Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.231/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_231/2015

Urteil vom 18. April 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Klein,
Beschwerdeführer,

gegen

1.       Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt,
2.       A.A.________ und B.A.________,
       beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Feller,
3.       B.________,
       vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera Delnon,
4.       C.________,
5.       D.________,
6.       Erben der A.E.________ sel. und des B.E.________ sel.,
7.       F.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Roland Etter,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Gewerbsmässiger Betrug,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung,
vom 8. Januar 2015.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug erhob am 3. Dezember 2009 Anklage gegen
G.________, X.________ und H.________ wegen gewerbsmässigen Betruges,
mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung und mehrfacher Urkundenfälschung. Das
Strafgericht des Kantons Zug erklärte X.________ am 29. November 2012 des
gewerbsmässigen Betruges schuldig und sprach ihn von den übrigen
Anklagevorwürfen frei. Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe
von 36 Monaten. G.________ wurde ebenfalls des gewerbsmässigen Betruges
schuldig erklärt und im Übrigen freigesprochen; H.________ wurde vollumfänglich
freigesprochen, soweit das Verfahren nicht zufolge Eintritts der
Verfolgungsverjährung eingestellt wurde.

B.
Gegen das Urteil des Strafgerichts erhoben G.________, X.________, die
Staatsanwaltschaft sowie verschiedene Privatkläger Berufung. Hinsichtlich
X.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Zug am 8. Januar 2015 die
erstinstanzlichen Schuld- und Freisprüche. Das Obergericht bestrafte X.________
mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei vom Vorwurf
des gewerbsmässigen Betruges freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung. Der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung
zu erteilen.

D.
Das Obergericht des Kantons Zug und die Staatsanwaltschaft verzichten auf eine
Vernehmlassung. Die Beschwerdegegner 2 und 3 beantragen Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer replizierte am
15. Januar 2016; die Beschwerdegegner 2 und 3 duplizierten am 12. Februar 2016.

Erwägungen:

1.

1.1. Soweit zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde von Bedeutung, geht die
Vorinstanz im Wesentlichen von dem folgenden Sachverhalt aus:
Die I.________ Ltd. verkaufte am 26. April 2000 der J.________ Ltd., für CHF
35'534'991.-- und USD 11'881'253.-- die Gesamtheit der Aktien der K.________
Ltd., die wiederum 280 (von 352) Aktien der L.________ Ltd. hielt. Vereinbart
wurde eine Kaufpreisstundung mit einem Zahlungsziel per 31. Dezember 2004. Am
24. Februar 2001 übernahm die M.________ AG von der J.________ Ltd. rückwirkend
auf den 27. April 2000 die Verpflichtung zur Zahlung des erwähnten Kaufpreises
gegenüber der I.________ Ltd. Im Gegenzug sollten die Aktien der L.________
Ltd., welche sich bei der I.________ Ltd. befanden, an die M.________ AG
übertragen werden. Zahlungen der M.________ AG an die I.________ Ltd. würden
zur Pfandfreigabe führen.
Am 23. November 2000 bzw. am 24. Februar 2001 gewährten die L.________ Ltd. und
ihre Tochtergesellschaften N.________ Ltd., O.________ Ltd. und P.________ Ltd.
unbefristete, beidseitig kündbare, unlimitierte, zwischen 6% und 8%
verzinsliche Darlehen. Diese dienten der Finanzierung des der I.________ Ltd.
für die Aktien der L.________ Ltd. geschuldeten Kaufpreises (Urteil, S. 23 f.).
Die Vorinstanz hält fest, dass X.________ und G.________ im Zusammenhang mit
den Darlehnsvergaben an die M.________ AG kein pflichtwidriges Verhalten
vorgeworfen werden könne (Urteil, S. 41).

1.2. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf des gewerbsmässigen Betruges hält die
Vorinstanz unter anderem fest, die L.________ Ltd., mit Sitz auf den Britischen
Jungferninseln, habe von Anlegern zwischen dem 8. Juni 2001 und dem 31. März
2003 zwecks Investition an der Börse Darlehen mit fester Laufzeit und festem
Zins aufgenommen. Dabei sei verschwiegen worden, dass die L.________ Ltd., bei
konsolidierter Betrachtung mit ihren Tochtergesellschaften, überschuldet war.
X.________ sei formelles Organ der L.________ Ltd. und an deren operativen
Geschäft massgeblich beteiligt gewesen.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz wende bei der Frage, ob eine
Überschuldung vorliegt, schweizerisches Recht an. Massgebend sei aber das Recht
der Britischen Jungferninseln.

2.2. Die Vorinstanz erwägt diesbezüglich, der Begriff der Überschuldung werde
in Art. 725 OR definiert. Absatz 2 dieses Artikels verbiete einer
überschuldeten Gesellschaft, weiter am Geschäftsverkehr teilzunehmen,
zusätzliche Verbindlichkeiten einzugehen und ihre Aktiven zum Nachteil der
Gläubiger aufzubrauchen. Die Überschuldungsanzeige nach Art. 725 Abs. 2 OR
erfolge auch zum Schutz zukünftiger Kreditgeber. Sie verhindere, dass eine
Gesellschaft ohne Eigenkapital am Wirtschaftsverkehr teilnimmt und Dritte
dadurch Schaden erleiden. Im Falle der Überschuldung bestehe für Darlehensgeber
die begründete Gefahr, dass der Darlehensnehmer im Fälligkeitszeitpunkt nicht
mehr zur Rückzahlung der Darlehenssumme fähig ist. Dabei könne es keine Rolle
spielen, nach welchem Recht sich der Begriff der Überschuldung definiere, der
sich in den verschiedenen Rechtsordnungen höchstens nur insofern unterscheiden
dürfte, welche Positionen in welchem Betrag zum Fremdkapital bzw. zu den
Aktiven zu zählen seien. Die festgestellte Überschuldung stelle eine derart
massive Verschlechterung der Bonität dar, dass davon ausgegangen werden müsse,
die L.________ Ltd. werde ihrer Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung
voraussichtlich nie nachkommen. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die
L.________ Ltd. durch Darlehensvergaben an ihre Muttergesellschaft, der
M.________ AG, Liechtenstein, ihre wirtschaftliche Substanz verringert hatte.
Dadurch sei die L.________ Ltd. besonders anfällig auf Börsenschwankungen
gewesen, da sie diese nicht mehr durch entsprechende Aktiven abfedern konnte.

2.3.

2.3.1. Des Betruges macht sich nach Art. 146 Abs. 1 StGB strafbar, wer in der
Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch
Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in
einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten
bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.
Beim Kreditbetrug täuscht der Borger beim Abschluss des Darlehensvertrages über
seine Rückzahlungsfähigkeit, d.h. seine Kreditwürdigkeit und damit die
Sicherheit der Forderung, bzw. über seinen Rückzahlungswillen. Der
Vermögensschaden ist gegeben und der Betrug somit vollendet, wenn der Borger
entgegen der beim Darleiher geweckten Erwartungen im Zeitpunkt der
Kreditgewährung dermassen wenig Gewähr für eine vertragsgemässe Rückzahlung des
Geldes bietet, dass die Darlehensforderung erheblich gefährdet und
infolgedessen in ihrem Wert wesentlich herabgesetzt ist (BGE 102 IV 84 E. 4;
Urteil 6B_462/2014 vom 27. August 2015 E. 8.1.2; je mit Hinweisen).

2.3.2. Gemäss dem von der ersten Instanz eingeholten Gutachten des
Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung zum Gesellschaftsrecht der
Britischen Jungferninseln bestanden - nach dem damals anwendbaren International
Business Companies Act 1984 - keine zwingenden Kapitalschutzvorschriften. Eine
International Business Company benötigte überhaupt kein Kapital, um
gesetzmässig als juristische Person zu existieren (Gutachten, S. 93; siehe auch
Urteil, S. 37). Die Vorinstanz stellt auch nicht fest, dass den Darlehensgebern
hinsichtlich des Eigenkapitals der L.________ Ltd. etwas zugesichert worden
sei. Letztere konnten daher nicht darauf vertrauen, dass Eigenkapital vorhanden
ist, um allfällige Börsenverluste abzufedern. Dass die L.________ Ltd. ihre
wirtschaftliche Substanz durch die Gewährung von Darlehen an die M.________ AG
verringerte, ist daher ohne Bedeutung.
Eine Überschuldung im Sinne von Art. 725 Abs. 2 OR liegt jedenfalls dann vor,
wenn das Fremdkapital die Aktiven übersteigt. Dies ist bei einer Gesellschaft
ohne Eigenkapital der Fall, sobald sie einen Verlust erleidet und keine Aktiven
aus früherer Geschäftstätigkeit oder anderer Herkunft vorhanden sind. Die
Darlehensgeber gewährten der L.________ Ltd. Mittel, damit diese sie an der
Börse investiert. Sie akzeptierten dabei das Risiko von Verlusten und somit
einer Überschuldung der L.________ Ltd. Dass Letztere tatsächlich überschuldet
gewesen sein soll, setzt den Wert des Rückzahlungsanspruches im Verhältnis zu
den zulässigen Erwartungen der Darlehensgeber nicht wesentlich herab. Ob die
Vorinstanz in Anwendung ausländischen statt schweizerischen Rechts hätte
feststellen müssen, ob eine Überschuldung vorlag, kann in dieser Hinsicht
offenbleiben. Der Tatbestand des Betruges ist nicht erfüllt. Es erübrigt sich,
auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers einzugehen.

3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch
um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Für das bundesgerichtliche Verfahren
sind die Kosten den unterliegenden Parteien, jedoch nicht dem Kanton,
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Zug sowie die
Beschwerdegegner 2 und 3 haben dem Beschwerdeführer eine angemessene
Parteienschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Entschädigung ist
praxisgemäss dem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung wird gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Ziffer IV des Dispositivs des Urteils des
Obergerichts des Kantons Zug vom 8. Januar 2015 wird aufgehoben und die Sache
zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Den Beschwerdegegnern 2 und der Beschwerdegegnerin 3 werden Gerichtskosten von
je Fr. 2'000.-- auferlegt.

3.
Der Kanton Zug, die Beschwerdegegner 2 und die Beschwerdegegnerin 3 haben dem
Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Thomas Klein, für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von je Fr. 1'000.-- zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses

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