Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.819/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_819/2015

Urteil vom 24. November 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber von Roten.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Meier,
Beschwerdeführer,

gegen

B.A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Britschgi,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Eheschutzmassnahmen,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung, vom 2. / 16. Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Ehegatten A.A.________ (Beschwerdeführer), Jahrgang 1959, und B.A.________
(Beschwerdegegnerin), Jahrgang 1967, leben seit 1. Juli 2012 getrennt. Sie sind
die Eltern von C.A.________, geboren 2001, und D.A.________, geboren 2005.

B. 
Auf Gesuch der Beschwerdegegnerin vom 17. Mai 2013 regelte das Kantonsgericht
Nidwalden das Getrenntleben. Es genehmigte die Teilvereinbarung der Parteien
über die Zuweisung der ehelichen Wohnung an die Beschwerdegegnerin, die
Unterstellung der Kinder unter die Obhut der Beschwerdegegnerin und den
persönlichen Verkehr des Beschwerdeführers mit den Kindern. Das Kantonsgericht
verurteilte den Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin an den Unterhalt der
Kinder einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von je Fr. 2'000.-- ab 1. Juli 2012
bis 31. Mai 2013 und von je Fr. 3'300.-- ab 1. Juni 2013 zu bezahlen (Urteil
vom 20. Februar 2014).

C. 
Der Beschwerdeführer legte am 24. November 2014 Berufung ein mit den Begehren,
die monatlichen Unterhaltsbeiträge für die Kinder auf je Fr. 1'200.-- ab 1.
Juli 2012 bis 30. Juni 2014 und auf je Fr. 450.-- ab 1. Juli 2014 festzusetzen.
Das Obergericht des Kantons Nidwalden lehnte es ab, die vom Beschwerdeführer
neu geltend gemachte Arbeitslosigkeit seit 1. Juli 2014 zu berücksichtigen, und
wies die Berufung ab (Entscheid vom 2./16. Juni 2015).

D. 
Mit Eingabe vom 14. Oktober 2015 beantragt der Beschwerdeführer dem
Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und die Sache zu
neuem Entscheid unter Berücksichtigung seiner Arbeitslosigkeit seit 1. Juli
2014 an das Obergericht zurückzuweisen. Im Eventualstandpunkt erneuert er seine
Berufungsbegehren. Das Obergericht hat die kantonalen Akten zugestellt und auf
Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Die Parteien erstatteten
Replik und Duplik. Alle weiteren Eingaben wurden den Parteien je zur
Kenntnisnahme mitgeteilt.

E. 
Vor Einlegung seiner Berufung hat der Beschwerdeführer am 9. September 2014 das
Kantonsgericht ersucht, die mit Urteil vom 20. Februar 2014 festgelegten
Kinderunterhaltsbeiträge an die Änderung der Verhältnisse (Arbeitslosigkeit
seit 1. Juli 2014) anzupassen. Das Verfahren ist offenbar noch hängig.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid betrifft den Kinderunterhalt während des
Getrenntlebens der Parteien (Art. 176 Abs. 3 ZGB) und damit eine Zivilsache
(Art. 72 Abs. 1 BGG) in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, deren
Streitwert den gesetzlichen Mindestbetrag von Fr. 30'000.-- übersteigt (Art. 74
Abs. 1 lit. b BGG; BGE 116 II 493 E. 2b S. 495; Urteil 5A_1017/2014 vom 12. Mai
2015 E. 1.2). Er ist kantonal letzt- und oberinstanzlich (Art. 75 BGG), lautet
zum Nachteil des Beschwerdeführers (Art. 76 Abs. 1 BGG) und schliesst das
kantonale Verfahren ab (Art. 90 BGG; BGE 133 III 393 E. 4 S. 395 f.). Der
Eheschutzentscheid über die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern ist eine
vorsorgliche Massnahme, so dass nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte
gerügt werden kann (Art. 98 BGG; BGE 133 III 393 E. 5 S. 396 f.). Auf die -
fristgerecht erhobene (Art. 100 Abs. 1 BGG) - Beschwerde kann eingetreten
werden.

2. 
In seiner Berufung gegen das kantonsgerichtliche Urteil vom 20. Februar 2014
hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, er sei seit 1. Juli 2014 arbeitslos
und erziele statt der angenommenen Fr. 31'133.32 bis Fr. 33'019.43 nur mehr
rund Fr. 7'500.-- monatlich bzw. maximal Fr. 90'000.-- jährlich. Das
Obergericht ist davon ausgegangen, die am 1. Juli 2014 eingetretene
Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers sei im Berufungsverfahren nicht zu
berücksichtigen, sondern im bereits anhängig gemachten Abänderungsverfahren
vorzubringen und zu prüfen (E. 2.4 S. 11 ff.). Es hat der Bemessung der
Kinderunterhaltsbeiträge ein Einkommen des Beschwerdeführers von Fr. 377'855.90
(2012) und Fr. 383'590.90 (2013) zugrunde gelegt (E. 3.4.4 S. 26 des
angefochtenen Entscheids). Dass das Obergericht ihn mit seinem neuen Vorbringen
im Berufungsverfahren nicht zugelassen und in das von ihm bloss vorsorglich
angehobene Abänderungsverfahren verwiesen hat, rügt der Beschwerdeführer als
Rechtsverweigerung und als Verweigerung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (S.
9 ff.) sowie als willkürlich (S. 18 ff. der Beschwerdeschrift). Die
Beschwerdegegnerin hält dafür, das Vorgehen des Obergerichts sei nicht zu
beanstanden. Sie wendet insbesondere ein, dass sich die Novenfrage gar nicht
stelle, weil die kurzfristige Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers nicht von
Belang sei (S. 14 ff., insbesondere S. 17 ff. der Beschwerdeantwort).

3. 
Erstinstanzliche Eheschutzmassnahmen gelten als Entscheide über vorsorgliche
Massnahmen, die unter den - hier erfüllten - gesetzlichen Voraussetzungen mit
Berufung gemäss Art. 308 ff. ZPO anfechtbar sind (BGE 137 III 475 E. 4.1 S. 477
f.) und auf Berufung hin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht frei
überprüft werden können (Art. 310 ZPO; BGE 138 III 374 E. 4.3.1 S. 375). Es
mutet deshalb seltsam an, dass das Obergericht seine Prüfungsbefugnis in
mehreren Punkten ausdrücklich auf Willkür beschränkt hat (E. 3.4.3d S. 23, E.
3.5g S. 30 und E. 3.7e S. 36 des angefochtenen Entscheids). Ob darin eine
formelle Rechtsverweigerung liegt (BGE 131 II 271 E. 11.7.1 S. 303; 141 II 103
E. 4.2 S. 109), kann dahingestellt bleiben, da der Beschwerdeführer
entsprechende Verfassungsrügen nicht mit der Einschränkung der
Prüfungsbefugnis, sondern mit der Handhabung des Novenrechts gemäss Art. 317
Abs. 1 ZPO begründet. Verletzungen verfassungsmässiger Verfahrensgarantien
prüft das Bundesgericht frei (BGE 127 I 133 E. 5 S. 136), während die
Prüfungsbefugnis gegenüber der Anwendung der ZPO hier auf Willkür beschränkt
ist (Art. 9 BV i.V.m. Art. 98 BGG; Urteile 5A_561/2016 vom 22. September 2016
E. 3.1; 5A_890/2013 vom 22. Mai 2014 E. 1.5, nicht veröffentlicht in: BGE 140
III 337).

4. 
In seiner Berufung vom 24. November 2014 gegen das kantonsgerichtliche Urteil
vom 20. Februar 2014 hat der Beschwerdeführer neu geltend gemacht und durch
Taggeldabrechnungen belegt, dass er seit 1. Juli 2014 arbeitslos ist.

4.1. Im Berufungsverfahren werden neue Tatsachen und Beweismittel gemäss Art.
317 Abs. 1 ZPO nur noch berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden
(lit. a) und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor erster Instanz
vorgebracht werden konnten (lit. b). Praxisgemäss ist zwischen echten und
unechten neuen Vorbringen (sog. Noven) zu unterscheiden. Echte Noven sind
Tatsachen und Beweismittel, die (erst) nach dem Ende der Hauptverhandlung des
erstinstanzlichen Verfahrens entstanden sind. Sie sind im Berufungsverfahren
grundsätzlich immer zulässig, wenn sie ohne Verzug nach ihrer Entdeckung
vorgebracht werden. Unechte Noven sind Tatsachen und Beweismittel, die bereits
bei Ende der erstinstanzlichen Hauptverhandlung entstanden waren. Ihre
Zulassung wird im Berufungsverfahren weitergehend insofern eingeschränkt, als
sie ausgeschlossen sind, wenn sie bei Beachtung zumutbarer Sorgfalt bereits im
erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können (Urteil 4A_662/
2012 vom 7. Februar 2013 E. 3.3, in: SZZP 2013 S. 253). Im Falle unechter Noven
hat der Beschwerdeführer namentlich die Gründe detailliert darzulegen, weshalb
er die Tatsache oder das Beweismittel nicht schon vor erster Instanz hat
vorbringen können (Urteil 4A_334/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 3.1, in: SJ 135/
2013 I S. 311; vgl. Urteil 5A_456/2016 vom 28. Oktober 2016 E. 4.1.1).

4.2. Das Obergericht hat festgestellt, dass dem Beschwerdeführer unter
Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist per 31. März 2014 gekündigt
worden sei, wobei sich die Kündigungsfrist infolge der gesetzlichen Sperrfrist
bis zum 30. Juni 2014 verlängert habe. Im Urteilszeitpunkt (20. Februar 2014)
sei der Beschwerdeführer zwar in gekündigter Anstellung, aber nicht arbeitslos
gewesen. Es habe für das Kantonsgericht kein Grund bestanden, eine allfällig
später eintretende Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Denn zum einen sei
aufgrund der Parteivorbringen erstellt, dass der Beschwerdeführer selber nicht
mit seiner Arbeitslosigkeit gerechnet habe, und zum anderen sei im
Eheschutzverfahren in der Regel auf die momentanen Einkommensverhältnisse
abzustellen und eine Arbeitslosigkeit erst zu berücksichtigen, wenn sie
nachhaltig wirke, d.h. über zwei bis drei Monate gedauert habe. Diese
Voraussetzung sei im Zeitpunkt der Beurteilung durch das Kantonsgericht nicht
erfüllt gewesen (E. 2.4.1 S. 11 des angefochtenen Entscheids).

4.3. Aufgrund des festgestellten Prozesssachverhalts ist das Vorbringen des
Beschwerdeführers ein echtes Novum. Die gegenteilige Annahme, wie sie die
Beschwerdegegnerin anscheinend vertritt, wäre willkürlich. Entgegen ihrer
Darstellung hat das Obergericht das Vorliegen eines echten Novums nicht
verneint, sondern offengelassen, weil die geltend gemachte Arbeitslosigkeit vor
dem Hintergrund des doppelten Instanzenzugs im Berufungsverfahren nicht
berücksichtigt werden könne und eine allfällig lang anhaltende Arbeitslosigkeit
im (bereits anhängig gemachten) Abänderungsverfahren nach Art. 179 Abs. 1 ZGB
zu prüfen und zu thematisieren sei (E. 2.4.2 S. 13). Das Obergericht hält
grundsätzlich dafür, dass das Novenrecht im Verfahren der Berufung gegen
Entscheide in Eheschutzsachen nicht in jedem Fall sachgerecht sei, da im
Eheschutzverfahren getroffene Anordnungen bei veränderten Verhältnissen
abgeändert oder aufgehoben werden könnten. Es liege in der Natur des
Eheschutzverfahrens, dass sich die Verhältnisse oftmals rasch und wesentlich
veränderten. Damit das Prinzip der "double instance" nicht unterlaufen werde,
seien Veränderungen der Verhältnisse, die in die weitere Zukunft wirkten,
grundsätzlich im Abänderungsverfahren gemäss Art. 179 ZGB geltend zu machen (E.
2.3 S. 11 des angefochtenen Entscheids).

5. 
Anlass zur Beschwerde gibt das Verhältnis des Novenrechts im Berufungsverfahren
(Art. 317 Abs. 1 ZPO) zu den gesetzlich vorgesehenen Abänderungsverfahren
(hier: Art. 179 ZGB; vgl. auch Art. 129, 134 und 286 ZGB).

5.1. Nach der Rechtsprechung können neue Tatsachen und Beweismittel, die bis
zum Beginn der oberinstanzlichen Beratungsphase entstehen, unter den
Voraussetzungen von Art. 317 Abs. 1 ZPO noch im Berufungsprozess vorgebracht
werden. Nachher können solche Noven nur noch im Rahmen einer Revision nach Art.
328 Abs. 1 lit. a ZPO geltend gemacht werden. Demgegenüber können Tatsachen und
Beweismittel, die erst nach Beginn der oberinstanzlichen Beratungsphase
entstehen, auch mittels Revision nicht mehr geltend gemacht werden: Art. 328
Abs. 1 lit. a Satz 2 ZPO, wonach Tatsachen und Beweismittel, "die erst nach dem
Entscheid entstanden sind", als Revisionsgrund ausgeschlossen sind, bezieht
sich richtig gelesen auf solche Tatsachen, die nach dem Zeitpunkt entstanden
sind, in dem sie nach den anwendbaren Verfahrensregeln im früheren Verfahren
zum letzten Mal vorgebracht werden konnten, im Berufungsverfahren also nach
Beginn der Beratungsphase. Solche Tatsachen, die weder im laufenden
Berufungsprozess nach Art. 317 Abs. 1 ZPO noch in einem allfälligen
Revisionsprozess nach Art. 328 Abs. 1 lit. a ZPO vorgebracht werden können,
können nur mittels neuer Klage erneut gerichtlich geltend gemacht werden (BGE
142 III 413 E. 2.2.6 S. 418 f.).

5.2. Die Abänderungsklage ist eine neue Klage im Sinne dieser Rechtsprechung.
Spiegelbildlich hält das Bundesgericht dazu seit jeher fest, dass Grundlage des
ehe- und kindesrechtlichen Abänderungsprozesses - im Unterschied zum
Rechtsmittel der Revision - nur echte Noven sein können, d.h. Tatsachen und
Beweismittel, die erst nach dem Zeitpunkt eingetreten oder verfügbar geworden
sind, in dem im früheren, durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen
Verfahren letztmals neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht werden
konnten. Die Praxis anerkennt als "echte" Noven auch Tatsachen, die zwar im
früheren Verfahren bereits bestanden haben und der sich darauf berufenden
Partei bekannt waren, von dieser aber damals zufolge fehlender Möglichkeit des
Beweises nicht geltend gemacht worden sind (Urteile 5C.84/2005 vom 21. Juni
2005 E. 2.1, in: FamPra.ch 2005 S. 917, und 5A_721/2007 vom 29. Mai 2008 E.
3.2, zusammengefasst in: FamPra.ch 2008 S. 949). Die Praxis blieb - soweit
ersichtlich - unwidersprochen (SIMEONI, in: Droit matrimonial, Commentaire
pratique, 2016, N. 19, und SPYCHER/GLOOR, Basler Kommentar, 2014, N. 24a, je zu
Art. 129 ZGB, mit Hinweisen).

5.3. Aus der unterschiedlichen Novenrechtslage hat die Praxis geschlossen, dass
neue Vorbringen, mit denen geänderte Verhältnisse behauptet und belegt werden,
nicht einfach in das Abänderungsverfahren (Art. 129 ZGB) verwiesen werden
dürfen, sondern im Rahmen der Berufung gegen das Scheidungsurteil zu prüfen und
zu berücksichtigen sind, wenn und soweit sie sich nach Art. 317 Abs. 1 ZPO als
zulässig erweisen (mit freier Prüfung bejaht im Verfahren der Berufung gegen
die Genehmigung einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen: Urteil 5A_121/
2016 vom 8. Juli 2016 E. 4 und 5, in: FamPra.ch 2016 S. 1007 ff.). Umgekehrt
sind neue Vorbringen, mit denen geänderte Verhältnisse behauptet und belegt
werden, im Abänderungsverfahren (Art. 179 ZGB) nicht zu berücksichtigen, wenn
und soweit sie gestützt auf Art. 317 Abs. 1 ZPO bereits mit Berufung gegen den
Eheschutzentscheid hätten vorgebracht werden können (unter
Willkürgesichtspunkten bejaht im Verfahren auf Abänderung von
Eheschutzmassnahmen: Urteil 5A_22/2014 vom 13. Mai 2014 E. 4.3, in: SJ 137/2015
I 19 und SZZP 2014 S. 458 f.). Die Lehre schliesst sich der Praxis vorbehaltlos
an (vgl. OMBLINE DE PORET BORTOLASO, Le calcul des contributions d'entretien,
SJ 138/2016 II 141 S. 168) oder hält mit Rücksicht auf die wenig strengen
Anforderungen an die Abänderung von Eheschutzmassnahmen (vgl. BGE 141 III 376
E. 3.3.1 S. 378) dafür, dass jedenfalls vor Ablauf der Rechtsmittelfrist
bekannte Abänderungsgründe im Rechtsmittelverfahren gerügt und korrigiert
werden können (vgl. SUSANNE BACHMANN, Die Regelung des Getrenntlebens nach Art.
176 und 179 ZGB sowie nach zürcherischem Verfahrensrecht, 1995, S. 229;
ISENRING/KESSLER, Basler Kommentar, 2014, N. 4 zu Art. 179 ZGB).

5.4. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers ist in der Berufung rechtzeitig
und als echtes Novum gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO zulässig. Gleichwohl und
entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Lehre hat das
Obergericht das neue Vorbringen in das Abänderungsverfahren gemäss Art. 179 ZGB
verwiesen. Es hat sein Vorgehen damit gerechtfertigt, dass es gelte, dem
Beschwerdeführer den doppelten Instanzenzug zu gewährleisten. Von hier nicht
zutreffenden Ausnahmen abgesehen, verwirklicht Art. 75 Abs. 2 BGG den Grundsatz
des doppelten Instanzenzugs, wonach das obere kantonale Gericht als
Rechtsmittelinstanz entschieden haben muss und sich nicht mit einer Streitsache
befassen darf, bevor diese von der unteren Instanz beurteilt worden ist (BGE 99
Ia 317 E. 4a S. 322; 106 II 106 E. 1a S. 110). Der Grundsatz schliesst indessen
nicht aus, dass die Rechtsmittelinstanz den Sachverhalt ergänzt und neu
entscheidet, soweit die Sache nicht gemäss Art. 318 Abs. 1 lit. c ZPO an die
erste Instanz zurückzuweisen ist, weil ein wesentlicher Teil der Klage nicht
beurteilt wurde (Ziff. 1) oder weil der Sachverhalt in wesentlichen Teilen zu
vervollständigen ist (Ziff. 2; vgl. REETZ/HILBER, in: Sutter-Somm/ Hasenböhler/
Leuenberger [Hrsg.], Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 3.
Aufl. 2016, N. 8, 24 und 36 zu Art. 318 ZPO). Der Grundsatz des doppelten
Instanzenzugs ist damit gewährleistet und rechtfertigt keine Verweisung
zulässiger neuer Vorbringen im Berufungsverfahren in einen anderen Prozess.
Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer - seinen Angaben zufolge
bloss vorsorglich - bereits ein Abänderungsverfahren angehoben hat, läuft er
doch Gefahr, dass seine gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO im Rahmen der Berufung gegen
den Eheschutzentscheid zulässigen Vorbringen im Abänderungsverfahren gemäss
Art. 179 Abs. 1 ZGB nicht berücksichtigt werden und sich diesbezüglich eine
Rechtsschutzlücke öffnet.

5.5. Bei diesem Ergebnis ist das Obergericht ohne sachlich haltbaren Grund von
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der Lehre abgewichen. Es hat damit
willkürlich entschieden (Art. 9 BV; vgl. zum Begriff: BGE 128 III 4 E. 4b S. 7;
135 III 232 E. 2.4 S. 237).

6. 
Aus den dargelegten Gründen ist dem Hauptbeschwerdeantrag zu entsprechen und
die Sache zu neuem Entscheid unter Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit des
Beschwerdeführers seit 1. Juli 2014 an das Obergericht zurückzuweisen, dem es
freilich unbenommen bleibt, die Sache unter den Voraussetzungen gemäss Art. 318
Abs. 1 lit. c ZPO seinerseits an das Kantonsgericht zurückzuweisen. Seine
weitergehende Erneuerung der Berufungsbegehren hat der anwaltlich vertretene
Beschwerdeführer ausdrücklich im Eventualverhältnis gestellt, d.h. für den
Fall, dass sein Hauptbegehren nicht geschützt werden sollte (BGE 140 III 231 E.
3.5 S. 232). Die Eventualität hat sich nicht erfüllt, so dass auf die
Eventualbegehren nicht einzugehen ist.

7. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die Beschwerdegegnerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Nidwalden, Zivilabteilung, vom 2. / 16. Juni 2015 aufgehoben. Die Sache wird im
Sinne der Erwägungen zur neuen Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: von Roten

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