Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.968/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_968/2015

Urteil vom 7. März 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland.

Gegenstand
aufschiebende Wirkung (Pfändung),

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 24. November 2015.

Sachverhalt:

A.
Im Pfändungsverfahren Nr. xxx gegen A.________ berechnete das Betreibungsamt
Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland, am 22. Oktober 2015 erstmals eine
pfändbare Quote in Höhe von Fr. 780.--. Gleichzeitig wies es die Pensionskasse
B. an, diesen Betrag von dem A.________ zustehenden Betreffnis abzuziehen und
monatlich an das Betreibungsamt zu überweisen.

B.
Dagegen gelangte A.________ (nachdem er zuvor an das Regionalgericht
Bern-Mittelland gelangt war, welches die Beschwerde zufolge Unzuständigkeit
retournierte) mit einer als "Rechtsverweigerungs- und Verzögerungsbeschwerde"
bezeichneten Eingabe an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen. Er beantragte, das Pfändungsverfahren und die
Verfügung des Betreibungsamts vom 22. Oktober 2015 seien aufzuheben. Zudem
seien die angezeigten superprovisorischen Massnahmen anzuordnen (Veranlassung
sofortiger Nachzahlung ausgebliebener/gepfändeter Leistungen etc.).
Mit Verfügung vom 24. November 2015 nahm der Präsident der Aufsichtsbehörde das
Gesuch um superprovisorische Massnahmen als Antrag auf aufschiebende Wirkung
entgegen und wies diesen ab. Zur Begründung führte er an, dass es ständiger
Praxis der Betreibungsämter im Kanton Bern entspreche, bis zum rechtskräftigen
Entscheid keine Geldbeträge an die Gläubiger auszubezahlen. Dem
Beschwerdeführer drohe demzufolge kein nicht wieder gutzumachender Nachteil.
Betreffend den Mietzins wies er den Beschwerdeführer darauf hin, dass gemäss
bernischer Praxis der Schuldner bei periodisch anfallenden Auslagen deren
Bezahlung während mindestens drei Monaten zu belegen habe, bevor diese im
Existenzminimum Berücksichtigung fänden. Gegen Vorweisung der entsprechenden
Zahlungsbelege könne sich der Schuldner bereits vor dem Nachweis der
dreimaligen Zahlung vom Betreibungsamt den im Existenzminimum nicht
eingerechneten Mietzins zurückerstatten lassen.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Dezember 2015 gelangt A.________ an das
Bundesgericht. Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Verfügung
aufzuheben und das Obergericht zu verpflichten, die geeigneten vorsorglichen
Massnahmen zu treffen. Oberrichter Messer sei wegen Befangenheit vom
vorliegenden Verfahren auszuschliessen. Zudem ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege.
Der Beschwerdeführer hat dem Bundesgericht mit Schreiben vom 6. Januar 2015
mitgeteilt, dass der von ihm befürchtete Nachteil der Wohnungskündigung
zwischenzeitlich eingetreten sei und angefragt, ob das Bundesgericht einen
formellen Rückzug der Beschwerde benötige. Auf Mitteilung, dass ein solcher
Rückzug ausdrücklich erfolgen müsse, hat er mit Schreiben vom 9. Februar 2016
an seiner Beschwerde festgehalten.
Es sind die kantonalen Akten beigezogen, hingegen keine Vernehmlassungen
eingeholt worden.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung des Gesuchs um aufschiebende
Wirkung bzw. um Anordnung vorsorglicher Massnahmen (vgl. dazu E. 2.4 hiernach).
Dabei handelt es sich um einen Zwischenentscheid, welcher nur anfechtbar ist,
sofern er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG). Diese Bedingung ist erfüllt, zumal ein Eingriff ins
Existenzminimum des Beschwerdeführers zur Diskussion steht, der nachträglich
nicht mehr ungeschehen gemacht werden könnte.
Die Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden richtet sich nach dem Rechtsweg in
der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382). In dieser geht es um ein
Verfahren nach Art. 17 SchKG, womit die Beschwerde in Zivilsachen ohne
Rücksicht auf einen Streitwert gegeben ist (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs.
2 lit. c BGG). Die angefochtene Verfügung betrifft eine vorsorgliche Massnahme
im Sinne von Art. 98 BGG, weshalb einzig die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte angerufen werden kann (vgl. BGE 137 III 475 E. 2 S. 477). Hierfür gilt
das strenge Rügeprinzip im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG.

2.

2.1. Die Beschwerde ist nur im Rahmen des Streitgegenstands zulässig. Von
vornherein nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der
Beschwerdeführer andere Entscheide anficht als jenen der Aufsichtsbehörde vom
24. November 2015 (z.B. die Verweigerung des Steuererlasses).

2.2. Soweit er sich gegen das einstufige Behördensystem im Kanton Bern wendet,
ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass diese Möglichkeit
bundesrechtlich vorgesehen ist (Art. 13 Abs. 2 SchKG).

2.3. Der Beschwerdeführer bezeichnet Oberrichter Messer als befangen und
verlangt dessen Ausstand. Seine Ausführungen reichen zum Nachweis eines
Ausstandsgrundes indes offensichtlich nicht aus. Ein Ablehnungsbegehren kann
nicht allein damit begründet werden, dass der Richter nicht so entschieden hat,
wie es die betreffende Partei für richtig hält. Damit kann offenbleiben, ob das
Gesuch rechtzeitig gestellt wurde.

2.4. Der Beschwerdeführer rügt sodann eine (sinngemäss willkürliche) Umdeutung
seines Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 261 ff. ZPO in ein
solches um aufschiebende Wirkung, doch ist die Vorgehensweise der Vorinstanz
unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Das Verfahren vor den
kantonalen Aufsichtsbehörden wird vom Bundesrecht (Art. 20a Abs. 2 SchKG)
geregelt und es muss zudem verfassungsmässigen Vorgaben genügen. Im Weiteren
regeln die Kantone das Verfahren (Art. 20a Abs. 3 SchKG). Die schweizerische
Zivilprozessordnung (ZPO) betrifft einzig die gerichtlichen Angelegenheiten des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts (Art. 1 lit. c ZPO). Hingegen steht die
betreibungsrechtliche Beschwerde ausserhalb der ZPO (Urteil 5A_448/2011 E. 2.1
vom 31. Oktober 2011). Die Vorinstanz durfte daher das nicht näher
konkretisierte Begehren des Beschwerdeführers willkürfrei als solches um
aufschiebende Wirkung (welche sich in SchKG-Beschwerdeverfahren ausschliesslich
nach Art. 36 SchKG richtet) entgegennehmen.

3.
Vorliegend hat die Vorinstanz das Betreibungsamt de facto angewiesen - was der
Beschwerdeführer nicht in Frage stellt - die gepfändeten Beträge bis zum
Entscheid in der Sache nicht an die Gläubiger auszubezahlen. Der
Beschwerdeführer erachtet diese bloss beschränkte Gewährung der aufschiebenden
Wirkung als "hanebüchen" und damit sinngemäss als willkürlich. Er werde vor die
Wahl gestellt, entweder zu verhungern oder obdachlos zu werden.

3.1. Der betreibungsrechtlichen Beschwerde nach Art. 17 SchKG kommt von
Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zu (Art. 36 SchKG). Die Anordnung
oder Verweigerung der aufschiebenden Wirkung stellt einen Ermessensentscheid
der Aufsichtsbehörde bzw. ihres Präsidenten dar (Urteil 5A_406/2009 vom 22.
Juni 2011 E. 7.2; BGE 81 III 7 E. 2 S. 10). Der Entscheid über die Gewährung
der aufschiebenden Wirkung wirkt, wenn die Beschwerdeinstanz nichts anderes
anordnet, ex tunc, d.h. von dem Zeitpunkt an, in welchem die angefochtene
Verfügung oder Entscheidung erlassen worden ist (vgl. BGE 127 III 569 E. 4b S.
571; Urteil 5A_187/2011 vom 13. Mai 2011 E. 5.2, in: SJ 2011 I S. 390; COMETTA/
MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 11 zu Art. 36 SchKG). Wird die aufschiebende Wirkung
von der jeweiligen Beschwerdeinstanz erteilt, so sollte sie auf das Nötigste
beschränkt werden. Zudem empfiehlt sich, den Gang des Betreibungsverfahrens im
frühen Stadium nur zurückhaltend anzuhalten. Grundsätzlich ist die
aufschiebende Wirkung erst auf den Zeitpunkt zu gewähren, in dem nicht
reversible Vorkehren zu treffen sind, wie z.B. die Verwertung und die
Verteilung (Urteil 5A_466/2014 vom 22. Juli 2014 E. 2.1 mit Hinweis auf
JENT-SØRENSEN, Das kantonale Verfahren nach Art. 20a Abs. 3 SchKG, BlSchK 2013
S. 109; vgl. zur partiellen Gewährung der aufschiebenden Wirkung auch AMONN/
WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 6
Rz. 67).

3.2. Der Beschwerdeführer wollte mit seinem vor der Aufsichtsbehörde gestellten
Gesuch offenbar namentlich erreichen, dass die der Pensionskasse B. angezeigte
Rentenpfändung bereits vor dem Entscheid in der Hauptsache widerrufen wird. Die
Gewährung der aufschiebenden Wirkung soll indes nicht dazu führen, dass der
Entscheid in der Sache präjudiziert wird, was gerade der Fall gewesen wäre,
wenn die Vorinstanz der Beschwerde die aufschiebende Wirkung mit einem über den
Aufschub der Verteilung hinausgehenden Inhalt zuerkannt hätte. Zwar hat das
Betreibungsamt bei der Ermittlung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums
des Beschwerdeführers keine Wohnungsmietzinse berücksichtigt, doch wird selbst
der Mietzins im betreibungsrechtlichen Existenzminimum des Schuldners nicht
voraussetzungslos angerechnet (vgl. BGE 121 III 20 E. 3 S. 22 f.). Der
Beschwerdeführer vermag mithin nicht aufzuzeigen, dass die Vorinstanz der
Beschwerde von vornherein so überwiegende Erfolgsaussichten hätte beimessen
müssen, dass ihr Ermessensentscheid unter diesem Blickwinkel als geradezu
unhaltbar bezeichnet werden könnte (Art. 9 BV; vgl. zum Willkürbegriff: BGE 140
III 167 E. 2.1 S. 168).

4.
Aus den dargelegten Gründen hält der angefochtene Entscheid vor der Verfassung
stand. Die Beschwerde muss abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden
kann. Der Beschwerdeführer hat für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen aufzeigen, muss die Beschwerde als von
Anfang an aussichtslos betrachtet werden. Damit fehlt es an einer materiellen
Voraussetzung für die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64
Abs. 1 BGG). Das entsprechende Gesuch ist abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland,
Dienststelle Mittelland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde
in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2016

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Buss

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