Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.161/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_161/2015

Urteil vom 8. Juli 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dominik Infanger,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, Sennhofstrasse
17, 7000 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln; rechtliches Gehör, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer,
vom 12. November 2014.

Sachverhalt:

A.

 Das Bezirksgericht Hinterrhein verurteilte X.________ am 21. Januar 2014 wegen
grober und einfacher Verletzung von Verkehrsregeln zu einer bedingten
Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je Fr. 520.-- unter Ansetzung einer Probezeit
von zwei Jahren, zu einer Busse von Fr. 4'500.-- sowie zu den Verfahrenskosten.

B.

 Gegen das Urteil erhob X.________ Berufung. Am 12. November 2014 hiess das
Kantonsgericht von Graubünden die Berufung teilweise gut und sprach X.________
vom Vorwurf der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 35 Abs.
3 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 SVG und der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln im
Sinne von Art. 39 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 Abs. 1 SVG frei. Es erklärte ihn der
groben Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 34 Abs. 2 sowie Art. 35 Abs. 2
und 4 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 SVG für schuldig und bestrafte ihn mit einer
Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je Fr. 520.--, bedingt vollziehbar bei einer
Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Busse von Fr. 4'400.-- und überband ihm 
^9 / 10 der erst- sowie der zweitinstanzlichen Kosten. Es sprach ihm für das
Untersuchungs- und erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung von Fr.
1'879.-- und für das Berufungsverfahren eine solche von Fr. 793.-- zu.
Das Kantonsgericht hält folgenden Sachverhalt für erwiesen:
Auf der A13 von Nufenen Richtung Hinterrhein beschreibt die Strasse am Ende des
Cassanawald-Tunnels eine langgezogene Rechtskurve. Als Höchstgeschwindigkeit
ist 100 km/h angegeben. Die Sicherheitslinie wird nach der erwähnten
Rechtskurve durch eine Leitlinie ersetzt. Später beschreibt die Strasse eine
Linkskurve, verläuft kurze Zeit gerade und mündet in eine unübersichtliche
Rechtskurve, wo die Leitlinie in eine doppelte Sicherheitslinie überführt wird.
Die Distanz zwischen dem Ende der Sicherheitslinie und dem Beginn der doppelten
Sicherheitslinie beträgt rund 260 m, die Sichtdistanz ab dem Ende der
Sicherheitslinie bis in die unübersichtliche Rechtskurve maximal 360 m.
X.________ fuhr am 8. Juli 2011 um 14:55 Uhr mit seinem 4,88 m langen Wagen
hinter einem 16 m langen Sattelschlepper, der mit 60 km/h unterwegs war,
überholte diesen ausgangs des Cassanawald-Tunnels mit einer Geschwindigkeit von
110 km/h, schloss sein Manöver in der unübersichtlichen Rechtskurve ab und
überfuhr dabei die doppelte Sicherheitslinie.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, Ziff. 2, 3, 5, 6
und 7 des Urteils vom 12. November 2014 seien aufzuheben und er sei von Schuld
und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des
Sachverhalts und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um
aufschiebende Wirkung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt, seine Beschwerde gegen die Abweisung der von
ihm beantragten Protokollberichtigung sei von der 2. Strafkammer des
Kantonsgerichts zur Behandlung im Rahmen des pendenten Berufungsverfahrens an
die 1. Strafkammer überwiesen worden. Die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus,
es könne auf die Protokollberichtigung verzichtet werden, weil die betreffende
Aussage des Staatsanwalts nicht entscheidrelevant sei. Sie habe das an sie
überwiesene Verfahren zudem formell nicht abgeschlossen, weil eine
entsprechende Erwähnung im Dispositiv ihres Entscheids gänzlich fehle. Der
Ausgang des Beschwerdeverfahrens wäre bei den Gerichtskosten und der Verlegung
der Parteikosten zu berücksichtigen gewesen.

1.2. Die vom Beschwerdeführer beantragte Protokollberichtigung betrifft
Ausführungen der Staatsanwaltschaft in ihrem replizierenden Plädoyer. Der
Staatsanwalt äusserte sich darin zur Beweiswürdigung, wobei er sich darauf
beschränkte, Aussagen der Polizisten A.________ und B.________ zu würdigen. Die
Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, dass die betreffenden Ausführungen
nicht entscheidrelevant sind, da die Beweiswürdigung dem Gericht obliegt und
die Würdigung der Staatsanwaltschaft für das Gericht nicht bindend ist (vgl.
angefochtenes Urteil S. 37). Zwar geht die Lehre überwiegend davon aus, dass
die Parteivorträge im gerichtlichen Verfahren nach den allgemeinen Grundsätzen
von Art. 76 Abs. 1 StPO zu protokollieren sind (vgl. Niklaus Schmid,
Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu
Art. 76 StPO und N. 1 zu Art. 346 StPO; Max Hauri, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 ff. zu Art. 346 StPO;
Philipp Näpfli, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2.
Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 76 StPO; Gut/Fingerhuth, in: Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 346
StPO). An die Protokollierung einer mündlichen Replik der Staatsanwaltschaft
können aber keine hohen Anforderungen gestellt werden. Nicht zu beanstanden ist
daher, wenn diese im Protokoll der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nur in
den Grundzügen wiedergegeben wird. Auf jeden Fall legt der Beschwerdeführer
weder dar noch ist ersichtlich, inwiefern ihm aus der angeblich ungenügenden
Protokollierung ein Nachteil hätte erwachsen können und weshalb er ein
Interesse an der exakten Wiedergabe der betreffenden Aussage des Staatsanwalts
haben könnte. Die Vorinstanz durfte den Antrag des Beschwerdeführers auf
Protokollberichtigung daher ohne Verletzung von Bundesrecht abweisen. Dass dies
keinen Eingang in das Dispositiv des angefochtenen Entscheids fand, gereichte
dem Beschwerdeführer ebenfalls nicht zum Nachteil. Dieser hat angesichts des
Ausgangs des Beschwerdeverfahrens keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe den
Anklagegrundsatz mehrfach verletzt. Die Anklageschrift enthalte weder
Ausführungen über die Länge seines Fahrzeugs noch über die des
Sattelschleppers. Ebenso fehlten Angaben zum Abstand zwischen dem überholenden
und dem überholten Fahrzeug sowie Angaben zum Überholweg. Die Vorinstanz stelle
zudem zu Unrecht darauf ab, dass Pflanzen die Übersicht eingeschränkt hätten,
obwohl dies in der Anklageschrift nicht erwähnt sei. Sie gehe entgegen der
Anklage demnach davon aus, die frei übersehbare Strecke habe nicht 360 m
betragen und er habe das Überholmanöver nicht am Ende der Sicherheitslinie
begonnen. Dadurch sei das Anklageprinzip verletzt.

2.2. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des
Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs.
2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Das
Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden
(Immutabilitätsprinzip), nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die
Anklagebehörde (vgl. Art. 350 StPO). Die Anklage hat die der beschuldigten
Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu
umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend
konkretisiert sind (Urteil 6B_254/2013 vom 1. Juli 2013 E. 1.2). Das
Akkusationsprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte der
beschuldigten Person und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör
(Informationsfunktion; BGE 140 IV 188 E. 1.3; 133 IV 235 E. 6.2 f.; 126 I 19 E.
2a; je mit Hinweisen). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau
weiss, was ihr konkret vorgeworfen wird, damit sie ihre Verteidigungsrechte
angemessen ausüben kann (Urteil 6B_803/2014 vom 15. Januar 2015 E. 1.3).

2.3. Die Anklageschrift wirft dem Beschwerdeführer u.a. vor, am 8. Juli 2011 um
14:55 Uhr auf der Autostrasse A13 bei Nufenen in Fahrtrichtung Süden nach dem
Cassanawald-Tunnel ein Überholmanöver ausgeführt zu haben, obwohl für ihn bei
Beginn des Manövers wegen der folgenden unübersichtlichen Rechtskurve und der
die Sicht nach vorne zusätzlich einschränkenden Grösse des Sattelschleppers der
notwendige Raum nicht einsehbar gewesen sei und er die Gewissheit, wieder
rechtzeitig auf die Normalspur zurückfahren zu können, nicht gehabt habe. Das
Überholmanöver habe er erst in der unübersichtlichen Rechtskurve abgeschlossen
und dabei die doppelte Sicherheitslinie überfahren. Damit ist der dem
Beschwerdeführer vorgeworfene Sachverhalt genügend präzise umschrieben, sodass
es dem Beschwerdeführer möglich war, seine Verteidigung vorzubereiten. Dazu
bedurfte es in der Anklageschrift keiner detaillierten Angaben und Berechnungen
zur Länge der involvierten Fahrzeuge sowie zu den Abständen vor dem Überholen
und beim Wiedereinbiegen. Der Beschwerdeführer wusste gestützt auf diese
Angaben genügend genau, was ihm vorgeworfen wird. Dass er seine
Verteidigungsrechte in irgendeiner Weise nicht hätte wahrnehmen können, ist
nicht ersichtlich. Die Rüge ist unbegründet.

2.4. Das Urteil der Vorinstanz erwähnt in seiner Begründung die Bepflanzung,
die die Einsicht in die Kurve nach dem sogenannten Wyberstutz ab Ende der
Sicherheitslinie nach dem Cassanawald-Tunnel uneinsehbar mache; dadurch habe
der Beschwerdeführer sein Überholmanöver nicht schon am Ende der
Sicherheitslinie, sondern erst später beginnen können und damit würde sich die
ursprünglich freie und übersichtliche Strecke von 360 m erheblich verkürzen
(angefochtenes Urteil S. 30). Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers
berücksichtigt die Vorinstanz indessen die durch die Pflanzen bewirkte
eingeschränkte Sicht nicht, da sie die Frage, wo der Beschwerdeführer das
Überholmanöver begann, im Ergebnis offenlässt (vgl. angefochtenes Urteil S.
35). Dies wirkt sich zugunsten des Beschwerdeführers aus. Seine Rüge ist
unbehelflich.

2.5. Inwiefern die Vorinstanz den Anklagegrundsatz verletzt haben könnte, weil
sie bezüglich des Abstands des Fahrzeugs des Beschwerdeführers zum
Stattelschlepper zu Beginn des Überholmanövers vom Plädoyer der
Staatsanwaltschaft abgewichen sein soll (vgl. Beschwerde S. 26), ist ebenfalls
nicht ersichtlich. Entscheidend ist die Anklageschrift und nicht, was die
Staatsanwaltschaft später dazu ergänzte.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung und rügt, diese sei willkürlich. Er macht geltend, die
Vorinstanz gehe fälschlicherweise und willkürlich von einem Abstand vor dem
Überholmanöver von 20 m aus, obwohl hierfür keine Beweise vorlägen. Korrekt
wäre das Abstellen auf 10 m gewesen, entsprechend den Angaben seiner Ehefrau,
die 10 bis 15 m ausgesagt habe. Für den Abstand nach dem Überholmanöver fehlten
irgendwelche Beweise. Auch sei die Berechnung des Überholwegs mit 180,1 m
falsch und damit willkürlich. Die Vorinstanz stelle sodann auf die
widersprüchlichen Angaben der Zeugen A.________ und B.________ ab, was
willkürlich sei. Daher sei er in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo"
freizusprechen.

3.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht oder wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1; 137
III 226 E. 4.2; je mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls
vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür
nicht (BGE 139 III 334 E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen). Eine
entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden
(Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 mit Hinweisen).
Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 4.2; 139 II 404 E. 10.1; 137 IV 1
E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in der vom
Beschwerdeführer angerufenen Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren
vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
selbstständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7; 127 I 38 E. 2a; je mit
Hinweisen).

3.3. Die Vorinstanz stellt zunächst Überlegungen zum Überholweg an. Dabei geht
sie davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Überholmanöver mit einem Abstand
von ihm zum Sattelschlepper von 20 m begonnen und mit einem solchen von 41 m
beendet hat. Sie stellt dabei auf die Angaben in den Privatgutachten ab, die im
Auftrag des Beschwerdeführers erstellt worden seien und auf dessen Angaben
zurückgehen würden, sowie auf die Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Für die
Frage, wo der Beschwerdeführer sein Überholmanöver begonnen und vor allem, wo
er dieses zu Ende geführt hat, wägt die Vorinstanz die Aussagen des
Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sowie der weiteren Zeugen und die
Erkenntnisse aus dem Augenschein ab. Sie beurteilt die unterschiedlichen
Aussagen und schält innerhalb der Ungenauigkeiten und Widersprüche in den
einzelnen Zeugenaussagen die übereinstimmenden Aspekte nachvollziehbar und klar
heraus. Letztlich lässt sie die Frage des exakten Überholweges jedoch offen, da
sie auf die übereinstimmenden Aussagen der Polizisten A.________ und B.________
abstellt, die sahen, dass der Beschwerdeführer neben dem Lastwagen in die
unübersichtliche Rechtskurve verschwand, womit er zwangsläufig die
Sicherheitslinie überfahren habe (vgl. angefochtenes Urteil E. 11e in fine S.
30 und S. 33 ff.).

3.4. Der Beschwerdeführer zeigt im Einzelnen nicht auf, inwiefern die
Vorinstanz bei der Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen sei, sondern
beschränkt sich darauf, seine Sicht der Dinge darzulegen und die Widersprüche
in den einzelnen Zeugenaussagen zu betonen. Soweit auf seine Rügen einzutreten
ist, vermag er damit nicht darzutun, dass die Sachverhaltsfeststellung der
Vorinstanz willkürlich sei.

3.5. Die Verletzung der Unschuldsvermutung als Beweislastregel prüft das
Bundesgericht mit freier Kognition. Als Beweislastregel besagt der Grundsatz
"in dubio pro reo", dass es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des
Angeklagten zu beweisen. Der Grundsatz ist verletzt, wenn der Strafrichter
einen Angeklagten (einzig) mit der Begründung verurteilt, er habe seine
Unschuld nicht nachgewiesen (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweis). Dies war
vorliegend entgegen dem Einwand des Beschwerdeführers (vgl. Beschwerde S. 40
f.) nicht der Fall, da die Vorinstanz den Schuldspruch nicht auf den Vorwurf
stützt, dieser habe seine Unschuld nicht nachgewiesen.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer rügt, sein Antrag auf Zeugeneinvernahme des Fahrers
des Sattelschleppers sei zu Unrecht abgewiesen worden. Dieser sei neben seiner
Ehefrau der Einzige, der uneingeschränkte Sicht auf das Geschehen gehabt habe;
als Entlastungszeuge müsse er einvernommen werden. Die Überlegungen der
Vorinstanz, weshalb auf die Zeugenaussagen des Chauffeurs zu verzichten sei und
dessen Aussagen als Auskunftsperson gewichtet werden könnten, überzeugten
nicht. Damit sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

4.2. Das Gericht kann ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs auf die Abnahme
beantragter Beweismittel verzichten, wenn es sich aufgrund der bereits
erhobenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und in vorweggenommener
Beweiswürdigung annehmen darf, dass die zusätzlichen Beweise nichts an seiner
Überzeugung zu ändern vermöchten (Art. 139 Abs. 2 StPO; BGE 136 I 229 E.
5.3).       

4.3. Der Führer des Sattelschleppers wurde in der Schweiz polizeilich und in
der Folge in Italien rechtshilfeweise einvernommen, wobei er den
Beschwerdeführer klarerweise belastete. Die Vorinstanz erklärte die beiden
Einvernahmen aus formellen Gründen für unverwertbar (vgl. angefochtenes Urteil
S. 22 f. und 38), weshalb darauf nicht zuungunsten des Beschwerdeführers
abgestellt werden darf. Dennoch ist nicht ersichtlich, worauf der
Beschwerdeführer seine Behauptung stützt, beim Lastwagenchauffeur könnte es
sich um einen Entlastungszeugen handeln. Die Darstellung des Beschwerdeführers,
der Chauffeur könnte eine andere Kurve bezeichnen als jene, an der ihm das
fragliche Überholmanöver vorgeworfen werde (Beschwerde S. 9 f.), muss als reine
Schutzbehauptung qualifiziert werden. In Anbetracht der übrigen Beweise und der
darauf abgestützten Überzeugung kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden,
sie habe die antizipierte Beweiswürdigung nicht korrekt vorgenommen. Die Rüge
ist daher unbegründet.

4.4. Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, man hätte den Fahrtenschreiber
des Sattelschleppers sicherstellen und auswerten müssen. Die Vorinstanz
begründet, dass dieses Beweisangebot nicht abgenommen worden ist, weil sich
daraus keine verwertbaren Daten für den Ablauf des Überholmanövers ergeben
(angefochtenes Urteil S. 13). Die Überlegungen der Vorinstanz überzeugen. Die
Rüge ist unbegründet.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 35 Abs. 2 SVG. Die
Vorinstanz gehe bei der Berechnung des Überholweges entgegen der Lehre und der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung von einem Sicherheitsabstand von vier
Sekunden aus, da sie nicht nur beim entgegenkommenden, sondern auch beim
überholenden Fahrzeug zwei Sekunden dazurechne.

5.2. Nach Art. 35 Abs. 2 SVG ist Überholen nur gestattet, wenn der nötige Raum
übersichtlich und frei ist und der Gegenverkehr nicht behindert wird. Ferner
darf "im Bereich von unübersichtlichen Kurven" (BGE 109 IV 134 E. 3 S. 136 f.)
gemäss Art. 35 Abs. 4 SVG nicht überholt werden.
Das Überholen - vorab auf Strassen mit Gegenverkehr - gehört zu den
gefährlichsten Fahrmanövern. Ein solches Manöver ist deshalb nur gestattet bzw.
darf nur durchgeführt werden, wenn es nicht überhaupt verboten ist, der nötige
Raum übersichtlich und frei ist und andere Verkehrsteilnehmer nicht behindert
oder gefährdet werden (BGE 129 IV 155 E. 3.2.1 S. 157 f. mit Hinweisen; René
Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I,
Grundlagen, Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, 2002, N. 716 f.). Der
Überholende muss von Anfang an die Gewissheit haben, sein Überholmanöver sicher
und ohne Gefährdung Dritter abschliessen zu können. Nicht nur die für den
Überholvorgang benötigte Strecke muss übersichtlich und frei sein, sondern
zusätzlich jene, die ein entgegenkommendes Fahrzeug bis zu jenem Zeitpunkt
zurücklegt, wo der Überholende die linke Strassenseite freigegeben haben wird (
BGE 121 IV 235 E. 1b S. 237 f. mit Hinweisen). Erkennt der Überholende während
des Überholmanövers, dass er es nicht gefahrlos zu Ende führen kann, so ist er
verpflichtet, das Manöver abzubrechen und sich hinter dem zu Überholenden in
den Verkehr einzufügen (BGE 96 I 766 E. 7 S. 777 f. mit Hinweisen).

5.3. Die Vorinstanz geht gestützt auf die glaubhaften Aussagen der beiden
Polizisten davon aus, der Beschwerdeführer sei bei seinem Überholmanöver auf
der linken Seite der doppelten Sicherheitslinie in die unübersichtliche
Rechtskurve gefahren und habe damit in der unübersichtlichen Rechtskurve
überholt (angefochtenes Urteil S. 38). Dieser missachtete folglich Art. 35 Abs.
2 und 4 SVG, da er das Überholmanöver nicht rechtzeitig abschliessen konnte.
Damit erübrigen sich die Berechnungen des Beschwerdeführers, weil sich die
Frage, ob ein Überholmanöver auf der besagten Strecke unter den gegebenen
Bedingungen rein theoretisch möglich und zulässig gewesen wäre, nicht stellt.
Der vorinstanzliche Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht.

6.

6.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der mündlichen
Eröffnung des Urteils am 12. November 2014 und anschliessend bei der
schriftlichen Mitteilung des Dispositivs vom 13. November 2014 noch eine
Verurteilung wegen Verletzung von Art. 35 Abs. 3 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 SVG
ausgesprochen. Mit der schriftlichen Urteilsbegründung sei er von diesem
Vorwurf freigesprochen worden, ohne dass sich dies auf die Strafe oder die
Kostenfolgen ausgewirkt hätte.

6.2. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten trägt die beschuldigte Person, wenn
sie verurteilt wird (Art. 426 Abs. 1 Satz 1 StPO). Im Rechtsmittelverfahren
tragen die Parteien die Kosten nach Massgabe ihres Obsiegens und Unterliegens
(Art. 428 Abs. 1 Satz 1 StPO). Die Entschädigungsfrage folgt den gleichen
Regeln wie der Kostenentscheid. Es gilt der Grundsatz, dass bei Auferlegung der
Kosten keine Entschädigung oder Genugtuung auszurichten ist, während bei
Übernahme der Kosten durch die Staatskasse die beschuldigte Person Anspruch auf
Entschädigung hat (BGE 137 IV 352 E. 2.4.2 mit Hinweisen).

6.3. Der Beschwerdeführer wurde zweitinstanzlich vom Vorwurf der einfachen
Verkehrsregelverletzung, angeblich dadurch begangen, dass er die
Richtungsänderung nach dem Überholmanöver nicht angezeigt habe, freigesprochen.
In der schriftlichen Urteilsbegründung erfolgte zudem ein Freispruch vom
Vorwurf der Verletzung von Art. 35 Abs. 3 i.V.m. Art. 90 Abs. 2 SVG. Fraglich
ist, ob diesbezüglich ein Freispruch zu ergehen hatte oder ob die Vorinstanz
nicht vielmehr eine abweichende rechtliche Würdigung vornahm, die sich nicht in
einem Freispruch niederzuschlagen hat (siehe etwa Urteil 6B_803/2014 vom 15.
Januar 2015 E. 3.4.2). Die Frage kann jedoch offenbleiben. Vorliegend ist der
Beschwerdeführer vor der Vorinstanz grossmehrheitlich unterlegen; die
Freisprüche betrafen Nebenpunkte. Die Vorinstanz hat die Busse marginal
gesenkt, dem Beschwerdeführer nicht die ganzen, sondern lediglich  ^9 / 10 der
erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten auferlegt und ihm eine reduzierte
Parteientschädigung zugesprochen. Der Beschwerdeführer legt nicht dar,
inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hätte. Auf die Rüge ist mangels
Begründung nicht einzutreten.

7.

 Der Beschwerdeführer ersucht um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Mit dem
Institut der aufschiebenden Wirkung können nur durch das angefochtene Urteil
angeordnete Rechtsfolgen bis zum Entscheid des Bundesgerichts einstweilen
suspendiert werden. Im vorliegenden Strafverfahren kann entgegen dem Antrag des
Beschwerdeführers keine aufschiebende Wirkung in Bezug auf ein allfälliges
Administrativmassnahmeverfahren gewährt werden.

8.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Kosten des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Juli 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben