Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1154/2015
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_1154/2015

Urteil vom 28. Juni 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Raban Funk,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafbefehl, Nichteintreten auf Einsprache,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom
18. September 2015.

Sachverhalt:

A.
Am 26. November 2013 erliess die Staatsanwaltschaft Luzern gegen X.________
einen Strafbefehl wegen Veruntreuung sowie Nichtabgabe der entzogenen
Kontrollschilder und des Fahrzeugausweises trotz behördlicher Aufforderung. Sie
bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 30.--
und einer Busse von Fr. 900.--. X.________ nahm den Strafbefehl am 29. November
2013 in Empfang. Am 6. Dezember 2013 liess er durch seinen Verteidiger bei der
Staatsanwaltschaft per Telefax Einsprache gegen den Strafbefehl erheben.

B.
Am 10. März 2014 stellte die Staatsanwaltschaft Luzern die Ungültigkeit der
Einsprache infolge fehlender Schriftlichkeit sowie die Rechtskraft des
Strafbefehls fest. Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das
Kantonsgericht Luzern mit Beschluss vom 6. Juni 2014 ab.
Da die Staatsanwaltschaft nicht befugt war, über die Gültigkeit der Einsprache
zu befinden, hiess das Bundesgericht die von X.________ gegen den Beschluss des
Kantonsgerichts Luzern vom 6. Juni 2014 geführte Beschwerde am 16. Dezember
2014 gut, hob den Beschluss auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurück (Verfahren 6B_756/2014).
Mit Beschluss vom 28. Juli 2015 erklärte das Kriminalgericht Luzern die
Einsprache für ung ültig. Dagegen führte X.________ Beschwerde beim
Kantonsgericht Luzern. Dieses wies seine Beschwerde am 18. September 2015 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des
Kantonsgerichts Luzern vom 18. September 2015 sei aufzuheben und auf die
Einsprache vom 6. Dezember 2013 gegen den Strafbefehl vom 26. November 2013
einzutreten.

Erwägungen:

1.

1.1. Nach Art. 354 Abs. 1 StPO kann die beschuldigte Person bei der
Staatsanwaltschaft gegen einen Strafbefehl innert 10 Tagen schriftlich
Einsprache erheben. Wo das Gesetz Schriftlichkeit explizit vorsieht, ist die
Eingabe gemäss Art. 110 Abs. 1 Satz 2 StPO zu unterzeichnen und zu datieren
(HAFNER/FISCHER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2.
Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 110 StPO; vgl. NIKLAUS SCHMID, Schweizerische
Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 f. zu Art. 110 StPO;
YASMINA BENDANI, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011,
N. 3 und N. 6 ff. zu Art. 110 StPO). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts muss die Unterschrift eigenhändig auf dem Schriftdokument
angebracht werden, weshalb bei Eingaben, die der Schriftform bedürfen, die
Einreichung per Telefax zur Fristwahrung nicht genügt (BGE 121 II 252 E. 3 f.;
Urteile 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.2; 2C_531/2015 vom 18. Juni 2015
E. 2.1; 1B_160/2013 vom 17. Mai 2013 E. 2.1; je mit Hinweisen). In der Lehre
wird vereinzelt Kritik an dieser Rechtsprechung geübt (vgl. LAURENT MERZ, in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 35 zu Art. 42 BGG).
Sendungen per E-Mail, Fax oder SMS (jedenfalls ohne elektronische Signatur im
Sinne von Art. 110 Abs. 2 StPO) ziehen diverse Unsicherheiten - insbesondere
betreffend die Identifizierung des Absenders, die Verifizierung der
Unterschrift und die Feststellung des Zeitpunktes des Empfangs - nach sich, die
bei eingeschriebener Post, elektronischer Eingabe nach Art. 110 Abs. 2 StPO
oder mündlicher Erklärung zu Protokoll wegfallen (Urteil 1B_304/2013 vom 27.
September 2013 E. 2.4). Aufgrund dessen sowie der expliziten Erwähnung des
Schriftlichkeitserfordernisses in Art. 354 Abs. 1 StPO, sprechen gute Gründe
dafür, die geltende Rechtsprechung auch auf die Einsprache gegen den
Strafbefehl anzuwenden (bejahend CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2.
Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 354 StPO; a.M. NIKLAUS SCHMID, a.a.O., N. 2 zu Art.
354 StPO; DERSELBE, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl.
2013, N. 650; dieser vertritt die Auffassung, dass bei der Einsprache gegen
einen Strafbefehl auch Fax oder E-Mail das Schriftlichkeitserfordernis
erfüllen). Die Faxeingabe vom 6. Dezember 2013 genügt damit dem gesetzlichen
Formerfordernis nicht.

1.2. Der Beschwerdeführer beanstandet die Rechtsmittelbelehrung und macht
geltend, dem Strafbefehl sei lediglich zu entnehmen, dass die Einsprache
schriftlich zu erheben sei. Dass die Schriftlichkeit nicht gewahrt sei, sofern
die Einsprache per Telefax erfolge, werde nicht erwähnt. Da er sich im
Zeitpunkt der Zustellung des Strafbefehls in Deutschland in Haft befunden habe,
hätte er zudem explizit auf Art. 91 Abs. 2 StPO respektive die Möglichkeit, die
Einsprache der Anstaltsleitung zu übergeben, hingewiesen werden müssen.

1.2.1. Eine Rechtsmittelbelehrung hat grundsätzlich das Rechtsmittel, die
Rechtsmittelinstanz sowie die Rechtsmittelfrist zu bezeichnen (DANIELA
BRÜSCHWEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch/
Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 81 StPO mit Hinweis;
vgl. Urteile 1A.178/2005 vom 20. September 2005 E. 2.2; 9C_755/2013 vom 11.
Juli 2014 E. 1). Bezogen auf die Einsprache gegen den Strafbefehl ist Art. 353
Abs. 1 lit. i StPO einschlägig. Die Bestimmung sieht vor, dass der Strafbefehl
einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einsprache und die Folgen einer
unterbliebenen Einsprache enthalten muss.

1.2.2. Im Strafbefehl vom 26. November 2013 wird in Punkt 2 der Erläuterungen
darauf hingewiesen, dass bei der Staatsanwaltschaft innert 10 Tagen Einsprache
gegen den Strafbefehl erhoben werden kann. Punkt 4 erwähnt das
Schriftlichkeitserfordernis. Schliesslich wird auf die Folgen der
unterbliebenen Einsprache hingewiesen. Der Strafbefehl vom 26. November 2013
gibt die strafprozessualen Bestimmungen betreffend die Einsprache korrekt
wieder. Inwiefern diese Hinweise die gesetzlichen Erfordernisse nicht erfüllen
oder unvollständig sein sollen, ist nicht ersichtlich. Nach der gängigen
Rechtsprechung kann von einem anwaltlichen Vertreter verlangt werden, dass
dieser über Kenntnisse verfügt, die es ihm ermöglichen, die massgebenden
Gesetzesbestimmungen ausfindig zu machen und gegebenenfalls auszulegen. Dass
Rechtsordnungen anderer Staaten die Anforderungen an die Schriftlichkeit anders
auslegen und den Telefax genügen lassen, ändert daran nichts. Wer wie im
vorliegenden Fall als Rechtsanwalt in der Schweiz auftritt, ist gehalten, die
schweizerische Rechtsordnung inklusive der gängigen Rechtsprechung zu kennen.
Somit waren weitergehende Erläuterungen zum Schriftlichkeitserfordernis nicht
erforderlich. Gleiches gilt hinsichtlich der Rüge des Beschwerdeführers, der
Strafbefehl enthalte keinen Hinweis auf Art. 91 Abs. 2 StPO. Sein Vertreter
hätte die entsprechende Bestimmung ohne weiteres ausfindig machen können (vgl.
BGE 138 I 49 E. 8.3.2; 135 III 374 E. 1.2.2.1 f., welche allerdings eine
falsche Rechtsmittelbelehrung betrafen; je mit Hinweisen).

1.3. Weiter ist der Beschwerdeführer der Ansicht, die Staatsanwaltschaft sei
verpflichtet gewesen, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass es eine postalische
Eingabe brauche. Eine persönliche Übergabe der Einspracheschrift bei der
schweizerischen Botschaft in Berlin hätte nach entsprechendem Hinweis der
Staatsanwaltschaft noch rechtzeitig, d.h. vor Ablauf der Einsprachefrist am 9.
Dezember 2013, vorgenommen werden können. Andernfalls hätte ihm gestützt auf
Art. 385 Abs. 2 StPO eine kurze Nachfrist eingeräumt werden müssen. Das
Verhalten der Staatsanwaltschaft verstosse gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben respektive gegen das Verbot des überspitzten Formalismus.

1.3.1. Diesbezüglich erwägt die Vorinstanz, bei professionellen
Rechtsvertretern sei davon auszugehen, dass sie die formellen Verfahrensregeln
kennen. Ob eine Hinweispflicht seitens der Behörde nur bei rechtsunkundigen,
nicht anwaltlich vertretenen Prozessparteien oder auch bei anwaltlich
vertretenen Parteien bestehe, sei unklar. Die ständige Praxis des
Bundesgerichts zu falschen Rechtsmittelbelehrungen lasse allerdings erkennen,
dass bei anwaltlich vertretenen Parteien das Gebot von Treu und Glauben und der
Grundsatz des Vertrauensschutzes weniger weit reiche als bei Rechtsunkundigen.
Die Differenzierung sei aufgrund der erhöhten Sachkenntnisse eines
Rechtsanwalts sachlich gerechtfertigt. Deshalb könne den Strafbehörden keine
aus dem Verbot des überspitzten Formalismus sowie dem Grundsatz von Treu und
Glauben fliessende Pflicht auferlegt werden, eine Partei, die durch einen
professionellen Rechtsanwalt vertreten werde, auf Formfehler hinzuweisen. Dies
gelte auch, wenn in Deutschland eine Einsprache per Telefax gültig sei. Die
Vornahme fristgerechter und rechtswahrender Prozesshandlungen sei eine zentrale
Pflicht professioneller Rechtsvertreter, die auch von ausländischen
Verteidigern erwartet werden könne. Da der Verteidiger des Beschwerdeführers
wissen müsse, dass er in einer für ihn fremden Rechtsordnung prozessiere, habe
er als professioneller Rechtsvertreter nicht unbesehen davon ausgehen dürfen,
dass in der Schweiz dieselben Verfahrensregeln gelten wie in Deutschland.
Vielmehr hätte er die einschlägigen Gesetzesbestimmungen sowie die
diesbezügliche Rechtsprechung und Literatur heranziehen müssen. Schliesslich
wäre der Mangel ohnehin nicht innert Frist behebbar gewesen. Der
Beschwerdeführer habe den Fax am Freitag, 6. Dezember 2013, um 18.26 Uhr
versandt. Es sei davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft am Montag, 9.
Dezember 2013, Kenntnis davon erhalten habe. Da dies der letzte Tag der Frist
gewesen sei, hätte sie den Beschwerdeführer auf dem ordentlichen Schriftweg
nicht mehr rechtzeitig informieren können. Der Beschwerdeführer habe somit die
Folgen der prozessualen Nachlässigkeit seines Anwalts selber zu tragen.

1.3.2. Art. 29 Abs. 1 BV verbietet überspitzten Formalismus als besondere Form
der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose
Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich
gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener
Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und
den Rechtssuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im
Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und
rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen
Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit
Art. 29 Abs. 1 BV im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben,
wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen
Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die
Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder
verhindert. Im Strafprozessrecht ergibt sich das Verbot des überspitzten
Formalismus aus Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO, wonach die Strafbehörden
namentlich den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verbot des
Rechtsmissbrauchs zu beachten haben (Urteil 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015
E. 2.4.2 mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen).

1.3.3. Aus dem Verbot des überspitzten Formalismus und der daraus entwickelten
Rechtsprechung kann der Beschwerdeführer indessen nichts zu seinen Gunsten
ableiten. Allein die strikte Anwendung der Formvorschriften stellt keinen
überspitzten Formalismus dar (Urteil 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2.1 mit
Hinweis). Dass es sich bei der Einsprache gegen einen Strafbefehl nicht um ein
Rechtsmittel im formellen Sinn, sondern um einen Rechtsbehelf handelt, ändert
daran nichts. Wenn das Gesetz Schriftlichkeit vorschreibt, sind Eingaben zu
datieren und zu unterzeichnen. Diesem Erfordernis wird ein Telefax, welcher
nicht die Originalunterschrift, sondern lediglich eine Kopie derer enthält,
nicht gerecht (BGE 112 Ia 173 E. 1; Urteil 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E.
2.2; je mit Hinweisen). Die bereits in E. 1.1 erwähnten Unsicherheiten bei
Eingaben mittels E-Mail, Fax oder SMS stellen einen sachlichen Grund für das
Formerfordernis dar, weshalb dessen strikte Anwendung nicht gegen das Verbot
des überspitzten Formalismus verstösst.

1.3.4. Bezüglich der Hinweispflicht respektive der Pflicht der Behörde, bei
Vorliegen eines sofort erkennbaren Formfehlers eine Nachfrist anzusetzen,
äusserte sich das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Entscheid (Urteil
6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015, zur Publikation vorgesehen). Dieser betraf
den Fall einer nicht gültig unterzeichneten Berufungserklärung. Gemäss dem
Entscheid ist die Behörde verpflichtet, die Partei auf den Mangel aufmerksam zu
machen und dessen Verbesserung zu verlangen, wenn bei einer
Rechtsmittelerklärung ein sofort erkennbarer Formfehler, wie das Fehlen einer
gültigen Unterschrift, festgestellt wird. Gegebenenfalls ist eine kurze, über
die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige
Unterzeichnung anzusetzen. Ein Anspruch auf eine Nachfrist besteht allerdings
nur bei unfreiwilligen Unterlassungen (Urteil 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015
E. 2.4.3 ff. mit Hinweisen, zur Publikation vorgesehen). Von fachkundigen
Personen, insbesondere Rechtsanwälten, kann erwartet werden, dass sie
Rechtsmittel formgerecht einreichen. Ihnen gegenüber wird eine
Nachfristansetzung regelmässig nur bei Versehen oder unverschuldetem Hindernis
in Frage kommen (ZIEGLER/KELLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische
Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 385 StPO). Ausgenommen von der
Nachfristansetzung sind Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Auf einen
solchen Missbrauch läuft es etwa hinaus, wenn ein Anwalt eine bewusst
mangelhafte Rechtsschrift einreicht, um sich damit eine Nachfrist für die
Begründung zu erwirken (Urteil 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015 E. 2.4.7 mit
Hinweisen, zur Publikation vorgesehen).

1.3.5. Vorliegend kann weder von einem Versehen noch von einem unverschuldeten
Hindernis gesprochen werden. Vielmehr hat sich der Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers nicht über die geltenden gesetzlichen Regelungen und die
gängige Rechtsprechung informiert. Anders als im Fall 6B_218/2015, wo die
Eingabe formgerecht eingereicht wurde, fälschlicherweise jedoch die
Kanzleimitarbeiterin anstatt des bevollmächtigten Anwalts unterzeichnet hatte,
liegt vorliegend kein Mangel vor, welcher sich wie das versehentliche Fehlen
der Unterschrift noch hätte beheben lassen. Die Faxeingabe als solche genügt
den Anforderungen an die Schriftlichkeit nicht, sodass der Beschwerdeführer die
Einsprache, die von Gesetzes wegen schriftlich erfolgen muss, nicht einfach
verbessern konnte, sondern in anderer Form hätte einreichen müssen (vgl. dazu
HAFNER/FISCHER, a.a.O., N. 11 zu Art. 110 StPO mit Hinweisen; CHRISTIAN
SCHWARZENEGGER, a.a.O., N. 6 zu Art. 354 StPO, geht davon aus, die
Staatsanwaltschaft müsse den Rechtssuchenden auf den Formmangel hinweisen. Er
differenziert nicht zwischen anwaltlich vertretenen Personen und Laien. Weiter
verweist er auf einen Entscheid des Bundesstrafgerichts [Urteil des
Bundesstrafgerichts BB.2013.27 vom 13. August 2013 E. 3.3], worin die Frage der
Differenzierung allerdings explizit offengelassen wird; a.M. LAURENT MERZ,
a.a.O., N. 35 zu Art. 42 BGG, wonach insbesondere bei ausländischen Anwälten
eine Hinweispflicht bestehen soll). Ob der Beschwerdeführer die Einsprache
tatsächlich noch am gleichen Tag innerhalb der Bürozeiten der schweizerischen
Botschaft in Berlin hätte übergeben können, ist unerheblich. Aufgrund der
klaren Rechtslage und der Verpflichtung des sorgfältig handelnden Anwalts, sich
über die geltenden Formvorschriften zu informieren, kann aus dem
Vertrauensgrundsatz respektive Verbot des überspitzten Formalismus vorliegend
keine Pflicht der Staatsanwaltschaft abgeleitet werden, den Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers darauf hinzuweisen, dass er mit seiner Einsprache per Telefax
das Schriftlichkeitserfordernis nicht erfüllt.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, ihm sei bis heute kein Akteneinsichtsrecht
gewährt worden. Allerdings legt er nicht dar, inwieweit die Feststellung der
Vorinstanz unrichtig sein könnte, wonach nicht ersichtlich sei, dass er mittels
der Akteneinsicht Tatsachen überprüfen möchte, die für das vorliegende
Verfahren von Belang sind. Auf den Einwand kann mangels ausreichender
Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) nicht eingetreten werden.

3.
Der Beschwerdeführer beanstandet weiter, er habe sich bei Erlass des
Strafbefehls in Untersuchungshaft in Deutschland befunden. Gestützt auf Art.
130 Abs. 1 StPO wäre ihm umgehend ein amtlicher Verteidiger zu bestellen
gewesen. Nebst der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht aufgrund des
vorliegenden Strafverfahrens in Untersuchungshaft sass und somit Art. 130 Abs.
1 StPO von vornherein nicht zur Anwendung gelangt, bildet dieser Punkt nicht
Gegenstand des vorinstanzlichen Beschlusses, weshalb auf den Einwand mangels
Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzugs (Art. 80 Abs. 1 BGG) nicht
einzutreten ist.

4.
Die Beschwerde ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 und 2 sowie Art. 106 Abs. 2
BGG). Die Begründung muss in der Beschwerde selbst enthalten sein, Verweise auf
andere Rechtsschriften oder auf die Akten reichen nicht aus (BGE 140 III 115 E.
2; 138 IV 47 E. 2.8.1; je mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer am Ende
seiner Eingabe in allgemeiner Weise auf seine Ausführungen im kantonalen
Verfahren verweist, ist er nicht zu hören.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Juni 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben