Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.935/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_935/2015

Urteil vom 21. September 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Kistler,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick von Arx,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Definitive Rechtsöffnung; vollstreckbare öffentliche Urkunde,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 4. Kammer,
vom 12. Oktober 2015 (ZSU.2015.215).

Sachverhalt:

A.

A.a. B.________, mit Wohnsitz in U.________/Deutschland, leitete beim
Betreibungsamt Bergdietikon gegen A.________ für eine Forderung von Fr.
119'709.-- nebst Zinsen zu 5 % seit dem 24. Mai 2013 die Betreibung Nr. xxx
ein. Als Forderungsgrund bezeichnete sie "vollstreckbare titulierte
Unterhaltsansprüche der Gläubigerin gegenüber dem Schuldner (Vater) gemäss
Urkunde der Notarin C.________ (UR11/2001) ". Der Schuldner erhob
Rechtsvorschlag.

A.b. Am 17. April 2015 gelangte B.________ an das Bezirksgericht Baden und
verlangte die Rechtsöffnung im Umfang von Fr. 114'542.50 nebst (näher
bestimmten) Zinsen seit dem 24. Mai 2013. Als Rechtsöffnungstitel legte sie die
durch Notarin C.________ in Frankfurt a.M. am 31. Januar 2002 ausgestellte
vollstreckbare öffentliche Urkunde Nr. 11/2001 vor. Gestützt darauf erteilte
das Bezirksgericht in teilweiser Gutheissung des Gesuchs die definitive
Rechtsöffnung im Umfang von Fr. 35'834.10 nebst (näher bestimmten) Zinsen seit
dem 1. Juni 2013. Im Mehrbetrag wies es die Rechtsöffnung ab.

B. 
Gegen den Rechtsöffnungsentscheid erhob B.________ Beschwerde beim Obergericht
des Kantons Aargau und verlangte die definitive Rechtsöffnung im Umfang von Fr.
114'181.55 nebst (näher bestimmten) Zinsen seit dem 24. Mai 2013. Mit Entscheid
vom 12. Oktober 2015 hiess das Obergericht die Beschwerde gut und erteilte die
definitive Rechtsöffnung für den anbegehrten Betrag nebst (näher bestimmten)
Zinsen.

C. 
A.________ hat am 23. November 2015 Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der
Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung sowohl des obergerichtlichen
Entscheides als auch der Rechtsöffnung in der von B.________
(Beschwerdegegnerin) angehobenen Betreibung.
Es sind die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein Rechtsmittelentscheid des oberen kantonalen Gerichts
über die Rechtsöffnung, mithin eine Zwangsvollstreckungssache (Art. 72 Abs. 2
lit. a BGG). Die gesetzliche Streitwertgrenze wird erreicht (Art. 74 Abs. 1
lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist daher gegeben.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann die Verletzung von Bundes- sowie
Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). In der Beschwerde ist in
gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt
(Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls
zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133
III 589 E. 2 S. 591).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass
eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG).

2. 
Das Obergericht hat (im Wesentlichen unter Verweisung auf die erstinstanzlichen
Erwägungen) festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer in der notariell
ausgestellten Urkunde Nr. 11/2001 vom 31. Januar 2002 ("Zur Regelung der
Trennungs- und Scheidungsfolgen abgeschlossener Ehevertrag") zu bestimmten
Zahlungen für Kindesunterhalt an die Mutter der Beschwerdegegnerin verpflichtet
(sowie der Zwangsvollstreckung unterworfen) habe. Die vollstreckbare
Ausfertigung sei (der Mutter und zugleich für ihre minderjährige Tochter) zum
Zweck der Zwangsvollstreckung am 16. Oktober 2002 erteilt worden. Nach
Erreichen der Volljährigkeit sei die Vollstreckungsklausel am 25. Januar 2013
zu Gunsten der Beschwerdegegnerin notariell umgeschrieben und in der Folge
durch die Notarin beziffert worden. Die vollstreckbaren Ausfertigungen der
öffentlichen Urkunde seien dem Beschwerdeführer jeweils zugestellt worden.
Schliesslich sei eine Vollstreckbarkeitsbescheinigung der Notarin (gemäss
Formular des Lugano-Übereinkommens) vorgelegt worden. Es liege eine
vollstreckbare öffentliche Urkunde gemäss massgeblichem Lugano-Übereinkommen
und Art. 80 Abs. 2 Ziff. 1 bis SchKG vor, welche zur Rechtsöffnung berechtige.
Anders als die Erstinstanz hat das Obergericht die vom Beschwerdeführer
erhobene Einrede der Verjährung verworfen. Die Verjährung der
Unterhaltsansprüche der Beschwerdegegnerin sei in Anwendung von § 207 Abs. 2
Ziff. 2 lit. a BGB bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres, d.h. bis am 31.
Mai 2013 gehemmt gewesen, m.a.W. die in Betreibung gesetzten Unterhaltsbeiträge
seien nicht verjährt.
Das Obergericht hat die Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die
öffentliche Urkunde bzw. die Leistungspflicht gegen den Ordre public verstosse,
weil der Unterhaltsverpflichtung die Zeitlimite fehle und die Notarin
unzuständig sei, als neu und unzulässig zurückgewiesen. Abgesehen davon seien
nach deutschen Recht die unbefristeten Unterhaltstitel nach Erreichen der
Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten bis zu ihrer Abänderung massgebend.
Wenn der Beschwerdeführer die Berechnung der Forderung und des Verzugszinses
"bloss pauschal bestritten und als unwesentlich bezeichnet" habe, genüge dies
nach der ZPO nicht. Die definitive Rechtsöffnung sei daher antragsgemäss zu
erteilen.

3. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt ein definitives Rechtsöffnungsverfahren
(Art. 80 f. SchKG), in welchem die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels
überprüft wurde.

3.1. Vollstreckbar und ein Titel für die definitive Rechtsöffnung können gemäss
Lugano-Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 auch die im Ausstellungsstaat
vollstreckbaren öffentlichen Urkunden sein (Art. 57 rev LugÜ; u.a. STAEHELIN,
in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl.
2010, N. 67 zu Art. 80). Das Gleiche galt unter der Herrschaft des
Lugano-Übereinkommens in der Fassung vom 16. September 1988 (LugÜ/1988), wonach
öffentliche Urkunden, die in einem Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar
sind, in einem anderen Vertragsstaat wie eine gerichtliche Entscheidung für
vollstreckbar erklärt werden können (Art. 50 LugÜ/1988; BGE 137 III 87 E. 2 und
3 S. 88 ff.).

3.2. Nach deutschem Recht können die Ehegatten durch Ehevertrag grundsätzlich
Vereinbarungen (auch) über sonstige Scheidungsfolgen wie den nachehelichen
Kindesunterhalt treffen und diesbezüglich in notarieller Urkunde einen
vollstreckbaren Titel gemäss § 794 Abs. 1 Ziff. 5 dt. ZPO schaffen (vgl. IVO,
Länderbericht Deutschland, in: Süss/Ring, Eherecht in Europa, 2. Aufl. 2012,
Rz. 103, 116). Unbestritten ist, dass die von der Beschwerdegegnerin als
Rechtsöffnungstitel vorgelegte vollstreckbare öffentliche Urkunde Nr. 11/2001
vom 31. Januar 2002 grundsätzlich eine solche ist, deren
Vollstreckbarkeitserklärung sich nach dem LugÜ/1988 richtet (Art. 63 Abs. 1 rev
 LugÜ).

3.3. Gemäss Art. 50 LugÜ/1988 werden öffentliche Urkunden, die in einem anderen
Vertragsstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, in einem anderen
Vertragsstaat auf Antrag in den Verfahren nach Art. 31 ff. für vollstreckbar
erklärt. Der Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn die Zwangsvollstreckung aus
der Urkunde der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widersprechen
würde (Abs. 1). Gegen die im Rechtsöffnungsverfahren (Art. 81 Abs. 3 SchKG)
geprüfte und vom Obergericht bestätigte Vollstreckbarerklärung erhebt der
Beschwerdeführer verschiedene Rügen.

3.4. Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst die "Aktivlegitimation" der
Beschwerdegegnerin und wendet sich gegen die Auffassung der Vorinstanz, dass
der in der öffentlichen Urkunde aufgenommene Alimentenanspruch der
Beschwerdegegnerin zustehe. Soweit der Beschwerdeführer kritisiert, dass wegen
Volljährigkeit der Beschwerdegegnerin die Vollstreckungsklausel am 25. Januar
2013 zu ihren Gunsten notariell umgeschrieben wurde und dies eine
"Schlechterstellung" zur Folge habe, geht sein Vorbringen fehl. Gemäss § 727
(i.V.m. Art. 795)  dt. ZPO wird gestützt auf einen Vollstreckungstitel dem
unterhaltsberechtigten Kind mit Erreichen der Volljährigkeit auf Antrag hin
eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt (WOLFSTEINER, in: Münchener Kommentar
zur ZPO, 4. Aufl. 2012, N. 9 zu § 727). Nichts anderes geht aus der
umstrittenen Urkunde hervor. Mit seinem Hinweis bestätigt der Beschwerdeführer,
dass eine Voraussetzung zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat vorhanden ist,
wie die Vorinstanz (im Ergebnis) zu Recht festgehalten hat. Insoweit ist nicht
ersichtlich, dass das Obergericht die Vollstreckbarkeit der Urkunde zu Gunsten
der Beschwerdegegnerin verkannt und Art. 50 LugÜ/1988 verletzt hat.

3.5. Weiter macht der Beschwerdeführer geltend, die vorgelegte vollstreckbare
öffentliche Urkunde Nr. 11/2001 verstosse gegen den Ordre public.

3.5.1. Verstösse gegen die öffentliche Ordnung gemäss Art. 50 LugÜ/1988 sind
von Amtes wegen zu prüfen. Zu Recht hat das Obergericht entsprechende
(Eventual-) Erwägungen getroffen. Ein Ordre public-Verstoss kann vorliegen,
wenn das Ergebnis aus der vollstreckbaren öffentlichen Urkunde den
Wertvorstellungen der schweizerischen Rechtsordnung krass widerspricht (vgl.
u.a. DONZALLAZ, La Convention de Lugano, Bd. II, 1997, Ziff. 4231).

3.5.2. Der Beschwerdeführer erblickt die Ordre public-Widrigkeit darin, dass er
gemäss öffentlicher Urkunde eine "zeitlich unlimitierte" (über die
Volljährigkeit der Beschwerdegegnerin hinausgehende) Unterhaltsverpflichtung
eingegangen sei. Zutreffend hat das Obergericht (unter Hinweis auf
BRUDERMÜLLER, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl. 2016, N. 4 zu §
1601) festgehalten, dass der Unterhaltsanspruch nach deutschem Recht auch nach
Volljährigkeit des Kindes abgeändert werden kann. Im Übrigen setzt auch der
Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes die Bedürftigkeit voraus, d.h. dass
es sich "berechtigterweise noch in der Schule oder Ausbildung befindet"
(BRUDERMÜLLER, a.a.O., N. 6 zu § 1602 BGB; HEIDERHOFF, Länderbericht
Deutschland, in: Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht,
Stand: 2010 ff., S. 45/46). Es kann keine Rede davon sein, dass der
Beschwerdeführer eine "zeitlich unbegrenzte" und damit eine Verpflichtung
eingegangen ist, welche gegen den schweizerischen Ordre public verstösst.

3.5.3. Weiter rügt der Beschwerdeführer, dass die deutschen Bestimmungen "für
Schweizer Verhältnisse in unerträglichem Widerspruch" stehen würden, und dass
er nach der Scheidung für (blosse) vertragliche Verpflichtungen belangt werde
könne. Der Beschwerdeführer ist von seiner Ehefrau (unstrittig) geschieden.
Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss ausführt, eine vertragliche
Verpflichtung über Kindesunterhalt sei zwingend vom deutschen Scheidungsgericht
zu genehmigen, andernfalls sie gegen den schweizerischen Ordre public
verstosse, geht er fehl. Er übergeht, dass längst nicht alle Staaten von einem
Konzept der Einheit des Scheidungsurteils, wie es die Schweiz kennt, ausgehen
(vgl. SCHWANDER, Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer
Scheidungsurteile, FamPra 2009 S. 849). Indes bestehen selbständige Regeln über
die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Unterhaltsentscheidungen
ausländischer Gerichte, weshalb nicht erkennbar ist, dass Ordre public-widrig
sein soll, wenn sich ein Unterhaltsschuldner trotz Scheidung zu einem in einer
öffentlichen Urkunde aufgenommenen Unterhaltsbeitrag verpflichten kann, ohne
dass der Beitrag Teil eines Scheidungsurteils ist. Die rechtsvergleichenden
Ausführungen genügen nicht, um darzulegen, inwiefern das Ergebnis aus der
vollstreckbaren öffentlichen Urkunde den Wertvorstellungen der schweizerischen
Rechtsordnung krass widersprechen soll. Die Rüge, das Obergericht habe Art. 50
LugÜ/1988 verletzt, geht insoweit fehl.

3.6. Kann die vorgelegte öffentliche Urkunde in der Schweiz vollstreckbar
erklärt werden, bleibt zu prüfen, ob das Obergericht Einwendungen gemäss SchKG
gegen die definitive Rechtsöffnung verkannt habe.

3.6.1. Unbehelflich ist, wenn der Beschwerdeführer die Anwendung der
Verjährungsbestimmungen durch das Obergericht kritisiert, und vorbringt, es
seien vielmehr die Überlegungen der Erstinstanz, welche die Verjährungseinrede
verworfen habe, zutreffend. Wenn der Schuldner nach Art. 81 Abs. 1 SchKG die
Verjährung anruft, muss er bei Massgeblichkeit ausländischen Rechts die
entsprechenden Rechtsquellen dartun (STAEHELIN, a.a.O., N. 20 zu Art. 81). Das
Obergericht hat die vom Beschwerdeführer angerufene Verjährung in Anwendung der
Bestimmungen des BGB unter Hinweis auf die Literatur als unbegründet erachtet.
Der blosse Hinweis des Beschwerdeführers auf die "zutreffende" Anwendung des
BGB durch die Erstinstanz genügt den Begründungsanforderungen nicht. Die
Anwendung ausländischen Rechts in einer (wie hier) vermögensrechtlichen
Angelegenheit kann nicht gerügt werden (Art. 96 lit. b BGG), und eine
Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) wird nicht dargelegt (Art. 106 Abs. 2
BGG; BGE 133 III 446 E. 3 S. 447).

3.6.2. Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, dass es entgegen der Urkunde
"nicht Meinung der Parteien" war, die Trennungs- und Scheidungsfolgen
einschliesslich des Kindesunterhalts zu regeln. Mit den Vorbringen stellt er
die materielle Grundlage des Rechtsgeschäfts in Frage und behauptet sinngemäss
einen Willensmangel bzw. Irrtum beim Abschluss der Vereinbarung betreffend
nachehelichen Kindesunterhalt.

3.6.3. Soweit der Beschwerdeführer davon ausgeht, dass Art. 50 LugÜ/1988 nichts
über die materielle Rechtskraft bzw. die materielle Verbindlichkeit der
vollstreckbaren öffentlichen Urkunde sagt, ist das zutreffend: Die
vollstreckbare öffentliche Urkunde ist wie ein Urteil vollstreckbar, sie ist
indes kein Urteil in dem Sinne, dass der betreffende Anspruch in einem
gerichtlichen Verfahren festgestellt und materiell rechtskräftig beurteilt
worden wäre (BGE 137 III 87 E. 3 S. 91). Eine materielle Beurteilung des
Anspruchs, über welchen eine vollstreckbare öffentliche Urkunde aufgenommen
wurde, bleibt vorbehalten. Auch im vorliegenden Fall stand und steht dem
Beschwerdeführer - wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat - jedenfalls im
Ursprungsstaat die Möglichkeit offen, den in der Urkunde aufgenommenen
Unterhaltsanspruch abändern zu lassen (§ 239 des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FamFG];
KLEIN, in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG Kommentar, 3. Aufl. 2012, N. 2 f. zu
§ 239; WOLFSTEINER, Die vollstreckbare Urkunde, 3. Aufl. 2011, Rz. 31.109).

3.6.4. Zum Teil wird in der Lehre angenommen, es seien dem Schuldner auch bei
vollstreckbaren öffentlichen Urkunden gemäss LugÜ die erweiterten Einwendungen
gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG zur Verfügung zu stellen (u.a. STAEHELIN, a.a.O.,
N. 67 zu Art. 80; SPÜHLER/RODRIGUEZ, Internationales Zivilprozessrecht, 2.
Aufl. 2013, Rz. 378). Nach dieser Bestimmung kann der Betriebene Einwendungen
(materieller Natur) gegen die Leistungspflicht geltend machen, "sofern sie
sofort beweisbar sind", d.h. dem Urkundenbeweis genügen (vgl. Botschaft zur ZPO
vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221, Ziff. 5.24.2, S. 7390).
Es ist umstritten, ob Art. 50 LugÜ/1988 bzw. der Grundgedanke des LugÜ, eine
rasche und wirksame Vollstreckung zu gewähren, erlaubt, dass der
Exequaturrichter in eng begrenztem Umfang materielle Einwendungen prüft, ohne
dass das Verfahren seine Merkmale verliert (vgl. zur Kontroverse u.a. GELZER,
in: Basler Kommentar, LugÜ, 2. Aufl. 2016, N. 29 zu Art. 57; NAEGELI, in:
Dasser/Oberhammer, Lugano-Übereinkommen, 2. Aufl. 2011, N. 66 ff. zu Art. 57,
bereits 1. Aufl. 2008, N. 74 ff. zu Art. 50; vgl. zum Grundsatz Urteil des EuGH
vom 13. Oktober 2011, C-139/10,  Prism Investments BV/Jaap Anne van der Meer,
Ziff. 42).
Die Frage, ob bei vollstreckbaren öffentlichen Urkunden gemäss LugÜ/1988 die
Einwendungen nach Art. 81 Abs. 2SchKG möglich sind, wurde in BGE 137 III 87 (E.
3 S. 91) offen gelassen. Sie muss auch vorliegend nicht erörtert werden; das
Gleiche gilt für die Luzerner Praxis, das Verfahren auszusetzen und dem
Schuldner auf Antrag hin Gelegenheit zur Klageanhebung innert bestimmter Frist
zu geben (LGVE 2005 I Nr. 44). Der Beschwerdeführer legt in keiner Weise dar,
dass er betreffend Irrtum bzw. Willensmangel sofort beweisbare Einwendungen
gegen die Leistungspflicht vorgebracht und diese - oder ein Antrag auf
Verfahrensaussetzung - übergangen worden seien.

3.7. Nach dem Dargelegten liegt weder eine Verletzung von Bundes- noch von
Völkerrecht vor, wenn das Obergericht in der strittigen Betreibung die
Erteilung der definitiven Rechtsöffnung bestätigt hat.

4. 
Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 68 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zu bezahlen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 4. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. September 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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