Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.465/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_465/2015

Urteil vom 24. August 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Claudio Nosetti,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 26.
Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

 Auf Berufung gegen das Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 2. April 2014
erklärte das Kantonsgericht Luzern X.________ am 26. Februar 2015 der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen als
schwerer Fall (grosse Menge und gewerbsmässiges Handeln) schuldig. Es bestrafte
ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten als
Zusatzstrafe zu zwei früheren Urteilen.

B.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen als
schwerer Fall (grosse Menge) schuldig zu befinden. Dafür sei er mit einer
bedingten Geldstrafe von 200 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 2'000.--,
eventualiter mit einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr zu bestrafen.
Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt
werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung
im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den
Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG).
Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich
ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der
angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung
ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme
von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3 mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge
muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit
Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt
das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer macht Ausführungen zum Sachverhalt (Beschwerde, S. 4 bis
7). Er legt dabei seine Sicht der Dinge dar, ohne klare Rügen zu erheben oder
aufzuzeigen, dass und inwiefern die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz im
Ergebnis nicht vertretbar und willkürlich sein soll. Darauf ist nicht
einzutreten.

2.

2.1. Die Vorinstanz erachtet es als erstellt, dass der Beschwerdeführer
insgesamt 660 Gramm Kokaingemisch an A.________, 100 Gramm an B.________, 510
Gramm an C.________, 75 Gramm an D.________ und 4,2 Gramm an Unbekannte
verkaufte. Zudem habe er mindestens vier Konsumenten an andere Dealer
vermittelt, wobei von insgesamt 16 Gramm Kokain auszugehen sei.

2.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe lediglich den Handel mit 61 Gramm
Kokaingemisch eingestanden. Darüber hinaus würde seine Verurteilung
ausschliesslich auf die - im Vorverfahren gemachten - Aussagen bekannter
Drogenkonsumenten beruhen. Deren Erklärungen seien entscheidend, zumal er diese
vehement bestritten habe. Es liege eine "Aussage gegen Aussage"-Situation vor,
weshalb die Vorinstanz A.________, B.________, C.________ und D.________ in
Anwendung von Art. 343 Abs. 3 und Art. 405 Abs. 1 StPO selber hätte
einvernehmen müssen. Neben diesen Erklärungen seien keine weiteren Beweismittel
vorhanden. Selbst wenn gewisse Aussagen in Verbindung miteinander
übereinstimmen, würden weiterhin einzig Aussagen als Beweismittel vorliegen.
Die Notwendigkeit einer gerichtlichen Befragung der Drogenabnehmer ergebe sich
auch daraus, dass deren Mengenangaben derart ungenau seien, dass darauf nicht
ohne Weiteres abgestellt werden könne. Zu beachten sei zudem, dass die Abnehmer
zum Zeitpunkt der jeweiligen Befragungen zum Teil unter Entzugserscheinungen
litten und C.________ auf ihn eifersüchtig gewesen sei, zumal er mit dessen
Ehefrau, E.________, eine Beziehung gehabt habe.

2.3.

2.3.1. Eine unmittelbare Beweisabnahme im Rechtsmittelverfahren hat gemäss Art.
343 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO unter anderem zu erfolgen, wenn eine
solche im erstinstanzlichen Verfahren unterblieb oder unvollständig war und die
unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig
erscheint. Eine unmittelbare Abnahme eines Beweismittels ist notwendig im Sinne
von Art. 343 Abs. 3 StPO, wenn sie den Ausgang des Verfahrens beeinflussen
kann. Dies ist namentlich der Fall, wenn die Kraft des Beweismittels in
entscheidender Weise vom Eindruck abhängt, der bei seiner Präsentation
entsteht, beispielsweise wenn es in besonderem Masse auf den unmittelbaren
Eindruck einer Zeugenaussage ankommt, so wenn die Aussage das einzige direkte
Beweismittel (Aussage gegen Aussage) darstellt. Alleine der Inhalt der Aussage
einer Person (was sie sagt), lässt eine erneute Beweisabnahme nicht notwendig
erscheinen. Massgebend ist, ob das Urteil in entscheidender Weise von deren
Aussageverhalten (wie sie es sagt) abhängt. Das Gericht verfügt bei der Frage,
ob eine erneute Beweisabnahme erforderlich ist, über einen Ermessensspielraum (
BGE 140 IV 196 E. 4.4.1 und 4.4.2 mit Hinweisen).

2.3.2. Die Vorinstanz hält in Bestätigung der erstinstanzlichen Erwägungen
fest, dass die Aussagen von A.________, B.________, C.________ und D.________
nicht das einzige direkte und allein ausschlaggebende Beweismittel darstellen;
eine unmittelbare Beweisabnahme durch das Gericht im Sinne von Art. 343 Abs. 3
StPO sei daher nicht notwendig. Die Aussagen der Abnehmer würden bei einer
Gesamtwürdigung je gegenseitig bestätigt. Diese würden im Übrigen je
Kokainmengen nennen, die das minimale Geständnis des Beschwerdeführers um ein
Vielfaches übersteigen. Drei der Abnehmer würden sich durch die Zugabe des
Weiterverkaufs von Kokain selber schwer belasten. A.________, B.________ und
D.________ hätten kein Motiv für eine Falschaussage. Auch bei C.________ sei
kein Grund zu erkennen, den Beschwerdeführer des Verkaufs zu hoher Kokainmengen
zu bezichtigen. Weiteres Indiz sei auch der Lebensstil des Beschwerdeführers,
welcher über mehrere Mobiltelefone- und nummern verfüge, zweimal im Jahr
mehrmonatige Ferien in Afrika gemacht und im Verlaufe der Zeit über
verschiedene Personenwagen verfügt habe (Urteil, S. 6 ff.). Aus den Akten
würden keine Hinweise hervorgehen, dass sich die Zeugen gegenseitig
abgesprochen hätten. Hinsichtlich des vom Beschwerdeführer geltend gemachten
Eifersuchtsmotivs von C.________ hielt bereits das erstinstanzliche Gericht
fest, dass dieses wenig nachvollziehbar sei und konstruiert wirke. Bei der Ehe
zwischen C.________ und E.________ habe es sich um eine Scheinehe gehandelt und
C.________ habe bereits vor der Eheschliessung gewusst, dass E.________ die
Freundin des Beschwerdeführers war (erstinstanzliches Urteil, S. 17). Die
Vorinstanz hält zudem fest, dass das fehlende Rachemotiv dadurch bekräftigt
werde, dass C.________ seine Mengenangaben im Verlaufe der Einvernahmen
relativierte und dessen Aussagen teilweise durch diejenigen von D.________
bestätigt werden (Urteil, S. 8). Zur Menge des gehandelten Kokains
berücksichtigt die Vorinstanz, dass die Käufer drogensüchtig und teilweise
unter Entzug standen. Das erstinstanzliche Gericht habe deren Aussagen daher
mit Vorsicht und Zurückhaltung gewürdigt und bei Unsicherheiten oder
Widersprüchen in dubio pro reo erhebliche Reduktionen der involvierten
Drogenmengen vorgenommen (Urteil, S. 10).

2.3.3. Entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers beruht seine Verurteilung
nicht auf eine einzige Aussage. Die Vorinstanz berücksichtigt neben den
Aussagen von A.________, B.________, C.________ und D.________ auch weitere
Umstände, die für einen Drogenhandel in einem grösseren als vom
Beschwerdeführer eingeräumten Umfang sprechen. Zutreffend zog sie auch in
Betracht, dass sich die Erklärungen der vier Drogenabnehmer gegenseitig
bestätigen, zumal diese unabhängig voneinander erfolgten und keine Anzeichen
für Absprachen vorlagen; auf den unmittelbaren Eindruck der einzelnen Aussage
kam es im gerichtlichen Verfahren nicht mehr an. Die Vorinstanz durfte davon
absehen, die Beweisabnahme im Sinne von Art. 343 Abs. 3 StPO zu wiederholen.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, C.________ habe aus Eifersucht falsche
Angaben gemacht oder die Bestimmung der gehandelten Menge Kokain beruhe auf
unzuverlässigen Angaben, erschöpfen sich seine Vorbringen in appellatorischer
Kritik. Darauf ist nicht einzutreten.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist
abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten
Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. August 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben