Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.843/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
5A_843/2015        

Urteil vom 6. Februar 2017

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG,
2. Bank B.________ SA,
3. Bank C.________ AG,
alle vertreten durch Rechtsanwälte Andreas Hauenstein und Andreas Fankhauser,
Beschwerdeführerinnen,

gegen

D.________ SA 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Dörig,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Paulianische Anfechtungsklage,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 26.
August 2015 (1B 14 68).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 30. April 2010 wurde über die E.________ AG, mit Sitz in U.________,
der Konkurs eröffnet. Im Jahr vor der Konkurseröffnung hatte die E.________ AG
mit der D.________ SA (bzw. deren Rechtsvorgängerinnen), mit Sitz in Belgien,
13 Versicherungsverträge für Kreditversicherung abgeschlossen. Mit diesen
Kreditversicherungsverträgen gewährte die D.________ SA gegen Bezahlung der
Versicherungsprämien im Umfang von insgesamt rund 3,6 Mio. Fr.
Versicherungsschutz für Ausfälle von Forderungen der Versicherungsnehmerin
gegenüber 13 Kunden der E.________ AG aus Herstellung und Lieferung von
Metallpressen.

A.b. Am 27. März 2012 trat die ausseramtliche Konkursverwaltung den
Konkursgläubigerinnen A.________ AG, Bank B.________ SA und Bank C.________ AG
gestützt auf Art. 260 SchKG den inventarisierten "Forderungsanspruch gegen die
D.________ Kreditversicherungs-AG, Zweigniederlassung V.________, aus
Prämienrückforderung Kreditversicherung (CHF 20'432'000.00) (Inv.Nr. xxx) " ab.

A.c. Am 2. Oktober 2012 erhoben die Abtretungsgläubigerinnen A.________ AG,
Bank B.________ SA und Bank C.________ AG Klage beim Bezirksgericht Luzern. Sie
beantragten, die D.________ SA sei zu verpflichten, ihnen Fr. 3'616'657.--,
eventuell Euro 2'386'098.-- zu bezahlen, jeweils zuzüglich 5 % Zins seit 30.
April 2012.
Zu Begründung brachten die Klägerinnen im Wesentlichen vor, die bei
Versicherungsabschluss von der E.________ AG vorgelegten 13 Kaufverträge über
Metallpressen und angeblichen Forderungen gegenüber Kunden seien fingiert
gewesen. Den von der D.________ SA erwirkten Versicherungsschutz für
Kreditausfall gegenüber den Kunden habe die E.________ AG dazu benutzt, um den
Banken (darunter die Abtretungsgläubigerinnen) solide Geschäftsverhältnisse
vorzutäuschen und diese zur Finanzierung zu bewegen. Wohl könne der D.________
SA keine Mitwirkung vorgeworfen werden. Die 13 mit der D.________ SA
abgeschlossenen Kreditversicherungsverträge seien jedoch nichtig und die ohne
Rechtsgrund erbrachten Prämienzahlungen daher unentgeltliche Verfügungen im
Sinne von Art. 286 SchKG und anfechtbar.

B. 
Mit Urteil vom 2. Oktober 2014 wies das Bezirksgericht die Klage ab. Die
A.________ AG, Bank B.________ SA und Bank C.________ AG gelangten mit Berufung
an das Kantonsgericht Luzern. Mit Urteil vom 26. August 2015 wies das
Kantonsgericht die Klage ebenfalls ab.

C. 
Mit Eingabe vom 21. Oktober 2015 erhoben die A.________ AG, Bank B.________ SA
und Bank C.________ AG Beschwerde in Zivilsachen. Die Beschwerdeführerinnen
beantragen, das kantonsgerichtliche Urteil sei aufzuheben und die D.________ SA
(Beschwerdegegnerin) sei zu verpflichten, ihnen Fr. 3'616'657.--, eventuell
Euro 2'386'098.-- zu bezahlen, jeweils zuzüglich 5 % Zins seit 30. April 2012.
Eventuell sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Es sind die Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonaler Rechtsmittelentscheid über eine
paulianische Anfechtungsklage gemäss Art. 285 ff. SchKG, mithin ein Entscheid
über eine Schuldbetreibungs- und Konkurssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG;
Urteil 5A_469/2007 vom 4. September 2008 E. 1, nicht publ. in BGE 135 III 276).
Die gesetzliche Streitwertgrenze wird erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel
dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz
dazu Anlass gibt (Art. 99 BGG).

2.

2.1. Das Kantonsgericht hat festgehalten, dass es für die 13
Kreditversicherungsverträge, welche die E.________ AG mit der
Beschwerdegegnerin im Jahr vor der Konkurseröffnung abgeschlossen hatte, keine
Kaufpreisforderungen gegenüber Kunden gab, sondern von der E.________ AG
fingiert wurden, ohne dass die Beschwerdegegnerin (als
Versicherungsgesellschaft) Anhaltspunkte für Unstimmigkeiten hatte. Trotz
Nichtigkeit hätten die Kreditversicherungsverträge Auswirkungen gehabt, weil
die E.________ AG die Versicherungsprämien bezahlt habe. Die Prämienzahlung sei
als Schenkungspauliana gemäss Art. 286 SchKG grundsätzlich anfechtbar. Nach dem
Urteil wird die paulianische Anfechtbarkeit indes aus folgenden Gründen
verneint:

2.1.1. Das Kantonsgericht ist der Auffassung der Beschwerdeführerinnen, wonach
die Prämienzahlungen ohne Rechtsgrund und ohne Gegenleistung erfolgt seien,
nicht gefolgt. Es hat erwogen, dass die 13 Kreditversicherungsverträge nicht
nichtig mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ( ex tunc)
seien, sondern erst nachträglich, d.h. mit Wirkung ex nunc dahingefallen seien.
Grund dafür sei, dass die Beschwerdegegnerin (als Versicherungsgesellschaft)
gegen Prämienzahlung für die Vertragsdauer Versicherungsschutz gewährt habe.
Der ungültige Vertrag sei zufolge Erfüllung durch beide Parteien als faktisches
Vertragsverhältnis und damit als gültiger Vertrag zu behandeln.

2.1.2. Das Kantonsgericht hat geschlossen, dass der Prämienzahlung eine
Gegenleistung (Versicherungsschutz bzw. Versicherungspolicen, Anspruch auf
Leistung im Versicherungsfall) gegenübergestanden habe, die Prämien angemessen
und die E.________ AG zur Prämienleistung verpflichtet gewesen sei. Daher liege
kein Tatbestand einer Schenkungsanfechtung nach Art. 286 SchKG vor. Ob sich die
Beschwerdeführerinnen überhaupt auf die (materiellrechtliche) Nichtigkeit
berufen könne oder eine rechtsmissbräuchliche Anfechtungsklage vorliege, könne
offen bleiben.

2.1.3. Schliesslich hat das Kantonsgericht (als Eventualbegründung) zur
Abtretung nach Art. 260 SchKG festgehalten, dass den Beschwerdeführerinnen
lediglich ein "Forderungsanspruch" abgetreten worden sei, nicht jedoch ein
paulianischer Anfechtungsanspruch gemäss Art. 286 SchKG. Auch aus diesem Grund
(d.h. infolge fehlender Prozessführungsbefugnis) müsse die Anfechtungsklage
abgewiesen werden.

2.2. Die Beschwerdeführerinnen wenden sich sowohl gegen die Haupt- auch als
auch gegen die Eventualbegründung im Urteil.

2.2.1. Die Beschwerdeführerinnen betonen zunächst, dass die Vorinstanz
zutreffend die Nichtigkeit gemäss Art. 20 OR der Versicherungsverträge
angenommen habe. Die Annahme eines faktischen Vertragsverhältnisses lasse sich
indes nicht rechtfertigen, da es kein Vertrauen des Versicherungsnehmers
(E.________ AG) in den Bestand der Verträge zu schützen gebe. Entgegen der
vorinstanzlicher Auffassung seien weder eine Prämienzahlungspflicht der
E.________ AG noch eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin im
Versicherungsfall (Versicherungsschutz) entstanden. Die Prämienzahlung sei ohne
Rechtsgrund und ohne Gegenleistung erfolgt, weshalb eine unentgeltliche
Verfügung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG vorliege. Nach Auffassung der
Beschwerdeführerinnen stellt die Prämienzahlung gestützt auf einen gemäss Art.
20 OR nichtigen Vertrag zugleich eine unentgeltliche Verfügung gemäss Art. 286
Abs. 1 SchKG dar. Rechtsmissbrauch liege ohnehin nicht vor; die
Beschwerdegegnerin sei im Rahmen von Art. 291 Abs. 3 SchKG bei gutem Glauben
nur bis zum Betrag der Bereicherung herausgabepflichtig.

2.2.2. Mit Bezug auf die Prozessführungsbefugnis werfen die
Beschwerdeführerinnen der Vorinstanz vor, dass die Befugnis zur
Anfechtungsklage im gesamten erst- und zweitinstanzlichen Verfahren zu keinem
Zeitpunkt in Zweifel gezogen worden sei, und zwar weder von der Gegenseite noch
von den Gerichten. Nach der Rechtsprechung sei eine Abtretungserklärung des
Konkursamtes sinngemäss nach den Regeln über die Auslegung von
Willenserklärungen, insbesondere Art. 18 OR auszulegen. Die Vorinstanz habe
unbestrittene Tatsachen und übereinstimmende Parteistandpunkte (mit Bezug auf
den tatsächlichen Willen der Konkursverwaltung betreffend Abtretung der
Anfechtungsansprüche) übergangen. Die Beschwerdeführerinnen rügen, dass sie
sich zu den neuen oder anderen Tatsachenfeststellungen betreffend den Willen
der Konkursverwaltung in der Abtretungserklärung nicht hätten äussern können;
die Aberkennung der Klagebefugnis sei völlig überraschend. Sie hätten im
kantonalen Verfahren weder Anlass noch Gelegenheit gehabt, Beweismittel
betreffend den Abtretungswillen der Konkursverwaltung zu offerieren. Mit dem
Vorgehen habe die Vorinstanz ihren Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. das
Recht auf Beweis (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 8 ZGB), die Regeln über die
Willensauslegung (Art. 18 OR) sowie verschiedene Bestimmungen der ZPO (Art. 55,
Art. 60, Art. 153 ZPO) verletzt.

3. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anfechtungsklage gemäss Art. 286
SchKG (Schenkungspauliana) der Beschwerdeführerinnen, mit welcher sie als
Abtretungsgläubigerinnen die von der Schuldnerin vor Konkurseröffnung
vorgenommene Bezahlung von Versicherungsprämien an die Beschwerdegegnerin (als
Versicherungsgesellschaft) als anfechtbar erklärt haben wollen. Die kantonalen
Instanzen haben die Schenkungspauliana abgewiesen, währenddem sich die
Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen auf die Nichtigkeit der
Versicherungsverträge und damit rechtsgrundlose Prämienbezahlung berufen,
welche als unentgeltliche Zuwendung nach Art. 286 SchKG anfechtbar sei.

3.1. Das Bezirksgericht hat mit Blick auf das Domizil der Beschwerdegegnerin in
einem Vertragsstaat des Lugano-Übereinkommens festgehalten, dass die
Anfechtungsklage nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens falle und
die in der Schweiz erhobene Anfechtungsklage sich nach schweizerischem Recht
richte (vgl. BGE 131 III 227 E. 3.3, 4 und 5 S. 232 ff.). Sodann sei auf die
umstrittenen Versicherungsverträge schweizerisches Recht anwendbar. Insoweit
ist die Ausgangslage unstrittig, ohne dass etwas anzufügen wäre.

3.2. Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt
werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Art. 286-288 entzogen worden
sind (Art. 285 Abs. 1 SchKG). Mit der Schenkungsanfechtung gemäss Art. 286
SchKG sind mit Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke alle Schenkungen und
unentgeltlichen Verfügungen, die der Schuldner innerhalb des letzten Jahres vor
der Pfändung oder Konkurseröffnung vorgenommen hat, anfechtbar (Abs. 1). Den
Schenkungen sind Rechtsgeschäfte, bei denen der Schuldner eine Gegenleistung
angenommen hat, die zu seiner eigenen Leistung in einem Missverhältnis steht,
gleichgestellt (Abs. 2 Ziff. 1).

3.3. Streitpunkt ist der Schluss des Kantonsgerichts, welches in der Bezahlung
der Versicherungsprämien weder eine unentgeltliche Verfügung noch ein
Missverhältnis zwischen Leistung bzw. Gegenleistung und daher keine
Anfechtbarkeit nach Art. 286 SchKG erblickt hat.

3.3.1. Die Vorinstanz hat die 13 Kreditversicherungsverträge mit der
Begründung, dass infolge fingierter Kaufpreisforderungen keine Gefahr des
Kreditausfalls bestand und nicht entstehen konnte, zufolge anfänglicher
objektiver Unmöglichkeit nichtig im Sinne von Art. 20 OR erachtet (wie das
Bezirksgericht unter Hinweis auf NEF, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über
den Versicherungsvertrag [VVG], 2001, N. 14 zu Art. 9 VVG). Sie hat unter
Hinweis auf FUHRER (Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2011, Rz. 5.29
f.) geschlossen, dass die Versicherungsverträge erst nachträglich, d.h. als
faktische Vertragsverhältnisse mit Wirkung ex nunc dahingefallen und daher
gültig seien.

3.3.2. Die Beschwerdeführerinnen halten fest, dass die Nichtigkeit ex tunc (auf
den Zeitpunkt des Vertragsschlusses) wirke. Ihre darauf gestützte
Argumentation, dass eine rechtsgrundlose Zahlung von Versicherungsprämien
jedenfalls (sowohl in materiell- als auch in anfechtungsrechtlicher Hinsicht)
eine unentgeltliche Verfügung sei, ist im Folgenden zu prüfen.

3.3.3. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen sind die
Versicherungsverträge selbst bei Nichtigkeit ex tunc (im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses) nicht unentgeltliche Geschäfte. In materiellrechtlichen
Hinsicht kann eine rechtsgrundlose Leistung nicht einer unentgeltlichen
Leistung gleichgestellt werden, die nach dem Vertragswillen unentgeltlich sein
soll (vgl. ERNST, Entgeltlichkeit, in: Festschrift Picker, 2010, S. 153 f.).
Dass aber die Unentgeltlichkeit von Versicherungsverträgen üblich oder im
konkreten Fall mit dem Vertragsabschluss vereinbart sein soll, wird zu Recht
nicht behauptet. Eine nicht unentgeltliche, aber rechtsgrundlose Leistung kann
hingegen nach dem Bereicherungsrecht (Art. 62 ff. OR) zurückgefordert werden
(SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, 1997, Rz. 22 zu Art. 286 SchKG). Nach
der Rechtsprechung kann als Gegenleistung zur Versicherungsprämie die Gewährung
einer bestimmten Sicherheit als Dauerleistung erblickt werden (BGE 140 III 115
E. 6.4.2 S. 129, betreffend Rückversicherung). Weiter kann nach der Literatur
ein an sich nichtiger Versicherungsvertrag, auf dessen Bestand gerade Dritte
vertraut haben (FUHRER, a.a.O., Rz. 5.30), wie hier offenbar gewisse
Finanzinstitute mit Bezug auf die Solidität des Geschäftsganges der E.________
AG, als faktisches Vertragsverhältnis Bestand haben. Diese materiellrechtlichen
Fragen brauchen indes nicht abschliessend erörtert zu werden, wie sich aus dem
Folgenden ergibt.

3.3.4. Die paulianische Anfechtung ist nicht ein Institut des materiellen,
sondern des Zwangsvollstreckungsrechts (BGE 33 I 254 E. 1 S. 256; GILLIÉRON,
Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 2924). Die
zivilrechtliche Gültigkeit des Rechtsgeschäfts wird durch die Anfechtung nicht
berührt (BGE 98 III 44 E. 3 S. 46; 135 III 265 E. 3 S. 268; GILLIÉRON,
Poursuite, a.a.O., Rz. 2863), und die - oft umstrittene - zivilrechtliche
Gültigkeit oder Ungültigkeit ist keine Voraussetzung für die paulianische
Anfechtung eines Rechtsgeschäfts (BGE 73 III 142 S. 144; GILLIÉRON, Commentaire
de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. IV, 2003,
N. 11 zu Art. 285 SchKG; A. STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 13, 20 zu Art. 285 SchKG; KREN
KOSTKIEWICZ, Kommentar SchKG, 19. Aufl. 2016, N. 5 zu Art. 285 SchKG). Der
Anfechtungsprozess beschränkt sich grundsätzlich darauf, eine vorgefundene
zivilrechtliche Gestaltung auf ihre vollstreckungsrechtliche Zulässigkeit zu
überprüfen (BGE 141 III 527 E. 2.3.3 S. 532). Die paulianische Anfechtung kommt
u.a. erst dann nicht mehr in Betracht, wenn die Nichtigkeit gerichtlich (durch
materielles Urteil) festgestellt worden ist (A. STAEHELIN, a.a.O., N. 13 zu
Art. 285 SchKG), was hier nicht der Fall ist. Vorliegend haben die
Beschwerdeführerinnen keine materiellrechtliche Klage erhoben, um die
allfälligen und umstrittenen Rechte der Gemeinschuldnerin festzustellen (vgl.
SCHÜPBACH, a.a.O., N. 27 zu Art. 286 SchKG), sondern eine paulianische
Anfechtungsklage. Entscheidend ist damit, ob die Voraussetzungen des
Anfechtungstatsbestandes gemäss Art. 286 SchKG erfüllt sind.

3.4. Zu prüfen ist der Streitpunkt, ob die Prämienzahlungen für die 13
Versicherungsverträge "unentgeltliche Verfügungen" im Sinne von Art. 286 Abs. 1
SchKG gleichkommen, welche neben Schenkungen ebenfalls anfechtbar sind.

3.4.1. Unter einer Verfügung im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG ist jeder Akt
zu verstehen, durch den über das Vermögen des Schuldners verfügt wird. Eine
Verfügung ist unentgeltlich im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG, wenn der
Schuldner eine Zuwendung macht, m.a.W. ohne eine Gegenleistung zu erhalten,
eine Leistung erbringt, zu deren Vornahme er nicht rechtlich (oder aus
sittlichen Gründen) verpflichtet ist (BGE 95 III 47 E. 2 S. 51; u.a. A.
STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 286 SchKG; KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., N. 2, 3 zu
Art. 286 SchKG). Es sind ausschliesslich die objektiven Umstände massgebend;
auf die subjektiven Beweggründe der Beteiligten kommt es nicht an (BGE 95 III
47 E. 2 S. 52; GILLIÉRON, Commentaire, a.a.O., N. 8 zu Art. 286 SchKG; A.
STAEHELIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 286 SchKG).

3.4.2. Mit der Zahlung der E.________ AG (Gemeinschuldnerin) für die
Versicherungsprämien wurde über ihr Vermögen verfügt. Diese Geldzahlung kann
nicht als unentgeltlich im Sinne der massgebenden Bestimmung bezeichnet werden.
Ein Versicherungsvertrag und die Versicherungsprämien sind für die
Versicherungsgesellschaft keine Freigebigkeit (Liberalität), da der Vertrag
entgeltlich ist, der Umfang der sich gegenüberstehenden Leistungen feststeht
und die Versicherungsprämien zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus dem Vertrag
geleistet werden (SCHÜPBACH, a.a.O., Rz. 47 zu Art. 286 SchKG). Der Umstand,
dass die kreditversicherten Forderungen der E.________ AG gegenüber den Kunden,
wie sich später herausgestellt hat, angeblich nicht bestanden haben, vermag
nichts daran zu ändern, dass die Beschwerdegegnerin für die bezahlten
Versicherungsprämien zugunsten der Gemeinschuldnerin (E.________ AG) objektiv
eine Gegenleistung - das Versprechen der Geldleistung im Versicherungsfall bzw.
die Risikoübernahme für Kreditausfall - vorgesehen hat. Die Prämienzahlung ist
anfechtungs- bzw. zwangsvollstreckungsrechtlich unbedenklich. Sie lässt sich
z.B. nicht mit der Auszahlung eines (durch "Schneeballsystem") herbeigeführten
Scheingewinnes vergleichen, weil dort der Zahlung keine Gegenleistung des
Empfängers gegenübersteht, so dass derartige Scheingewinne nach Art. 286 SchKG
anfechtbar sein können (vgl. Urteil 2C_776/2012 vom 19. Februar 2013 E. 3.3).
Die Schenkungsanfechtung für Prämienzahlungen wäre denkbar, wenn die Zahlung
einer "Versicherungsprämie" an eine als "Versicherung" auftretende Person oder
Gesellschaft erfolgt wäre, welche zur Hauptleistung des Versicherers objektiv
gar nicht fähig wäre, so dass keine relevante Gegenleistung gegenüberstehen
würde. Derartige oder ähnliche Umstände, welche zur Annahme der Anfechtbarkeit
der Prämienzahlung und der Beschwerdegegnerin als Anfechtungsbeklagte führen
würden, liegen im konkreten Fall nicht vor. Die rein subjektiven Beweggründe
der Beteiligten sind nicht ausschlaggebend. Selbst wenn die Vorstellungen der
Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Verfügung auseinandergehen, liegt
keine unentgeltliche Verfügung vor, nur weil die Gemeinschuldnerin die
Verfügung allenfalls als unentgeltliche wollte, um (wie hier) den Eindruck
eines soliden Geschäftsgangs zu erwecken. Mangels Unentgeltlichkeit im Sinne
von Art. 286 Abs. 1 SchKG scheidet die Schenkungsanfechtung aus.

3.4.3. Die Beschwerdeführerinnen führen zutreffend aus, dass unentgeltliche
Verfügungen sich dadurch auszuzeichnen, dass der Schuldner keine Gegenleistung
"erhält" (u.a. mit Hinweis auf BGE 95 III 47 E. 2 S. 51). So ist z.B. das
Eingehen einer Bürgschaft durch den Schuldner anfechtbar, wenn ihm dafür eine
(Regress-) Forderung gegeben wird, die in Wirklichkeit keinen oder nur einen
geringen Wert hat (BGE 31 III 350 E. 4 S. 353). Eine Gegenleistung ist damit -
objektiv - nicht vorgesehen, was auf eine Freigebigkeit hinausläuft. Aus der
Formulierung kann nicht geschlossen werden, dass das Nichterhalten bzw.
effektive Ausbleiben einer Gegenleistung bereits zur Unentgeltlichkeit im Sinne
von Art. 286 SchKG führe. Entscheidend für die Annahme einer relevanten
Gegenleistung ist, dass eine solche in angemessenem Verhältnis vorgesehen ist,
andernfalls wäre allgemein die Un- bzw. Entgeltlichkeit davon abhängig, ob der
Vertragspartner seine Gegenleistung effektiv erbringt, was nicht zutrifft
(SCHMID, Die paulianische Anfechtung von Darlehensrückzahlungen und
Darlehensbesicherungen, 2014, Rz. 203). Da die Beschwerdegegnerin für die
bezahlten Versicherungsprämien eine Gegenleistung vorgesehen hat, besteht kein
Grund, die Unentgeltlichkeit und damit Anfechtbarkeit der Prämienzahlungen
gemäss Art. 286 Abs. 1 SchKG anzunehmen.

3.5. Nach dem Dargelegten stellt im Ergebnis keine Rechtsverletzung dar, wenn
die Vorinstanz die Unentgeltlichkeit im Sinne von Art. 286 Abs. 1 SchKG der
Prämienzahlungen der E.________ AG an die Beschwerdegegnerin und damit die
Anfechtbarkeit verneint hat. Ob die Schenkungsanfechtung (wie die Erstinstanz
angenommen hat) rechtsmissbräuchlich ist, ist nicht zu erörtern, da die
Vorinstanz die Frage offen gelassen hat. Eine Überschuldungs- oder
Absichtsanfechtung (Art. 287 bzw. Art. 288 SchKG) sind schliesslich nicht
Gegenstand der Klage und daher nicht zu erörtern.

4. 
Schliesslich ist umstritten, ob - wie das Kantonsgericht in der
Eventualbegründung festgehalten hat - die Konkursverwaltung den
Beschwerdeführerinnen nach Art. 260 SchKG überhaupt einen paulianischen
Anfechtungsanspruch abgetreten hat. Die Beschwerdeführerinnen bestehen darauf,
einen Anfechtungsanspruch eingeklagt zu haben und einklagen zu dürfen.

4.1. Die Vorinstanz hat zu Recht ausgeführt, dass die Gläubiger eines
Gemeinschuldners nur zur Verfolgung solcher Ansprüche legitimiert sind, die
ihnen von der Konkursverwaltung nach Art. 260 SchKG abgetreten wurden. Nach
Rechtsprechung und Lehre ist eine Abtretungserklärung gemäss Art. 260 SchKG -
ohne Bindung an den Wortlaut - nach dem wahren Sinn entsprechend den Regeln
über die Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere gemäss Art. 18 OR
auszulegen (BGE 92 III 57 E. 1 S. 61; 107 III 91 E. 1 S. 93; Urteil 4A_381/2012
vom 8. November 2012 E. 3.2; GILLIÉRON, Commentaire, a.a.O., Bd. III, 2001, N.
62 zu Art. 260 SchKG; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II,
1993, § 51 Rz. 25 S. 346, Rz. 28 S. 349).

4.2. Aus dem Urteil des Kantonsgerichts (sowie jenem des Bezirksgerichts) geht
- wie die Beschwerdeführerinnen zutreffend festhalten - kein Anhaltspunkt
hervor, dass im kantonalen Verfahren die Prozessführungsbefugnis betreffend den
geltend gemachten Anfechtungsanspruch in Frage gestanden hätte.

4.2.1. Im angefochtenen Urteil wird der Wille der Konkursverwaltung durch
Würdigung des Inventareintrages und eines Schreibens des Konkursamtes vom 17.
Mai 2010 ermittelt und geschlossen, es sei nur ein "Forderungsanspruch", nicht
aber ein "paulianischer Anfechtungsanspruch" abgetreten worden. Dass die
Beschwerdeführerinnen Gelegenheit gehabt hätten, sich zu diesem Beweisergebnis
- betreffend den tatsächlichen Willen der Konkursverwaltung - zu äussern, lässt
sich dem Urteil nicht entnehmen, ebenso wenig, weshalb (allfällige)
Beweisofferten der Beschwerdeführerinnen nicht zu berücksichtigen gewesen
seien.

4.2.2. Im bundesgerichtlichen Verfahren berufen sich die Beschwerdeführerinnen
auf verschiedene Dokumente (wie Memorandum der Konkursverwaltung vom 23.
November 2011, Protokoll der 6. Gläubigerausschusssitzung vom 30. November
2011, Einladung zur 2. Gläubigerversammlung vom 8. Februar 2012 mit "Liste von
Rechtsansprüchen zur Abtretung nach Art. 260 SchKG"; Protokoll der 2.
Gläubigerversammlung vom 1. März 2012) und auf Verantwortliche der
ausseramtlichen Konkursverwaltung als Zeugen. Anhand der neuen Beweismittel, zu
deren Vorbringen erst das angefochtene Urteil Anlass gegeben habe (und welche
daher nach Art. 99 BGG zulässig seien), lasse sich in tatsächlicher Hinsicht
feststellen, dass die Abtretung u.a. mit Blick auf die drohenden Verwirkung
gemäss Art. 292 SchKG vorgenommen worden sei, und dass tatsächlicher Wille der
Konkursverwaltung war, in der Abtretungserklärung unter dem Titel
"Forderungsanspruch" den eingeklagten "Anfechtungsanspruch" abzutreten.

4.3. Ob der Anspruch der Beschwerdeführerinnen auf das rechtliche Gehör (Art.
29 Abs. 2 BV) bzw. andere verfahrensrechtliche Regeln (wie das Recht auf den
Beweis gemäss Art. 8 ZGB bzw. Art. 153 ZPO) verletzt worden sind, wenn die
Vorinstanz - wie behauptet - ohne Gelegenheit zur Stellungnahme zur Würdigung
der von ihr herangezogenen beiden Dokumente die Prozessführungsbefugnis
verweigert hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Da bereits die
Hauptbegründung - wie dargelegt - mit Bundesrecht vereinbar ist (E. 3) und die
Klageabweisung selbständig zu tragen vermag, kann die Frage, ob nach dem Willen
der Konkursverwaltung tatsächlich nicht ein Anfechtungsanspruch abgetreten
worden ist, offen bleiben. Aus diesem Grund erübrigt sich, über die
Zulässigkeit der neuen Beweismittel nach Art. 99 BGG zu befinden.

5. 
Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
werden die gemeinsam prozessierenden Beschwerdeführerinnen zu gleichen Teilen
unter solidarischer Haftung kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zu bezahlen, da keine Vernehmlassungen eingeholt
worden sind und der Beschwerdegegnerin kein entschädigungspflichtiger Aufwand
entstanden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 30'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen zu
gleichen Teilen unter solidarischer Haftung auflegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. Februar 2017

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Levante

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