte Textausgabe zur schweizerischen
Strafprozessordnung, 2008, Art. 145 S. 132; vgl. auch Vernehmlassung des
Obergerichts S. 6).

3.3.2. Gemäss Art. 308 Abs. 1 StPO klärt die Staatsanwaltschaft in der
Untersuchung den Sachverhalt tatsächlich und rechtlich so weit ab, dass sie das
Vorverfahren abschliessen kann. Soll Anklage erhoben werden, so hat die
Untersuchung dem Gericht die für die Beurteilung von Schuld und Strafe
wesentlichen Grundlagen zu liefern (Art. 308 Abs. 3 StPO). Gemäss Art. 343 StPO
erhebt das Gericht neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise (Abs. 1). Es
erhebt im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals (Abs. 2).
Im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise erhebt das Gericht nochmals,
sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung
notwendig erscheint (Abs. 3). Nach Art. 350 Abs. 2 StPO berücksichtigt das
Gericht bei der Beurteilung die im Vorverfahren und im Hauptverfahren erhobenen
Beweise. Eine Rückweisung der Sache durch das Gericht an die Staatsanwaltschaft
zur Beweisergänzung gestützt auf Art. 329 Abs. 2 StPO ist nur ganz
ausnahmsweise zulässig. Es ist Aufgabe des Gerichts, allenfalls neue Beweise zu
erheben, unvollständig erhobene Beweise zu ergänzen und im Vorverfahren nicht
ordnungsgemäss abgenommene Beweise nochmals zu erheben (BGE 141 IV 39 E. 1.6;
Urteile 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 E. 2.2; 6B_288/2015 vom 12. Oktober 2015
E. 1.3.1 und 1.5.4).
Nach Art. 389 Abs. 1 StPO beruht das Rechtsmittelverfahren auf den Beweisen,
die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden
sind. Beweisabnahmen des erstinstanzlichen Gerichts werden im
Rechtsmittelverfahren nach Abs. 2 derselben Bestimmung nur wiederholt, wenn
Beweisvorschriften verletzt worden sind (lit. a), wenn die Beweiserhebungen
unvollständig waren (lit. b) oder wenn die Akten über die Beweiserhebung
unzuverlässig erscheinen (lit. c). Gemäss Art. 389 Abs. 3 StPO erhebt die
Rechtsmittelinstanz von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei die
erforderlichen zusätzlichen Beweise. Eine unmittelbare Beweisabnahme hat im
Rechtsmittelverfahren gestützt auf Art. 343 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 405
Abs. 1 StPO auch dann zu erfolgen, wenn eine solche im erstinstanzlichen
Verfahren unterblieb oder unvollständig war und die unmittelbare Kenntnis des
Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. Art. 343 Abs. 3 StPO
ist insoweit auch im Rechtsmittelverfahren anwendbar (BGE 140 IV 196 E. 4.4.1;
Urteile 6B_288/2015 vom 12. Oktober 2015 E. 1.3.1; 6B_1149/2014 vom 16. Juli
2015 E. 6.3; 6B_430/2015 vom 12. Juni 2015 E. 2.2).
Nach dem Untersuchungsgrundsatz von Art. 6 Abs. 1 StPO klären die Strafbehörden
von Amtes wegen alle für die Beurteilungen der Tat und der beschuldigten Person
bedeutsamen Tatsachen ab. Der Untersuchungsgrundsatz gilt sowohl für die
Strafverfolgungsbehörden als auch für die Gerichte. Die Strafbehörde darf indes
trotz ihrer grundsätzlichen Pflicht, die ihr angebotenen sich auf
entscheidwesentliche Tatsachen beziehenden Beweise abzunehmen, auf weitere
Beweiserhebungen verzichten, wenn sie in willkürfreier Würdigung der bereits
abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche
Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und sie überdies in willkürfreier
antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, ihre
Überzeugung werde auch durch diese nicht geändert (vgl. auch Art. 139 Abs. 2
StPO; BGE 136 I 229 E. 5.3; 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3; 124 I 208 E. 4a;
Urteil 6B_288/2015 vom 12. Oktober 2015 E. 1.3.2, je mit Hinweisen).

3.4. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, kennt die
Strafprozessordnung keinen numerus clausus der Beweismittel (vgl. Botschaft,
a.a.O., S. 1182; vgl. auch Vernehmlassung der Vorinstanz S. 3). Dies ändert
indes nichts daran, dass die Beweise unter Wahrung der Rechte der Parteien
erhoben werden müssen. Dies bedeutet in Bezug auf den zu beurteilenden Fall,
dass dem Beschwerdegegner bei der Einholung des schriftlichen Berichts bei der
B.________ AG hätte Gelegenheit geboten werden müssen, dazu Stellung zu nehmen
und gegebenenfalls eine ergänzende Einvernahme des Verfassers des Berichts zu
beantragen. Ob der Umstand, dass der Beschwerdegegner zur Sache die Aussage
verweigert hat (vgl. Untersuchungsakten act. 32, 43), als ausdrücklicher
Verzicht auf seine Teilnahmerechte zu würdigen ist (vgl. Häring, a.a.O., Art.
145 N 11; Godenzi, a.a.O., Art. 145 N 11), kann hier letztlich offenbleiben.
Denn die Vorinstanz stellt sich, soweit sie annimmt, die schriftliche Auskunft
der B.________ AG sei wegen Verletzung der Teilnahmerechte und der Missachtung
der Belehrungspflichten nicht zu Lasten des Beschwerdegegners verwertbar, im
Ergebnis auf den Standpunkt, die Beweise seien im Untersuchungsverfahren nicht
ordnungsgemäss erhoben worden (vgl. Hauri/Venetz, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 343 N 18; Gut/
Fingerhuth, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, hrsg. von
Donatsch et al., 2. Aufl. 2014, Art. 343 N 28; Schmid, Praxiskommentar, Art.
343 N 6). Bei dieser Sachlage hätte sie sich indes nicht darauf beschränken
dürfen, die schriftliche Auskunft als unverwertbar zu erachten, sondern hätte
gemäss Art. 343 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 405 Abs. 1 StPO die Beweise unter
Wahrung der Parteirechte des Beschwerdegegners selber erheben und die mit der
Lieferung befassten Mitarbeiter der B.________ AG befragen müssen. Ein
Freispruch in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" kann nur erfolgen,
wenn alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben
wurden.
Soweit die Vorinstanz ihren Verzicht auf Wiederholung der nicht ordnungsgemäss
erhobenen Beweise damit begründet, es sei nicht zu erwarten, dass die
betreffenden Mitarbeiter der B.________ AG nach der mittlerweile verstrichenen
Zeit noch sachdienliche Angaben machen könnten, ist das angefochtene Urteil
nicht haltbar. Die Vorinstanz folgt insofern nicht der methodisch korrekten
Vorgehensweise bei der antizipierten Beweiswürdigung. Denn bei dieser muss die
Strafbehörde das vorläufige Beweisergebnis hypothetisch um die Fakten des
Beweisantrages ergänzen und würdigen. Sie hat sich demnach zu fragen, ob sich
an ihrer Einschätzung des Beweisergebnisses etwas ändern würde, wenn der Beweis
erbracht wäre. Die Ablehnung des Beweisantrags ist nur zulässig, wenn sich die
zu beweisende Tatsache als unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt
oder bereits rechtsgenügend erstellt erweist (Urteile des Bundesgerichts 6B_644
/2014 vom 28. Januar 2015 E. 3.1; 6B_764/2013 vom 26. Mai 2014 E. 4.3). Die
Vorinstanz drückt demgegenüber mit dem Verzicht auf weitere Beweiserhebungen
lediglich ihre Auffassung über die Wahrscheinlichkeit aus, mit welcher der
Beweis mit dem beantragten Beweismittel erbracht werden kann. Dass der
Nachweis, der Beschwerdegegner habe die Waffen im Sinne der Anklage erworben,
mit der Einvernahme der mit dem Geschäft befassten Mitarbeiter der B.________
AG mutmasslich nicht zu erbringen ist und dass deren Aussagen mithin von
vornherein nicht geeignet sind, die Überzeugung des Gerichts zu verändern,
lässt sich indes nicht sagen. Es liegt auf der Hand, dass Aussagen der
beteiligten Mitarbeiter grundsätzlich geeignet sind, den Sachverhalt zu
erhellen.
Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet. Soweit die
Beschwerdeführerin weiter um Klärung von Fragen nachsucht, welche für die
tägliche Arbeit der Staatsanwaltschaft von eminenter Bedeutung sein solle
(Beschwerde S. 6 f.), kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Das
bundesgerichtliche Verfahren dient nicht der abstrakten Beantwortung von
Rechtsfragen, da bei bloss theoretischen Fragestellungen das in Art. 81 Abs. 1
lit. b BGG vorausgesetzte Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. BGE 124 IV 94 E.
1c; Urteil 6B_208/2015 vom 24. August 2015 E. 1.4).

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, soweit auf sie einzutreten
ist, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner hat auf Anträge verzichtet,
so dass ihm keine Kosten aufzuerlegen sind (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdeführerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie in ihrem
amtlichen Wirkungskreis obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG). Dem Kanton Solothurn sind
keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Solothurn vom 20. April 2015 aufgehoben und die Sache
zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. November 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Boog

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