Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1300/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1300/2015

Urteil vom 27. Juni 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Martin Künzle,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Falsches Zeugnis; Willkür, in dubio pro reo,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 4. November 2015.

Sachverhalt:

A.
X.________ sagte am 18. November 2013 als Zeuge vor der Staatsanwaltschaft
Brugg-Zurzach falsch aus.

B.
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach sprach X.________ mit Strafbefehl vom 16.
Januar 2014 des falschen Zeugnisses und der versuchten Begünstigung schuldig.
Sie bestrafte ihn mit einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten bei
einer Probezeit von vier Jahren sowie mit einer Busse von Fr. 2'500.--.
Auf Einsprache hin sprach die Präsidentin des Bezirksgerichts Brugg X.________
von Schuld und Strafe frei mit der Begründung, die Falschaussage sei nicht
wissentlich und willentlich erfolgt.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach verurteilte das Obergericht
des Kantons Aargau X.________ wegen falschen Zeugnisses. Vom Vorwurf der
versuchten Begünstigung sprach es ihn frei. Das Obergericht auferlegte
X.________ eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 80.-- bei einer
Probezeit von drei Jahren sowie eine Busse von Fr. 500.--.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Obergerichts sei mit Ausnahme des Freispruchs aufzuheben, und er sei von Schuld
und Strafe freizusprechen. Für seine Aufwendungen in den vorinstanzlichen
Verfahren und die erlittene Untersuchungshaft sei er mit mindestens Fr.
12'899.15 zu entschädigen. Zudem ersucht er um aufschiebende Wirkung.

D.
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau haben auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, den Sachverhalt willkürlich
gewürdigt und den Grundsatz "in dubio pro reo" im Sinne von Art. 10 Abs. 3 StPO
verletzt zu haben (Beschwerde S. 13 ff.).

1.1. Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die
Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S.
253 mit Hinweis; vgl. zum Begriff der Willkür BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.;
139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51; je mit Hinweisen).
Inwiefern das Sachgericht den Grundsatz "in dubio pro reo" als
Beweiswürdigungsregel verletzt hat, prüft das Bundesgericht ebenfalls unter dem
Gesichtspunkt der Willkür. Diese aus der Unschuldsvermutung abgeleitete Maxime
wurde wiederholt dargelegt, worauf zu verweisen ist (BGE 127 I 38 E. 2a S. 41
mit Hinweisen).
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen
Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, anderenfalls
darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 141 IV 249 E. 1.3.1 S.
253; 139 I 229 E. 2.2 S. 232; je mit Hinweisen).

1.2. Im Strafverfahren gegen A.________ betreffend Tötungsdelikt zum Nachteil
dessen Ehefrau B.________ wurde der Beschwerdeführer am 18. November 2013 als
Zeuge vor der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach befragt. Schwerpunkte der
Einvernahme waren einerseits die familiären Verhältnisse seines Bruders
A.________ sowie (in einem zweiten Teil der Befragung) die familiären
Verhältnisse des Zeugen persönlich. Im Anschluss an die Zeugeneinvernahme wurde
der Beschwerdeführer wegen Verdachts eines falschen Zeugnisses verhaftet und
drei Tage später vom Zwangsmassnahmengericht auf freien Fuss gesetzt.
Nach den vorinstanzlichen Feststellungen habe der Beschwerdeführer wiederholt
zu Protokoll gegeben, sein Bruder A.________ habe zwei Kinder. Hingegen sei
erstellt, dass A.________ in der Türkei vier Söhne habe. Der Beschwerdeführer
habe die Frage nach der Anzahl Kinder wahrheitswidrig beantwortet. Er habe
gewusst, dass A.________ nicht lediglich zwei Kinder habe (Entscheid S. 5 ff.).
Das Bezirksgericht Brugg äusserte demgegenüber erhebliche Zweifel, dass der
Beschwerdeführer von den jüngeren beiden Söhnen seines Bruders wusste
(erstinstanzlicher Entscheid S. 13 ff.).

1.3. Der Beschwerdeführer stellt sich zusammengefasst auf den Standpunkt, er
habe den subjektiven Tatbestand des falschen Zeugnisses nicht erfüllt. Die
Vorinstanz habe seine Aussagen tendenziös gewürdigt, ihm grundlos eine
Verschleierungsabsicht unterstellt und klar entlastende Momente ausgeblendet.
Die Mehrheit der von der Staatsanwältin gestellten Fragen habe in keinem
erkennbaren Zusammenhang mit dem gegen A.________ geführten Strafverfahren
gestanden. Dass man ihn eingehend zum Beziehungsstatus und der Anzahl Kinder
seines Bruders befragt habe, habe ihn deshalb verständlicherweise irritiert. Er
habe insgesamt zehn Geschwister, pflege zu ihnen einen nur sehr sporadischen
Kontakt und lebe seit mehr als 21 Jahren in der Schweiz. Im Rahmen der gegen
A.________ geführten Strafuntersuchung seien mehrere seiner Geschwister und
Verwandten befragt worden. Auch zwei weitere Brüder sowie ein Cousin hätten
nicht gewusst, dass A.________ vier Kinder habe respektive mit C.________
verheiratet gewesen sei. Diesen Umstand blende die Vorinstanz ebenso aus wie
die Aussagen einer weiteren Zeugin, wonach A.________ nach ihrem Wissen nur
zwei Söhne habe. Mit diesem entlastenden Indiz habe sich die Vorinstanz in
keiner Weise auseinandergesetzt, obgleich es von der ersten Instanz zu seinen
Gunsten gewürdigt worden sei. Er müsse seine Unschuld nicht beweisen. Der
Schuldspruch der Vorinstanz basiere auf Vermutungen anstatt auf Fakten
(Beschwerde S. 13 ff.).

1.4. Vorinstanzliches Beweisfundament sind die Aussagen des Beschwerdeführers
anlässlich der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme vom 18. November 2013 und
der erstinstanzlichen Hauptverhandlung. In Bezug auf die
staatsanwaltschaftliche Einvernahme würdigt die Vorinstanz die erste Antwort
des Beschwerdeführers zur Frage, ob sein Bruder Kinder habe (Untersuchungsakten
pag. 119), ob dieser noch mit C.________ nach Brauch verheiratet sei
(sogenannte "Imam-Ehe"; Untersuchungsakten pag. 120 f.) und ob sein Bruder mehr
als zwei Kinder haben könnte, von denen der Beschwerdeführer nichts wisse
(Untersuchungsakten pag. 123). Die Vorinstanz gelangt zur Überzeugung, der
Beschwerdeführer habe bereits zu Beginn der Befragung eine ablehnende Haltung
an den Tag gelegt und die Frage nach einer allfälligen Scheidung ebenfalls vage
und ausweichend beantwortet. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb der
Beschwerdeführer nichts von allfälligen Kindern hätte wissen können, die sein
Bruder mit einer anderen Frau als C.________ gezeugt habe. Insgesamt mute das
Aussageverhalten des Beschwerdeführers vor der Staatsanwaltschaft seltsam an.
Es lege "die Vermutung nahe, dass er bezüglich der familiären Verhältnisse
seines Bruders etwas zu verheimlichen versuchte resp. darum bemüht war, seinen
Bruder zu decken".

1.5.

1.5.1. Verfahrensgegenstand war ein im Jahre 2013 begangenes Tötungsdelikt in
Brugg zum Nachteil von B.________. Der Beschwerdeführer wurde als Zeuge
vorgeladen und schwergewichtig zur Ehesituation seines Bruders mit C.________
und zur Anzahl Kinder befragt. Aus dieser Ehe sind 1996, 1999, 2004 und 2009
vier Kinder hervorgegangen. Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach verfügte
spätestens einen Monat vor der Einvernahme des Beschwerdeführers über die Namen
und Geburtsdaten dieser vier Kinder (Entscheid S. 13; vgl. auch
Untersuchungsakten pag. 110 ff.). Weitere Fragen betrafen eine frühere Ehe von
A.________, welche bereits im Jahre 2007 aufgelöst und im Jahre 2009
rechtskräftig als Scheinehe qualifiziert worden war. Wenige Fragen betrafen
schliesslich die Beziehung des Beschuldigten zum Opfer. Die zweite Hälfte der
Befragung drehte sich um die eigene aufgelöste Ehe des Zeugen, was das
A.________ vorgeworfene Tötungsdelikt nicht im Ansatz tangierte.
Die Vorinstanz erkennt bereits in der ersten protokollierten Antwort zur Frage
der Kinder wie auch in den Aussagen betreffend die Ehe mit C.________ eine
ablehnende und ausweichende Haltung des Beschwerdeführers. Diese Würdigung
erscheint unter Willkürgesichtspunkten gerade noch vertretbar. Gleichwohl
bleibt anzufügen, dass der Beschwerdeführer in der nämlichen Einvernahme über
20 weitere Fragen betreffend die Kinder seines Bruders beantwortete, was das
ihm vorgeworfene ablehnende Verhalten zumindest relativiert. Zudem war er nach
seiner Darstellung und mit einer gewissen Berechtigung über den Gegenstand der
Befragung irritiert. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft die Glaubwürdigkeit des
Zeugen prüfen wollte (vgl. Art. 177 Abs. 2 StPO), konfrontierte sie ihn mit
einer Vielzahl von Fragen, die in keinem Zusammenhang zum Tötungsdelikt
standen. Der Beschwerdeführer bringt im Übrigen mangelnde Sprachkenntnisse vor,
die nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind (die
staatsanwaltschaftliche Befragung vom 18. November 2013 erfolgte ohne Beizug
eines Dolmetschers, dies im Gegensatz zu sämtlichen folgenden Einvernahmen
durch die Staatsanwaltschaft, das Zwangsmassnahmengericht und die erste
Instanz).
Hingegen kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, es sei nicht
nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer nichts von allfälligen Kindern
hätte wissen können, die sein Bruder mit einer anderen Frau als C.________
gezeugt hätte. Der Beschwerdeführer hat mit der fraglichen Aussage
offensichtlich die Möglichkeit thematisiert respektive nicht ausgeschlossen,
dass sein Bruder weitere Kinder hat, von denen er (der Beschwerdeführer) keine
Kenntnis hat. Es kann nicht gesagt werden, eine solche Aussage sei nicht
nachvollziehbar (vgl. auch den erstinstanzlichen Entscheid S. 16).

1.5.2. Insgesamt weisen die Aussagen des Beschwerdeführers vom 18. November
2013 nicht nach, dass er von den vier in der Türkei lebenden Kindern seines
Bruders mit C.________ Kenntnis hatte. Diesen Schluss zieht auch die Vorinstanz
nicht. Sie hegt einzig die blosse  Vermutung, dass der Beschwerdeführer
"bezüglich der familiären Verhältnisse seines Bruders etwas zu verheimlichen
versuchte [...]". In einem nächsten Schritt würdigt die Vorinstanz die Aussagen
des Beschwerdeführers vor Schranken. Dieser hielt anlässlich der
erstinstanzlichen Hauptverhandlung Folgendes fest: "Als Ibrahim in die CH kam,
hatte er zwei Kinder. Weil ich mit ihm wenig Kontakt hatte und mit ihm nicht
viel in dieser Beziehung über das geredet hatte, wusste ich nur von zwei
Kindern. Man hat nicht über das gesprochen. Ich habe dann mit einem anderen,
jüngeren Bruder in der Türkei geredet, als das mit dem Bruder Ibrahim
passierte. Als Ibrahim festgenommen wurde, habe ich mit dem jüngeren Bruder in
die Türkei telefoniert. Dann habe ich von ihm erfahren, dass Ibrahim vier
Kinder hat" (vorinstanzliche Akten pag. 19). Da B.________ am 23. Juli 2013
getötet und A.________ kurz danach festgenommen worden sei, habe der
Beschwerdeführer laut Vorinstanz spätestens "um diesen Zeitpunkt" von allen
vier Kindern seines Bruders gewusst. Deshalb bestünden keine Zweifel, dass der
Beschwerdeführer bereits anlässlich der Einvernahme vom 18. November 2013
Kenntnis der fraglichen Umstände gehabt habe. Diese Schlussfolgerung ist nicht
haltbar. Der Beschwerdeführer räumte zwar ein, er habe nach der Verhaftung
seines Bruders mit dem jüngeren Bruder in der Türkei telefoniert. Der Zeitpunkt
des fraglichen Telefongesprächs wurde jedoch von ihm nicht genannt und von der
ersten Instanz nicht näher erfragt. Der Zeitpunkt des Telefongesprächs ist aus
Sicht der Vorinstanz - da diese gestützt auf die staatsanwaltschaftliche
Befragung ein vage umschriebenes Verheimlichen vermutet - eigentlicher
Angelpunkt. Die Feststellung, dass das Telefongespräch nicht nur nach der
Verhaftung, sondern vor der fraglichen Befragung stattfand, geht nicht über
eine blosse Hypothese hinaus. Sie wird nicht näher begründet, lässt sich auf
kein Beweisfundament stellen und ist damit unhaltbar. Es kann deshalb
offenbleiben, ob der Beschwerdeführer wie von ihm vorgebracht anlässlich der
erstinstanzlichen Hauptverhandlung nicht auf die Verhaftung seines Bruders,
sondern auf die eigene Verhaftung im Anschluss an die fragliche Einvernahme vom
18. November 2013 Bezug nahm.

1.5.3. Am 30. Oktober 2013 wurde D.________, die Schwiegertochter der getöteten
B.________, als Zeugin von der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach zum
Tötungsdelikt befragt. Aus dem Protokoll der dreistündigen Befragung geht
unschwer hervor, dass die Zeugin zu ihrer Schwiegermutter ein gutes und nahes
Verhältnis hatte, sehr viele Details über deren Leben und die Beziehung zu
A.________ kannte, im Laufe der Zeit zur eigentlichen Ansprechsperson wurde und
ihr in schwierigen Zeiten beistand. Aufgrund eines Vorfalls wegen häuslicher
Gewalt gab das Opfer die Telefonnummer seiner Schwiegertochter bei der Polizei
an und wohnte zwei Monate bei ihr. Auf die Frage der Staatsanwältin, die Zeugin
wisse fast mehr über B.________ als die Kinder des Opfers, führte die Zeugin
aus: "Ja, das ist so. Bei E.________ weiss ich es nicht genau. Sicher bei
F.________. B.________ hat mir immer sehr viel anvertraut. Von Problemen. Ich
habe auch nachgefragt, auch in Bezug auf die Vergangenheit von ihm." Es kann
deshalb ohne Weiteres gesagt werden, dass die Zeugin und ihre Schwiegermutter
ein enges Verhältnis hatten und diese sich ihrer Schwiegertochter anvertraute
(vgl. Untersuchungsakten pag. 157 ff.).
In der Einvernahme gab die Zeugin an, A.________ habe zwei Söhne und B.________
habe die Kinder ein- oder zweimal in der Türkei getroffen (Untersuchungsakten
pag. 162 und 171). Diese Aussage ist bemerkenswert. Sie lässt - soweit die
Zeugin nicht bewusst falsch aussagte, wofür keine Hinweise erkennbar sind - nur
zwei Schlussfolgerungen zu. B.________ wusste nur von zwei Kindern ihres
Ehemannes und lernte diese in der Türkei kennen, obwohl ihr Ehemann zur
besagten Zeit aus der "Imam-Ehe" bereits vier Kinder hatte. Damit wurde sie von
A.________ über die anderen zwei Kinder im Dunkeln gelassen. Oder aber
B.________ kannte die wahren Verhältnisse und spiegelte ihrer Schwiegertochter
in diesem Punkt etwas vor. Die zweitgenannte Variante drängt sich aufgrund der
Beziehung zwischen Opfer und Zeugin nicht auf. Zudem heirateten A.________ und
B.________ laut Zeugin im Jahre 2009, während das jüngste Kind aus der
"Imam-Ehe" im Januar 2009 zur Welt kam. Es musste deshalb für das Opfer
einerlei gewesen sein, ob sein Ehemann aus einer früheren Ehe zwei oder vier
Kinder hatte.
Der Beschwerdeführer bringt deshalb zutreffend vor, er werde durch die Aussagen
der Zeugin entlastet. Indem sich die Vorinstanz damit nicht auseinandersetze,
verletze sie den Grundsatz "in dubio pro reo". Die Rüge ist begründet. Die
Sachdarstellung des Beschwerdeführers erfährt durch die Zeugenaussagen von
D.________ eine gewichtige Unterstützung. Die erste Instanz hielt dazu fest,
auch die Zeugin D.________ habe nur von zwei Söhnen gewusst, was für die
Darstellung des Beschwerdeführers spreche (erstinstanzlicher Entscheid S. 16).
Die Vorinstanz setzt sich mit dem entlastenden Beweismittel in ihrer
Beweiswürdigung nicht auseinander. Die erste Instanz hat das besagte
Beweismittel zu Gunsten des Beschwerdeführers gewürdigt und ihn vom Tatvorwurf
freigesprochen. Deshalb ist es umso unverständlicher und im Ergebnis nicht
haltbar, dass die Zeugenaussagen im vorinstanzlichen Entscheid mit keinem Wort
erwähnt und in der Beweiswürdigung letztendlich unterschlagen werden.

1.5.4. Die Befragung des Beschwerdeführers vom 18. November 2013 begründet nach
Einschätzung der Vorinstanz die blosse Vermutung, der Beschwerdeführer habe in
Bezug auf die familiären Verhältnisse von A.________ etwas zu verheimlichen
versucht. Diese Mutmassung lässt sich gestützt auf das vom Beschwerdeführer
erwähnte Telefongespräch mit einem jüngeren Bruder nicht zum Tatvorwurf
erhärten (E. 1.5.1 und 1.5.2). Es ist zudem unhaltbar, die entlastenden
Zeugenaussagen unberücksichtigt zu lassen (E. 1.5.3). Die vorinstanzliche
Beweiswürdigung ist im Ergebnis willkürlich und verletzt den Grundsatz "in
dubio pro reo". Andere Beweismittel werden von der Vorinstanz nicht genannt.
Das Bezirksgericht würdigte weitere Beweismittel (insbesondere zusätzliche
Befragungen des Beschwerdeführers), welche ebenso wenig rechtsgenügende
Hinweise für Täterschaft und Schuld zu liefern vermochten. Es ist deshalb davon
abzusehen, die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird den Beschwerdeführer von Schuld und Strafe
freizusprechen haben.
Damit erübrigt es sich, die weiteren Rügen des Beschwerdeführers näher zu
prüfen.

2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und
die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit dem
Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 4. November 2015 wird aufgehoben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juni 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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