Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.30/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_30/2015

Urteil vom 3. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Max Birkenmaier,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz); rechtliches
Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 11. November 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Bezirksgericht Zürich erklärte X.________ am 18. März 2008 der mehrfachen
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es bestrafte ihn mit
einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Gegen dieses Urteil meldete X.________ die
Berufung an. In der Folge sistierte das Obergericht des Kantons Zürich das
Berufungsverfahren, zumal X.________ in der Zwischenzeit wegen eines weiteren
Drogendelikts in Spanien verhaftet und am 9. Februar 2011 von der Audiencia
Provincial de Sevilla zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten
verurteilt wurde. Das Obergericht nahm das Verfahren am 25. Februar 2014 wieder
auf, nachdem X.________ in die Schweiz überführt worden war.

B.

 Am 11. November 2014 bestätigte das Obergericht den erstinstanzlichen
Schuldspruch und bestrafte X.________ mit einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Für die strafbaren Handlungen, die
den Urteilen des Bezirksgerichts Zürich und der Audiencia Provincial de Sevilla
zugrunde liegen, sei eine hypothetische Gesamtstrafe zu bilden. Auf die
Ausfällung einer Zusatzstrafe zum spanischen Urteil sei zu verzichten.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 49 Abs. 2 StGB. Zum
Zeitpunkt, als das Urteil in Spanien gefällt worden sei, sei dasjenige des
Bezirksgerichts Zürich noch nicht rechtskräftig gewesen. Die Vorinstanz hätte
daher eine Gesamtstrafe bilden und zum Urteil der Audiencia Provincial de
Sevilla eine Zusatzstrafe aussprechen sollen, von welcher aber im konkreten
Fall abzusehen sei. Die Auffassung der Vorinstanz führe zu einer weit
überhöhten Freiheitsstrafe von insgesamt 12 Jahren.

1.2. Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor
er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die
Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als
wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 49
Abs. 2 StGB).
Die Rechtsprechung stellt für die Frage, ob überhaupt und in welchem Umfang das
Gericht eine Zusatzstrafe aussprechen muss, auf das Datum der ersten
Verurteilung im ersten Verfahren ab. Demgegenüber ist für die Bemessung der
Zusatzstrafe das rechtskräftige Urteil im ersten Verfahren massgebend. Das
Gericht muss sich somit fragen, ob die neue Tat vor der ersten Verurteilung im
ersten Verfahren begangen wurde. Bejaht es dies, hat es eine Zusatzstrafe
auszusprechen, für deren Bemessung es in einem zweiten Schritt prüfen muss, ob
der Schuldspruch und das Strafmass des ersten Urteils rechtskräftig sind.
Verneint es die erste Frage, ist das neue Delikt mit einer selbstständigen
Strafe zu ahnden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Asperationsprinzips ist
unerheblich, ob später das erste Urteil oder dasjenige der Rechtsmittelinstanz
in Rechtskraft erwächst oder ob nach einer Kassation des erst- oder
zweitinstanzlichen Urteils gar neu entschieden werden muss. Das Gericht muss
sich bloss fragen, ob die im zweiten Verfahren zu beurteilenden Straftaten vor
dem Ersturteil begangen wurden. Auf das Datum des Ersturteils ist auch
abzustellen, wenn dieses später im Rechtsmittelverfahren reformiert oder
kassiert wird. Im Falle der Neubeurteilung in der gleichen Sache durch das
erste Gericht oder der Rechtsmittelinstanz, ist für die Anwendbarkeit des
Asperationsprinzips nach wie vor das Datum des Ersturteils entscheidend (BGE
138 IV 113 E. 3.4.2 und 3.4.3 mit Hinweisen).

1.3. Die Taten, für welche der Beschwerdeführer eine Bestrafung in der Form
einer Zusatzstrafe zum Urteil der Audiencia Provincial de Sevilla vom 9.
Februar 2011 verlangt, waren bereits Gegenstand des Urteils des Bezirksgerichts
Zürich vom 18. März 2008. Letzteres ist hinsichtlich der Anwendung von Art. 49
Abs. 2 StGB als Ersturteil zu qualifizieren. Die dem Urteil der Audiencia
Provincial de Sevilla zugrunde liegenden strafbaren Handlungen wurden im Mai
und im Juni 2009 begangen. Dafür war - nach Schweizer Recht - eine
selbstständige Strafe auszusprechen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden,
dass für Delikte, die Gegenstand des Ersturteils waren, im Berufungsverfahren
eine Zusatzstrafe zum zweiten Urteil gefällt wird. Die Rüge ist unbegründet.
Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer, wenn er geltend macht, in BGE 138 IV
113 sei - anders als im vorliegenden Fall - ein erstinstanzliches Urteil des
Zürcher Obergerichts zur Diskussion gestanden, welches nur mit kassatorischen
Rechtsmitteln in Frage gestellt werden konnte. Das Bundesgericht hielt im
erwähnten Entscheid fest, dass nach der ratio legis des damaligen Art. 68 Ziff.
2 StGB (heute Art. 49 Abs. 2 StGB) derjenige, der erneut delinquiert, nachdem
er wegen anderer Delikte erstinstanzlich verurteilt und mithin eindringlich
gewarnt wurde, nicht in den Genuss der in der Regel vorteilhaften Zusatzstrafe
kommen soll (BGE 138 IV 113 E. 3.4.3). Dies gilt unabhängig davon, mit was für
einem Rechtsmittel das erstinstanzliche Urteil nach der jeweiligen (damals
geltenden) Strafprozessordnung angefochten werden konnte.

2.

 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die
Vorinstanz habe seinen Antrag, die Akten des Strafverfahrens in Spanien
beizuziehen, zu Unrecht abgewiesen. Es sei nicht ausreichend erstellt, dass das
Urteil der Audiencia Provincial de Sevilla rechtskräftig sei. Es sei
zweifelhaft, dass er überhaupt eine Straftat begangen habe; alleine aus der
Begründung des erstinstanzlichen Urteils ergebe sich, dass grundsätzliche
europäische Standards verletzt worden seien. Die Vorinstanz habe die
Beeinflussung des spanischen Sachrichters durch das in der Schweiz hängige
Verfahren nicht beachtet. Der angefochtene Entscheid stütze sich auf eine
unvollständige Aktenlage. Das Verfahren in Spanien betreffe seine persönlichen
Verhältnisse und müsse unter dem Gesichtspunkt des Nachtatverhaltens auch bei
einer eigenständigen Beurteilung in der Schweiz berücksichtigt werden.
Die Vorinstanz hat - zu Recht - keine Zusatzstrafe zum Urteil der Audiencia
Provincial de Sevilla ausgesprochen. Sie hat dieses auch nicht in anderer Weise
bei der Strafzumessung berücksichtigt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar,
inwiefern sich der fehlende Aktenbeizug konkret zu seinen Ungunsten ausgewirkt
haben soll. Die Beschwerde enthält diesbezüglich keine ausreichende Begründung
(Art. 42 Abs. 2 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.

3.

 Der Beschwerdeführer rügt, er habe im vorinstanzlichen Verfahren einen die
Strafzumessung tangierenden Drogenkonsum geltend gemacht. Die Vorinstanz habe
sich damit nicht auseinandergesetzt und verletze dabei sowohl Art. 47 StGB als
auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.
Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz erwägt, es sei - entgegen der
Auffassung der Verteidigung - zum Tatzeitpunkt nicht von einem Drogenkonsum
oder damit zusammenhängenden psychischen Störungen auszugehen.

4.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist
abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der
finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten
Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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