Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Revision 5F.6/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5F_6/2015

Urteil vom 22. Mai 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Sandor Horvath,
Gesuchstellerin,

gegen

A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jost Schumacher,
Gesuchsgegner,

C.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul von Moos,
D.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Paul von Moos.

Gegenstand
Revision des bundesgerichtlichen Urteils 5A_51/2015 vom 25. März 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.A.________ (geb. 1971) und B.________ (geb. 1976) haben die drei gemeinsamen
Kinder E.A.________ (geb. 1999), C.A.________ (geb. 2001) und D.A.________
(geb. 2004).
Mit Scheidungsurteil vom 19. Juni 2013 brachte das Bezirksgericht U.________
(Ungarn) den Sohn E.A.________ beim Vater und die beiden Töchter bei der Mutter
unter. Mit Berufungsurteil vom 17. Oktober 2013 teilte der Gerichtshof
Székesfehérvár die Obsorge über die beiden Töchter dem Vater zu; es
verpflichtete die Mutter, diese innerhalb von 15 Tagen an den Vater zu
übergeben.
Bereits am 4. September 2013 hatte die Mutter die Töchter C.A.________ und
D.A.________ ohne Zustimmung des Vaters in die Schweiz verbracht.
Am 31. Januar 2014 stellte der Vater in Ungarn einen Antrag auf Anerkennung und
Vollstreckung des Entscheides des Gerichtshofes Székesfehérvár. Mit Gesuch vom
14. Mai 2014 verlangte er beim Kantonsgericht Luzern die Anerkennung und
Vollstreckung des genannten Urteils, die Wiederherstellung seines Sorgerechtes
über die Kinder C.A.________ und D.A.________, die Rückgabe der beiden Kinder
sowie die Sicherstellung der Rückgabe für den Fall der Bewilligung der
Vollstreckung.
Mit Entscheid vom 29. Dezember 2014 wies das Kantonsgericht Luzern das Gesuch
ab.

B. 
In dahingehender Gutheissung der Beschwerde des Vaters vom 20. Januar 2015
anerkannte das Bundesgericht mit Urteil 5A_51/2015 vom 25. März 2015 das Urteil
des Gerichtshofes Székesfehérvár vom 17. Oktober 2013 und erklärte es für
vollstreckbar, unter Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht Luzern für die
Organisation und den Vollzug der Rückführung von C.A.________ und D.A.________.
Mit Entscheid vom 30. April 2015 regelte das Kantonsgericht Luzern die
Rückführung von C.A.________ und D.A.________ nach Ungarn.

C. 
Gegen das bundesgerichtliche Urteil 5A_51/2015 hat die Mutter am 24. April 2015
ein Revisionsgesuch eingereicht mit den Begehren um dessen Aufhebung und
Abweisung der Beschwerde des Vaters vom 20. Januar 2015 bzw. Bestätigung des
Entscheides des Kantonsgerichts Luzern vom 29. Dezember 2014, um Aufschiebung
des Vollzuges des Urteils 5A_51/2015 und Anweisung des Kantonsgerichts, einen
allfälligen zwischenzeitlichen Vollstreckungsentscheid aufzuheben.

 Mit Verfügung vom 27. April 2015 wurde angeordnet, dass bis zum Entscheid über
das Gesuch um aufschiebende Wirkung alle Vollzugsvorkehrungen zu unterbleiben
haben.

 Mit Schreiben vom 29. April 2015 reichte der Kindesvertreter seine Eingabe vom
10. April 2015 an das Kantonsgericht Luzern betreffend Rückführungsmodalitäten
und Haltung der Kinder zu den Akten, unter Verzicht auf eine weitergehende
Stellungnahme.

 Mit Stellungnahme vom 5. Mai 2015 stellte der Vater die Begehren, auf das
Revisionsgesuch sei nicht einzutreten, eventualiter sei es abzuweisen und
subeventualiter sei die Sache umgehend zu entscheiden, unter Bestätigung des
Urteils 5A_51/2015.

 Mit Schreiben vom 5. Mai 2015 gab das Kantonsgericht Luzern den
zwischenzeitlich ergangenen Vollzugsentscheid zu den Akten und verzichtete auf
eine Stellungnahme zum Revisionsgesuch.

 Mit Schreiben vom 12. Mai 2015 verzichtete der Vater auf weitere
Stellungnahmen.

 Mit Replik vom 15. Mai 2015 nahm die Mutter Stellung zu den Vorbringen des
Vaters und bekräftigte ihre Revisionsbegehren.

 Nach Eingang der Replik der gesuchstellenden Mutter und dem allseitigen
Verzicht der anderen Beteiligten auf weitere Äusserungen ist die Sache
spruchreif.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist innert der Frist von Art. 124 Abs. 1 lit. b BGG das
bundesgerichtliche Urteil 5A_51/2015. In drei Punkten wird Art. 121 lit. d BGG
als Revisionsgrund angeführt (dazu E. 4, 6 und 7) und in einem dieser Punkte
zusätzlich Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG (dazu E. 5). Auf die
Eintretensvoraussetzungen ist jeweils im Sachzusammenhang einzugehen.

2. 
Die Gesuchstellerin macht unter dem Titel "Ausstand" geltend, die Beurteilung
der Revisionsbegehren in gleicher Besetzung setze die absolute Bereitschaft
voraus, noch einmal vollkommen unvoreingenommen und unabhängig zu entscheiden;
es sei menschlich, wenn Bundesrichter und Gerichtsschreiber ein persönliches
Interesse daran haben könnten, jene Argumente, die für eine Abweisung der
Revision sprechen, höher zu gewichten als jene, die zu deren Gutheissung führen
würden.

 Mit ihren Vorbringen insinuiert die Gesuchstellerin, dass die am Urteil 5A_51/
2015 beteiligten Richter und der Gerichtsschreiber innerlich nicht frei seien,
neutral über das Revisionsgesuch zu entscheiden. Sie verzichtet aber explizit
auf ein förmliches Ausstandsbegehren, erwartet indes von den
Gerichtsmitgliedern, sich mit den unterbreiteten Fragen zu befassen.

 Gemäss Art. 34 Abs. 2 BGG bildet die Mitwirkung in einem früheren Verfahren
des Bundesgerichts für sich allein keinen Ausstandsgrund. Dies gilt nicht nur
für erneute Beschwerdeverfahren, sondern auch für Revisionsverfahren (Urteil
2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 1.2), welche praxisgemäss in gleicher
Besetzung beurteilt werden, soweit nicht besondere Gründe vorliegen, welche ein
Abweichen von der Regel rechtfertigen (Urteil 2F_11/2011 vom 9. August 2011 E.
1 m.w.H.). Die Beschwerdeführerin nennt entgegen Art. 36 Abs. 1 BGG keine
solchen Gründe und stellt explizit kein förmliches Ablehnungsbegehren. Es ist
mithin praxisgemäss in gleicher Besetzung über das Revisionsgesuch zu befinden.

3. 
Gemäss Art. 121 lit. d BGG kann die Revision eines bundesgerichtlichen
Entscheides verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche
Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat.

 Aus der Legaldefinition folgt erstens, dass mit dem Revisionsgrund von Art.
121 lit. d BGG keine Rechtsfehler geltend gemacht werden können - und mag die
rechtliche Würdigung eines Sachverhaltes von den Parteien noch so als falsch
empfunden werden ( ESCHER, Basler Kommentar, N. 9 zu Art. 121 BGG) -, wobei es
auch nicht möglich ist, eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs u.ä. geltend
zu machen (Urteil 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E. 2.1). Vielmehr müssen
sich die Rügen auf Tatsachen beziehen, und zwar auf solche, welche sich bereits
in den Akten befunden haben, denn die Revision dient nicht dazu, neue
Sachverhaltsbehauptungen aufzustellen oder Versäumtes nachzuholen (Urteile
4A_189/2010 vom 19. Oktober 2010 E. 3; 5F_6/2007 vom 7. April 2008 E. 2.3).
Zweitens müssen die aktenkundigen Tatsachen "wesentlich" sein, was dann
zutrifft, wenn die Berücksichtigung zugunsten der Gesuchstellerin zu einer
anderen Entscheidung geführt hätte (BGE 122 II 17 E. 3 S. 19; Urteil 2F_20/2012
vom 25. September 2012 E. 2.1). Wurden hingegen für den Ausgang des
bundesgerichtlichen Verfahrens nicht entscheidende Tatsachen im Urteil nicht
ausdrücklich erwähnt, so liegt kein Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. d BGG
vor (BGE 127 V 353 E. 5b S. 358; Urteile 5F_2/2014 vom 4. Februar 2014 E. 3.2;
1F_10/2007 vom 2. Oktober 2007 E. 4.1). Drittens ist festzuhalten, dass ein
"Versehen" im Sinn der Bestimmung vorliegt, wenn das Gericht eine Tatsache oder
ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder mit einem falschen Wortlaut
wahrgenommen hat. Kein Revisionsgrund liegt jedoch vor, wenn die Tatsache oder
das Aktenstück in der äusseren Erscheinung richtig wahrgenommen wurde und bloss
eine unzutreffende beweismässige oder rechtliche Würdigung vorgenommen worden
ist (BGE 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; Urteile 2F_20/2012 vom 25. September 2012 E.
2.1; 4F_1/2007 vom 13. März 2007 E. 6.1).

4. 
Als Hauptpunkt bringt die Gesuchstellerin vor, es sei die in den Akten liegende
tatsächlich erwiesene Gefahr eines "double return" und einer Trennung der
Geschwister nicht berücksichtigt worden.

4.1. Die Gesuchstellerin hatte im Verfahren 5A_51/2015 im Zusammenhang mit Art.
10 Abs. 1 lit. a des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens (ESÜ, SR
0.211.230.01) behauptet, die ältere Tochter werde bald 14-jährig und sie werde
dann gestützt auf § 74 des ungarischen Familiengesetzbuches sofort ein Gesuch
um Verlegung des Aufenthaltsortes stellen und die ungarische Behörde werde
dieses Gesuch umgehend gutheissen, so dass ein "double return" drohe
(Beschwerdeantwort vom 6. März 2015, S. 15; Urteil 5A_51/2015, E. 5.3).

 Das Bundesgericht hat zu diesem Vorbringen, dem das Kantonsgericht sinngemäss
gefolgt war, in E. 5.3 des Urteils 5A_51/2015 erwogen, dass in Ungarn seit dem
15. März 2014 das neue Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft sei, welches das
Familiengesetzbuch abgelöst habe. Gemäss § 4:152 Abs. 4 BGB könne ein Kind, das
sein 16. Lebensjahr vollendet habe, den Wohnsitz der Eltern oder einen anderen
durch die Eltern bezeichneten Aufenthaltsort mit Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde ohne Einwilligung der Eltern verlassen, falls dies nicht
im Gegensatz zu seinen Interessen stehe. Eine Spekulation darüber, was die
Mädchen nach Erreichen ihres 16. Lebensjahres entscheiden würden, könne keine
offensichtliche Unvereinbarkeit mit den hiesigen familienrechtlichen
Grundwerten im Sinn von Art. 10 Abs. 1 lit. a ESÜ begründen.

4.2. Die Gesuchstellerin macht geltend, das Bundesgericht habe übersehen, dass
§ 4:171 Abs. 4 BGB und nicht § 4:152 Abs. 4 BGB die Nachfolgenorm von § 74 des
Familiengesetzbuches sei. Nach dieser Bestimmung müsse das Gericht das Kind
anhören und könne eine Entscheidung, soweit es sein 14. Lebensjahr vollendet
habe, in Bezug auf die elterliche Sorge und seine Unterbringung mit seinem
Einverständnis getroffen werden, ausser wenn die Wahl des Kindes seine
Entwicklung gefährde.

 Die Gesuchstellerin behauptet, dabei gehe es nicht etwa um Rechtsanwendung;
vielmehr beschlage die Feststellung des ausländischen Rechts eine Tatsache. Ein
Auszug aus dem ungarischen Familiengesetzbuch habe in den Akten gelegen und
somit, wenigstens virtuell, auch das neue Bürgerliche Gesetzbuch als
Nachfolgeordnung. Dass das Bundesgericht versehentlich § 4:152 Abs. 4 BGB statt
§ 4:171 Abs. 4 BGB als Nachfolgenorm von § 74 Familiengesetzbuch angesehen
habe, sei ein wesentliches Versehen aktenkundiger Tatsachen, denn bei Anwendung
von § 4:171 Abs. 4 BGB liege auf der Hand, dass es zum "double return" komme.

4.3. Entgegen der Ansicht der Gesuchstellerin geht es nicht um Tatsachen und
schon gar nicht um Aktenstellen, welche übersehen worden sind, sondern um
Rechtsanwendung. Dabei handelt es sich nicht um eine Anwendung ausländischen
Rechts im Sinn von Art. 16 IPRG, weil das ungarische Recht nicht als Sachrecht
angewandt wurde, sondern einzig im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage,
ob der Ausschlussgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. a ESÜ gegeben sein könnte.
Nichtsdestoweniger handelte es sich aber um reine Rechtsanwendung, wie dies
auch bei Art. 16 IPRG der Fall ist. Dort wendet der Richter das ausländische
Recht nicht nur in den nicht vermögensrechtlichen, sondern selbst bei
vermögensrechtlichen Angelegenheiten nach dem Grundsatz "iura novit curia" von
Amtes wegen an (BGE 121 III 436 E. 5a S. 438; 135 III 562 E. 3.2 S. 564; KELLER
/GIRSBERGER, Zürcher Kommentar, N. 18 und 34 zu Art. 16 IPRG; MÄCHLER-ERNE/
WOLF-METTIER, Basler Kommentar, N. 1, 5 und 15 zu Art. 16 IPRG). Der
Unterschied besteht einzig darin, dass es dem Richter in vermögensrechtlichen
Angelegenheiten erlaubt ist, die Parteien zur Mitwirkung bei der Eruierung des
ausländischen Rechtes anzuhalten ( KELLER/GIRSBERGER, a.a.O., N. 20 zu Art. 16
IPRG; MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, a.a.O., N. 1, 5, 9, 11 und 13 zu Art. 16
IPRG), wobei es sich nicht um einen Tatsachenbeweis handelt, weil ausländisches
Recht auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten Normcharakter hat (BGE 138
III 232 E. 4.2.4 S. 237). Ein Revisionsgrund im Sinn von Art. 121 lit. d BGG
ist mithin nicht gegeben (vgl. E. 3 und dortige Hinweise), umso weniger als es
um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit ging.

 Obschon dies nach dem Gesagten nicht Thema des Revisionsverfahrens sein kann,
ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass das Bundesgericht im Urteil
5A_51/2015 nicht auf eine falsche, sondern auf die topische Norm des
ungarischen Rechts abgestellt hat. Es mag zutreffen, dass § 4:171 Abs. 4 BGB
und nicht § 4:152 Abs. 4 BGB die Nachfolgenorm von § 74 Familiengesetzbuch ist.
Die Gesuchstellerin hatte jedoch in ihrer Beschwerde behauptet, dass die ältere
Tochter nach Erreichen des 14. Altersjahr in Ungarn ein Verfahren einleiten
werde, wobei diese schon mit dem ungarischen Anwalt Kontakt aufgenommen habe,
und dass die ungarische Behörde ihr den Wechsel des Aufenthaltsortes umgehend
erlauben werde (Beschwerdeantwort, S. 15). Ab wann es den Töchtern möglich ist,
ein eigenes Verfahren einzuleiten, wird von § 4:152 Abs. 4 BGB geregelt. Der
von der Gesuchstellerin nunmehr angeführte § 4:171 Abs. 4 BGB ist systematisch
im Kapitel XVIII.2 "Gerichtliche Regelung der Ausübung der elterlichen Sorge"
eingeordnet und betrifft das Sorgerechtsverfahren, welches der eine Elternteil
gegen den anderen eingeleitet hat. Dass ein solches in Ungarn hängig wäre -
abgesehen von demjenigen bei der Kuria, wozu sich das Bundesgericht in E. 4.3
des Urteils 5A_51/2015 geäussert hat - oder von einem Elternteil demnächst ein
neues Verfahren eingeleitet würde, wurde im Verfahren 5A_51/2015 nie behauptet.

5. 
Die Gesuchstellerin macht weiter geltend, das Bundesgericht habe im Urteil
5A_51/2015 von sich aus das zwischenzeitlich in Kraft getretene ungarische BGB
bzw. dessen § 4:152 Abs. 4 als neue Tatsache eingeführt und den
kantonsgerichtlich festgestellten Sachverhalt entsprechend korrigiert, ohne ihr
zu dieser Frage vorgängig das rechtliche Gehör gewährt zu haben. Sie habe von
der Gesetzesänderung in Ungarn nicht wissen müssen und erst aufgrund des
bundesgerichtlichen Urteils davon Kenntnis erhalten. Sie habe folglich erst
nachträglich von einer erheblichen Tatsache erfahren bzw. ein entscheidendes
Beweismittel aufgefunden, weshalb in diesem Zusammenhang auch der
Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG gegeben sei.

 Wie in E. 4 ausgeführt, geht es beim ungarischen BGB um Rechtsanwendung und
nicht um die Feststellung von Tatsachen. Auch ein neues Gesetz hat Norm-, nicht
Tatsachencharakter. Der Revisionsgrund von Art. 123 Abs. 1 lit. a BGG ist somit
nicht gegeben.

6. 
Die Gesuchstellerin macht ferner geltend, das Bundesgericht habe die Aussagen
der beiden Mädchen falsch gewürdigt, indem es nicht von einem eigentlichen
Widersetzen ausgegangen sei. So hätten sie anlässlich der Anhörung ausgesagt,
sowieso hier zu bleiben und sich nicht vorstellen zu können, beim Vater zu
wohnen (D.A.________), bzw. keinen Kontakt mit ihm zu wollen, ihn nicht zu
vermissen und nicht in Ungarn bei ihm leben zu wollen (C.A.________). Sodann
habe ihm C.A.________ in einer E-Mail vom 20. Oktober 2013 geschrieben, sie
reise nicht, sondern bleibe hier, und D.A.________ habe ihm in einer E-Mail vom
12. November 2013 geschrieben, dass sie in der Schweiz bleibe und es nicht die
Mutter sei, die sie nicht gehen lasse. Daraus ergebe sich klar, dass sich die
Mädchen einer Rückführung widersetzen würden, und das Bundesgericht habe diese
Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt, denn sonst hätte es zum Schluss
kommen müssen, dass eine Rückführung nicht zulässig sei.

 Das Bundesgericht hat sich insbesondere in E. 6.2 des Urteils 5A_51/2015
ausführlich mit den Äusserungen der Kinder befasst. Es ist dem Gericht
keineswegs entgangen, dass sie den Wunsch äusserten, in der Schweiz zu bleiben
und nicht nach Ungarn zum Vater zurückzukehren. Das Bundesgericht hat auch die
Konstanz der Meinungsäusserung explizit erwähnt, diese aber in den Kontext der
Lösung des offensichtlichen Loyalitätskonfliktes gestellt. Dabei wurden in E.
6.1 und 6.2 des Urteils 5A_51/2015 insbesondere die Anhörungsprotokolle beider
Mädchen ausdrücklich aufgeführt und auch die E-Mails, mit welchen sie den Vater
haben wissen lassen, dass sie nicht zu ihm nach Ungarn zurückkehren wollen. Das
Bundesgericht hat alle diese Aktenstücke vollumfänglich zur Kenntnis genommen
und es geht ausschliesslich um deren inhaltliche Würdigung, die nicht
Gegenstand der Revision sein kann (vgl. E. 3 und dortige Hinweise).

7. 
Die Gesuchstellerin macht schliesslich geltend, das ESÜ setze ein unzulässiges
Verbringen ins Ausland voraus. Indes sei das Berufungsurteil des Gerichtshofes
Székesfehérvár nach der Abreise in die Schweiz ergangen, weshalb kein
unrechtmässiges Verbringen im Sinn von Art. 12 i.V.m. Art. 1 lit. d ESÜ
vorliege, denn das Berufungsurteil enthalte keine entsprechende nachträgliche
Erklärung. Als Rechtsfolge ergebe sich, dass das ESÜ gar nicht anwendbar sei
bzw. alle Versagensgründe nach Art. 10 ESÜ zur Anwendung kommen könnten, also
auch Art. 10 Abs. 1 lit. b ESÜ. Das Bundesgericht habe diese in den Akten
liegenden Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt.

 Die Ausführungen beschlagen weitgehend die Rechtsanwendung.
(Beweiswürdigenden) Tatsachencharakter hat einzig, dass das Bundesgericht davon
ausgegangen ist, das Berufungsurteil des Gerichtshofes Székesfehérvár habe
nachträglich die Widerrechtlichkeit festgestellt und die Gesuchstellerin zur
Herausgabe der Kinder verpflichtet (vgl. E. 4.2 des Urteil 5A_51/2015). Die
Verpflichtung der Gesuchstellerin zur Herausgabe der Kinder an den Vater
innerhalb von 15 Tagen wurde auch im Sachverhaltsteil erwähnt (vgl. Lit. A des
Urteils 5A_51/2015). Wenn die Gesuchstellerin bei der Auslegung des
Berufungsurteils zu einem anderen Schluss kommt, so betrifft dies aber nicht
die Wahrnehmung des Aktenstückes, sondern dessen Würdigung, welche nicht zum
Gegenstand der Revision gemacht werden kann (vgl. E. 3 und dortige Hinweise).

 Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass eine - der Revision
nicht zugängliche - Würdigung des Urteils des Gerichtshofes Székesfehérvár, so
wie die Gesuchstellerin dieses verstanden haben möchte, im Übrigen nicht
"wesentlich" im Sinn von Art. 121 lit. d BGG wäre. Das Bundesgericht hat in E.
4.2 des Urteils 5A_51/2015 erwogen, dass selbst wenn die Gesuchstellerin
entsprechend ihren Vorbringen von der (nicht gegebenen) Rechtskraft des
erstinstanzlichen Urteils des Bezirksgerichts U.________ hätte ausgehen dürfen,
das Verbringen der Kinder widerrechtlich im Sinn von Art. 8 ESÜ gewesen wäre,
weil im erstinstanzlichen Urteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht geregelt
worden sei und die Eltern dieses folglich nach § 72/B des damals noch
einschlägigen Familiengesetzbuches gemeinsam ausgeübt hätten, weshalb für die
Ausreise die Zustimmung des Gesuchsgegners erforderlich gewesen wäre, was auch
das Ministerium für Öffentliche Verwaltung und Justiz von Ungarn bestätigt
habe. Die Widerrechtlichkeit des Verbringens war mithin nicht von der - nach
der Würdigung des Bundesgerichts erfolgten - Feststellung im Berufungsurteil
abhängig, sondern so oder anders gegeben.

8. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Revisionsgesuch abzuweisen ist, soweit
darauf eingetreten werden kann.

 Mit dem Entscheid über das Revisionsgesuch wird die Beurteilung des Gesuches
um aufschiebende Wirkung (welche mit Verfügung vom 27. April 2015
superprovisorisch erteilt wurde, vgl. Lit. C) gegenstandslos.

 Gemäss Art. 5 Abs. 3 ESÜ ist das Verfahren kostenlos und sind die Kosten der
beigezogenen Rechtsanwälte zu vergüten. Dies muss auch für das
Revisionsverfahren gelten, zumal Art. 14 BG-KKE festhält, dass sich die
Kostenlosigkeit gemäss Art. 26 HKÜ und Art. 5 Abs. 3 ESÜ auf sämtliche
Gerichts- und Vollstreckungsverfahren in den Kantonen und auf Bundesebene
bezieht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Für das Revisionsverfahren werden die Rechtsanwälte Sandor Horvath und Jost
Schumacher mit je Fr. 1'500.-- sowie Rechtsanwalt Paul von Moos mit Fr. 500.--
aus der Gerichtskasse entschädigt.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, C.A.________, D.A.________, dem Kantonsgericht
Luzern, 2. Abteilung, und dem Bundesamt für Justiz Zentralbehörde für
Kindesentführungen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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