Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.945/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_945/2015

Urteil vom 7. Juli 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Fasel,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Käppeli,
Beschwerdegegner,

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern.

Gegenstand
Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsorts des Kindes,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 21.
Oktober 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ (Mutter) und B.________ (Vater) sind die nicht verheirateten
Eltern einer gemeinsamen Tochter namens C.________ (geb. 2009). Die Eltern
leben seit 2010 getrennt; sie sind beide sorgeberechtigt und betreuen ihre
Tochter seit deren Kindergarteneintritt im August 2014 je zur Hälfte.

A.b. Mit Schreiben vom 23. März 2015 teilte die Mutter der Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern mit, sie beabsichtige den
Lebensmittelpunkt nach Spanien, Provinz U.________, zu verlegen. Der Vater
erklärte sich mit einer Ausreise zusammen mit dem Kind nicht einverstanden.

B.
Mit Entscheid vom 10. Juni 2015 wies die KESB das Gesuch der Mutter um
Zustimmung zum Wechsel des Aufenthaltsortes ihrer Tochter ab. Mit Entscheid vom
21. Oktober 2015 gab das Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes-
und Erwachsenenschutzgericht (nachfolgend: Obergericht) der von der Mutter
gegen den Kammerentscheid eingelegten Beschwerde nicht statt.

C.
Die Mutter (Beschwerdeführerin) hat am 26. November 2015 (Postaufgabe) gegen
den obergerichtlichen Entscheid beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Sie beantragt sinngemäss, ihr die Ausreise mit ihrer Tochter nach
Spanien (Provinz U.________) zu bewilligen. Eventualiter sei die Ausreise mit
Auflagen zu verbinden. Subeventualiter sei der Entscheid aufzuheben und an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde richtet sich ausserdem gegen den die
unentgeltliche Rechtspflege verweigernden Entscheid des Obergerichts. Die
Beschwerdeführerin ersucht schliesslich um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren.

D.
Die KESB schliesst in ihrer Eingabe vom 25. April 2016 auf Abweisung der
Beschwerde. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2016 beantragt der Vater
(Beschwerdegegner) die Abweisung der Beschwerde. Auch er ersucht um
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Die
Beschwerdeführerin hat am 23. Mai 2016 repliziert. D.________ und E.________,
Eltern der Beschwerdeführerin, haben sich unaufgefordert vernehmen lassen
(Postaufgabe des Schreibens am 4. Juli 2016).

E.
Die Beschwerde wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des
Bundesgerichts vom 7. Juli 2016 öffentlich beraten und das Urteil anschliessend
an die Beratung und Abstimmung mündlich eröffnet.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein Entscheid eines oberen kantonalen Gerichts als
Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 2 BGG), der das Verfahren abschliesst (Art.
90 BGG). Gegenstand des Verfahrens sind Kinderbelange und damit eine Zivilsache
gemäss Art. 72 Abs. 1 BGG nicht vermögensrechtlicher Natur. Die
Beschwerdeführerin war Partei im kantonalen Verfahren; sie ist in der Sache
unterlegen und hat damit ein schützenswertes Interesse an der Aufhebung und
Änderung des angefochtenen Entscheids (Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG). Die
Beschwerde ist rechtzeitig erfolgt (Art. 100 BGG). Darauf ist einzutreten.

1.2. Die Eltern der Beschwerdeführerin waren nicht Partei im kantonalen
Verfahren und sind es auch nicht im bundesgerichtlichen Verfahren; sie sind
daher nicht berechtigt, sich vor Bundesgericht zur Sache zu äussern. Ihre
Eingabe ist somit aus dem Recht zu weisen.

2. 
Das Obergericht hat zusammengefasst erwogen, der Wechsel des Aufenthaltsortes
des Kindes sei grundsätzlich zu genehmigen, soweit das Kindeswohl dadurch nicht
erheblich gefährdet werde. Die Literatur sowie die Rechtsprechung zu dieser
Problematik bezögen sich indes durchwegs auf Fälle, in denen dem umzugswilligen
Elternteil die alleinige Obhut zustehe resp. er die Hauptbetreuung übernommen
habe. In solchen Fällen erscheine es gerechtfertigt, einen Wegzug nur dann zu
verweigern wenn das Kindeswohl erheblich gefährdet sei. Anders zu entscheiden
bedeutete eine unzulässige Einschränkung der verfassungsmässigen Rechte des
umzugswilligen Elternteils, zumal ihm aufgrund der Verweigerung der Zustimmung
ein Umzug faktisch verunmöglicht werde.
Vorliegend sei die Situation jedoch eine andere: Die Eltern hätten das
gemeinsame Sorgerecht über die Tochter und betreuten diese unbestrittenermassen
seit August 2014 je zur Hälfte. Die Beschwerdeführerin könne ohne die Tochter
auswandern und sie unter der alleinigen Obhut des Beschwerdegegners belassen,
was einer hauptbetreuenden Person nicht ohne weiteres möglich sei. In der
Situation wie der vorliegenden seien die berechtigten Interessen beider
Elternteile gleichermassen zu berücksichtigen. Es könne nicht einfach darauf
abgestellt werden, ob der Wegzug das Kindeswohl erheblich gefährde oder nicht.
Vielmehr sei für das Kind diejenige Lösung zu finden, die nach den gesamten
Umständen bessere Gewähr dafür biete, dass es sich in geistig-psychischer,
körperlicher und sozialer Hinsicht altersgerecht entfalten könne; gefordert sei
eine Lösung, die dem Kindeswohl eher entspreche.
Gemäss dem Bericht des F.________ sei die Tochter bei beiden Elternteilen gut
aufgehoben und seien die von der Beschwerdeführerin bezüglich der
Erziehungsfähigkeit des Beschwerdegegners geäusserten Bedenken nicht bestätigt
worden. Eine Gefährdung des Kindeswohls sei nicht zu befürchten, gleichgültig
bei wem das Kind verbleibe. Die Beschwerdeführerin sei nicht spanische
Staatsangehörige und müsse die spanische Sprache erst noch erlernen; ferner
habe sie dort zur Zeit keine Arbeitsstelle; die Beziehung zu ihrer Partnerin
werde als Fernbeziehung gelebt, zumal sie U.________ bisher nur zu
Ferienzwecken besucht habe. Eine Verlegung des Wohnsitzes nach Spanien sei
daher als risikohaft und instabil zu betrachten. Anderseits seien auch die
knappen finanziellen Verhältnisse und die unsicheren beruflichen Pläne des
Beschwerdegegners zu berücksichtigen. Diesen Umständen könne indes mit
geeigneten Mitteln wie einer Beistandschaft begegnet werden. Es entspreche
daher den Interessen der Tochter, ihr gewohntes Umfeld und die vertraute
Umgebung behalten zu können. Unter Würdigung dieser Umstände sei die Tochter
beim Beschwerdegegner zu belassen.

3.

3.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht lasse es bei
Abklärungen des F.________ bewenden; der Beschwerdegegner sei im Gegensatz zu
ihr weder von der ersten noch von der zweiten Instanz persönlich einvernommen
worden, was mit dem Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung nicht zu vereinbaren
sei.
Mit der Beschwerde geht es nicht darum, Interessen Dritter geltend zu machen.
Vorausgesetzt wird vielmehr grundsätzlich ein eigenes schutzwürdiges Interesse
der beschwerdeführenden Person (z.B. Urteil 5A_674/2015 vom 29. September 2015
E. 1.2). Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang ausschliesslich
eine Verletzung von Interessen Dritter. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

3.2. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, aus ihrer Einvernahme gehe
hervor, dass sich der Beschwerdegegner kurz nach der Geburt der Tochter
entschieden habe, nach Deutschland zurückzukehren, und er sich in der Folge
überhaupt nicht um die Betreuung seines Kindes gekümmert habe. Nach der
Rückkehr aus Deutschland habe er sich nur zu einem kleinen Teil mit der
Betreuung der Tochter befasst, was die Vorinstanz in das Gegenteil verkehrt
habe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei nicht entscheidend, wer die
Tochter seit 2014 betreut habe; massgebend sei vielmehr, wer deren Betreuung in
den ersten Lebensjahren zur Hauptsache übernommen habe.

3.3. In tatsächlicher Hinsicht ist laut den Feststellungen des Obergerichts
erstellt, dass der Beschwerdeführer seit August 2014 die Betreuung seiner
Tochter zur Hälfte übernommen hat. Die Beschwerdeführerin legt nicht
rechtsgenügend dar, inwiefern diese Feststellung willkürlich sein oder sonst
wie gegen Bundesrecht verstossen könnte. Ihre Kritik erschöpft sich in einer
appellatorischen Sachverhaltsrüge. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin kommt es entscheidend darauf an, wer die Tochter seit 2014
betreut hat. Die KESB bzw. das Obergericht hatten aufgrund der Verhältnisse zum
Zeitpunkt des Entscheides über das Gesuch um Bewilligung des Wegzugs zu
befinden und hatten daher dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ab August 2014
eine gemeinsame Betreuung je zur Hälfte durch beide Eltern erfolgt ist. Eine
Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich.

3.4. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Fragen der einvernommenen
Person nicht protokolliert worden seien, und rügt in diesem Zusammenhang
sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 6 EMRK, Art. 29 Abs. 2
BV).

3.5. An einer Verhandlung wird der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann
gewahrt, wenn das Gericht die Ausführungen und Eingaben auch tatsächlich zur
Kenntnis nimmt und pflichtgemäss würdigt; dafür besteht nur Gewähr, wenn die
Ausführungen und Eingaben der Parteien und allfälliger Dritter (Zeugen,
Sachverständige usw.) zu Protokoll genommen werden. Das bedeutet allerdings
nicht, dass sämtliche Parteiäusserungen zu protokollieren sind; vielmehr kann
sich das Protokoll auf die für die Entscheidfindung im konkreten Fall
wesentlichen Punkte beschränken (BGE 124 V 389 E. 4 S. 390 f.). Mündliche
Äusserungen einer Partei sind nach ihrem wesentlichen Inhalt zu protokollieren
(BGE 130 II 473 E. 4.4 S. 479). Aus der beschriebenen, durch die Verfassung
geforderten Protokollierungspflicht kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass
die den betroffenen Personen gestellten Fragen im Protokoll festzuhalten sind.
Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus der EMRK.

4.

4.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet im Weiteren die obergerichtliche
Auslegung von Art. 301a ZGB. Zur Begründung bringt sie zusammengefasst vor, die
Vorinstanz habe weder die Stossrichtung der Norm noch deren Sinn und Zweck
ermittelt. Sie bestimme lediglich den Aufenthaltsort des Kindes, ohne sich die
Frage zu stellen, ob der Beschwerdeführerin generell der Wegzug bewilligt
werden könne. Das grundsätzliche Zustimmungs  gebot werde nicht gewichtet.
Auszugehen sei von einer grundsätzlichen Zustimmung. Das Parlament habe "en
connaissance de cause" des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts Art. 301a ZGB
ins Gesetz eingefügt. Durch die Lesart des Obergerichts werde diese Bestimmung
zu einem toten Buchstaben mutiert. Das Obergericht habe ferner zu Unrecht nicht
beachtet, dass das Land, in welches die Beschwerdeführerin auszuwandern
gedenke, zum ersten Rechtskreis (Länder der Europäischen Union) gehöre. Damit
habe es das Bestreben um eine Einheit der Rechtsordnung nicht berücksichtigt.
Sodann sei in diesem Zusammenhang auch wesentlich, ob ein Entscheid anderswo
vollstreckt werden könne. Das Dreikreise-Modell, das im Ausländerrecht
entwickelt worden sei, könne auch hier zur Anwendung gelangen. Eine
Gleichstellung aller Länder sei nicht vertretbar. Das Obergericht habe dieses
Argument nicht beachtet. Ein weiteres kaum gewichtetes Element sei die
Selbstbetreuung durch den Elternteil. Beim Beschwerdegegner werde fortan die
Fremdbetreuung überwiegen, während bei der Beschwerdeführerin ein intaktes und
stabiles Umfeld vorhanden sei. Schliesslich habe das Obergericht nicht geprüft,
ob die Zustimmung unter gewissen Auflagen hätte erfolgen und so eine
verhältnismässigere Lösung hätte gefunden werden können, die dem Kindeswohl
besser entspricht.

4.2. Mit Bundesgesetz vom 21. Juni 2013, in Kraft getreten auf 1. Juli 2014 (AS
2014 357), wurde die elterliche Sorge und in diesem Zusammenhang auch das
Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffend die Kinder einer Revision unterzogen.
Das neue Recht statuiert als allgemeinen Grundsatz die gemeinsame elterliche
Sorge, auch für geschiedene oder nicht miteinander verheiratete Eltern (zu den
Ausnahmen vgl. BGE 141 III 472). Während unter altem Recht das
Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Obhutsrechtes aufzufassen war (vgl.
BGE 136 III 353), bestimmt die Gesetzesnovelle, dass die elterliche Sorge das
Recht einschliesst, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen (Art. 301a Abs.
1 ZGB). Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein
Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes ins Ausland verlegen, so bedarf dies
der Zustimmung des andern Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts bzw.
der Kindesschutzbehörde (Art. 301 Abs. 2 ZGB).
Während der Bundesrat in seinem Entwurf nicht nur die Zustimmung für den
Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes vorsah, sondern auch für den Wechsel
des Aufenthaltsortes des Elternteils (Botschaft des Bundesrates zu einer
Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Elterliche Sorge] vom 16.
November 2011, BBl 2011 9107), beschränkte das Parlament die
Zustimmungsbedürftigkeit auf die Veränderung des Aufenthaltsortes des Kindes
und ergänzte Art. 301a ZGB im Übrigen um die Absätze 3 bis 5
(Informationspflicht bei alleinigem Sorgerecht; Informationspflicht in Bezug
auf den eigenen Wohnsitzwechsel; Verständigung bzw. Entscheid über die
Anpassung der Sorge, der Obhut, des persönlichen Verkehrs und des Unterhaltes).
Anlass zu diesem Schritt gaben Bedenken, dass die vom Bundesrat vorgeschlagene
Lösung eine Anzahl von verfassungsmässigen Rechten, wie die
Niederlassungsfreiheit (Art. 24 BV), die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2
BV) aber auch die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV), die auch Eltern zustehen,
beschränken würde.

4.3. Der mit der verabschiedeten Fassung von Abs. 2 bewusst getroffene
Entscheid des Gesetzgebers, dass die Niederlassungs- bzw. die Bewegungsfreiheit
der Elternteile zu respektieren ist, bildet den Ausgangspunkt für die Auslegung
von Art. 301a ZGB und insbesondere für die Beurteilung der für die Wegzugsfrage
relevanten Kriterien.
Die vom Gericht oder der Kindesschutzbehörde zu beantwortende Frage lautet
folglich nicht, ob es für das Kind vorteilhafter wäre, wenn beide Elternteile
im Inland verbleiben würden. Die entscheidende Fragestellung ist vielmehr, ob
sein Wohl besser gewahrt ist, wenn es mit dem auswanderungswilligen Elternteil
wegzieht oder wenn es sich beim zurückbleibenden Elternteil aufhält, wobei
diese Frage unter Berücksichtigung der auf Art. 301a Abs. 5 ZGB gestützten
Anpassung der Kinderbelange (Betreuung, persönlicher Verkehr, Unterhalt) an die
bevorstehende Situation zu beantworten ist (vgl. dazu einlässlich das zur
Veröffentlichung bestimmte Urteil 5A_450/2015 vom 11. März 2016 E. 2.6). Die
hierbei aufkommende Frage, wo sich im Rahmen der neuen Begebenheiten der
Aufenthaltsort des Kindes befinden soll, ist ausgerichtet am Kindeswohl zu
beantworten (vgl. Art. 301a Abs. 5 ZGB; Botschaft, a.a.O., S. 9108). Dieser
Grundsatz geniesst Verfassungsrang (Art. 11 BV) und bildet für sämtliche
Kindesbelange die oberste Richtschnur (BGE 129 III 250 E. 3.4.2 S. 255; 141 III
312 E. 4.2.4 S. 319; 141 III 328 E. 5.4 S. 340). Zwischen der Anpassung der
Kinderbelange und der unter dem Aspekt des Kindeswohls zu beantwortenden Frage,
ob die Verlegung des Aufenthaltsortes zu bewilligen ist, besteht eine enge
Interdependenz.

4.4. Die Kriterien, die das Bundesgericht im Zusammenhang der Obhutszuteilung
im Trennungs- oder Scheidungsfall entwickelt hat, können auf die Anwendung von
Art. 301a ZGB übertragen werden. Für die Neuregelung der
Eltern-Kind-Verhältnisse haben die Interessen der Eltern in den Hintergrund zu
treten; abzustellen ist auf die persönlichen Beziehungen zwischen Eltern und
Kindern, auf ihre erzieherischen Fähigkeiten und die Bereitschaft, die Kinder
in eigener Obhut zu haben und sie weitgehend persönlich zu betreuen und zu
pflegen, sowie auf das Bedürfnis der Kinder nach der für eine harmonische
Entfaltung in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht notwendigen
Stabilität der Verhältnisse, welches bei gleicher Erziehungs- und
Betreuungsfähigkeit besonderes Gewicht erhält (Urteil 5A_375/2008 vom 11.
August 2008 E. 2).

4.5. Im konkreten Fall haben die Parteien das Modell der hälftigen Betreuung
ihrer Tochter gewählt. Beide Eltern haben bislang ihr Kind persönlich betreut
und gedenken, in Zukunft zu arbeiten. Während die Beschwerdeführerin in Spanien
zu 60 % einer ausserhäuslichen Arbeit nachgehen will, beabsichtigt der
Beschwerdegegner zu 70-80 % als... tätig zu sein. Damit aber sind beide
Parteien auf Fremdbetreuung angewiesen und erweist sich das Element der
Eigenbetreuung als wertneutral.
Die Tochter der Parteien wurde im Juni dieses Jahres sieben Jahre alt. Sie ist
damit tendenziell noch personenorientiert; jedenfalls lässt sich nicht von
einer gefestigten Umgebungsverbundenheit und einem Freundeskreis usw. sprechen.
Auch die Einschulung dürfte erst bevorstehen und wäre grundsätzlich auch in
Spanien möglich. Es ist jedoch zu beachten, dass die Beschwerdeführerin die
Sprache nicht spricht, in Spanien keine Wurzeln und abgesehen von der Beziehung
zur Partnerin keine Bezugspunkte zu diesem Land hat. Der vorliegende Fall, in
dem die Beschwerdeführerin in ein auch für sie fremdes Land auswandert, ist
nicht mit jenem vergleichbar, in dem ein Elternteil in sein Heimatland und
seinen eigenen Familienkreis zurückkehren will. Im letzteren Fall sind die
Kinder in aller Regel schon bisher zweisprachig aufgewachsen, mit der anderen
Kultur vertraut und mit der dortigen Familie (Grosseltern, Onkeln und Tanten
etc.) bekannt. Der Aspekt der Kontinuität der Verhältnisse spricht vorliegend
für einen Verbleib der Tochter in der Schweiz.
Die Beschwerdeführerin hält dem Beschwerdegegner vor, er könne der Tochter
einen weniger stabilen Rahmen bieten; das Obergericht ist der Auffassung, dass
die (bisher als Fernbeziehung geführte) Beziehung der Beschwerdeführerin zu
ihrer Partnerin in Spanien wenig gefestigt sei. Die Fachbehörden halten beide
Elternteile für fähig, das Kind zu erziehen. Dieser Aspekt dürfte - soweit
Prognosen überhaupt möglich sind - mit Bezug auf die Frage der Bewilligung des
Wegzuges zusammen mit der Tochter in etwa wertneutral sein. Dass der Vater
momentan arbeitslos ist, darf keine ausschlaggebende Rolle spielen; dem Kind
droht dadurch keine Gefahr. Auf der anderen Seite kann der Beschwerdeführerin
weder vorgehalten werden, dass die Partnerschaft erst zwei Jahre dauert, noch
dass sie noch eine Arbeitsstelle wird finden müssen: Es geht nicht um einen
Wegzug ins Nichts; die Beschwerdeführerin zieht vielmehr zu ihrer Partnerin
nach Spanien in deren familiäres Umfeld. In Bezug auf die Stabilität der
Verhältnisse darf und muss aber im Zusammenhang mit dem Kindeswohl
berücksichtigt werden, dass es sich nicht um eine registrierte Partnerschaft
handelt, sodass die Beschwerdeführerin bei deren Auflösung (bzw. bei einem
Scheitern des tatsächlichen Zusammenlebens, welches bislang noch nicht
stattgefunden hat) ungeschützt wäre. Weil Spanien ihr selbst (auch sprachlich)
ein fremdes Land ist, würde sie diesfalls wohl in die Schweiz zurückkehren, was
mit einem grundsätzlich nicht wünschbaren Hin und Her für das Kind verbunden
wäre. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Obergericht auch diese
Aspekte als für einen Verbleib des Kindes in der Schweiz sprechend ansah.
Die Tochter spricht sich für einen Verbleib in der Schweiz aus, wobei sie an
beiden Elternteilen hängt und weiterhin engen Kontakt mit beiden möchte. Bei
der Anhörung dürfte sie rund 6-jährig gewesen sein. Das Obergericht hat
zutreffend festgehalten, sie habe sich deshalb noch kein umfassendes Bild
darüber machen können, was ein Wegzug bedeuten würde. Indes spiegeln die
betreffenden Äusserungen bei einem 6-jährigen Kind seine verständliche Angst,
aus seiner gewohnten Umgebung herausgelöst, in ein fremdes Land geschickt zu
werden und dort in einer ihm unbekannten Sprache zur Schule gehen zu müssen.
Ein abrupter Wechsel an einen nicht vertrauten Ort und die Einschulung in einer
unvertrauten Sprache sind nicht im Interesse des Kindes.
Den bisherigen Ausführungen zufolge sind beide Elternteile nach Einschätzung
der Fachstellen erziehungsgeeignet und haben dies auch langjährig durch Tat
bewiesen. Weder bei einem Verbleib in der Schweiz und damit beim
Beschwerdegegner noch bei einem Wegzug mit der Beschwerdeführerin droht eine
konkrete Gefährdung des Kindeswohls. Vor dem Hintergrund, dass die Eltern ihre
Tochter bislang je hälftig betreut haben, sind nach den zutreffenden
Überlegungen des Obergerichtes weitere Kriterien beizuziehen. Die vorstehend
angestellten Überlegungen zum Kindeswohl sprechen überwiegend zugunsten eines
Verbleibes des Kindes am bisherigen Ort.

4.6. Auch die übrigen, noch nicht behandelten Vorbringen der Beschwerdeführerin
lassen den angefochtenen Entscheid nicht als bundesrechtswidrig erscheinen:
Entgegen ihrer Behauptung hat die Vorinstanz die Stossrichtung von Art. 301a
ZGB richtig erkannt und hat im Ergebnis der bundesgerichtlichen Auslegung von
Art. 301a ZGB entsprechend den Überlegungen des Kindeswohls den massgebenden
Stellenwert eingeräumt. Aufgrund des aufgezeigten Gesetzgebungsprozesses lässt
sich auch das von der Beschwerdeführerin zum Grundsatz erklärte
voraussetzungslose Zustimmungsgebot nicht vertreten. Bezüglich des von der
Beschwerdeführerin angesprochenen Dreikreise-Modells, das im Ausländerrecht
Anwendung findet und zwischen Ländern verschiedener Kreise unterscheidet,
genügt ein Hinweis auf Art. 301 Abs. 2 lit. a ZGB. Diese Bestimmung spricht
ganz allgemein vom Aufenthaltsort im Ausland und unterscheidet nicht zwischen
verschiedenen Ländern. Der Gesetzgeber liess sich dabei von der Überlegung
leiten, dass ein Wegzug ins Ausland regelmässig zur Begründung einer
ausländischen Jurisdiktion führt und sich daher die spätere Durchsetzung einer
in der Schweiz getroffenen Regelung der elterlichen Sorge entsprechend
schwieriger gestaltet (Botschaft, a.a.O., S. 9107). Schliesslich lässt sich
auch eine Zustimmung unter Auflagen weder mit den Materialien noch dem
Gesetzeswortlaut vereinbaren.

4.7. Zusammenfassend hält der angefochtene Entscheid den gesetzlichen
Anforderungen von Art. 301a ZGB stand. Der Vorwurf der Verletzung von
Bundesrecht erweist sich als unbegründet.

5. 
Das Obergericht hat der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren keine
unentgeltliche Rechtspflege gewährt, da es sie nicht als bedürftig erachtete.
Die Beschwerdeführerin rügt als Verletzung ihres Anspruchs auf unentgeltliche
Rechtspflege (Art. 29 Abs. 3 BV) den Umstand, dass die Vorinstanz ihre
Mietkosten nicht berücksichtigt habe.
Zu den Mietkosten erwog das Obergericht, dass das bisherige Mietverhältnis mit
der Beschwerdeführerin per 31. Juli 2015 gekündigt worden sei. Gemäss ihren
eigenen Angaben habe die Beschwerdeführerin eine neue Wohnung bezogen, wobei
mit den dort ansässigen Freunden lediglich ein mündlicher Mietvertrag
abgeschlossen und der Mietzins aufgeschoben worden sei. Weitergehende Angaben
zu den Wohnkosten und ihrer allfälligen Höhe habe die Beschwerdeführerin nicht
gemacht. Aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes könnten daher keine Wohnkosten
berücksichtigt werden. Die Beschwerdeführerin setzt sich in der Beschwerde mit
dieser Argumentation nicht auseinander. Sie begnügt sich damit, zu behaupten,
sie habe die Wohnsituation während des Verfahrens überbrücken können, indem sie
bei einem Freund einen Untermietvertrag mit einem Zins von Fr. 585.--
abgeschlossen habe. Damit belegt sie nicht, dass sie die entsprechenden
Präzisierungen bereits vor Obergericht vorgetragen und mittels Unterlagen auch
belegt hat. Das Vorbringen gilt daher als neu und unzulässig (Art. 99 Abs. 1
BGG). Mangels Nachweises der Bezahlung eines Mietzinses erweist sich der
obergerichtliche Entscheid als verfassungskonform (Urteil 5A_380/2015 vom 1.
Juli 2015 E. 3.2.2; BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 182).

6. 
Den bisherigen Ausführungen entsprechend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Beide Parteien stellen
ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren.
Die Bedürftigkeit der Parteien ist dargetan. Das gilt namentlich für die
Beschwerdeführerin, zumal sie ausser den bundesgerichtlichen Kosten mangels
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Beschwerdeverfahren auch noch die
Kosten des kantonalen Verfahrens zu tragen hat; eine erneute Verpflichtung zur
Bezahlung der Gerichts- und der eigenen Parteikosten würde ihre finanziellen
Möglichkeiten übersteigen. Die Beschwerde war, wie die heutige Diskussion
aufzeigt, nicht von vornherein aussichtslos; dasselbe gilt für den Standpunkt
des Beschwerdegegners. Daher sind die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen, einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse
zu nehmen. Grundsätzlich umfasst die unentgeltliche Rechtspflege nicht auch
eine von der unterliegenden Partei geschuldete Parteientschädigung. Es wäre
daher Sache der Beschwerdeführerin, den obsiegenden Beschwerdegegner für die
Umtriebe des bundesgerichtlichen Verfahrens voll zu entschädigen. Weil aber
davon auszugehen ist, dass die (volle) Entschädigung bei der Beschwerdeführerin
nicht erhältlich gemacht werden kann, ist auch der amtlichen Anwältin des
Beschwerdegegners ein (reduziertes) Honorar aus der Bundesgerichtskasse zu
entrichten. Beide Parteien werden darauf aufmerksam gemacht, dass sie der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben, sollten sie dereinst dazu in der Lage
sein.

 

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gesuche der Parteien um unentgeltliche Rechtspflege für das
bundesgerichtliche Verfahren werden gutgeheissen. Der Beschwerdeführerin wird
Rechtsanwalt Dr. Urs Fasel und dem Beschwerdegegner Rechtsanwältin Isabelle
Käppeli, je als amtlicher Rechtsbeistand bestellt.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt,
einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4. 
Den amtlichen Rechtsbeiständen wird je ein reduziertes Honorar von Fr. 1'500.--
aus der Bundesgerichtskasse entrichtet.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde
(KESB) Bern und dem Obergericht des Kantons Bern, Zivilabteilung, Kindes- und
Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juli 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben