Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.102/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_102/2015

Urteil vom 24. Juni 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Peter D. Deutsch,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Bedingte Entlassung (Art. 86 Abs. 1 StGB),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 11. Dezember 2014.

Sachverhalt:

A. 
X.________ wurde am 30. November 2005 vom Obersten Gerichtshof Tasmaniens
(Launceston Supreme Court, Australien) wegen sexueller Handlungen mit jungen
Personen unter 17 Jahren zu einer Freiheitsstrafe von 12 1/2 Jahren verurteilt.

Das Kreisgericht IV Aarwangen-Wangen erklärte am 29. Oktober 2009 das
Strafurteil für vollstreckbar. Das Strafende fällt auf den 2. März 2018.

B. 
X.________ hatte am 2. Januar 2014 zwei Drittel seiner Freiheitsstrafe
verbüsst.

Die Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Amts für Freiheitsentzug und
Betreuung des Kantons Bern (ASMV) wies am 7. Februar 2014 sein Gesuch um
bedingte Entlassung ab.

Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (POM) wies am 15. Juli 2014
die gegen die Verfügung des ASMV eingereichte Beschwerde ab.

Das Obergericht des Kantons Bern wies am 11. Dezember 2014 die gegen den
Entscheid der POM erhobene Beschwerde ab.

C. 
X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, den obergerichtlichen
Beschluss aufzuheben und ihn aus der Haft zu entlassen. Eventuell sei die Sache
zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den vorinstanzlichen Beschluss ist die Beschwerde in Strafsachen
zulässig (Art. 78 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 80 BGG).

1.2. Beschwerdegegenstand ist der angefochtene Beschluss (Art. 80 Abs. 1 BGG).
Eine allfällige Umwandlung der Strafe in eine stationäre Massnahme war
ausdrücklich nicht Verfahrensgegenstand (Beschluss S. 10; ferner unten E. 3.9).
Entsprechend hat das Bundesgericht eine solche Eventualität auch nicht
vorfrageweise zu beurteilen (Dr. A.________ erachtet im nachfolgend erwähnten
Gutachten S. 77 eine Eingangsvoraussetzung zur Anordnung einer stationären
Massnahme nach Art. 59 StGB als nicht gegeben).

1.3. Der Beschwerdeführer legt ein von Dr. A.________ zuhanden des ASMV
(Gutachtensauftrag vom 22. Oktober 2014) erstelltes forensisch-psychiatrisches
Gutachten vom 31. Januar 2015 der Beschwerde bei. Nach Auffassung des
Beschwerdeführers spricht das Gutachten für eine möglichst umgehende bedingte
Entlassung (Schreiben vom 12. Februar 2015).

Das Gutachten wurde nach dem angefochtenen Beschluss fertig gestellt. Gemäss
Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (BGE
139 III 120 E. 3.1.2; 133 IV 342 E. 2). Deshalb sind etwa nach dem
letztinstanzlichen Urteilszeitpunkt erstellte Arztberichte im
bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren unbeachtlich (Urteil 6B_645/2008 vom 3.
Februar 2009 E. 1).

Die Frage kann hier offen bleiben. Es handelt sich um ein aktuelles
forensisches Gutachten zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage. Auch unter den
Gesichtspunkten des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs erscheint eine
Bezugnahme auf dieses aktuelle Gutachten insoweit unproblematisch.

2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz stelle offensichtlich
unrichtig fest, "er hätte sexuelle Handlungen gegen seinen Sohn während neun
Jahren begangen, während das Urteil die erste Straftat auf das Alter 9/10 des
Sohnes datiert" (Beschwerde S. 3).

2.1. An der zitierten Stelle des Beschlusses (S. 5, zweiter Abs.) führt die
Vorinstanz aus, der Oberste Gerichtshof sei davon ausgegangen, dass der
Beschwerdeführer "sowohl an seiner Tochter als auch an seinem Sohn sexuelle
Handlungen beging, als diese zwischen 5 und 14 Jahre alt waren". Die Handlungen
reichten von Berührungen bis zu Oral-, Vaginal- und Analverkehr. Teilweise
erfolgten die Übergriffe unter Schlägen mit einem Gürtel.

In der Übersetzung im Gutachten 2015 wird das Urteil des Obersten Gerichtshofs
dahingehend zitiert, dass es bei der Tochter zu sexuellen Handlungen kam, als
sie fünf Jahre alt war, und beim Sohn, als er ungefähr neun oder zehn Jahre alt
war (a.a.O., S. 7 und 10).

2.2. Die Vorinstanz stellt nicht fest, der Beschwerdeführer habe "während neun
Jahren" sexuelle Handlungen gegen seinen Sohn begangen. Ihre pauschale
Feststellung ist jedoch unpräzise und damit unzutreffend. Sie macht diese
Angabe bei ihren Ausführungen zum Vorleben und kommt in der Folge nicht darauf
zurück. Hingegen begannen die sexuellen Übergriffe gegenüber der Tochter
tatsächlich mit fünf Jahren. Aus dem vorinstanzlichen Versehen lässt sich somit
für die zu beurteilende Rechtsfrage der bedingten Entlassung nichts zu Gunsten
des Beschwerdeführers ableiten.

3. 
Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln
der Strafe bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug
rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder
Vergehen begehen.

3.1. Anders als unter früherem Recht (aArt. 38 Ziff. 1 StGB) ist gemäss Art. 86
Abs. 1 StGB nicht positiv verlangt, es müsse erwartet werden können, der Täter
werde sich in Freiheit bewähren, sondern negativ, dass zu erwarten ist, er
werde in Freiheit keine Verbrechen oder Vergehen mehr begehen. Deshalb ist
davon auszugehen, dass die bedingte Entlassung die Regel und deren Verweigerung
die Ausnahme ist (BGE 133 IV 201 E. 2.2).

Weil das Zweidrittelserfordernis erfüllt ist, hängt eine bedingte Entlassung
einzig davon ab, ob dem Beschwerdeführer eine günstige Prognose gestellt werden
kann und ob sein Verhalten im Strafvollzug die bedingte Entlassung rechtfertigt
(BGE 133 IV 201 E. 3.2).

3.2. Die bedingte Entlassung stellt die Regel und die Verweigerung die Ausnahme
dar. In dieser vierten und letzten Stufe des Strafvollzugs soll der Entlassene
den Umgang mit der Freiheit erlernen. Diesem spezialpräventiven Zweck stehen
die Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit gegenüber, welchen umso höheres Gewicht
beizumessen ist, je hochwertiger die gefährdeten Rechtsgüter sind. Die Prognose
über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen,
welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters
während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten,
seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden
Lebensverhältnisse berücksichtigt (BGE 133 IV 201 E. 2.3). Im Sinne einer
Differenzialprognose sind zudem die Vor- und Nachteile der Vollverbüssung der
Strafe denjenigen einer Aussetzung eines Strafrestes gegenüber zu stellen (BGE
124 IV 193 E. 4a und E. 5b/bb S. 202; Urteil 6B_1164/2013 vom 14. April 2014 E.
1.9).

Beim Entscheid über die bedingte Entlassung greift das Bundesgericht in die
Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn die Vorinstanz ihr Ermessen
über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (
BGE 133 IV 201 E. 2.3 S. 204).

3.3. Das Vorleben ist in der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer thematisierte vor der Vorinstanz seine "seinerzeitige
Suchtmittelabhängigkeit", wozu die Vorinstanz anmerkt, dass er die sexuellen
Übergriffe nach eigenen Angaben mehrere Jahre später beging. Das Suchtverhalten
lasse deshalb keine Rückschlüsse auf die Legalprognose zu (Beschluss S. 5). Die
Vorinstanz wirft ihm somit eine Suchtmittelabhängigkeit nicht vor.

Die Vorinstanz hält zum Vorleben ferner (oben E. 2.1) fest, der
Beschwerdeführer habe den Haushalt der Familie (mit vier Kindern) nach extremen
religiösen Grundsätzen geführt. Die Kinder durften nie die Schule besuchen, da
er die Schule als böse betrachtete. Er unterrichte sie zu Hause und führte ein
barbarisches System der Disziplin. Zehn Schläge mit dem Gürtel auf den Hintern
waren an der Tagesordnung.

Die "klar negative" vorinstanzliche Bewertung des Vorlebens erweist sich
entgegen der Beschwerde nicht als bundesrechtswidrig. Der Beschwerdeführer
macht geltend, das Vorleben sei "vorab unter dem Gesichtspunkt früherer
Straffälligkeit zu prüfen" ( CORNELIA KOLLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht,
Band I, 3. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 86 StGB). Diese Autorin vertritt indessen
zutreffend die Ansicht, dass die begangenen Straftaten zu berücksichtigen sind,
wenn sich daraus (prognoserelevante) Rückschlüsse auf die Tatbegehung ergeben,
wie die im "Verhalten sich ausdrückende Rücksichts- und Gewissenlosigkeit und
das Fehlen aller moralischen Hemmungen" (BGE 105 IV 167 E. 3).

Die Vorinstanz hält gleichzeitig fest, dass sie die positiven Veränderungen des
sonstigen Verhaltens "nachfolgend" beurteilt. Das "übrige deliktische und
sonstige Verhalten" wertet sie in der Folge positiv (Beschluss S. 5 bzw. 8).

3.4. Betreffend die Täterpersönlichkeit bezeichnet der Beschwerdeführer es als
erstaunlich, dass die "kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61.0) " bis
heute nicht geklärt wurde.

Die Vorinstanz bezieht sich auf das Gutachten von Dr. B.________ vom 30. Mai
2011. Nach diesem Gutachten liegt sehr wahrscheinlich eine kombinierte
Persönlichkeitsstörung mit histrionischen, paranoiden und narzisstischen
Anteilen vor. Aufgrund der Anamnese sei keine sexuelle Präferenzstörung im
Sinne einer pädosexuellen Orientierung anzunehmen (Beschluss S. 6).

Das aktuelle Gutachten 2015 (oben E. 1.3) kommt zum Ergebnis, dass von einer
kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, paranoiden und
zwanghaften Anteilen (ICD-10: F61) auszugehen ist. Die von der Vorgutachterin
beschriebenen histrionischen Merkmale überlappten sich ohnehin deutlich mit den
narzisstischen Kriterien [...] (a.a.O., S. 65 und 73). Eine Pädophilie-Diagnose
sei nicht stellbar, jedoch lasse sich eine pädosexuelle Ansprechbarkeit
beschreiben (a.a.O., S. 66 und 74). Die Diagnosen unterschieden sich kaum vom
Vorgutachten (a.a.O., S. 73).

Der Einwand mangelnder Abklärung ist unbegründet.

3.5. Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz werte das Alter und
die Begehung der Straftaten einzig in der Familie nicht positiv. Wie ausgeführt
(oben E. 3.4), ist nicht von einer eigentlichen Pädosexualität auszugehen.
Zumindest eine "pädosexuelle Ansprechbarkeit" lässt sich aufgrund der
langjährigen massivsten sexuellen Übergriffe auf zwei seiner Kinder (Beschluss
S. 5) nicht in Frage stellen. Andernfalls müsste die sexuelle Devianz
strafrechtlich als Sadismus qualifiziert werden. Das wird indessen im Gutachten
2015 relativiert, wenn es ausführt, die von der KoFaKo vermuteten sadistischen
Merkmale fänden sich insbesondere in Tatsequenzen gemäss Urteilsvariante, doch
nicht zeitstabil, weshalb auf eine separate diagnostische Kategorie verzichtet
werde (a.a.O., S. 65 und 73, vgl. S. 68: "nicht um Gefallen und Freude an dem
Leiden der Kinder zu finden"). "Die Kinder waren verfügbar ohne weitere
Aufsicht im für ihn attraktiven Alter bei unzureichend gelebter
Erwachsenensexualität" (a.a.O., S. 68).

Die Täterpersönlichkeit lässt sich entgegen der Beschwerde (S. 5) nicht als
neutral werten. Die Vorinstanz stuft trotz einer positiven Entwicklung dieses
Kriterium zutreffend als ungünstig ein. Obwohl der Beschwerdeführer seine
Einstellung im Rahmen der Therapie nach und nach etwas ändern konnte, scheinen
glaubhafte Einsicht und aufrichtige Reue bis heute nicht vorhanden zu sein. Die
Verhaltensmuster seien beim 60-Jährigen tief verankert. Es ist auf die
ausführliche Begründung im Beschluss S. 5 ff. zu verweisen.

3.6. Wie der Beschwerdeführer vorbringt, wertet die Vorinstanz die zu
erwartenden Lebensverhältnisse leicht positiv. Er wirft ihr vor, sie
unterschlage die grosse Bedeutung von therapeutischen Fortschritten in
Freiheit; es sei geradezu unverantwortlich, ihn bis zum Strafende in Haft zu
lassen.

Die Vorinstanz erwägt nicht, "ihn bis zum Strafende in Haft zu lassen", sondern
beurteilt es als fraglich, ob bei einer bedingten Entlassung zum jetzigen
Zeitpunkt Bewährungshilfe und eine ambulante Therapie ausreichen würden, um
Rückfälle in alte Verhaltensmuster frühzeitig zu erkennen, aufzufangen und die
damit einhergehenden deliktrelevanten Auswirkungen zu verhindern (Beschluss S.
9).

Mit dieser vorinstanzlichen Würdigung übereinstimmend wird im Gutachten 2015
ausgeführt, der Behandlungsverlauf könne nicht als befriedigend bezeichnet
werden. Angesichts der über 2 1/2-jährigen Behandlungsdauer könnten kaum
relevante Fortschritte erkannt werden. Nach dem aktuellem Therapeuten stehe die
eigentliche Deliktarbeit noch an, weshalb der wesentliche Teil einer
rückfallpräventiven Therapie noch nicht behandelt wurde. Auch auf Basis der
Tatvariante gemäss Angaben des Beschwerdeführers sei noch keine detaillierte
Analyse durchgeführt oder ein individuelles Rückfallmanagement erstellt worden.
"Dies zu erarbeiten wird aus gutachterlicher Sicht als Voraussetzung für eine
bedingte Entlassung angesehen" (a.a.O., S. 75).
Das ASMV übermittelte mit Schreiben vom 24. Februar 2015 (vgl. oben E. 1.3) dem
Bundesgericht eine präzisierende Stellungnahme des Gutachters Dr. A.________
vom 21. Februar 2015, in welchem dieser im Einklang mit seinem Gutachten
festhält: "Erst nach Verbesserung des deliktpräventiven Wissens (Kenntnis von
Risikosituationen, Warnsignale auf kognitiver, emotionaler und körperlicher
Ebene, rückfallbegünstigende Parameter, detailliertes Verständnis zur
Entwicklung der damaligen Delikte (zumindest der eingestandenen Varianten) und
zu aufrechterhaltenden Faktoren etc.) sollte ein Wechsel in ein Wohn- oder
Arbeitsexternat und bei jeweiliger Bewährung dann auch die bedingte Entlassung
erfolgen."

Die Ausführungen des vom Beschwerdeführer ins Recht gelegten Gutachtens 2015
stützen somit die vorinstanzliche Beurteilung (vgl. auch unten E. 3.8).

3.7. Die Vorinstanz stellt in ihrer Gesamtwürdigung trotz der leicht positiven
Bewertung des übrigen Verhaltens und der zu erwartenden Lebensverhältnisse
angesichts der beiden erheblich negativ ins Gewicht fallenden Kriterien des
Vorlebens und der Persönlichkeit eine ungünstige Legalprognose. Sie misst dem
Schutzbedürfnis der Allgemeinheit angesichts der gefährdeten Rechtsgüter,
nämlich der auch sexuell gesunden Entwicklung von Kindern, mit Recht ein umso
grösseres Gewicht bei (oben E. 3.2). Die fehlende Tataufarbeitung ist
prognoserelevant. Ohne Tataufarbeitung und Einsicht (oben E. 3.5, unten E. 3.8)
ist eine Verhaltensänderung grundsätzlich nicht zu erwarten (vgl. dazu Urteile
6B_715/2014 vom 27. Januar 2015 E. 8.5, 6B_375/2011 vom 19. Juli 2011 E. 3.3
[Rückfallgefahr nach Sexualverbrechen im familiären Rahmen mit Stiefkind] sowie
6B_912/2010 vom 26. November 2010 E. 3 [wonach der Einsicht zentrale Bedeutung
zukommt]).

3.8. Die Vorinstanz setzt sich ausführlich mit der Differenzialprognose
auseinander (Beschluss S. 10 ff.). Sie weist darauf hin, dass jede
Vollzugslockerung im Sinne von Art. 75a Abs. 2 StGB einen sorgfältigen
(stufenweisen) Übergang in die Freiheit bezweckt. Der Beschwerdeführer werde
erst seit Oktober 2011 psychotherapeutisch behandelt. Dem Therapiebericht vom
11. Juli 2012 und dem aktuellsten Therapieverlaufsbericht vom 11. September
2014 liessen sich positive Entwicklungen entnehmen. Eine detaillierte
Aufarbeitung der am Delikt beteiligten Risikofaktoren mit der Erarbeitung von
Risikomanagement-Strategien stehe allerdings noch aus (zur entscheidenden
Bedeutung der Therapiearbeit auch Urteil 6B_93/2015 vom 19. Mai 2015 E. 5.6).

3.9. Die Vorinstanz merkt abschliessend an, die Bereitschaft, sich auf die
Therapie einzulassen, würde sich positiv auf das Kriterium der
Täterpersönlichkeit auswirken und die Chance erhöhen, dass dem Beschwerdeführer
künftig eine günstige Legalprognose gestellt und er vorzeitig bedingt entlassen
werden könnte.

3.10. Eine Verletzung von Art. 86 Abs. 1 StGB ist zu verneinen.

4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen. Eine Mittellosigkeit
lässt sich bejahen. Die Beschwerde ist jedoch als aussichtslos (Art. 29 Abs. 3
BV; Art. 64 Abs. 1 BGG) zu bezeichnen (vgl. BGE 138 III 217 E. 2.2.4; 129 I 129
E. 2.3.1). Dies musste sich dem Beschwerdeführer gerade auch aufgrund des von
ihm ins Recht gelegten Gutachtens 2015 aufdrängen, das in den
entscheidwesentlichen Punkten die vorinstanzliche Beurteilung in schon fast
wortidentischen Ausführungen stützt. Ist von einer Bedürftigkeit auszugehen,
setzt das Bundesgericht die Gerichtskosten herab (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65
Abs. 2 BGG). Das ist hier der Fall.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juni 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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