Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.949/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_949/2015

Urteil vom 12. April 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roger Brändli,
Beschwerdeführerin,

gegen

D.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Zinon Koumbarakis,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
privatrechtliche Baueinsprache,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, 2. Zivilkammer, vom
20. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Parzellen Nr. www, xxx, yyy und zzz in der Ortschaft U.________ (Gemeinde
V.________) sind mit vier Reiheneinfamilienhäusern überbaut. A.________ ist
Eigentümerin der Parzelle Nr. xxx. Das südlich davon gelegene Grundstück Nr.
yyy steht im Eigentum von D.________ und das nördlich davon gelegene Grundstück
Nr. www ist im Eigentum der im Verfahren 5A_948/2015 betroffenen Ehegatten
B.B.________ und C.B.________.
A.________ möchte eine Wärmedämmung an der Aussenwand sowie einen
Isolationsaufbau im Dachbereich ihres Hauses anbringen. D.________ hat gegen
das am 20. September 2013 publizierte Bauvorhaben von A.________ am 7. Oktober
2013 eine privatrechtliche Baueinsprache erhoben.

B. 
Im Rahmen dieses Verfahrens ordnete das Bezirksgericht Höfe zur Bestimmung des
Grenzverlaufs zwischen den beiden Grundstücken eine Expertise an, welche ergab,
dass das Gebäude von D.________ auf der Nordseite in der Verlängerung der
Ostfassade um 31 cm und in der Verlängerung der Westfassade um 6 cm auf das
Grundstück von A.________ ragt. Das Problem liegt darin, dass die
Reiheneinfamilienhäuser diagonal verschoben zu den Parzellengrenzen verlaufen.
Mit Verfügung vom 4. Februar 2015 hiess das Bezirksgericht Höfe die
privatrechtliche Baueinsprache gut und untersagte A.________ die Ausführung des
Bauvorhabens "Aussenwärmedämmung".
Mit Beschluss vom 20. Oktober 2015 hiess das Kantonsgericht Schwyz die
Beschwerde von A.________ teilweise gut, indem es die Ausführung des
Bauvorhabens an der Südfassade sowie die Farbänderung untersagte.

C. 
Gegen diesen Beschluss hat A.________ am 27. November 2015 eine Beschwerde in
Zivilsachen, eventualiter eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben mit dem
Begehren um dessen Aufhebung und Nichteintreten auf die privatrechtliche
Baueinsprache, eventualiter um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Mit
Schreiben vom 10. Dezember 2015 hat das Kantonsgericht auf eine Stellungnahme
verzichtet. Mit Vernehmlassung vom 15. Januar 2016 schliesst die
Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Beschwerde und Bestätigung des
angefochtenen Beschlusses. Am 1. Februar 2016 hat die Beschwerdeführerin hierzu
unaufgefordert Gegenbemerkungen eingereicht.

Erwägungen:

1. 
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 139 III 133 E. 1 S. 133; 141 II 113 E. 1 S.
116).

1.1. In der Sache geht es um geltend gemachte Abwehransprüche aus Eigentums-
bzw. Miteigentumsrecht (Art. 670 ZGB), aus Dienstbarkeitsrecht (Baubeschränkung
und Überbaurecht) und nachbarrechtlich aus Art. 685 Abs. 1 ZGB (vgl.
angefochtener Entscheid, S. 6 und 8; erstinstanzlicher Entscheid, S. 4, 6, 8, 9
und 10). Somit handelt es sich um eine vermögensrechtliche
Zivilrechtsstreitigkeit im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG (vgl. im Zusammenhang
mit der privatrechtlichen Bauinhibition beispielsweise Urteile 5A_378/2012 vom
6. Dezember 2012 E. 1 betr. Dienstbarkeit; 5A_205/2014 vom 1. Juli 2014 E. 1
betr. Nachbarrecht; 5A_814/2014 vom 12. Dezember 2014 E. 1.1 betr.
negatorischen Anspruch).

1.2. Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid (Art. 75 Abs. 1
BGG), welcher das Verfahren abschliesst und damit auch ein formeller
Endentscheid im Sinn von Art. 90 BGG ist (vgl. BGE 134 III 426 E. 1.1 S. 428).
Nicht klar - aber für die Eintretensfrage auch nicht relevant - ist, ob nach
der schwyzerischen Konzeption der Entscheid über die privatrechtliche
Baueinsprache sogar einen materiellen Endentscheid darstellt, denn gemäss den
Ausführungen des Schwyzer Gesetzgebers soll dem im summarischen Verfahren
abgewickelten Prozess kein anderer nachfolgen (Näheres dazu in E. 2). Hingegen
hält das Kantonsgericht fest (angefochtener Entscheid, S. 4), der unterlegene
Einsprecher könne immer noch mit Klage den Zivilrichter im ordentlichen
Verfahren anrufen. Diesfalls würde aber nahe liegen, dass das Kantonsgericht
das vorliegende Verfahren nach Art. 248 lit. d ZPO geführt und Frist zum
Hauptprozess angesetzt hätte (Art. 263 ZPO). Wie es sich damit genau verhält,
kann indes offen gelassen werden, weil so oder anders ein Endentscheid im Sinn
von Art. 90 BGG vorliegt.
An der Sache vorbei geht im Übrigen der Einwand der Beschwerdegegnerin, weil
kein materieller Endentscheid gegeben sei, liege auch keine
Zivilrechtsstreitigkeit im Sinn von Art. 1 lit. a ZPO vor. Diese Behauptung ist
selbst dann falsch, wenn es tatsächlich um eine vorsorgliche Massnahme ginge;
auch solche fallen für das kantonale Verfahren in den Anwendungsbereich der ZPO
und stellen Zivilsachen im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG dar, wenn sie das
betreffende Sachgebiet beschlagen (statt vieler: Urteil 5A_453/2011 vom 9.
Dezember 2011 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 137 III 563, betr. provisorische
Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes).

1.3. Hingegen ist der für die Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 74 Abs. 1
lit. b BGG erforderliche Streitwert von Fr. 30'000.-- nach der Feststellung im
angefochtenen Entscheid und auch nach Darstellung der Beschwerdeführerin nicht
erreicht.
Die Beschwerdeführerin behauptet allerdings eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung gemäss Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG. Eine solche setzt
voraus, dass ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage
höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung
des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE
139 III 209 E. 1.2 S. 210; 141 III 159 E. 1.2 S. 161).
Nachdem die Frage, ob der kantonale Gesetzgeber die Beurteilung eines
Zivilanspruches in das summarische Verfahren verweisen darf, in BGE 139 III 38
(im Zusammenhang mit dem Exmissionsverfahren) bereits beurteilt worden ist -
übrigens auch mit Bezug auf den Kanton Schwyz -, lässt sich mit Fug fragen, ob
es einer erneuten "Klärung" der gleichen Frage bedarf, zumal die
Beschwerdeführerin angesichts dieser publizierten Rechtsprechung auch mit
Verfassungsrügen (namentlich wegen Verletzung des Willkürverbotes, Art. 9 BV)
ans Ziel gelangen könnte. Indes geht das Kantonsgericht (angefochtener
Entscheid, S. 4) davon aus, dass eine andere Fallkonstellation vorliege, zumal
das Bundesgericht bei früheren Fällen privatrechtlicher Baueinsprachen aus dem
Kanton Schwyz nie habe durchblicken lassen, dass eine Bundesrechtswidrigkeit
vorliegen könnte.
Was das letzte Argument anbelangt, ist festzuhalten, dass das Bundesgericht nur
prüft, was von einer Partei vorgebracht und ausreichend begründet worden ist
(Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.; 140 III 115 E. 2 S.
116). Deshalb lässt sich aus bisherigen Entscheiden in Bezug auf den Kanton
Schwyz nicht ableiten, das Bundesgericht habe die Zulässigkeit des
Summarverfahrens für die privatrechtliche Baueinsprache gewissermassen
gebilligt, indemes "mit keinem Wort habe durchblicken lassen", dass die
gewählte Verfahrensart unzulässig sein könnte. Entgegen der Behauptung des
Kantonsgerichts (angefochtener Entscheid, S. 4) wurden diesbezüglich
insbesondere auch im Nichteintretensentscheid 5A_93/2015 vom 27. Mai 2015 keine
Andeutungen gemacht.
Im Übrigen ist auf das parallele Verfahren 5A_948/2015 hinzuweisen, welches das
gleiche Bauvorhaben, aber die privatrechtliche Baueinsprache anderer Eigentümer
betrifft. Dort hat das Kantonsgericht in Bezug auf die privatrechtliche
Baueinsprache, welche es als eine ausschliesslich vom kantonalen Recht
beherrschte eigene Verfahrenskategorie sieht, Grundsätze aufstellt, an welchen
es explizit auch in Zukunft festhalten will (vgl. im Übrigen auch den Beschluss
ZK2 2014 9 und 10. vom 20. Juli 2015 E. 6b/cc). Mithin besteht Anlass zu
definitiver Klärung. Für Einzelheiten kann auf die Begründung im Urteil 5A_948/
2015 heutigen Datums verwiesen werden.

1.4. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist nach dem Gesagten einzutreten. Damit
ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde, wie es schon in ihrer Bezeichnung zum
Ausdruck kommt, gegenstandslos (vgl. Art. 113 BGG).

2. 
Aufgrund der Quellenhinweise und Darstellung im angefochtenen Entscheid sowie
insbesondere der Beschwerde besteht im Kanton Schwyz die nachfolgend
dargestellte gesetzgeberische Lage.

2.1. In § 80 des Planungs- und Baugesetzes (PBG) ist das Einspracheverfahren
gegen Baubewilligungen geregelt. Gemäss § 80 Abs. 1 PBG kann während der
Auflagefrist gegen das Bauvorhaben Einsprache erhoben werden. Nach § 80 Abs. 2
PBG sind öffentlich-rechtliche Einsprachen nach Massgabe des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes bei der Bewilligungsbehörde und
privatrechtliche Einsprachen nach Massgabe des Justizgesetzes beim zuständigen
Einzelrichter am Ort der gelegenen Sache einzureichen. Schliesslich bestimmt §
80 Abs. 4 PBG, dass der Einzelrichter die privatrechtlichen Einsprachen im
summarischen Verfahren beurteilt. Die gleiche Anordnung ist nochmals im
Justizgesetz (JG) enthalten, indem § 31 Abs. 2 lit. d JG festhält, dass das
Bezirksgericht als Einzelgericht alle summarischen Verfahren einschliesslich
privatrechtliche Baueinsprachen und gerichtliche Verbote beurteilt.

2.2. Vor dem Inkrafttreten der schweizerischen Zivilprozessordnung ordnete § 80
Abs. 4 PBG in seiner damaligen Fassung an, dass die privatrechtliche
Baueinsprache im beschleunigten Verfahren zu beurteilen sei, welches nach der
schwyzerischen Zivilprozessordnung eine Unterart des ordentlichen Verfahrens
war (vgl. § 188 ZPO/SZ) und in der schweizerischen ZPO als solches nicht
vorgesehen ist. Mit Blick auf die Einführung der schweizerischen ZPO
diskutierten der Regierungsrat und der Kantonsrat, was mit der
privatrechtlichen Baueinsprache geschehen solle.
Im Beschluss Nr. 1119/2009 hielt der Regierungsrat des Kantons Schwyz zu § 30
der Justizverordnung (heute § 31 JG) fest, privatrechtliche Baueinsprachen
seien im summarischen Verfahren zu beurteilen. Die Kommissionsmehrheit
beantrage, es sei diesbezüglich zu ergänzen, dass alle Beweismittel zulässig
seien, und sie begründe dies wie folgt: Es sei davon auszugehen, dass das
Bundesrecht für Zivilrechtsstreitigkeiten abschliessend regle, wann das
summarische Verfahren anwendbar sei. Soweit es sich um Rechtsschutz in klaren
Fällen handle, gelte von Bundesrechts wegen das summarische Verfahren (Art. 257
ZPO). Ob die privatrechtliche Baueinsprache darüber hinaus generell dem
summarischen Verfahren unterstellt werden könne, sei unklar. Aus praktischen
Gründen (kürzere Verfahrensdauer als das vereinfachte bzw. ordentliche
Verfahren) sollte dies - mit dem Risiko der Bundesrechtswidrigkeit - zumindest
versucht werden. Im summarischen Verfahren sei der Beweis grundsätzlich durch
Urkunden zu erbringen (Art. 254 Abs. 1 ZPO). Andere Beweismittel seien nur
unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, unter anderem dann, wenn es der
Verfahrenszweck erfordere (Art. 254 Abs. 2 lit. b ZPO). Diese Voraussetzung
dürfte bei privatrechtlichen Baueinsprachen in der Regel erfüllt sein. Um eine
gegenteilige Auffassung des Gerichts von vornherein auszuschliessen, solle
ausdrücklich festgehalten werden, dass keine Beweismittelbeschränkung gelte.
Demgegenüber beantrage eine Kommissionsminderheit, auf die Ergänzung, dass
keine Beweismittelbeschränkung gelte, zu verzichten, weil die Verfahrensarten
und deren Ausgestaltung in der ZPO abschliessend geregelt seien und sich mit
der vorgeschlagenen Ergänzung das Risiko erhöhe, dass das Bundesgericht die
Zuweisung der privatrechtlichen Baueinsprache ins summarische Verfahren nicht
akzeptiere.
An der ausserordentlichen Sitzung des Kantonsrates vom 18. November 2009 (vgl.
Sitzungsprotokoll, S. 592 ff.) wurde gar nicht erst darüber debattiert, ob die
privatrechtliche Baueinsprache ins summarische Verfahren zu weisen sei, sondern
einzig, ob dem Richter überdies verbindlich vorzuschreiben sei, dass er im
summarischen Verfahren alle Arten von Beweismitteln zulassen müsse. Bruno
Beeler führte aus, dass ohne entsprechende Vorschrift nur Urkunden,
grundsätzlich aber kein Augenschein möglich wäre, ausser der zuständige Richter
finde das wichtig. Die Kommissionsmehrheit wolle aber, dass man dem Richter
befehle, von Gesetzes wegen alle Beweismittel, die möglich seien, abzunehmen,
damit das Verfahren möglichst schnell erledigt werden könne. Wenn man im
summarischen Verfahren keinen Augenschein vornehme, könnte das bedeuten, dass
die Gegenpartei nachher ins ordentliche Verfahren steige. André Rüegsegger
führte aus, das Baubewilligungsverfahren solle nicht unnötig in die Länge
gezogen werden, weshalb die Kommission und der Regierungsrat zum Schluss
gelangt seien, die privatrechtliche Baueinsprache dem summarischen Verfahren zu
unterstellen. Ein mögliches Problem sei aber, dass man die Ansicht vertreten
könnte, dass der Bund in seiner Zivilprozessordnung eigentlich vorgebe, welche
Angelegenheiten im summarischen und welche im ordentlichen Verfahren zu
beurteilen seien. Da die privatrechtliche Baueinsprache unter dem summarischen
Verfahren nicht ausdrücklich aufgeführt sei, könnte es allenfalls sein, dass es
vom übergeordneten Bundesrecht her gar nicht möglich sei, dass der Kanton
Schwyz die Baueinsprachen immer und voraussetzungslos im summarischen Verfahren
behandle. Die Rechts- und Justizkommission sei aber zur Ansicht gelangt, dass
das auch nicht im Voraus ausgeschlossen sei und es der Kanton Schwyz mit der
Zielsetzung, das private Baueinspracheverfahren möglichst einfach und rasch zu
halten, auf jeden Fall versuchen müsse. Allerdings gebe der Bund in seiner
Zivilprozessordnung genaue Vorgaben. Er sage klar und deutlich, welche
Beweismittel unter welchen Voraussetzungen zugelassen seien. Daran könne der
Kanton Schwyz nichts ändern und es würde gegen das Bundesrecht verstossen, wenn
man die Fassung der Kommissionsmehrheit übernehme, wonach im privatrechtlichen
Baueinspracheverfahren generell keine Beweismittelbeschränkung gelte.
Persönlich habe er nichts dagegen, aber es wäre für jeden unterliegenden Anwalt
ein Genuss, vor Bundesgericht auf die Unzulässigkeit der Bestimmung
hinzuweisen. Wenn man also das gemeinsame Ziel erreichen wolle, dass
privatrechtliche Baueinsprachen im summarischen Verfahren entschieden werden
könnten, dürfe man nicht auch noch an der vorgegebenen Ausgestaltung
herumschrauben. Dies würde die Gefahr, dass die ganze Sache dereinst vom
Bundesgericht kassiert werde, erheblich erhöhen. In der darauf folgenden
Abstimmung setzte sich der Minderheitsantrag mit 58 zu 27 Stimmen gegen die
Kommissionsfassung durch.
Im Schwyzer Justizhandbuch wird schliesslich als Kommentar zu § 31 JG
ausgeführt: Um das Institut der Baueinsprachen zu retten, mussten sie
(unabhängig vom Streitwert und ohne Schlichtungsverfahren) dem summarischen
Verfahren zugewiesen werden; es gilt dabei keine Beweismittelbeschränkung
(Anwendungsfall von Art. 254 Abs. 2 lit. b ZPO; eine ausdrückliche Regelung
wurde im Rat verworfen, nachdem die Kommission dies noch vorgesehen hatte, vgl.
RJK-Prot. Nr. 5 S. 3).

3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die kantonale Regelung gegen den
Vorrang des Bundesrechts im Sinn von Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 122 Abs. 1 BV
sowie gegen Art. 1 lit. a, Art. 248 lit. a und Art. 249 ZPO verstosse, indem
die privatrechtliche Baueinsprache voraussetzungslos - d.h. nicht beschränkt
auf den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO) -
ins summarische Verfahren gewiesen werde.

3.1. Mit der privatrechtlichen Baueinsprache im Sinn von § 80 Abs. 2 PBG bringt
der Einsprecher vor, dass durch das Bauvorhaben ein subjektives privates Recht
(vgl. BIRCHLER, Baueinsprache und Baubewilligung nach schwyzerischem Recht,
Diss. Zürich 1970, S. 137) bzw. ein privatrechtlicher Anspruch verletzt ist
(BRUNNER, Der Bauverbotsprozess unter besonderer Berücksichtigung der
privatrechtlichen Baueinsprache, Diss. St. Gallen 1997, S. 11). Diese
privatrechtlichen Abwehransprüche ergeben sich in der Regel aus dem Eigentum
oder einer Dienstbarkeit und typischerweise aus dem Nachbarrecht, insbesondere
dem privatrechtlichen Immissionsschutz gemäss Art. 684 ff. ZGB (vgl. Urteile
5A_93/2015 vom 27. Mai 2015 E. 2.4; 5A_239/2015 vom 17. Juni 2015 E. 4).
Vorliegend geht es, wie in E. 1.1 erwähnt, um eine auf Miteigentumsrecht, auf
Dienstbarkeitsrecht und auf Nachbarrecht gestützte Abwehrklage. Diese stellt
von Bundesrechts wegen eine streitige Zivilsache dar.

3.2. Gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 1 lit. a ZPO regelt das betreffende
Gesetz für streitige Zivilsachen in abschliessender Weise das Verfahren vor den
kantonalen Instanzen. Für die Definition der streitigen Zivilsache nach Art. 1
lit. a ZPO kann auf die bereits vor dem Inkrafttreten der ZPO gängige
Definition der Zivilrechtsstreitigkeit zurückgegriffen werden (Urteil 4A_215/
2013 vom 5. September 2013 E. 2.4.1; vgl. sodann BERGER, Berner Kommentar, N. 8
zu Art. 1 ZPO; VOCK, Basler Kommentar, N. 5 zu Art. 1 ZPO; HALDY, Code de
procédure civile commenté, N. 9 zu Art. 1 ZPO). Eine Zivilrechtsstreitigkeit
liegt demnach vor, wenn das dem Streit zugrunde liegende Rechtsverhältnis dem
Zivilrecht angehört und das Verfahren kontradiktorisch zwischen zwei oder
mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Träger
privater Rechte oder zwischen einer solchen Person und einer Behörde, der das
Zivilrecht Parteistellung zuerkennt, ausgetragen wird (vgl. BGE 120 II 11 E. 2a
S. 12 f.; 123 III 346 E. 1a S. 349; 124 III 44 E. 1a S. 46). Dies ist bei der
gestützt auf verschiedene sachenrechtliche Positionen erhobenen Klage
offensichtlich der Fall. Die Einsprecherin behauptet die Verletzung von
Eigentums- bzw. Miteigentumsrecht sowie von Dienstbarkeits- und dinglichen
Nachbarrechten, welche ihr als subjektive private Rechte zustünden und aus
denen sich dingliche Abwehrpositionen gegen die bauwillige Beschwerdeführerin
als Eigentümerin des Nachbargrundstücks ableiten liessen (u.a. wurde
Dämmungsarbeit an fremden bzw. im Miteigentum stehenden Gebäudeteilen sowie
fehlende Zustimmung im Sinn von Art. 647c und d ZGB behauptet).

3.3. Fallen nach dem Gesagten solche Zivilrechtsstreitigkeiten gemäss Art. 1
lit. a ZPO in den Anwendungsbereich der schweizerischen ZPO, welche das
Verfahren für die betreffenden Angelegenheiten in abschliessender Weise regelt,
hat der schwyzerische Gesetzgeber bzw. hat das Kantonsgericht mit der hierauf
beruhenden Rechtsanwendung gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts im Sinn von Art. 49 Abs. 1 BV verstossen. Der Bund hat von seiner
Gesetzgebungskompetenz gemäss Art. 122 Abs. 1 BV durch Erlass einer
Zivilprozessordnung Gebrauch gemacht und die Kantone sind nicht (mehr) befugt,
für die Geltendmachung zivilrechtlicher Abwehransprüche eine eigene
Verfahrensordnung aufzustellen, mit welcher sie die im Bundesgesetz
aufgestellte Ordnung derogieren. Insofern wäre es ihnen auch versagt, für die
Geltendmachung von Zivilansprüchen dem Zivilverfahren gewissermassen ein
verwaltungsrechtliches Präliminarverfahren voranzustellen.

4. 
Nach dem Gesagten regelt die Zivilprozessordnung das Verfahren für streitige
Zivilsachen vor den kantonalen Instanzen abschliessend (Art. 1 lit. a ZPO).
Diese werden entweder im ordentlichen (mit der Unterkategorie des
vereinfachten) oder im summarischen Verfahren abgewickelt. Vorliegend
interessiert, ob auf die zur Debatte stehende Zivilrechtsstreitigkeit das
summarische Verfahren Anwendung finden kann.

4.1. In Art. 248 ZPO werden die fünf Kategorien aufgezählt, auf welche das
summarische Verfahren anwendbar ist. Unbestritten ist, dass es vorliegend um
die unter Art. 248 lit. a ZPO fallenden Verfahren geht, für welche nicht wie
bei Art. 248 lit. b-e ZPO aufgrund einer spezifischen Eigenart das summarische
Verfahren Anwendung findet, sondern weil es "vom Gesetz bestimmt" wird.

4.2. Mit dem Wort "Gesetz" verweist Art. 248 lit. a ZPO zunächst auf die
Zivilprozessordnung selbst, nämlich auf die Auflistungen in Art. 249-251 ZPO.
Bei der Eigentumsfreiheitsklage geht es um eine sachenrechtliche Angelegenheit.
Sie müsste deshalb in Art. 249 lit. d ZPO aufgezählt sein, was nicht der Fall
ist. Zwar sind die Kataloge nach dem klaren Wortlaut von Art. 249 ff. ZPO nicht
abschliessend (vgl. auch Botschaft, BBl 2006 7349). Damit soll Raum bleiben für
weitere Angelegenheiten, welche aufgrund ihrer Natur zwingend ins summarische
Verfahren gehören (für ein Beispiel vgl. BGE 138 III 166), wofür der Vorentwurf
noch eine eigene Anwendungskategorie bilden wollte (Art. 258 lit. e VE ZPO;
Begleitbericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, S. 125). Dass eine auf
sich aus dem Eigentum und beschränkten dinglichen Rechte ergebende Abwehrklage
aufgrund ihrer Natur zwingend ins summarische Verfahren gehören müsste,
behauptet zu Recht weder das Kantonsgericht noch die Gegenpartei. Vielmehr wäre
das summarische Verfahren - welches typischerweise von der
Beweismittelbeschränkung geprägt ist (vgl. Art. 254 ZPO; Botschaft, BBl 2006
7349) - gerade wenig passend. Das zeigt sich exemplarisch im vorliegenden Fall,
in welchem ein Gutachten in Auftrag zu geben war und ferner ein aufwändiger
zweiter Schriftenwechsel durchgeführt wurde. Übrigens ist auch in der Debatte
des Kantonsrates zur Sprache gekommen, dass die Beweismittelbeschränkung für
das privatrechtliche Baueinspracheverfahren problematisch sein kann, zumal oft
ein Augenschein erforderlich ist (vgl. E. 2.2).
Sodann stellt sich die Frage, ob mit dem Wort "Gesetz" in Art. 248 lit. a ZPO
einzig Bundesgesetze gemeint sind oder auch kantonale Gesetze in Frage kommen
könnten. Die Botschaft hält dazu fest, dass mit Art. 249-251 ZPO nur die
Angelegenheiten des ZGB, OR und SchKG aufgelistet, aber auf eine
Zusammenstellung der Summarsachen aus den Spezialgesetzen des
Bundesprivatrechtes verzichtet worden sei (BBl 2006 7649). Die Botschaft geht
somit implizit davon aus, dass mit dem Wort "Gesetz" ein Bundesgesetz gemeint
ist. Auch das Bundesgericht ist in BGE 139 III 38 E. 2.3 und 2.4 S. 40 f. unter
Verweis auf die herrschende Lehre und in Erwägung, dass die Zivilprozessordnung
die echten Vorbehalte zugunsten des kantonalen Gesetzgebers ausdrücklich als
solche aufführe (Art. 3, 4, 6 und 7, Art. 68 Abs. 2 lit. d, Art. 96, Art. 116
Abs. 1 und Art. 218 Abs. 3 ZPO), davon ausgegangen, dass der Bundesgesetzgeber
abschliessend regle, auf welche streitigen Zivilsachen das summarische
Verfahren anzuwenden sei. Zwar konnte die Frage in BGE 139 III 38 E. 2.4 S. 41
schliesslich formell offen gelassen werden, aber es besteht angesichts der
zutreffenden Erwägungen kein Anlass, die Frage vorliegend anders zu
beantworten.

4.3. Steht dem kantonalen Gesetzgeber nach dem Gesagten keine Kompetenz zu,
streitige Zivilsachen über die Aufzählung in Art. 249 ff. ZPO hinaus dem
summarischen Verfahren zuzuordnen, so hat der Kanton Schwyz mit § 80 Abs. 4 PBG
und § 31 Abs. 2 lit. d JG nach der zutreffenden Argumentation der
Beschwerdeführerin den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes im
Sinn von Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 122 Abs. 1 BV verletzt. Dem kantonalen
Gesetzgeber war dies, wie die Darstellung in E. 2 zeigt, durchaus bewusst und
er hat vorausgesehen, dass das Bundesgericht im Beschwerdefall eingreifen
würde.

5. 
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass in dahingehender Gutheissung der Beschwerde
der Entscheid des Kantonsgerichtes aufzuheben ist. Indes kann dem weiteren
Begehren um Nichteintreten auf die Einsprache nicht stattgegeben werden. Es ist
nicht am Bundesgericht, sondern an den kantonalen Instanzen, über eine
bundesrechtskonforme Behandlung der privatrechtlichen Baueinsprache zu
befinden.
Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Kernanliegen durchgedrungen, weshalb sich
eine Kostenausscheidung für das bundesgerichtliche Verfahren nicht
rechtfertigt. Die Gerichtskosten sind mithin der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und diese hat die Beschwerdeführerin für das
bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird dahingehend gutgeheissen, dass der Beschluss des
Kantonsgerichtes Schwyz vom 20. Oktober 2015 aufgehoben und die Sache zur
weiteren Behandlung an das Kantonsgericht zurückgewiesen wird.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, 2. Zivilkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. April 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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