Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.510/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_510/2015

Urteil vom 25. August 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Wolfensperger,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (gewerbsmässiger Diebstahl usw.),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 23. März 2015.

Sachverhalt:

A.

 Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 23. März 2015 fest, dass ein
Strafurteil des Bezirksgerichts Bülach vom 8. Oktober 2014 in Rechtskraft
erwachsen ist, insoweit X.________ schuldig erklärt wurde:

 - des gewerbsmässigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 und 2 StGB),
- der mehrfachen Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB),
- des mehrfachen Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB),
- der mehrfachen vorsätzlichen rechtswidrigen Einreise im Sinne von Art. 115
Abs. 1 lit. a AuG),
- des mehrfachen vorsätzlichen rechtswidrigen Aufenthalts im Sinne von Art. 115
Abs. 1 lit. b AuG.

 Das Obergericht bestrafte ihn (wie bereits das Bezirksgericht) mit 36 Monaten
Freiheitsstrafe, wovon 426 Tage durch Untersuchungs- und Sicherheitshaft sowie
vorzeitigen Strafvollzug erstanden sind.

B.

 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche
Urteil aufzuheben und ihn mit einer Freiheitsstrafe von maximal 24 Monaten zu
bestrafen, unter Anrechnung der Haft und des vorzeitigen Strafvollzugs,
eventuell das Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung über die
Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen, die Kosten auf die
Gerichtskasse zu nehmen sowie ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
bewilligen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe das Verschulden der
Anlasstat (Diebstahl) als noch leicht eingestuft und die Einsatzstrafe dafür
auf 14 bis 15 Monate angesetzt, was nicht beanstandet werde. Diese habe sie im
Rahmen der Tatkomponente auf 24 Monate erhöht und damit das Verschulden
betreffend die übrigen Straftaten massiv übergewichtet. Sie habe das Argument
der Verteidigung, dass den neben den Einbruchdiebstählen typischerweise
zusätzlich erfüllten Tatbeständen der Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruchs
sowie des Vergehens gegen das Ausländergesetz in verschuldensmässiger Hinsicht
keine selbständige Bedeutung zukomme, keinerlei Beachtung geschenkt. Ebenso
habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt, dass ihm (lediglich) ein Sachschaden
von Fr. 8'915.-- angelastet werden könne und er stets darauf bedacht gewesen
sei, eine Begegnung mit den Bewohnern zu vermeiden.

 Die Vorinstanz begründe die Erhöhung der Strafe von 24 Monaten auf 36 Monate
mit den drei Vorstrafen. Dem sei nicht zuzustimmen. Auch wenn er die
Erwartungen enttäuscht habe, sei zu berücksichtigen, dass er seine Schuld durch
den Strafvollzug gesühnt habe. Die Vorstrafen seien bei den nachfolgenden
Verurteilungen straferhöhend berücksichtigt worden. Im Ergebnis führe dies zu
einer Doppelbestrafung. Die Straferhöhung um 50% verletze Bundesrecht (mit
Hinweis auf Urteil 6B_325/2013 vom 13. Juni 2013 E. 4.3).

1.2. Der gewerbsmässige Diebstahl gemäss Art. 139 Ziff. 1 und 2 StGB umfasst
keineswegs die "typischerweise zusätzlich erfüllten Tatbestände" (hier
mehrfache Sachbeschädigung, mehrfacher Hausfriedensbruch, mehrfache
vorsätzliche rechtswidrige Einreise und mehrfacher vorsätzlicher rechtswidriger
Aufenthalt) in dem Sinne, dass ihnen verschuldensmässig keine selbständige
Bedeutung zukäme. Es handelt sich im Gegenteil um eigenständige, in echter
Gesetzeskonkurrenz stehende Straftatbestände mit spezifischen Strafandrohungen.
Art. 139 Ziff. 1 StGB erfasst den Diebstahl und Ziff. 2 dessen gewerbsmässige
Begehung. Der vom Gesetz nicht verwendete Begriff "Einbruchdiebstahl"
beschreibt ein Deliktsmuster. Soweit im Übrigen vertreten wird, der
Einbruchdiebstahl, als "gefährlicher Diebstahl" im Sinne von Art. 139 Ziff. 3
Abs. 4 StGB aufgefasst, konsumiere Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch,
müsste dies zu einer erheblichen Straferhöhung und damit im Ergebnis zu keinem
milderen Strafmass führen, als es in Anwendung von Art. 49 Abs. 1 StGB
resultiert (vgl. NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Band II, 3.
Aufl. 2013, NN 198 und 229 zu Art. 139 StGB).

1.3. Zur Methodik der Strafzumessung ist auf BGE 134 IV 17 E. 2.1 und 129 IV 6
E. 6.1 S. 20 f. zu verweisen.

 Die Vorinstanz beurteilt zutreffend den gewerbsmässigen Diebstahl als das
schwerste Delikt, das im anwendbaren konkreten Strafrahmen mit Freiheitsstrafe
bis zu zehn Jahren bestraft wird (Art. 139 Ziff. 2 StGB). Sie berücksichtigt
dazu die Rechtsprechung in BGE 136 IV 55 E. 5.8, wonach in Anwendung von Art.
49 Abs. 1 StGB der ordentliche Strafrahmen nur zu verlassen ist, wenn
aussergewöhnliche Umstände vorliegen, so dass die Normstrafe zu hart oder zu
milde erschiene.

 Die Vorinstanz stellt teilweise abweichend vom bezirksgerichtlichen Urteil
fest, es sei jedenfalls von einem Deliktserlös von deutlich über Fr. 30'000.--
auszugehen. Der Beschwerdeführer sei durchaus professionell und routiniert
vorgegangen. Die bei der Verhaftung sichergestellte Sprühwaffe (Pfefferspray)
belege, dass er sich auch auf ein Zusammentreffen mit den Geschädigten
vorbereitet habe. Zu Recht führt die Vorinstanz aus, die "psychischen Folgen
der Einbrüche für die Betroffenen" und die "schwere Verletzung der Privatsphäre
der Geschädigten" sei Einbruchdiebstählen immanent, jedoch primär eine Folge
des Hausfriedensbruchs und damit nicht bei der Beurteilung des Diebstahls zu
berücksichtigen. Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass sie die beiden
(zufällig lediglich) vollendet versuchten Diebstähle nur minim strafmindernd
veranschlagt.

 Die Vorinstanz gewichtet Sachbeschädigungen und insbesondere
Hausfriedensbrüche massiv schwerer als das Bezirksgericht und nicht bloss - wie
vom Beschwerdeführer gefordert - als Begleitdelikte, welchen in
verschuldensmässiger Hinsicht keine selbständige Bedeutung mehr zukommt. Der
Beschwerdeführer verletzte die Privatsphäre sämtlicher Privatkläger aufs
Gröbste und traf diese in ihrem Sicherheitsgefühl gravierend und nachhaltig.
Diese Folgen der Straftat sind für die Betroffenen vielfach gravierender als
der auch vorliegend nicht unerhebliche Sachschaden.

1.4. Die Vorinstanz setzt eine "Einsatzstrafe" von 14 bis 15 Monaten für den
gewerbsmässigen Diebstahl fest (Urteil S. 11). Anschliessend wertet sie die
"nach der Beurteilung der Tatkomponente bemessene hypothetische Einsatzstrafe
von 24 Monaten entgegen der Verteidigung als absolut vertretbar" (Urteil S. 11
f.). Bei der Täterkomponente wirkten die persönlichen Verhältnisse und das
Nachtatverhalten zumessungsneutral.

 "Ganz massiv straferhöhend" beurteilt sie drei einschlägige Vorstrafen aus den
Jahren 2006, 2007 und 2011. Vorstrafen führen grundsätzlich zu einer
Straferhöhung (BGE 136 IV 1 E. 2.6.2). Die Vorinstanz stützt sich auf das
Urteil 6B_325/2013 vom 13. Juni 2013 E. 3.2.3. Nach diesem Urteil lässt sich
die Strafe erhöhen, "wenn beim Täter aufgrund einschlägiger Vorstrafen eine
Rechtsfeindlichkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Rechtsnormen angenommen
werden kann, da ihm deren Gültigkeit bereits persönlich verdeutlicht worden
ist"; allerdings dürfen Vorstrafen nicht wie "eigenständige Delikte" gewürdigt
werden, denn das "liefe auf eine Doppelbestrafung des Täters hinaus". Der
Beschwerdeführer rügt in diesem Sinne eine Doppelbestrafung. Die zu
beurteilenden Strafzumessungstatsachen sind indessen mit jenen des zitierten
Urteils nicht vergleichbar.

1.5. Verschulden im Sinne von Art. 47 StGB ist das Mass der Vorwerfbarkeit des
Rechtsbruchs und bezieht sich auf den gesamten Unrechts- und Schuldgehalt der
konkreten Straftat (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 20). Es liegt im Ermessen des
Sachgerichts, in welchem Umfang es die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren
berücksichtigt (BGE 134 IV 17 E. 2.1). Bei der Gewichtung der einzelnen
Strafzumessungskomponenten steht ihm innerhalb des jeweiligen Strafrahmens ein
erheblicher Ermessensspielraum zu (BGE 129 IV 6 E. 6.1 S. 21). Neben den
objektiven und subjektiven Tatumständen (Tatkomponente), wobei dem subjektiven
Tatverschulden eine entscheidende Rolle zukommt (BGE 136 IV 55 E. 5.4 S. 59),
sind auch täterbezogene Umstände (Täterkomponente) zu berücksichtigen, die mit
der konkreten Straftat nicht im unmittelbaren Tatzusammenhang stehen (Art. 47
Abs. 1 Satz 2 StGB). Zu letzteren zählen die Vorstrafen.

 Der Beschwerdeführer wurde u.a. wegen mehrfachen Hausfriedensbruchs,
mehrfacher Sachbeschädigung sowie gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls im
Jahre 2007 mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 26 Monaten und im Jahre
2011 mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren sowie im Jahre 2006
wegen Vergehens gegen ausländerrechtliche Bestimmungen bestraft (Urteil S. 13).
Von diesen Strafen wäre ein nachhaltiger Warneffekt zu erwarten gewesen. Der
Beschwerdeführer, welcher die Straftaten bis zum Berufungsverfahren
(zulässigerweise) konsequent bestritt (Urteil S. 12), erweist sich als
unbelehrbar. Er liess sich ganz offensichtlich durch die bisherigen
Bestrafungen in keiner Weise beeindrucken und von erneuter Delinquenz abhalten.
Nach der Vorinstanz kann von einer Doppelbestrafung auch in Beachtung der
zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht die Rede sein. Vielmehr
offenbarte er eine beachtliche Renitenz und Gleichgültigkeit gegenüber der
schweizerischen Rechtsordnung (Urteil S. 13). Vor der Vorinstanz wurde von der
Verteidigung zur Entlastung vorgebracht, es möge zutreffen, dass der
Beschwerdeführer nicht in einer Zwangslage gehandelt habe; offensichtlich sei
er jedoch in den vergangenen Jahren nicht in der Lage gewesen, seiner Familie
mit einem legalen Erwerbseinkommen eine bescheidene Existenz zu sichern (Urteil
S. 8). Er reiste somit eigens zur Begehung von Einbruchdiebstählen wiederholt
in die Schweiz ein.

 Unter diesen Voraussetzungen ist nachvollziehbar, dass die Vorinstanz die
Vorstrafen massiv straferhöhend beurteilt, so dass diese
Strafzumessungstatsache einen Drittel des Strafmasses ausmacht. Damit schöpft
sie das ihr zustehende weite Ermessen aus. Das Urteil enthält offenkundig eine
generalpräventiv ausgerichtete Komponente (vgl. BGE 134 IV 1 E. 5.4.1)
angesichts der Tatsache, dass zur Begehung von Einbruchdiebstählen in die
Schweiz eingereiste Täter sich offenkundig von der schweizerischen Strafjustiz
nicht beeindrucken lassen. Die Vorinstanz reagiert darauf im begründeten Fall
des unbelehrbaren Wiederholungstäters im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens
in legitimer Weise mit einer deutlichen Erhöhung des Strafmasses.

 Es kann insoweit auf das allerdings nicht für den Regelfall geltende Urteil
6B_954/2009 vom 14. Januar 2010 verwiesen werden, in welchem die Renitenz, der
erneut manifestierte unveränderte Tatwille und die zahlreichen einschlägigen
Vorstrafen erheblich straferhöhend gewichtet wurden (kritisiert von PETER
ALBRECHT, Mit Härte gegen Kügelidealer?, in: AJP 4/2010 S. 531 ff.,
insbesonders zum "eminent hohen Stellenwert", welcher den Vorstrafen - bei
einem "Bagatelldelikt" - eingeräumt worden sei).

 Dass die Täterkomponente damit zu einer "gravierenden Erhöhung" (Urteil S. 13)
des Strafmasses führte, verletzt nach dem Gesagten das der Vorinstanz
zuzugestehende sachrichterliche Ermessen nicht.

1.6. Das Gericht hält in der Begründung auch die für die Zumessung der Strafe
erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest (Art. 50 StGB). Es muss seine
Überlegungen in den Grundzügen wiedergeben, sodass die Strafzumessung
nachvollziehbar ist. Höhere Anforderungen sind zu stellen, wenn die
ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist (BGE 134 IV
17 E. 2.1).

 Das Strafmass erscheint nicht ungewöhnlich hoch. Das Urteil genügt der
gesetzlichen Begründungspflicht. Ferner lehnt die Vorinstanz die Ansicht ab,
wonach den "Begleitdelikten" neben dem Diebstahl in verschuldensmässiger
Hinsicht keine selbständige Bedeutung zukomme, und verneint eine
"Doppelbestrafung" durch die Gewichtung der Vorstrafen. Sie nimmt entgegen der
Beschwerde zu diesen Vorbringen Stellung.

2.

 Die Beschwerde ist abzuweisen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (und
Verbeiständung) ist wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen
(Art. 64 Abs. 1 BGG). Als aussichtslos erscheinen Rechtsbegehren, bei denen die
Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die
deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können (BGE 138 III 217 E. 2.2.4;
129 I 129 E. 2.3.1). Der Beschwerdeführer ist als mittellos einzustufen (Urteil
S. 14). Deshalb sind die Gerichtskosten praxisgemäss herabzusetzen (Art. 66
Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. August 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben