Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Revision 5F.9/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5F_9/2015

Urteil vom 26. November 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Jonas Stüssi,
Gesuchstellerin,

gegen

A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Schatz,
Gesuchsgegner,

Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Kindes- und Erwachsenenschutz.

Gegenstand
Revision der bundesgerichtlichen Verfügung 5A_302/2015 vom 3. Juli 2015.

Sachverhalt:

A. 

A.a. Das Familiengericht U.________ ordnete für E.A.________ (geb. 1918) eine
Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung im Sinne von
Art. 394 f. ZGB an und entzog ihr diesbezüglich die Handlungsfähigkeit. Die
Führung der Beistandschaft übertrug es unter näherer Bezeichnung der jeweiligen
Aufgabenbereiche an C.________, Enkelin der Betroffenen, sowie an die
Berufsbeiständin D.________, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) des
Bezirks U.________ (Entscheid vom 18. Juni 2014). Auf Beschwerde einer Tochter
der Betroffenen, B.________, hin hob das Obergericht des Kantons Aargau den
angefochtenen Entscheid am 23. Februar 2015 auf. Es wies die Sache zur neuen
Beurteilung an das Familiengericht zurück; dieses habe ein ärztliches Gutachten
einzuholen und gestützt darauf neu zu entscheiden. Für die Betroffene bestellte
das Obergericht Rechtsanwältin F.________ als amtliche Vertreterin im
Beschwerdeverfahren.

A.b. Am 10. April 2015 führte A.A.________, Sohn der Betroffenen, Beschwerde in
Zivilsachen gegen das obergerichtliche Urteil. Er wandte sich einerseits gegen
die vorinstanzlich bestellte Verfahrensvertretung und anderseits gegen die
Rückweisung an die erste Instanz. Nachdem E.A.________ am 31. Mai 2015
verstorben war, schrieb das Bundesgericht das Verfahren mit Verfügung 5A_302/
2015 vom 3. Juli 2015 als gegenstandslos geworden ab (Dispositiv-Ziff. 1). Es
erhob keine Gerichtskosten (Dispositiv-Ziff. 2). Gestützt auf eine summarische,
nicht abschliessende Beurteilung des mutmasslichen Verfahrensausgangs (E. 3)
verpflichtete das Bundesgericht B.________, an A.A.________ eine
Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu
bezahlen (Dispositiv-Ziff. 3).

B. 
Am 14. September 2015 reichte B.________ (Gesuchstellerin) dem Bundesgericht
ein Gesuch um Revision der Abschreibungsverfügung vom 3. Juli 2015 ein. Sie
beantragt, es sei deren Dispositiv-Ziff. 3, eventuell auch Ziff. 1, aufzuheben
und A.A.________ (Gesuchsgegner) zu verpflichten, ihr für das
bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr.
3'000.-- zuzüglich Mehrwertsteuer zu bezahlen. Eventuell seien keine
Parteientschädigungen zuzusprechen. In prozessualer Hinsicht ersucht sie um
Verzicht auf die Erhebung eines Gerichtskostenvorschusses sowie um
aufschiebende Wirkung des Gesuchs.
Nach Anhörung der Gegenpartei und der Verfahrensbeteiligten hat das
Bundesgericht dem Revisionsgesuch antragsgemäss aufschiebende Wirkung
zuerkannt, was die Vollstreckbarkeit von Dispositiv-Ziff. 3 der
bundesgerichtlichen Verfügung 5A_302/2015 angeht (Verfügung vom 9. Oktober
2015). Mit Schreiben vom gleichen Tag teilte der Rechtsvertreter der
Gesuchstellerin dem Bundesgericht mit, der Rechtsvertreter des Gesuchsgegners
habe die strittige Parteientschädigung in Betreibung gesetzt.
In der Sache holte das Bundesgericht keine Vernehmlassungen ein.

Erwägungen:

1. 

1.1. Ein Revisionsgesuch (nur) hinsichtlich der Kosten- und
Entschädigungsregelung ist zulässig, wenn sich der angerufene Revisionsgrund
direkt darauf bezieht (BGE 111 Ia 154 E. 2 S. 155; Urteil 4C.305/2004 vom 8.
November 2004 E. 1).

1.2. Die Revision eines Bundesgerichtsurteils kann unter anderem verlangt
werden, wenn das Bundesgericht die Dispositionsmaxime verletzt (Art. 121 lit. b
BGG) oder in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht
berücksichtigt hat (Art. 121 lit. d BGG). Diese Revisionsgründe betreffen eine
"Verletzung anderer Verfahrensvorschriften" im Sinne von Art. 124 Abs. 1 lit. b
BGG, für deren Geltendmachung das Revisionsgesuch binnen dreissig Tagen nach
Eröffnung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids beim Bundesgericht
eingereicht werden muss (Urteil 5F_8/2015 vom 31. August 2015 E. 1 mit
Hinweis). Unter Berücksichtigung der Vorschriften über den Fristenstillstand
(Art. 46 Abs. 1 lit. b BGG) hat die Gesuchstellerin diese Frist gewahrt.

2. 
Das Revisionsgesuch richtet sich gegen die in der Abschreibungsverfügung vom 3.
Juli 2015 zugesprochene Parteientschädigung an den dortigen Beschwerdeführer
und jetzigen Gesuchsgegner. Dieses Rechtsverhältnis tangiert die übrigen
Verfahrensbeteiligten nicht, zumal dem Kostenentscheid bloss eine summarische
Beurteilung des mutmasslichen Prozessausgangs, nicht aber ein abschliessender
Sachentscheid zugrundeliegt. Das Gesuch der für die Verstorbene handelnden
Rechtsanwältin um Ansetzung einer "Frist zur Stellungnahme betreffend das
materielle Rechtsbegehren der Revision vom 14. September 2015" ist daher
gegenstandslos. Die Personen, welche sich neben den Parteien am abgeschriebenen
bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren beteiligt haben (Berufsbeiständin
D.________, C.________ und Rechtsanwältin F.________ für E.A.________ sel.),
erhalten den vorliegenden Revisionsentscheid zur Kenntnisnahme im Dispositiv.

3. 
Um die Kostenfolgen des abgeschriebenen Verfahrens festlegen zu können, musste
das Bundesgericht anhand einer summarischen Beurteilung den mutmasslichen
Verfahrensausgang bestimmen, ohne dabei unter Verursachung weiterer Umtriebe
die Prozessaussichten im Einzelnen zu prüfen (BGE 125 V 373 E. 2a S. 374;
Verfügung 5A_302/2015 E. 1). Der Beschwerdeführer (nunmehr Gesuchsgegner) hatte
die Notwendigkeit der vorinstanzlich angeordneten ärztlichen Begutachtung
bestritten. Dazu hielt das Bundesgericht fest, es sei in der Tat nicht
ersichtlich, welche Punkte noch gutachtlich abzuklären gewesen wären (E. 3.1.2
der Verfügung vom 3. Juli 2015). Des Weitern habe die Beschwerde auch
hinsichtlich der Verfahrensvertretung (sinngemäss nach Art. 449a ZGB) gewisse
Aussichten auf Erfolg gehabt. Die Betroffene sei diesbezüglich urteils- und
damit handlungs  unfähig gewesen, als ihr die Vorinstanz Gelegenheit "zur
Bezeichnungeines selbst gewählten geeigneten Vertreters" gegeben habe (E.
3.1.3). Eine summarische Beurteilung beider Streitfragen zeige, dass die
Erfolgsaussichten der Beschwerde gut gewesen seien. Insoweit habe der
Beschwerdeführer Anspruch auf eine Parteientschädigung zu Lasten der
Beschwerdegegnerin. Nachdem aber kein abschliessender Entscheid in der Sache
vorliege, mithin offen bleiben müsse, wie der Rechtsstreit nach einer
umfassenden materiellen Beurteilung ausgegangen wäre, könne nur eine
herabgesetzte Entschädigung zugesprochen werden (E. 3.2).

4. 

4.1. Die Gesuchstellerin vertritt die Rechtsauffassung, das Bundesgericht hätte
ihr vor Erlass des Abschreibungsentscheids Gelegenheit zur Beschwerdeantwort
geben müssen (vgl. Art. 71 BGG in Verbindung mit Art. 72 BZP, Art. 29 Abs. 2
BV). Sie beantragt den Verzicht auf einen Kostenvorschuss, weil sie sich
zumindest im Revisionsverfahren zur Entschädigungsfestsetzung frei äussern
können müsse, ohne dafür kostenpflichtig zu werden.

4.2. Das Bundesgericht hat darauf verzichtet, vor der Verfahrensabschreibung
eine Vernehmlassung zur Entschädigungsfrage resp. zum mutmasslichen Ausgang des
Verfahrens in der Sache einzuholen. Die Frage, ob der mutmassliche Ausgang
allein anhand des Verfahrensstandes bei Eintritt des Abschreibungsgrundes zu
beurteilen ist, das heisst danach keine Verfahrensweiterungen mehr angezeigt
sind, oder aber ob die Durchführung eines Schriftenwechsels auch noch in der
spezifischen Verfahrenssituation geboten war, muss an dieser Stelle nicht
geklärt werden. Denn ein derartiger Verfahrensfehler wäre nicht
revisionsrelevant (vgl. die abschliessende Aufzählung der Revisionsgründe in
Art. 121 ff. BGG); er könnte im vorliegenden Verfahren somit auch nicht im
Hinblick auf die beantragte Kostenbefreiung eine Rolle spielen. Damit erweist
sich dieses Begehren der Gesuchstellerin als unbegründet.

5. 

5.1. Die Gesuchstellerin stützt das Revisionsbegehren zunächst auf die Annahme,
das Bundesgericht habe übersehen, dass nicht sie die Einsetzung von
Rechtsanwältin F.________ als Verfahrensvertretung der zu Verbeiständenden im
Berufungsverfahren verlangt habe (vgl. Art. 121 lit. d BGG). Somit dürfe ihr
unter diesem Titel auch keine Entschädigungspflicht auferlegt werden. Zu den in
den Akten liegenden Tatsachen gehören auch Rechtsschriften und deren Inhalt
(Urteil 5F_5/2014 vom 26. März 2014 E. 2.1 mit Hinweisen). Das geltend gemachte
Versehen liegt indessen nicht vor; es spielt keine Rolle, wer die Person der
Rechtsbeiständin ins Spiel gebracht hat. Die summarische Beurteilung des
Bundesgerichts hat sich auf die Frage bezogen, ob die zu Verbeiständende, wie
von der Vorinstanz angenommen, überhaupt noch in der Lage war, für sich selber
eine Vertretung zu bestellen (vgl. oben E. 3). Die Gesuchstellerin (und
Beschwerdegegnerin im abgeschriebenen Verfahren) macht nicht geltend, dass sie
sich dem betreffenden Antrag des Beschwerdeführers anschliesse. Anders als
dieser vertritt sie denn auch nach wie vor die Auffassung, E.A.________ hätte
in dieser Frage als urteilsfähig angesehen werden müssen (Ziff. 41 des
Revisionsgesuchs).

5.2. Des Weitern macht die Gesuchstellerin geltend, auf das Rechtsbegehren des
Gesuchsgegners im Rückweisungspunkt wäre "zufolge Unbestimmtheit und
Unmöglichkeit der Gutheissung" gar nicht einzutreten gewesen (Ziff. 44 des
Gesuchs). Wenn der Gesuchsgegner als Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen
Verfahren um eine Aufhebung der einschlägigen Dispositiv-Ziffern des
obergerichtlichen Urteils und (sinngemäss) um eine Bestätigung der
erstinstanzlichen Anordnungen ersuchte, so ergab sich daraus und aus der
dazugehörenden Beschwerdebegründung ein Beschwerdewille dahin, dass eine aus
Sicht des Beschwerdeführers sinnlose Rückweisung zu verhindern sei. Dessen
Anträge vor Bundesgericht waren mithin rechtsgültig. Eine Verletzung der
Dispositionsmaxime (Art. 121 lit. b BGG) fällt ausser Betracht.

5.3. 

5.3.1. Im Zusammenhang mit der obergerichtlichen Rückweisung vertritt die
Gesuchstellerin die Auffassung, der Gesuchsgegner hätte sich nur mit der Rüge
einer  willkürlichen Beweiswürdigung (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) gegen die
vorinstanzliche Feststellung wenden können, die im Recht liegenden ärztlichen
Atteste seien unzureichend und eine unabhängige Begutachtung sei unerlässlich.
Tatsächlich aber ist die Frage, welchen Anforderungen die Abklärung eines
geistigen Schwächezustandes (Art. 390 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) unterliegt,
rechtlicher Natur (vgl. z.B. BGE 140 III 97). Unter Vorbehalt der
Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) wendet das
Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Somit besteht
kein Raum zur Annahme, in der Verfügung vom 3. Juli 2015 sei aus Versehen
unberücksichtigt geblieben (Art. 121 lit. d BGG), dass der Gesuchsgegner in
seiner Beschwerde keine qualifizierten Rügen (im Sinne von Art. 97 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 III 350 E. 1.3 S. 351)
vorgebracht habe.

5.3.2. In materieller Hinsicht macht die Gesuchstellerin geltend, das
Bundesgericht habe im Zusammenhang mit seinen Erwägungen betreffend die
Dokumentierung einer Demenz übersehen, dass der hiefür mit massgebliche
gerontopsychiatrische Bericht der Klinik V.________ vom 3. September 2014 von
C.________, einer Enkelin der Betroffenen und de facto Gegenpartei der
Gesuchstellerin, in Auftrag gegeben worden sei. Dem Bericht komme daher
höchstens der Beweiswert einer bestrittenen Parteibehauptung zu. Dieses
Vorbringen betrifft in der Substanz eine tatsachenbezogene und auch rechtliche
Würdigung; eine solche verschafft keinen Anspruch auf Revision (BGE 122 II 17
E. 3 S. 18; Urteil 5F_5/2014 vom 26. März 2014 E. 2.1). Ebensowenig kann die
Gesuchstellerin revisionsrechtlich etwas aus dem Umstand ableiten, dass die
Betroffene in den Zeitpunkten der fachärztlichen Begutachtung und der
fachrichterlichen Befragung vom 24. November 2014 allenfalls unter starkem
Medikamenteneinfluss gestanden habe. Weder macht die Gesuchstellerin geltend
noch ist sonstwie ersichtlich, dass das Bundesgericht Aktenbelege übersehen
hätte, wonach die Gutachter der Klinik V.________ die Medikation nicht gekannt
und deren allfällige Auswirkungen mit den Folgen der Demenz verwechselt haben
könnten.

6. 
Nach dem Gesagten ist das Revisionsgesuch in allen Teilen unbegründet, soweit
darauf eingetreten werden kann. Die Gesuchstellerin trägt deshalb die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG), einschliesslich der Kosten für das
Zwischenverfahren betreffend aufschiebende Wirkung (vgl. die Verfügung des
Präsidenten vom 9. Oktober 2015). Dem Gesuchsgegner und den
Verfahrensbeteiligten ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden
(vgl. Art. 127 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Gesuchstellerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für
Kindes- und Erwachsenenschutz, dem Bezirksgericht U.________, Familiengericht,
D.________ (nur Dispositiv), C.________ (nur Dispositiv) sowie Rechtsanwältin
F.________ (nur Dispositiv) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. November 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Traub

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