Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.421/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_421/2015

Urteil vom 16. Juli 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Bachmann,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
2. A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Ivo Harb,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
antizipierte Beweiswürdigung (Tätlichkeiten, versuchte einfache
Körperverletzung),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 16. Februar 2015.

Sachverhalt:

A.

 Gemäss Anklage hielt sich X.________ in der Nacht vom 25. auf den 26. Februar
2012 mit zwei Kollegen in einem Club auf, wo er sich zwischen ca. ein und zwei
Uhr früh zu einer Table-Dance-Stange begab und zu tanzen anfing. Als er
Anstalten traf, sich auszuziehen, forderte A.________ ihn auf, damit aufzuhören
und zurück an die Bar zu gehen. In seinem alkoholisierten Zustand versetzte
X.________ A.________ einen Stoss, worauf dieser ihm eine Ohrfeige gab.
X.________ fragte, was das solle, und A.________ soll ihm daraufhin einen
heftigen Faustschlag gegen die rechte Kieferseite verpasst haben. Anschliessend
sei es zu einer Diskussion mit einem kahlköpfigen Unbekannten gekommen, der
X.________einen weiteren, heftigeren Faustschlag gegen die linke Gesichtshälfte
gegeben habe. In der Folge fiel X.________ nach hinten und blieb für ca.
zwanzig Sekunden bewusstlos am Boden liegen.

B.

 Das Bezirksgericht Uster verurteilte A.________ am 8. Januar 2014 wegen
versuchter einfacher Körperverletzung und Tätlichkeiten zu einer Geldstrafe von
80 Tagessätzen zu Fr. 70.-- sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Es
verpflichtete ihn zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 500.-- zuzüglich Zins an
X.________. Dessen Schadenersatzklage verwies es auf den Zivilweg.

 Die dagegen erhobene Berufung von X.________ wies das Obergericht des Kantons
Zürich am 16. Februar 2015 ab.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Februar 2015 sei aufzuheben. A.________
sei der schweren Körperverletzung schuldig zu sprechen und angemessen zu
bestrafen sowie zu verpflichten, ihm eine Genugtuung von Fr. 5'000.-- nebst
Zins zu bezahlen. Eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 X.________ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Die beantragte aufschiebende
Wirkung hat das Bundesgericht am 28. April 2015 superprovisorisch erteilt.

Erwägungen:

1.

 Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG
berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten und ein rechtlich geschütztes Interesse an
der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Ein rechtlich
geschütztes Interesse hat u.a. die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene
Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; BGE 138 IV 86 E. 3; 138 IV 186 E. 1.4.1; je mit
Hinweisen).

 Vor Vorinstanz beantragte der Beschwerdeführer eine Genugtuung von Fr.
5'000.-- und erhielt Fr. 500.-- zugesprochen. Er macht zu Recht geltend, dass
es seinen Genugtuungsanspruch beeinflussen könnte, wenn der Beschwerdegegner
wegen schwerer Körperverletzung anstatt lediglich wegen Tätlichkeiten und
versuchter einfacher Körperverletzung verurteilt würde. Ein Einfluss des
angefochtenen Entscheids auf seine Zivilansprüche ist demnach zu bejahen. Auf
die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs, des
Untersuchungsgrundsatzes sowie der Art. 6, 139 Abs. 2, 318 Abs. 2, 349 und 398
Abs. 3 lit. a und b StPO mit der Begründung, die Vorinstanz habe seine
Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen.

2.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst (Urteil, S. 8 ff.), das
erstinstanzliche Gericht habe unter Berücksichtigung sämtlicher vorhandener
Beweismittel eine sehr sorgfältige und eingehende Beweiswürdigung vorgenommen,
die im Ergebnis weder zu ergänzen noch zu bemängeln sei. Auf die betreffenden
Erwägungen könne vollumfänglich verwiesen werden. Der Beschwerdeführer ziele
mit seinen Beweisanträgen offenkundig darauf ab, den Beschwerdegegner für
sämtliche Faustschläge und damit für die erlittenen gesundheitlichen
Beeinträchtigungen verantwortlich zu machen. Gemäss Anklage würden dem
Beschwerdegegner allerdings lediglich eine Ohrfeige und ein Faustschlag ins
Gesicht des Beschwerdeführers vorgeworfen, nicht aber der zweite, heftigere
Faustschlag. Gestützt auf das nicht zu beanstandende erstinstanzliche
Beweisergebnis bestehe keinerlei Anlass, die Anklagebehörde in Anwendung von
Art. 333 StPO zur Änderung der Anklageschrift aufzufordern. Insbesondere
aufgrund der glaubhaften Aussagen von B.________ gebe es keinen Grund, daran zu
zweifeln, dass nebst dem Beschwerdegegner eine weitere unbekannte (kahlköpfige)
Drittperson in die Auseinandersetzung involviert und es ebendiese Person
gewesen sei, die dem Beschwerdeführer einen zweiten, stärkeren Faustschlag ins
Gesicht verpasst habe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb B.________ zur Frage,
wer den zweiten Faustschlag ausgeführt habe, drei Jahre nach dem fraglichen
Vorfall nun auf einmal andere Angaben machen sollte, nachdem er sowohl als
Auskunftsperson bei der Polizei als auch als Zeuge bei der Staatsanwaltschaft
übereinstimmend und widerspruchsfrei ausgesagt habe. Selbst wenn dies geschähe,
müsste ein solches Aussageverhalten entsprechend gewürdigt und die Frage
aufgeworfen werden, wer oder was den Zeugen dazu veranlasst haben könnte.
Gleiches gelte in Bezug auf den Zeugen C.________. Auch dieser sei davon
ausgegangen, dass zwei verschiedene Personen den Beschwerdeführer geschlagen
hätten. Er habe immer von einer zweiten Person gesprochen, die den
entscheidenden Schlag ausgeführt habe. Hier sei ebenfalls nicht vorstellbar,
weshalb er im heutigen Zeitpunkt andere Angaben machen sollte.

2.3. Das Gericht kann in antizipierter Beweiswürdigung auf die Abnahme von
Beweisen verzichten, wenn es aufgrund bereits abgenommener Beweise seine
Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür annehmen kann, diese werde durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert (vgl. Art. 139 Abs. 2 StPO; BGE 136 I
229 E. 5.3 mit Hinweisen).

2.4. Die Vorinstanz legt eingehend und nachvollziehbar dar, weshalb sie der
Ansicht ist, die für einen Entscheid notwendigen Beweise seien erhoben worden
und zusätzliche Abklärungen würden ihre Überzeugung nicht beeinflussen. Der
Beschwerdeführer vermag nicht darzutun, dass bzw. inwiefern sie dabei in
Willkür verfallen sein soll. Seine Argumentation ist weitgehend
appellatorischer Natur und beschränkt sich auf die Darlegung seiner eigenen
Überzeugung, weshalb eine Konfrontationseinvernahme der beantragten Zeugen mit
dem Beschwerdegegner angezeigt gewesen wäre. Damit lässt sich keine Willkür
belegen. Ebenso wenig dienen seine Ausführungen zur Prozessgeschichte sowie
seine allgemeine Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft dem Beweis von
Willkür. Darauf ist nicht einzugehen.

 An der Sache vorbei argumentiert er, soweit er geltend macht, die Vorinstanz
gebe die Begründung seiner Beweisanträge unzutreffend und folglich willkürlich
wieder. Selbst wenn dem so wäre, liesse dies allein ihre anschliessende
(antizipierte) Beweiswürdigung noch nicht willkürlich werden.

2.5. Als haltlos erweist sich der Einwand des Beschwerdeführers, die Vorinstanz
verletze Art. 398 Abs. 3 lit. a und b StPO, indem sie davon ausgehe, sie sei an
den Anklagesachverhalt gebunden. Die Vorinstanz verweist umfassend auf die
erstinstanzliche Sachverhaltsfeststellung, die sie als ausführlich und
sorgfältig einstuft und an der nichts zu beanstanden sei. Gestützt darauf
erachtet sie den in der Anklageschrift überwiesenen Sachverhalt als erstellt
und sieht in der Folge keinen Anlass, die Anklage gegen den Beschwerdegegner
durch die Staatsanwaltschaft ändern bzw. erweitern zu lassen. Da sie in
willkürfreier Beweiswürdigung zu diesem Schluss gelangt (vgl. E. 2.4), ist
darin entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine unzulässige
Kognitionsbeschränkung zu erblicken.

2.6. Indem die Vorinstanz die Beweisanträge des Beschwerdeführers abweist,
verletzt sie weder sein rechtliches Gehör noch den Untersuchungsgrundsatz oder
andere strafprozessuale Bestimmungen. Die Rügen des Beschwerdeführers erweisen
sich als unbegründet, soweit sie den Anforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG
überhaupt genügen.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
bundesgerichtlichen Kosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Da das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos war, kann dem Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei
der Festsetzung der Gerichtskosten ist seinen finanziellen Verhältnissen
Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache wird
das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juli 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler

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