Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.553/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_553/2015

Urteil vom 18. Januar 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Boog.

Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Schützenstrasse 1A, 9100
Herisau,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Burges,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Führen eines Fahrzeugs in fahrunfähigem Zustand,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, 2.
Abteilung, vom 17. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.
X.________ fuhr am 19. Juli 2013, kurz nach 23.00 Uhr, nach einem Besuch in
einer Bar mit seinem Personenwagen auf der Hauptstrasse von Wald, Kanton St.
Gallen, nach Schwellbrunn, Kanton Appenzell Ausserrhoden. Gemäss Polizeirapport
vom 3. August 2013 wurde eine zivile Polizeipatrouille der Kantonspolizei St.
Gallen auf dem Gemeindegebiet von Wald auf seinen Wagen aufmerksam. Die beiden
Polizeibeamten folgten dem Fahrzeug und unterzogen X.________ einer
Verkehrskontrolle, bei welcher sie Alkoholgeruch feststellten. Dabei befanden
sie sich auf dem Gebiet der Gemeinde Schwellbrunn. X.________ verweigerte einen
Atemalkoholtest und verlangte die Abnahme einer Blutprobe. Die Beamten führten
ihn daraufhin ins Spital Herisau, wo ihm eine Blutprobe abgenommen wurde. Die
Blutalkoholbestimmung wurde durch das Institut für Rechtsmedizin des
Kantonsspitals St. Gallen vorgenommen. Sie ergab eine Blutalkoholkonzentration
von mindestens 0,8 und maximal 1,25 Gewichtspromille.

B.
Das Untersuchungsrichteramt Gossau SG erklärte X.________ mit Strafbefehl vom
21. August 2013 des Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig und bestrafte ihn
mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.--, bedingt aufgeschoben bei
einer Probezeit von 2 Jahren, sowie mit einer Busse von Fr. 900.--
(Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage). Gegen diesen Strafbefehl erhob X.________
Einsprache. Am 28. August 2013 ersuchte das Untersuchungsrichteramt Gossau SG
die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden um Übernahme des
Strafverfahrens. Mit Verfügung vom 3. September 2013 trat es die Strafsache ab.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell Ausserrhoden erliess am 10.
Dezember 2013 einen Strafbefehl, mit welchem sie X.________ wegen Führens eines
Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand zu einer bedingten Geldstrafe von 10
Tagessätzen zu Fr. 100.--, bei einer Probezeit von 3 Jahren, und zu einer Busse
von Fr. 1'250.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 13 Tage) verurteilte.
Auf Einsprache des Beurteilten hin überwies die Staatsanwaltschaft den
Strafbefehl am 14. Januar 2014 an das Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden.
Dieses erklärte X.________ mit Urteil vom 9. April 2014 des Führens eines
Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand schuldig und verurteilte ihn zu einer
Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 160.--, mit bedingtem Strafvollzug unter
Auferlegung einer Probezeit von 3 Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 320.--
(Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage).
Gegen diesen Entscheid erhob der Beurteilte Berufung. Mit Urteil vom 17.
Februar 2015 sprach das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden
X.________ von der Anklage des Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem
Zustand frei.

C.
Der leitende Staatsanwalt des Kantons Appenzell Ausserrhoden führt Beschwerde
in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben,
X.________ sei wegen Führens eines Fahrzeugs in fahrunfähigem Zustand schuldig
zu sprechen und angemessen zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
X.________ beantragt in seiner Vernehmlassung, es sei auf die Beschwerde nicht
einzutreten, eventualiter stellt er Antrag auf Abweisung der Beschwerde und
Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das Obergericht des Kantons Appenzell
Ausserrhoden hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat
zur Vernehmlassung von X.________ nicht Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz nimmt an, nach dem Polizeirapport vom 3. August 2013 hätten
die Polizeibeamten den Wagen des Beschwerdegegners auf St. Galler Boden
wahrgenommen und seien ihm anschliessend gefolgt. Hierin liege noch keine
Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 31 Abs. 2 StPO. Auch die blosse Anhaltung
zur Kontrolle im Sinne von Art. 215 StPO sei keine Verfolgungshandlung. Im
vorliegenden Fall liege mangels eines auch nur vagen Verdachts nicht einmal
eine polizeiliche Anhaltung, sondern lediglich eine präventive,
polizeigesetzliche Tätigkeit vor. Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen
für eine Nacheile im Sinne von Art. 216 StPO nicht erfüllt. Im zu beurteilenden
Fall habe keine Dringlichkeit bestanden. Die Beamten hätten beim
Beschwerdegegner lediglich eine Routinekontrolle im Sinne der
Strassenverkehrskontrollverordnung vornehmen wollen. Anhaltspunkte für eine
Trunkenheitsfahrt hätten nicht bestanden. Zu Verfolgungshandlungen im Sinne von
Art. 31 Abs. 2 StPO, namentlich zur Anordnung und Durchführung der Blutprobe,
sei es erst auf dem Kantonsgebiet von Appenzell Ausserrhoden gekommen. Daraus
ergebe sich, dass zur Verfolgung und Beurteilung der Straftat die Behörden des
Kantons Appenzell Ausserrhoden zuständig gewesen seien. Dass die Polizeibeamten
im Irrtum über den Grenzverlauf gewesen seien, sei ohne Bedeutung. Die von den
Beamten der Kantonspolizei St. Gallen bei der Verkehrskontrolle erhobenen
Beweise für die Angetrunkenheit des Beschwerdegegners seien daher rechtswidrig
erlangt worden. Da die Zuständigkeitsregeln keine blossen Ordnungsvorschriften
(Art. 141 Abs. 3 StPO) seien, sondern Gültigkeitscharakter hätten (Art. 141
Abs. 2 StPO), könnten die erhobenen Beweise nicht zu Lasten des
Beschwerdegegners verwertet werden. Dass der Beschwerdegegner in die Abnahme
der Blutprobe eingewilligt habe, ändere am Ergebnis nichts, da die Blutprobe
unter die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots gemäss Art. 141 Abs. 4 StPO
falle (angefochtenes Urteil S. 7 ff.).

1.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verkenne Sinn und
Zweck der interkantonalen polizeilichen Zusammenarbeit. Im zu beurteilenden
Fall hätten die Polizeibeamten bei richtiger Beurteilung der örtlichen
Zuständigkeit die Beweisabnahme ohne formellen Aufwand mit einer einfachen
telefonischen Anordnung den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Appenzell
Ausserrhoden übertragen können. Eine Blutprobe könne unbestrittenermassen
sowohl im Kanton St. Gallen als auch im Kanton Appenzell Ausserrhoden
angeordnet werden. Ausserdem habe der Beschwerdegegner die Blutprobe selber
verlangt. Der einzige Vorwurf, der den beiden Polizeibeamten gemacht werden
könne, sei, dass sie infolge ihres Irrtums über die genaue Lage des Ortes, an
welchem sie den Beschwerdegegner angehalten hätten, ihre Ausserrhoder Kollegen
nicht sofort orientiert hätten. Diese Ordnungswidrigkeit könne angesichts des
Umstands, dass die strafbare Handlung in beiden Kantonen verübt worden sei,
nicht dazu führen, dass die ansonsten korrekt erhobenen Beweise nicht verwertet
werden könnten. Im Weiteren seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen
einer Nacheile im Sinne von Art. 216 StPO erfüllt. Eine Trunkenheitsfahrt sei
kein blosses Bagatelldelikt. Der Beschwerdegegner sei der zivilen Patrouille
der Kantonspolizei St. Gallen um 23.00 Uhr im Bereich einer bekannten Bar
aufgefallen. Bei dieser Ausgangslage sei es nicht völlig abwegig, dass die
Polizeipatrouille eine Kontrolle vorgenommen habe, auch wenn keine direkten
Anzeichen für eine Trunkenheitsfahrt bestanden. Darin, dass sie dem
Beschwerdegegner nachgefahren seien, liege die erste Verfolgungshandlung. Ob
eine Nacheile gerechtfertigt sei, beurteile sich nicht nach der Schwere des
Delikts, sondern nach der Dringlichkeit des Handelns. Eine polizeiliche
Nacheile sei immer angezeigt, wenn sich aufgrund der konkreten Umstände eine
sofortige Kontrolle eines Lenkers rechtfertige und aufdränge. Im Übrigen habe
das renitente Verhalten des Beschwerdegegners anlässlich der Kontrolle und der
Blutentnahme die Berechtigung des polizeilichen Vorgehens eindrücklich
bestätigt. Schliesslich seien Beweise, welche von der Polizei in korrekter
Ausübung ihrer Tätigkeit erhoben worden seien, auch dann verwertbar, wenn die
örtliche Zuständigkeit vorerst zwar nicht gegeben, dieser Mangel aber ohne
Relevanz für das Verfahren sei und jederzeit und ohne Beeinträchtigung der
Beweiserhebung bereinigt werden könne (Beschwerde S. 5 ff.).

2.

2.1. Unter dem Gesichtspunkt der örtlichen Zuständigkeit bestimmt sich, welcher
Kanton und allenfalls welche innerkantonale Behörde berechtigt und verpflichtet
ist, die Verfolgung und Beurteilung der einer beschuldigten Person
vorgeworfenen Delikte zu übernehmen. Aus der föderalistischen Struktur des
Bundesstaates folgt, dass die hoheitliche Gewalt der kantonalen Polizei
grundsätzlich auf das eigene Kantonsgebiet beschränkt ist. Die Ausübung von
Zwangsmassnahmen über den territorialen Wirkungskreis des eigenen
Hoheitsgebiets hinaus in anderen Kantonen ist dem föderalen Bundesstaat
grundsätzlich fremd (ALBERTINI/ARMBRUSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 216 N 1).
Gemäss Art. 31 Abs. 2 StPO sind für die Verfolgung und Beurteilung einer
Straftat die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist.
Ist die Straftat an mehreren Orten verübt worden oder ist der Erfolg an
mehreren Orten eingetreten, so sind gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung die
Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen
worden sind (forum praeventionis). Die Bestimmung entspricht in der Sache aArt.
340 Abs. 1 und 2 StGB (in der Fassung vom 13. Dezember 2002, in Kraft bis 31.
Dezember 2010; vgl. auch aArt. 346 Abs. 1 und 2 StGB in der bis 31. Dezember
2006 geltenden Fassung); sie wurde lediglich redaktionell neu gefasst (vgl.
Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005,
BBl 2006 S. 1141 f.). Als Verfolgungshandlungen gelten alle
Ermittlungsmassnahmen gegen eine bekannte oder unbekannte Täterschaft. Dabei
wird die Zuständigkeit nicht erst durch Fahndungsmassnahmen, Einvernahmen oder
Anordnungen von Zwangsmassnahmen gegen die Täterschaft begründet. Es genügt
hiefür bereits, dass eine nicht von vornherein haltlose Strafanzeige
eingereicht oder ein Polizeirapport erstellt wurde (BGE 114 IV 78 E. 1a; 106 IV
31 E. 3c; 97 IV 146 E. 1; 86 IV 61 E. 2; FINGERHUTH/LIEBER, in: Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, hrsg. von Donatsch et al., 2. Aufl. 2014,
Art. 31 N 28; NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts,
2. Aufl., 2013 [Handbuch], N 450; NAY/THOMMEN, in: Basler Kommentar, Strafrecht
II, 2. Aufl. 2007, aArt. 340 N 15). Massgebend ist der Ort, an dem eine
Strafbehörde durch die Vornahme von Erhebungen oder in anderer Weise zu
erkennen gibt, dass sie jemanden einer strafbaren Handlung verdächtigt (BGE 75
IV 139; 86 IV 128 E. 1b; 114 IV 76 E. 1; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des
Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N 187: NIKLAUS SCHMID, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2 Aufl., 2013 [Praxiskommentar], Art. 31
N 4; SCHWERI/BÄNZIGER, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen,
2. Aufl. 2004, N 141). Voraussetzung für die Begründung des Gerichtsstandes
durch Anhebung einer Untersuchung ist aber, dass ein örtlicher Anknüpfungspunkt
für die Begründung der Zuständigkeit der Behörde besteht (BGE 72 IV 92; 73 IV
58; E. 1; 92 IV 57 E. 3; vgl. auch 117 IV 90 E. 4b; ferner URS BARTEZKO, in:
Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Art. 31 N
11; BERNARD BERTOSSA, in: Code de procédure pénale suisse, 2011, Art. 31 N 14;
SCHWERI/BÄNZIGER, a.a.O., N 138/148/155; ANDREAS BAUMGARTNER, die Zuständigkeit
im Strafverfahren, 2014, S. 170).

2.2. Gemäss Art. 141 Abs. 2 StPO dürfen Beweise, welche Strafbehörden in
strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben
haben, nur verwertet werden, wenn ihre Verwertung zur Aufklärung schwerer
Straftaten unerlässlich ist. Hat solch ein unverwertbarer Beweis die Erhebung
eines weiteren Beweises ermöglicht, so darf dieser nicht verwertet werden, wenn
er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre (Art. 141
Abs. 4 StPO). Die bloss theoretische Möglichkeit, den Beweis rechtmässig zu
erlangen, genügt nicht (BGE 138 IV 169 E. 3.1 und 3.3.3). Beweise, bei deren
Erhebung Ordnungsvorschriften verletzt worden sind, sind demgegenüber
verwertbar (Art. 141 Abs. 3 StPO). Nach der Rechtsprechung stellen grobe
Verkehrsregelverletzungen im Sinne von Art. 90 Abs. 2 SVG keine Fälle schwerer
Kriminalität dar. Die Schwere der Vergehen legt daher grundsätzlich die
Unverwertbarkeit des unrechtmässig erlangten Beweismittels nahe (so BGE 137 I
218 E. 2.3.5.2).

3.

3.1. Nach der zutreffenden Auffassung der kantonalen Instanzen ergibt sich die
Zuständigkeit der Behörden des Kantons Appenzell Ausserrhoden zur Führung des
Verfahrens daraus, dass das Untersuchungsamt Gossau das Verfahren an die
Staatsanwaltschaft Appenzell Ausserrhoden abgetreten hat und die Behörden
insofern im Sinne von Art. 38 Abs. 1 StPO einen abweichenden Gerichtsstand
vereinbart haben (vgl. auch angefochtenes Urteil S. 5; erstinstanzliches Urteil
S. 4 f.). Indes steht im zu beurteilenden Fall nicht die Zuständigkeit der
Ausserrhoder Behörden in Frage. Gegenstand des Verfahrens bildet vielmehr, ob
die von den Beamten der Kantonspolizei St. Gallen auf dem Gebiet des Kantons
Appenzell Ausserrhoden angeordnete Blutprobe als Beweis für die Angetrunkenheit
des Beschwerdegegners verwertet werden darf.

3.2. Im zu beurteilenden Fall begann die Trunkenheitsfahrt des
Beschwerdegegners auf dem Gebiet des Kantons St. Gallen, wo dieser mit seinem
Personenwagen vom Parkplatz einer Bar, die er zuvor besucht hatte, wegfuhr, und
dauerte bis zu seiner Anhaltung auf dem Gebiet des Kantons Appenzell
Ausserrhoden. Dabei steht ausser Frage, dass der Beschwerdegegner ohne weiteres
von der örtlich zuständigen Polizei hätte kontrolliert werden dürfen und der
Beweis somit von der Strafverfolgungsbehörde korrekt hätte erhoben werden
können (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Kontrolle des
Strassenverkehrs vom 28. März 2007 [SKV; SR 741.013]). Denn nach Art. 55 Abs. 1
SVG können Automobilisten und andere Fahrzeuglenker ohne konkreten Anlass einer
Alkoholkontrolle unterzogen werden. Die Beteiligung an einem Unfall oder eine
auffällige Fahrweise oder andere Anzeichen von Angetrunkenheit sind nicht mehr
erforderlich (vgl. aArt. 55 Abs. 2 SVG in der Fassung vom 20. März 1975, in
Kraft bis 31. Dezember 2004; FAHRNI/HEIMGATNER, in: Basler Kommentar,
Strassenverkehrsgesetz, 2014, Art. 55 N 11). Da der Beschwerdegegner, nachdem
er sich mit seinem Fahrausweis ausgewiesen hatte, die Mitwirkung an einem
Atemalkoholtest verweigert und selber eine Blutuntersuchung verlangt hat, ist
auch die Anordnung der Blutprobe an sich nicht zu beanstanden (angefochtenes
Urteil S. 2; erstinstanzliches Urteil S. 3; Art. 55 Abs. 3 lit. b SVG; Art. 11
f. SKV; vgl. auch Art. 55 Abs. 3 lit. c SVG in der Fassung vom 29. November
2013; AS 2013 S. 4669 [Inkrafttreten am 1. Oktober 2016]).
Es trifft allerdings zu, dass die Polizeibeamten der Kantonspolizei St. Gallen
auf dem Gebiet des Kantons Appenzell Ausserrhoden für die Anhaltung und
Anordnung einer Blutprobe nicht zuständig waren. Insofern ist, wie die
Vorinstanz zu Recht annimmt (angefochtenes Urteil S. 9), die Kontrolle des
Beschwerdegegners grundsätzlich rechtswidrig erfolgt. Indes sind die Regeln
über die Zuständigkeit nicht im Hinblick auf die Gewährleistung eines fairen
Verfahrens aufgestellt worden. Die Zuständigkeitsordnung schützt nicht die
Interessen der beschuldigten Person im Rahmen der Beweiserhebung, sondern dient
der Wahrung der Souveränität des Kantons bei der Organisation der polizeilichen
Aufgaben (vgl. Urteil des Bundesgerichts P.1152/1987 vom 10. Dezember 1987 E.
3a, in: ZBl 90/1989 S. 418 ff., zit. in NAY/THOMMEN, a.a.O., aArt. 360 N 4;
vgl. auch SJZ 108/2912 S. 124). Es lässt sich somit nicht sagen, die mit der
Beweisregel geschützten Interessen des Beschwerdegegners hätten Vorrang
gegenüber dem Interesse an der Wahrheitsfindung und es bedürfe der
Unverwertbarkeit der erhobenen Beweise, um die Rechte des Beschwerdegegners zu
wahren (vgl. BGE 141 IV 20 E. 1.2.3; 139 IV 128 E. 1.6; ferner BGE 137 I 218 E.
2.3.4; ferner SCHMID, Praxiskommentar, Art. 141 N 11). Der Missachtung der
Zuständigkeitsregelung ist daher weniger Bedeutung beizumessen als der
Durchsetzung des Strafverfolgungsinteressses (so Urteil des Bundesgerichts
P.1152/1987 vom 10. Dezember 1987 E. E. 3a/bb, in: ZBl 90/1989 S. 418 ff., 423;
vgl. auch Urteil 1B_22/2012 vom 11. Mai 2012 E. 4.2.2, mit Hinweisen [zu von
Privaten erstellten Beweismitteln]).
Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beamten
vorsätzlich und rechtsmissbräuchlich über die gesetzliche Zuständigkeitsordnung
hinweg gesetzt hätten (vgl. auch BGE 139 IV 128 E. 1.7). Die Vorinstanz geht
vielmehr davon aus, dass die Polizeibeamten sich über den Grenzverlauf bzw.
über den genauen Ort der Kontrolle bei der Anhaltung des Beschwerdegegners im
Irrtum befanden (angefochtenes Urteil S. 9). Darüber hinaus ist polizeiliches
Handeln auf dem Gebiet eines anderen Kantons nicht schlechterdings
ausgeschlossen. Denn gemäss Art. 216 Abs. 1 StPO ist die Polizei berechtigt, in
dringenden Fällen den eigenen örtlichen Zuständigkeitsbereich zu überschreiten
und eine im Sinne von Art. 111 Abs. 1 StPO einer Straftat verdächtige Person
auf dem Gebiet eines anderen Kantons zu verfolgen und anzuhalten (Nacheile;
aArt. 360 Abs. 1 StGB [in der Fassung vom Fassung vom 13. Dez. 2002, in Kraft
bis 31. Dezember 2010]; vgl. auch aArt. 356 Abs. 1 StGB in der bis 31. Dezember
2006 geltenden Fassung). Will die Polizei einen Fahrzeuglenker auf seine
Fahrfähigkeit kontrollieren, besteht grundsätzlich stets eine gewisse
Dringlichkeit, da die Gefahr besteht, dass sie den Fahrer aus den Augen
verliert und nicht mehr anhalten kann. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht
ausführt (Beschwerde S. 6), besteht diese Gefahr in besonderem Masse im
Grenzgebiet zweier Kantone, da die örtlich zuständige Polizei nach einer
Benachrichtigung der Polizei des anderen Kantons vielfach für eine Amtshilfe
nicht bereit stehen wird, so dass eine Anhaltung aus zeitlichen Gründen nicht
möglich ist. Insofern ist eine Dringlichkeit durchaus gegeben. Die Kontrolle
der Strassenverkehrsteilnehmer auf ihre Fahrfähigkeit liegt im öffentlichen
Interesse. Sie dient der Fernhaltung bzw. Aussonderung fahrunfähiger
Fahrzeuglenker vom Strassenverkehr und damit der Verkehrssicherheit. Sie muss
als unaufschiebbare Massnahme auch bei einer Konstellation, wie sie dem zu
beurteilenden Fall zugrunde liegt, bei welcher die zu kontrollierende Person
spät abends mit ihrem Personenwagen von einer Bar wegfährt, zulässig sein, auch
wenn die Anhaltung irrtümlich erst auf fremdem Kantonsgebiet erfolgt. Vor
diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände ist die
Anhaltung und Kontrolle durch die örtlich unzuständige Polizei als Verletzung
einer blossen Ordnungsvorschrift im Sinne von Art. 141 Abs. 3 StPO zu
verstehen. Soweit die Vorinstanz annimmt, die dem Beschwerdegegner abgenommene
Blutprobe sei zum Nachweis seiner Fahrunfähigkeit unverwertbar, verletzt das
angefochtene Urteil somit Bundesrecht.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gutzuheissen, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist der unterliegende
Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführerin
ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie in ihrem amtlichen
Wirkungskreis obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG). Dem Kanton Appenzell Ausserrhoden
sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Appenzell Ausserrhoden vom 17. Februar 2015 aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Januar 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Boog

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben