Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.236/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_236/2015

Urteil vom 30. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
nebenamtliche Bundesrichterin Viscione,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Lars Mathiassen,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ersatzforderung, Beschlagnahme; rechtliches Gehör, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 16. Januar 2015.

Sachverhalt:

A. 
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 25. März 2014 des
gewerbsmässigen Diebstahls, der qualifizierten Sachbeschädigung, des
mehrfachen, teilweise versuchten Hausfriedensbruchs, der mehrfachen Fälschung
von Ausweisen sowie des mehrfachen Vergehens gegen das Bundesgesetz über
Ausländerinnen und Ausländer schuldig und bestrafte ihn mit einer
Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Die Untersuchung betreffend den Vorwurf des
mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz stellte es ein. Es erkannte auf
eine staatliche Ersatzforderung von Fr. 40'000.-- für den unrechtmässig
erlangten Vermögensvorteil. Zudem zog es Bargeld ein, gab Gegenstände an
Geschädigte heraus, ordnete verschiedene Einziehungen an und entschied über
Schadenersatz- sowie Genugtuungsbegehren.

B. 
Gegen diesen Entscheid erhoben X.________ und die Staatsanwaltschaft Berufung.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 16. Januar 2015 wegen
mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig und verurteilte ihn unter
Berücksichtigung der rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldsprüche zu einer
Freiheitsstrafe von 6½ Jahren. Es erhöhte die Ersatzforderung auf Fr.
80'000.--. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.

C. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, es seien die Ziffern
3 sowie 4 des vorinstanzlichen Urteils aufzuheben und es sei auf eine
Ersatzforderung sowie die Beschlagnahme der beiden Grundstücke in Zagreb zu
verzichten. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerde richtet sich gegen die Ersatzforderung von Fr. 80'000.--
und die Beschlagnahme der beiden in Zagreb gelegenen Grundstücke des
Beschwerdeführers. Dieser bringt im Wesentlichen vor, die Vorinstanz komme aus
nicht nachvollziehbaren Gründen zum Schluss, eine Ersatzforderung von Fr.
80'000.-- sei angemessen. Sie äussere sich nicht dazu, wie es sich bei der
Durchsetzung dieser Forderung mit seiner Wiedereingliederung verhalte. Dass
diese erheblich gefährdet wäre, berücksichtige die Vorinstanz nicht. Damit
verletze sie nicht nur Art. 71 Abs. 2 StGB, sondern stütze ihren Entscheid auch
auf unsachgemässe und nicht durch Akten belegte Kriterien, was willkürlich sei
(Art. 9 BV und Art. 14 EMRK). Ausserdem setze sie sich nicht mit seiner
Argumentation auseinander, wodurch sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletze.

1.2.

1.2.1. Das rechtliche Gehör nach Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO und Art. 29 Abs. 2
BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner
Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der
Entscheidfindung berücksichtigt. Nicht erforderlich ist, dass sie sich mit
allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne
Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den
Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Es müssen wenigstens kurz die
Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und
auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; 134 I 83 E.
4.1 S. 88 mit Hinweisen).

1.2.2. Die Vorinstanz erwägt, bei der Festsetzung der Ersatzforderung sei zu
berücksichtigen, welcher Betrag dem Beschwerdeführer zuzumuten sei, ohne seine
Wiedereingliederung ernstlich zu gefährden. Der Wert der gestohlenen
Gegenstände betrage über Fr. 1'100'000.--. Der Beschwerdeführer gebe an, dafür
rund Fr. 80'000.-- bis Fr. 100'000.-- gelöst zu haben. Er sei sechzig Jahre
alt. Seine Chancen, nach dem Strafvollzug noch eine Arbeit zu finden, die ihm
mehr als die Finanzierung des Grundbedarfs seiner Existenz sicherstellen werde,
sei gering. Er sei indessen in Kroatien im Grundbuch von Zagreb als Eigentümer
zweier Grundstücke eingetragen, welche unbelastet seien. Gemäss eigenen Angaben
habe er im Jahr 2003 für das Haus ca. 60'000.-- Euro bezahlt. Aktuelle
Schätzungen lägen nicht vor. Ansonsten besitze der Beschwerdeführer kein
nennenswertes Vermögen. Vor diesem Hintergrund erscheine es angemessen, die
Ersatzforderung auf Fr. 80'000.--, entsprechend seinem erzielten Nettoerlös,
festzusetzen (Urteil S. 21 f.).

1.2.3. Soweit der Beschwerdeführer auf seine Plädoyernotizen vor erster und
zweiter Instanz verweist, ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Die
massgebenden Ausführungen müssen in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein
(BGE 138 IV 47 E. 2.8.1 S. 54; 134 I 303 E. 1.3 S. 306; je mit Hinweisen). Da
er nicht näher ausführt, auf welche Argumente die Vorinstanz seines Erachtens
hätte eingehen müssen, genügt die Gehörsverletzungsrüge weitgehend den
qualifizierten Begründungsanforderungen nicht (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG).
Entgegen seinem Vorbringen legt die Vorinstanz dar, weshalb sie die
Ersatzforderung auch unter Berücksichtigung des Aspektes der
Wiedereingliederung auf Fr. 80'000.-- festsetzt. Obwohl die Begründung des
Entscheides in diesem Punkt knapp ausfällt, war es dem Beschwerdeführer
möglich, den Rechtsweg ans Bundesgericht zu beschreiten. Die Vorinstanz
verletzt sein rechtliches Gehör nicht.

1.3. Auf die Rüge, die Vorinstanz verfalle in Willkür, indem sie ihren
Entscheid auf unsachgemässe und nicht durch die Akten belegte Kriterien stütze,
ist nicht einzutreten. Der Beschwerdeführer legt einzig seine Sicht der Dinge
dar, ohne aufzuzeigen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz
offensichtlich unhaltbar sind oder mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch stehen und sich andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen.
Seine Vorbringen erschöpfen sich in unzulässiger appellatorischer Kritik (vgl.
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen).

1.4.

1.4.1. Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine
Straftat erlangt worden sind, sofern sie nicht dem Verletzten zur
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs.
1 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr
vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in
gleicher Höhe (Art. 71 Abs. 1 StGB). Es kann von einer Ersatzforderung ganz
oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die
Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde (Art. 71 Abs. 2
StGB). Die Untersuchungsbehörde kann im Hinblick auf die Durchsetzung der
Ersatzforderung Vermögenswerte des Betroffenen mit Beschlag belegen. Die
Beschlagnahme begründet bei der Zwangsvollstreckung der Ersatzforderung kein
Vorzugsrecht zu Gunsten des Staates (Art. 71 Abs. 3 StGB).

 Die Vermögenseinziehung steht wesentlich im Dienst des sozialethischen Gebots,
dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen soll (BGE 139 IV 209 E. 5.3 S. 211;
129 IV 322 E. 2.2.4 S. 327; je mit Hinweisen). Durch die Festlegung einer
Ersatzforderung wird verhindert, dass derjenige, welcher die Vermögenswerte
bereits verbraucht beziehungsweise sich ihrer entledigt hat, besser gestellt
wird als jener, der sie noch hat (BGE 140 IV 57 E. 4.1.2 S. 62; 123 IV 70 E. 3
S. 74; je mit Hinweisen). Die Ersatzforderung entspricht daher in ihrer Höhe
grundsätzlich den Vermögenswerten, die durch die strafbaren Handlungen erlangt
worden sind und somit der Vermögenseinziehung unterlägen, wenn sie noch
vorhanden wären. Der Richter kann aber die Ersatzforderung reduzieren, um dem
Gedanken der Resozialisierung des Täters Rechnung zu tragen. Dem Verurteilten
soll nicht durch übermässige Schulden die Wiedereingliederung zusätzlich
erheblich erschwert werden (BGE 122 IV 299 E. 3b S. 302; 119 IV 17 E. 3 S. 24).
Die Ersatzforderung darf allerdings erst herabgesetzt werden, wenn bestimmte
Gründe zuverlässig erkennen lassen, dass die ernsthafte Gefährdung der
Resozialisierung des Täters durch Zahlungserleichterungen nicht behoben werden
kann und dass für eine erfolgreiche Wiedereingliederung des Täters die
Ermässigung der Ersatzforderung unerlässlich ist (Urteil 6B_538/2007 vom 2.
Juni 2008 E. 6.2, nicht publ. in: BGE 134 IV 241; vgl. auch BGE 106 IV 9 E. 2
S. 10 zu Art. 58 Abs. 4 aStGB).

1.4.2. Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für eine Einziehung und eine
Ersatzforderung zu Recht bejaht. Gestützt auf ihre verbindlichen Feststellungen
(Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. E. 1.2.2) ist davon auszugehen, dass der
Beschwerdeführer die Ersatzforderung von Fr. 80'000.-- durch die Veräusserung
der beiden Grundstücke mit dem Haus wird begleichen können. Er wird sich daher
nicht oder jedenfalls nicht übermässig verschulden müssen, um die
Ersatzforderung zu bezahlen. Er ist gelernter Metzger und übte in der
Vergangenheit verschiedene Erwerbstätigkeiten aus, wobei er nach eigenen
Angaben u.a. auch eine kleine Baufirma sowie eine Bar führte (Urteil S. 19;
erstinstanzliches Urteil S. 30 f.). Die Vorinstanz hält daher zu Recht fest,
dass er nach Verbüssung der Freiheitsstrafe einer Erwerbstätigkeit wird
nachgehen können, die es ihm ermöglichen sollte, seinen Grundbedarf zu decken.
Der Beschwerdeführer wird daher zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes nicht
auf sein Vermögen angewiesen sein. Demnach trägt die von der Vorinstanz
festgesetzte Ersatzforderung von Fr. 80'000.-- dem Resozialiserungsgedanken
genügend Rechnung und die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers wird
dadurch nicht erheblich erschwert. Seine Vorbringen vermögen daran nichts zu
ändern. Dass er nach der Veräusserung seiner beiden Grundstücke über kein
Vermögen mehr verfügen wird, lässt die Ersatzforderung nicht als unangemessen
erscheinen. Dies wäre unter Umständen der Fall, wenn er sich zur Begleichung
der Ersatzforderung mit einem grösseren Betrag verschulden müsste. Er macht
geltend, bei einem Verkauf seines Hauses müssten er und seine beiden Kinder
sich eine neue Unterkunft suchen. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb es
ihm nicht möglich sein sollte, mit seinen zwei volljährigen Kindern in eine
Mietwohnung zu ziehen, zumal fraglich ist, ob diese überhaupt noch in seinem
Haus wohnen (vgl. Untersuchungsbericht der Staatsanwaltschaft betreffend
Vermögenseinziehung vom 17. Februar 2014 S. 8, Beschwerdebeilage 6). Demnach
ist die vorinstanzliche Ersatzforderung nicht zu beanstanden, sodass sich die
Rüge der Verletzung von Bundesrecht als unbegründet erweist.

1.5. Die Aufhebung der Beschlagnahme der beiden Grundstücke in Zagreb begründet
der Beschwerdeführer einzig mit dem Verzicht auf eine Ersatzforderung. Nachdem
die Vorinstanz zu Recht eine Ersatzforderung festgesetzt hat, erweist sich auch
die Beschlagnahme der beiden Grundstücke als bundesrechtskonform.

2. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein
aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seinen angespannten
finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu
tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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