Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.483/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_483/2015

Urteil vom 9. September 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Nichtanhandnahme (Urkundenfälschung, falsche Anschuldigung etc.),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 30. März 2015.

Sachverhalt:

A.

 A.B.________ erstattete am 10. März 2011 bei der Kantonspolizei Luzern
Strafanzeige gegen X.________ wegen Nötigung, übler Nachrede, Verleumdung und
Missbrauch einer Fernmeldeanlage. Am 22. Februar 2013 zeigte X.________ den
damaligen Partner von A.B.________, C.________, bei der Regionalen
Staatsanwaltschaft Oberland an wegen Urkundenfälschung, falscher Anschuldigung,
Irreführung der Rechtspflege und Begünstigung, eventuell Anstiftung dazu. Er
wirft C.________ vor, er habe eine im ursprünglichen Strafverfahren im Kanton
Luzern eingereichte E-Mail gefälscht. Zudem soll er A.B.________ Mut
zugesprochen haben, um die Anzeige gegen ihn einzureichen.

B.

 Die Regionale Staatsanwaltschaft Oberland verfügte am 13. Oktober 2014 die
Nichtanhandnahme des Strafverfahrens. Eine dagegen gerichtete Beschwerde von
X.________ wies das Obergericht des Kantons Bern am 30. März 2015 ab.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des
Obergerichts sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft sei anzuweisen,
Ermittlungen aufzunehmen.

Erwägungen:

1.

 Der Privatkläger ist zur Beschwerde gegen eine Einstellungsverfügung nur
legitimiert, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner
Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). In erster
Linie geht es um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung gemäss Art. 41 ff.
OR, die üblicherweise vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden müssen.
Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass die
gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen erfüllt sind. Richtet sich die
Beschwerde gegen die Einstellung oder Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat
der Privatkläger nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden
eine Zivilforderung geltend gemacht. Selbst wenn er bereits adhäsionsweise
privatrechtliche Ansprüche geltend gemacht hat (vgl. Art. 119 Abs. 1 lit. b
StPO), werden in der Einstellungsverfügung keine Zivilklagen behandelt (Art.
320 Abs. 3 StPO). In jedem Fall muss der Privatkläger im Verfahren vor
Bundesgericht darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann. Das Bundesgericht stellt
an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde
diesen Begründungsanforderungen nicht, kann darauf nur eingetreten werden, wenn
aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um
welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer legt dar, er habe infolge der Strafanzeige seine Anstellung
verloren und dadurch einen Schaden erlitten. Es ist zweifelhaft, ob diese
Ausführungen zur Legitimation den strengen Begründungsanforderungen genügen.
Die Frage kann indessen offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist.

2.

2.1. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen, dass die Staatsanwaltschaft
Untersuchungshandlungen vorgenommen habe, weshalb sie das Verfahren statt
mittels Nichtanhandnahme durch Einstellung hätte beenden müssen. Dieser Fehler
führe aber nicht zur Aufhebung der Nichtanhandnahmeverfügung. Hinsichtlich der
Urkundenfälschung hält die Vorinstanz fest, dass A.B.________ im Strafverfahren
gegen den Beschwerdeführer eine E-Mail vom 7. Dezember 2010 mit nicht näher
bezeichneten Empfängeradresse ("undisclosed recipients") und dem Betreff
"Rückruf durch Herr D.B.________" einreichte. Der Text der E-Mail sei gewesen:
"Guten Tag. Herr Dr. X.________ wünscht Ihren Rückruf. Mobile yyy. Freundliche
Grüsse E.________". Im Anschluss daran befinde sich eine Auflistung von fünf
Anrufversuchen in der Zeit vom 10. bis zum 21. Dezember 2010 mit der
Überschrift: "Direkte Anrufversuche von Nr. yyy auf die Geschäftsnummer von
D.B.________". Schliesslich enthalte das Dokument noch handschriftliche
Anmerkungen von A.B.________. Es sei offensichtlich, dass die Auflistung von
Anrufversuchen nachträglich hinzugefügt worden und nicht Bestandteil der
ursprünglichen E-Mail gewesen sei. Das von A.B.________ eingereichte
Schriftstück erwecke in keiner Weise den Eindruck, dass die Ergänzung bezüglich
der Anrufversuche des Beschwerdeführers von der Verfasserin der ursprünglichen
Mitteilung, E.________, stammen würde. Es fehle damit bereits an der
Tathandlung des Verfälschens im Sinne von Art. 251 StGB. Ausserdem sei nicht
ersichtlich, inwiefern dieses Dokument die Anrufversuche hätte beweisen sollen
oder können. Solches sei weder von A.B.________ noch von C.________ jemals
behauptet worden. Diesem komme daher keine Urkundenqualität im Sinne von Art.
251 und Art. 110 Abs. 4 StGB zu. Inwiefern durch Einreichen der erwähnten
Niederschrift der Tatbestand der Irreführung der Rechtspflege erfüllt sein
soll, sei nicht erkennbar, zumal der Beschwerdeführer gar nicht bestritten
habe, mehrmals versucht zu haben, mit dem Bruder von A.B.________ telefonisch
Kontakt aufzunehmen. Zu den weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers
hinsichtlich Anstiftung zur falschen Anschuldigung und Irreführung der
Rechtspflege hält die Vorinstanz insbesondere fest, dass C.________ mittels SMS
seiner damaligen Freundin A.B.________ vor der Anzeigeerstattung mental habe
beistehen wollen. Seinen Mitteilungen sei nicht zu entnehmen, dass er sie unter
Druck gesetzt hätte oder sein Verhalten für einen allfälligen Tatentschluss
kausal gewesen sein könnte. Zum Zeitpunkt der erwähnten SMS sei A.B.________
bereits zur Einreichung der Anzeige entschlossen gewesen, weshalb eine
strafbare Anstiftung nicht möglich gewesen wäre. Namentlich habe sie zu diesem
Zeitpunkt die Strafanzeige bei der Polizei bereits angekündigt und einen Termin
vereinbart.

2.2. Zur Urkundenfälschung bringt der Beschwerdeführer vor, dass C.________ die
E-Mail von E.________ genommen habe, und dann in gleichem Schrifttyp und
-grösse frei erfundene Anrufe hinzugefügt habe. Dann habe C.________ die
veränderte E-Mail ausgedruckt und die Druckdaten entfernt. Jedermann wisse,
dass eine ausgedruckte E-Mail anders aussehe. Auf diese Weise sei der Anschein
entstanden, die Ergänzungen würden von der ursprünglichen Ausstellerin der
E-Mail stammen. Hätte A.B.________ nur eine Liste der Anrufe an ihren Bruder
erstellen wollen, hätte sie dies handschriftlich gemacht. Zum Tatbestand der
Irreführung der Rechtspflege rügt der Beschwerdeführer, er habe anlässlich
seiner Einvernahmen von vier bis fünf Anrufen an D.B.________ gesprochen. Im
fraglichen Dokument sei aber von insgesamt sechs - wovon fünf fingierten -
Anrufen die Rede, weshalb eine Irreführung der Rechtspflege vorliege. Zudem
würden die handschriftlichen Bemerkungen nicht ausschliesslich von
A.B.________, sondern auch von einer weiteren Person stammen.

2.3.

2.3.1. Die Staatsanwaltschaft verfügt die Einstellung des Verfahrens unter
anderem, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt
(Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO). Der Entscheid über die Einstellung eines
Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten.
Dieser ergibt sich aus dem Legalitätsprinzip. Er bedeutet, dass eine
Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer
Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet
werden darf. Hingegen ist (sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in
Frage kommt) Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher
erscheint als ein Freispruch. Falls sich die Wahrscheinlichkeiten eines
Freispruchs oder einer Verurteilung in etwa die Waage halten, drängt sich in
der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf (BGE
138 IV 86 E. 4.1.1 f., 186 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei zweifelhafter Beweis-
bzw. Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des
strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen
Beurteilung zuständige Gericht. Der Grundsatz, dass im Zweifelsfall nicht
eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von
Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 138 IV 86 E. 4.1.1 mit Hinweis). Bei
der Beurteilung dieser Frage verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz
über einen gewissen Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung
überprüft (BGE 138 IV 186 E. 4.1 mit Hinweisen).

2.3.2. Nach Art. 251 Ziff. 1 StGB macht sich der Urkundenfälschung strafbar,
wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen
oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine
Urkunde fälscht oder verfälscht, die echte Unterschrift oder das echte
Handzeichen eines andern zur Herstellung einer unechten Urkunde benützt oder
eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt.
Verfälschen ist das eigenmächtige Abändern des gedanklichen Inhalts einer von
einem anderen verurkundeten Erklärung, so dass sie nicht mehr dem
ursprünglichen Erklärungsinhalt des Ausstellers entspricht und neu der Anschein
entsteht, der ursprüngliche Aussteller habe ihr diesen Inhalt gegeben ( MARKUS
BOOG, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 46 zu Art. 251
StGB).

2.4. Die Vorinstanz erwägt zutreffend, dass das Dokument nicht den Eindruck
erwecke, die Ergänzungen hinsichtlich der Anrufversuche an D.B.________ würden
von der ursprünglichen Verfasserin der E-Mail, E.________, stammen. Der
Beschwerdeführer räumt selber ein, dass das bei der Polizei eingereichte
Dokument nicht aussehe wie der Ausdruck einer E-Mail. Bereits aus diesem Grund
kann von einer Verfälschung der ursprünglichen E-Mail keine Rede sein. Hinzu
kommt, dass die E-Mail mit der Schlussformel "Freundliche Grüsse E.________"
endet und die vom Beschwerdeführer beanstandete Ergänzung erst danach und ohne
weitere Angaben zur Urheberschaft erfolgt. Was für eine Schriftart dabei
verwendet wurde, ist ohne Bedeutung. Inwiefern unter diesen Umständen der
Anschein bestehen soll, die Aufzählung der Anrufversuche an D.B.________ stamme
von E.________, ist nicht erkennbar. Der Tatbestand der Urkundenfälschung ist
nicht erfüllt. Auf den Einwand, die handschriftlichen Notizen würden von zwei
unterschiedlichen Personen stammen, ist nicht einzutreten, zumal der
Beschwerdeführer nicht darlegt, weshalb dies von Bedeutung sein soll. Die Rüge
hinsichtlich der Irreführung der Rechtspflege im Zusammenhang mit der
Verwendung der angeblich verfälschten Urkunde erweist sich ebenfalls als
unbegründet. Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105
Abs. 1 BGG) fest, der Beschwerdeführer habe nie bestritten, mehrmals versucht
zu haben, mit D.B.________ zu telefonieren. Die genaue Anzahl der Anrufe ist
daher nicht entscheidend. Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zu den
vorinstanzlichen Erwägungen hinsichtlich der weiteren, von ihm angezeigten
Straftatbeständen. Die Staatsanwaltschaft durfte - mangels strafbaren
Verhaltens - das Verfahren einstellen.

3.

 Der Beschwerdeführer rügt mehrmals eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er
macht im Wesentlichen geltend, die Vorinstanz habe nicht sämtliche Akten des
Strafverfahrens, welches im Kanton Luzern auf Anzeige von A.B.________ gegen
ihn eröffnet wurde, gesichtet. Die verwendeten Unterlagen seien zudem nicht
aktuell gewesen. A.B.________ sei nicht einvernommen worden und es seien auch
keine anderen Beweise erhoben worden. Der Beschwerdeführer verkennt, dass es im
Falle des angefochtenen Entscheides nicht um die Stichhaltigkeit der von
A.B.________ gegen ihn erhobenen Vorwürfe geht, sondern einzig darum, ob eine
Urkunde verfälscht wurde und C.________ A.B.________ dazu angestiftet habe,
eine falsche Anzeige zu erstatten. Beides konnte die Vorinstanz aufgrund der
ihr zur Verfügung stehenden Akten verneinen. Weitere Beweiserhebungen waren zur
Beantwortung dieser Fragen nicht erforderlich. Die Rüge ist unbegründet. Auf
die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht einzutreten, zumal sich
diese nicht auf den - zuvor umschriebenen - Gegenstand des vorinstanzlichen
Verfahrens beziehen.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. September 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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