Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.402/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_402/2015

Urteil vom 8. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Bruno Studer,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Jugendanwaltschaft Region Bern-Mittelland,
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fortsetzung der Unterbringung in einer offenen Erziehungseinrichtung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 1. April 2015.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1. Mit Strafbefehl der Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland vom 31. Januar 2011
wurde der Beschwerdeführer unter anderem wegen versuchten Raubs mit einer
teilbedingten persönlichen Leistung von 12 Halbtagen bestraft. Gleichzeitig
wurde für ihn eine persönliche Betreuung angeordnet. Das Jugendgericht des
Kantons Bern ersetzte am 27. November 2013 die persönliche Betreuung durch die
Schutzmassnahme der Unterbringung in einer offenen Erziehungseinrichtung. Der
Entscheid erwuchs in Rechtskraft.

 Mit Nachentscheid der Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland vom 7. März 2014
wurde der Beschwerdeführer in den Arxhof, Massnahmenzentrum für junge
Erwachsene, versetzt. Eine dagegen eingereichte Beschwerde wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 29.
April 2014 ab.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragte der Beschwerdeführer beim
Bundesgericht, der Beschluss des Obergerichts vom 29. April 2014 sei
aufzuheben, und er sei aus dem Massnahmenzentrum Arxhof zu entlassen. Das
Bundesgericht erachtete die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs als
begründet. Es hiess die Beschwerde mit Urteil 6B_549/2014 vom 23. März 2015
gut, hob den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 29. April 2014 auf
und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

 Im Rahmen des vom Bundesgericht angeordneten Neubeurteilungsverfahrens
entliess das Obergericht den Beschwerdeführer am 26. März 2015 umgehend aus dem
Arxhof.

 Am 27. März 2015 nahm die Jugendanwaltschaft den Beschwerdeführer in
Sicherheitshaft. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde durch das Obergericht
am 24. April 2015 abgewiesen.

1.2. In der Zwischenzeit hatte die Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland mit einem
weiteren Nachentscheid vom 9. Februar 2015 die Fortsetzung der Unterbringung in
einer offenen Erziehungseinrichtung verfügt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer
Beschwerde mit dem Antrag, der Nachentscheid sei aufzuheben und er aus dem
Arxhof zu entlassen.
Das Obergericht schrieb das Beschwerdeverfahren am 1. April 2015 als
gegenstandslos ab, weil dem Antrag, der Beschwerdeführer sei umgehend aus dem
Arxhof zu entlassen, bereits am 26. März 2015 vollumfänglich entsprochen worden
sei.

 Der Beschwerdeführer wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, der
Beschluss des Obergerichts vom 1. April 2015 sei aufzuheben, die
Schutzmassnahme der Unterbringung in einer offenen Erziehungseinrichtung
aufzuheben und er unverzüglich aus der Sicherheitshaft zu entlassen.

 Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Jugendanwaltschaft
Bern-Mittelland stellt den Antrag, die Beschwerde sei gutzuheissen, soweit
darauf einzutreten ist, und die Sache sei zur Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

2.

 Die durch die Jugendanwaltschaft angeordnete Sicherheitshaft ist nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (s. oben E. 1.1 Abs. 5). Der Antrag, der
Beschwerdeführer sei aus der Sicherheitshaft zu entlassen, kann heute nicht
gehört werden.

3.

 Der Beschwerdeführer macht geltend, im Verfahren vor der Vorinstanz habe er
sowohl die Aufhebung des Nachentscheids vom 9. Februar 2015 hinsichtlich der
Fortsetzung seiner Unterbringung in einer offenen Erziehungseinrichtung als
auch seine sofortige Erlassung aus dem Arxhof beantragt. Entgegen der Ansicht
der Vorinstanz sei den gestellten Anträgen mit der Entlassung aus dem Arxhof
nicht vollumfänglich entsprochen worden, weil mit der blossen Anordnung der
Entlassung nicht in grundsätzlicher Weise über die Beendigung oder Fortführung
der Unterbringung in einer offenen Erziehungseinrichtung entschieden worden sei
(Beschwerde S. 5 Ziff. 12).

 Die Rüge ist begründet. Im Nachentscheid vom 9. Februar 2015 hatte die
Jugendanwaltschaft Bern-Mittelland die Fortsetzung der Unterbringung des
Beschwerdeführers in einer offenen Erziehungseinrichtung verfügt. Wie dessen
Eingabe vom 20. Februar 2015 ohne Weiteres zu entnehmen ist, ging es dem
Beschwerdeführer bei seiner Beschwerde denn auch nicht nur um seine sofortige
Entlassung aus dem Arxhof. Er hatte ausdrücklich die Aufhebung des
Nachentscheids beantragt und damit den Verzicht auf eine Fortsetzung der
Unterbringung in einer offenen Erziehungsanstalt verlangt. Dieses Begehren
wurde entgegen der Ansicht der Vorinstanz mit der Entlassung des
Beschwerdeführers aus dem Arxhof nicht gegenstandslos. Da die Vorinstanz das
Begehren nicht behandelt hat, ist die Beschwerde begründet und gutzuheissen.
Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4.

 Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Gerichtskosten zu erheben
(Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer eine
angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die
Entschädigung ist praxisgemäss dem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch des
Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons
Bern vom 1. April 2015 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Der Kanton Bern hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Bruno
Studer, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr.
3'000.-- zu bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Monn

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