Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.166/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_166/2015

Urteil vom 30. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber M. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Luginbühl,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung,
2. Strafkammer, vom 19. August 2014.

Sachverhalt:

A. 
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X.________ am 19. August 2014
zweitinstanzlich wegen gewerbsmässiger und teilweise bandenmässiger
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Geldwäscherei, Hehlerei und
Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 46 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum
Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 27. Oktober 2006. Die damals bedingt
verhängte Gefängnisstrafe von 17 Monaten und 10 Tagen wurde nicht vollzogen,
sondern die Probezeit um 1 Jahr verlängert.

B. 
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil
sei aufzuheben. Er sei bei einer Probezeit von vier Jahren mit einer
Freiheitsstrafe von 34 Monaten und einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu
belegen, wobei diese Strafen je zur Hälfte bedingt auszusprechen seien.
Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht
zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1. 
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung.

1.1. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem
Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen
Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die
Bewertung des Verschuldens richtet sich gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung nach
der Schwere der Verletzung oder der Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach
der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie
danach, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage
war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden. Dem Sachgericht steht bei der
Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren ein erheblicher Spielraum
des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin in die
Strafzumessung nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über-
oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen
beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch
gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6; 134 IV 17 E. 2.1; zum alten Recht: BGE 129
IV 6 E. 6.1; 127 IV 101 E. 2; 124 IV 286 E. 4a).

1.2. Die Vorinstanz berücksichtigt bei der Strafzumessung zuerst die Delikte,
welche der Beschwerdeführer nach dem Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 27.
Oktober 2006 beging. Für die qualifizierten Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz bestimmt sie eine Einsatzstrafe von 46 Monaten. Diese
erhöht sie für die Geldwäscherei um 2 Monate, für die Hehlerei um 1 Monat und
für den Betrug um 4 Monate. Die hypothetische Gesamtstrafe für die nach dem 27.
Oktober 2006 begangenen Delikte beträgt somit 53 Monate.

 Sodann wertet die Vorinstanz die Straftaten, welche der Beschwerdeführer vor
dem Urteil des Kriminalgerichts Luzern vom 27. Oktober 2006 verübte. Sie
übernimmt die Gesamtstrafe des Kriminalgerichts Luzern von 17 Monaten und 10
Tagen Gefängnis und erhöht diese für die zuvor begangenen qualifizierten
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz um 13 Monate. Da nur 1 Monat
des rund 13 Monate dauernden Betrugs vor dem Urteil des Kriminalgerichts Luzern
liege, betrachtet ihn die Vorinstanz als gänzlich danach begangen, zumal sich
diese Betrachtungsweise für den Beschwerdeführer nicht negativ auswirke. So
resultiert eine hypothetische Gesamtstrafe von 30 Monaten und 10 Tagen. Davon
zieht die Vorinstanz die durch das Kriminalgericht Luzern ausgesprochenen 17
Monate und 10 Tage Gefängnisstrafe ab, womit die hypothetische Zusatzstrafe 13
Monate beträgt.

 Schliesslich erhöht die Vorinstanz die hypothetische Gesamtstrafe für die nach
dem Urteil des Kriminalgerichts Luzern begangenen Delikte von 53 Monaten um die
hypothetische Zusatzstrafe für die davor begangenen Delikte. Dabei
berücksichtigt sie 9 Monate der zuvor veranschlagten 13 Monate. Dies ergibt
eine teilweise Zusatzstrafe von 62 Monaten. Aufgrund des
Verschlechterungsverbots bestätigt die Vorinstanz die erstinstanzlich
ausgesprochene Freiheitsstrafe von 46 Monaten.

2.

2.1.

2.1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Gesamtstrafe
bundesrechtswidrig gebildet.

2.1.2. Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für
mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht gemäss Art.
49 Abs. 1 StGB zu der Strafe der schwersten Straftat (Einsatzstrafe) und erhöht
sie in Anwendung des Asperationsprinzips angemessen (Gesamtstrafe). Die Bildung
einer Gesamtstrafe im Sinne von Art. 49 Abs. 1 StGB ist nur bei gleichartigen
Strafen möglich. Ungleichartige Strafen sind kumulativ zu verhängen, da das
Asperationsprinzip nur greift, wenn mehrere gleichartige Strafen ausgesprochen
werden. Geld- und Freiheitsstrafe sind keine gleichartigen Strafen im Sinne von
Art. 49 Abs. 1 StGB (BGE 137 IV 57 E. 4.3.1). Das Gericht kann auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe nur erkennen, wenn es für jeden einzelnen Normverstoss
eine Freiheitsstrafe ausfällen würde (BGE 138 IV 120 E. 5.2; 137 IV 249 E.
3.4.2). Dass die anzuwendenden Strafbestimmungen abstrakt gleichartige Strafen
vorsehen, genügt nicht (BGE 138 IV 120 E. 5.2 mit Hinweisen). Sind die
verschiedenen Straftaten zeitlich und sachlich derart eng miteinander
verknüpft, dass sie sich nicht sinnvoll auftrennen und für sich allein
beurteilen lassen, verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie diese in
einem Gesamtzusammenhang würdigt (vgl. Urteil 6B_1011/2014 vom 16. März 2015 E.
4.4).

2.1.3. Die Vorinstanz erwägt, für die qualifizierten Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz sei zwingend eine Freiheitsstrafe zu verhängen. An die
Gefängnisstrafe, welche das Kriminalgericht Luzern ausgesprochen habe, sei sie
gebunden. Eine Freiheitsstrafe sei auch für die Geldwäscherei auszufällen, da
diese mit den Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz in einem engen
Zusammenhang stehe und auf einem einheitlichen Tatentschluss basiere. Da somit
für alle Straftaten eine Freiheitsstrafe auszusprechen sei, seien die
Voraussetzungen für eine Gesamtstrafe und eine teilweise Zusatzstrafe erfüllt.

2.1.4. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Geldwäscherei in einem
engen Zusammenhang mit den Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz
steht. Dass die Geldwäscherei nicht als mitbestrafte Nachtat gilt, sondern als
zusätzliches Delikt separat zu sanktionieren ist (Urteil 6B_291/2012 vom 16.
Juli 2013 E. 5.2), ändert daran nichts. Entgegen den Ausführungen des
Beschwerdeführers kann dem Drogenhandel und der Geldwäscherei durchaus derselbe
Tatentschluss zugrunde liegen. Es ist nicht einzusehen, weshalb der Entschluss
zur Geldwäscherei erst möglich sein sollte, nachdem Einnahmen aus dem
Drogenhandel resultieren. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es
vertretbar, dass die Vorinstanz die Vermögensdelikte Betrug und Hehlerei mit
einer Freiheitsstrafe ahndet, nachdem er sich selbst von einer früheren
Freiheitsstrafe wegen Diebstahls nicht beeindrucken liess (vgl. Urteile 6B_128/
2011 vom 14. Juni 2011 E. 3.4; 6B_712/2010 vom 13. Dezember 2010 E. 3).

2.2.

2.2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots
und bringt vor, der Begriff der Gewerbsmässigkeit impliziere, dass ein
Unternehmen möglichst gewinnstrebig sowie professionell geleitet werde und dass
mögliche Risiken vorausschauend kalkuliert würden. Dies gelte auch für eine
illegale Unternehmung. Dass der Beschwerdeführer Denker und Lenker war, dass er
Personal rekrutierte und Pläne für den Fall einer Verhaftung schmiedete, gehöre
notorisch zu jedem gewerbsmässigen Handeln. Ein illegales Unternehmen werde
nicht anders geführt als ein legales, die Unterscheidung liege einzig in der
Tätigkeit und im Zweck der Unternehmung. Sämtliche durch die Vorinstanz
festgehaltenen Umstände im Rahmen der Verwerflichkeit des Handelns gehörten zum
Begriff und damit zur Qualifikation der Gewerbsmässigkeit und hätten zum
erweiterten Strafrahmen von Art. 19 Ziff. 2 aBetmG geführt. Die entsprechenden
Umstände hätten ihm nicht oder zumindest nicht in derartigem Ausmass zur Last
gelegt werden dürfen.

2.2.2. Die Vorinstanz erwägt unter dem Titel der Verwerflichkeit des Handelns,
der Beschwerdeführer sei in jeder Beziehung Dreh- und Angelpunkt des
Hanfhandels gewesen. Er habe als Kopf der Bande die Aufträge erteilt und sei
Initiant, Denker und Lenker des von Anfang an illegalen Unternehmens gewesen.
Er sei professionell vorgegangen, indem er unterschiedliche Anbauvarianten
wählte, Anbauflächen akquirierte, zahlreiche Helfer rekrutierte und Strohmänner
sowie Strohfirmen einsetzte. Er habe seine Familie in das illegale Geschäft
gezogen, wobei wenig ändere, dass die Familienangehörigen mehr oder weniger
freiwillig mitwirkten; jedenfalls zeuge sein Verhalten von einer gewissen
Rücksichtslosigkeit. Darüber hinaus habe er Pläne für den Fall der Verhaftung
geschmiedet. Das Investitionsvolumen und der Organisationsaufwand seien gross
gewesen.

2.2.3. Das Doppelverwertungsverbot versagt es dem Gericht, Umstände, die zur
Anwendung eines höheren oder tieferen Strafrahmens führen, innerhalb des
geänderten Strafrahmens noch einmal als Straferhöhungs- oder
Strafminderungsgrund zu berücksichtigen, ansonsten dem Täter der gleiche
Umstand zweimal zur Last gelegt oder zugute gehalten würde. Dem Gericht ist es
aber nicht verwehrt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in welchem
Ausmass ein qualifizierender oder privilegierender Tatumstand gegeben ist (BGE
120 IV 67 E. 2b; 118 IV 342 E. 2b). Indem die Vorinstanz zum Schluss gelangt,
mit Bezug auf die an den Tag gelegte kriminelle Energie liege ein
aussergewöhnlich gravierender Fall vor, bleiben ihre Erwägungen im zulässigen
Rahmen.

2.3.

2.3.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorgehensweise der Vorinstanz führe zu
einer unzulässigen doppelten Berücksichtigung seines Vorlebens. Einerseits
werde die Vorstrafe des Kriminalgerichts Luzern mit einer Straferhöhung von 15
Monaten sanktioniert, andererseits das erneute Delinquieren während des
laufenden Strafverfahrens mit weiteren 7 Monaten. Indessen gehörten beide
Strafen integral zum Vorleben des Beschwerdeführers, weshalb eine solcherart
vorgenommene doppelte Würdigung Art. 47 StGB verletze. Das Anstaltentreffen zum
Verkauf von Hanfstecklingen während des laufenden Strafverfahrens sei lediglich
eine Bagatelle, welche eine Erhöhung von 7 Monaten im Rahmen des
Nachtatverhaltens nicht rechtfertige.

2.3.2. Die Vorinstanz wertet die Vorstrafe des Kriminalgerichts Luzern als
einschlägig und führt aus, der Beschwerdeführer habe mit den neu zu
beurteilenden Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz schon vor dem
Urteil des Kriminalgerichts Luzern begonnen und sie während der Probezeit
weitergeführt, was sich erheblich straferhöhend auswirke und zu einer Erhöhung
der Einsatzstrafe von 36 auf 51 Monate führe. Ob die Erhöhung der Einsatzstrafe
um 15 Monate noch innerhalb des sachrichterlichen Ermessens liegt, kann
dahingestellt bleiben. Die Vorinstanz erachtet zwar eine teilweise Zusatzstrafe
von 62 Monaten als angemessen, bestätigt aufgrund des Verschlechterungsverbots
aber lediglich die erstinstanzlich festgesetzte Freiheitsstrafe von 46 Monaten
(E. 1.2). Ihr Vorgehen wirkt sich somit nicht zu Ungunsten des
Beschwerdeführers aus. Die Vorinstanz durfte davon ausgehen, dass der
Beschwerdeführer weder Einsicht noch echte Reue zeigte, indem er während des
laufenden Strafverfahrens nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft erneut
delinquierte. Die Straferhöhung von 7 Monaten liegt im vorinstanzlichen
Ermessensspielraum.

2.4. Die Vorinstanz setzt sich in ihren Erwägungen zur Strafzumessung mit den
wesentlichen schuldrelevanten Komponenten sorgfältig auseinander und würdigt
sämtliche Zumessungsgründe zutreffend. Dass sie sich dabei von rechtlich nicht
massgebenden Gesichtspunkten hätte leiten lassen oder wesentliche
Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich. Die
Erwägungen sind ohne weiteres nachvollziehbar. Die daraus gezogenen Schlüsse
erweisen sich als einleuchtend und ausreichend begründet. Jedenfalls hat die
Vorinstanz mit ihrer Strafzumessung ihr Ermessen nicht verletzt.

2.5. Nicht einzugehen ist bei diesem Ausgang auf die Ausführungen des
Beschwerdeführers zum teilbedingten Vollzug.

3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen. Ausgangsgemäss sind die Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war
(Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers wird mit
reduzierten Gerichtskosten Rechnung getragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: M. Widmer

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben