Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.80/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_80/2015

Urteil vom 19. Oktober 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Bovey,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
Konkursamt Kriens,
Beschwerdeführer,

gegen

Konkursamt Aargau, Amtsstelle Oberentfelden,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Rechtsverweigerung (Rechtshilfe),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 14. Januar 2015 (KBE.2014.10).

Sachverhalt:

A.

A.a. Über die A.________ AG mit Sitz in U.________/LU wurde mit Entscheid des
Bezirksgerichts Kriens am 11. Dezember 2013 auf Antrag der B.________ GmbH der
Konkurs eröffnet. Am 12. Dezember 2013 lud das Konkursamt Kriens C.________,
einziges Mitglied des Verwaltungsrates der Schuldnerin und wohnhaft in
V.________/AG, auf den 20. Dezember 2013 zur Einvernahme auf die Amtsstelle
ein. Auf Ersuchen von C.________ wurde der Einvernahmetermin auf den 6. Januar
2014 verschoben, welchem sie unentschuldigt fernblieb, ebenso wie den weiteren
Vorladungsterminen vom 10. Januar 2014 und 17. Januar 2014.

A.b. Mit Schreiben vom 17. Januar 2014 gelangte das Konkursamt Kriens an das
Konkursamt Aargau, Amtsstelle Oberentfelden, und ersuchte, die Einvernahme von
C.________ rechtshilfeweise durchzuführen, wenn nötig durch polizeiliche
Zuführung. Das Konkursamt Aargau, Amtsstelle Oberentfelden, weigerte sich mit
Antwort an das Konkursamt Kriens vom 20. Januar 2014, die Einvernahme von
C.________ rechtshilfeweise durchzuführen.

B.
Gegen die Rückweisung des Rechtshilfeauftrages gelangte das Konkursamt Kriens
an das Bezirksgericht (Gerichtspräsidium) Aarau als untere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde und verlangte, das Konkursamt Aargau,
Amtsstelle Oberentfelden, sei anzuweisen, die Einvernahme von C.________ gemäss
Rechtshilfeauftrag vom 17. Januar 2014 durchzuführen. Mit Entscheid vom 27.
März 2014 wurde die Beschwerde abgewiesen. Das Obergericht des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche
Aufsichtsbehörde, wies die vom Konkursamt Kriens erhobene Beschwerde mit
Entscheid vom 14. Januar 2015 ebenfalls ab.

C.
Das Konkursamt Kriens hat am 2. Februar 2015 beim Bundesgericht Beschwerde
erhoben. Es beantragt die Aufhebung des Entscheides des Obergerichts des
Kantons Aargau als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde. In der Sache beantragt
das Konkursamt Kriens, es sei das Konkursamt Aargau anzuweisen, die Einvernahme
von C.________ gemäss Rechtshilfeauftrag vom 17. Januar 2014 durchzuführen.
Das Konkursamt Aargau beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht
hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen unterliegen unabhängig eines Streitwertes der Beschwerde in
Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG).

1.2. Zur Beschwerde in Zivilsachen ist nur berechtigt, wer durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse
an dessen Aufhebung oder Abänderung hat (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG). Ein
solches Interesse ist gegeben, wenn die Beschwerdelegitimation ("schutzwürdiges
Interesse") nach Art. 17 f. SchKG vorhanden ist (u.a. JEANDIN, La plainte et le
recours [art. 17-22 et 36 LP], in: Sviluppi e orientamenti del diritto
esecutivo federale, 2012, S. 36 f., mit Hinw.), was vorliegend zu prüfen ist.

1.2.1. Im Rahmen der Rechtshilfe steht nach der Rechtsprechung dem ersuchenden
Betreibungsorgan gegen die Verweigerung der Rechtshilfe durch das ersuchte Amt
der Beschwerdeweg nicht offen, sondern es hat die an der verlangten Massnahme
Interessierten von der Ablehnung durch das ersuchte Amt zu benachrichtigen, so
dass diese selber Beschwerde nach Art. 17 SchKG führen können (BGE 71 III 75 E.
3 S. 79; 31 I 716 E. 1 S. 720). Die Rechtsprechung wird in der Lehre bestätigt
(LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 194 zu
Art. 17 SchKG) und in der kantonalen Praxis befolgt (PKG 2010 Nr. 10 S. 67,
83), aber auch kritisiert, soweit sie ausnahmslos angewendet wird ( JAEGER,
Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1991, N. 2 zu Art.
17 SchKG, S. 30;  gl.M. NÖTZLI, Die analoge Anwendung zivilprozessualer Normen
auf das Beschwerdeverfahren nach SchKG [...], 1980, S. 76/77, mit Hinw. auf
abweichende kantonale Praxis).

1.2.2. Die Tragweite dieser Rechtsprechung muss im konkreten Fall nicht
abschliessend erörtert werden. Bereits in BGE 83 III 129, wo gegen die
Verweigerung der Rechtshilfe nicht nur einige Konkursgläubiger, sondern auch
das ersuchende Amt "namens der Masse" Beschwerde geführt haben, gab es keinen
Anlass, die Beschwerdelegitimation des Konkursamtes in Frage zu stellen.
Allgemein gilt, dass das Konkursamt bzw. die Konkursverwaltung zur
betreibungsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist, soweit es um die Interessen
der Masse und damit um solche der Gesamtheit der Gläubiger geht, z.B. um die
Aufhebung einer Sicherungsmassnahme (Art. 223 SchKG) betreffend das
Konkursvermögen (BGE 116 III 32 E. 1 S. 34; 103 III 79 E. 1 S. 81; vgl. Urteil
5A_688/2012 vom 29. April 2013 E. 2; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite
et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 259).

1.2.3. Würde die Aufsichtsbehörde des Konkursamtes die Vorladung zur
Einvernahme des Schuldners anlässlich der Inventur (gemäss Art. 37 KOV i.V.m.
Art. 221 und Art. 229 Abs. 1 SchKG) und zur entsprechenden Mitwirkung im
Konkursverfahren aufheben, wäre das Konkursamt legitimiert, den Entscheid
anzufechten, um die Interessen der Gläubigergesamtheit wahrzunehmen. Das
Gleiche gilt, wenn sich - wie hier - die Behörde eines anderen Amtskreises
weigert, Rechtshilfe zur Einvernahme des Schuldners zu leisten. Es ist nicht
erforderlich, dass das ersuchende Konkursamt Kriens die Gläubigerin (B.________
GmbH) benachrichtigt, damit sie Beschwerde erhebe, denn es ist selber - soweit
es um das Interesse der Gläubigergesamtheit geht - an der verlangten Massnahme
genügend interessiert. So wie die Vorinstanz dem Konkursamt Kriens im Konkurs
der A.________ AG ohne weiteres ein schutzwürdiges Interesse zur
Beschwerdeführung gemäss Art. 17 SchKG zu Recht zuerkannt hat, ist dem
Konkursamt das schutzwürdige Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheides bzw. das Beschwerderecht zuzuerkennen (Art. 76 Abs. 1
lit. b BGG).

1.3. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem
Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106
Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S.
104). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG).

2. 
Die obere Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen festgehalten, dass für die
Inventaraufnahme gemäss Art. 221 SchKG das Konkursamt Kriens am Konkursort
zuständig sei; das gelte auch für die Einvernahme der Verwaltungsrätin der
Schuldnerin anlässlich der Inventaraufnahme. Die Präsenzpflicht gemäss Art. 229
SchKG könne durch polizeiliche Zuführung veranlasst werden. Es seien keine
Gründe (wie sprachliche oder gesundheitliche Hindernisse) ersichtlich, welche
die Amtshilfe des Konkursamtes Aargau nötig machen würden, weshalb die
Verweigerung der Rechtshilfe durch das Konkursamt Aargau rechtens sei.
Das Konkursamt Kriens macht im Wesentlichen geltend, dass die polizeiliche
Zuführung über die Kantonsgrenzen und Landesteile hinweg der Verfahrensökonomie
widersprechen könne. Die Rechtshilfe nach Art. 4 Abs. 1 SchKG sei eine Pflicht
und auf Verlangen zu leisten; das Konkursamt am Konkursort sei nicht
ausschliesslich zur Einvernahme des Schuldners zuständig.

3.
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Gesuch des Konkursamtes am
Konkursort, welches vom Konkursamt in einem anderen Amtskreis verlangt, die
Einvernahme der Schuldnerin anlässlich der Inventaraufnahme durchzuführen.
Streitpunkt ist, ob das ersuchende Konkursamt Kriens sich auf die Pflicht zur
Rechtshilfe zwischen Konkursämtern berufen kann, oder das ersuchte Konkursamt
Aargau die verlangte Amtshandlung überprüfen und verweigern darf.

3.1. Gemäss Abs. 1 von Art. 4 SchKG ("Rechtshilfe") nehmen die Betreibungs- und
Konkursämter auf Verlangen von Ämtern, ausseramtlichen Konkursverwaltungen,
Sachwaltern und Liquidatoren eines anderen Kreises Amtshandlungen vor (vgl. BGE
83 III 129 S. 130; Botschaft über die Änderung des SchKG vom 8. Mai 1991, BBl
1991 III 1, Ziff. 201.12 S. 24; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur
la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 9, 11 zu Art. 4 SchKG). Gegenstand
der Rechtshilfe ist die behördliche Tätigkeit, zu deren Vornahme Amtsgewalt
notwendig ist, aber ausserhalb des Amtskreises der ersuchenden Behörde
vorzunehmen ist (vgl. u.a. DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et
faillite, 2005, N. 4 zu Art. 4 SchKG; BOVERI, Die Rechtshilfe im
Schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 1948, S. 14). Art. 4 SchKG
kommt immer dann und nur dann zur Anwendung, wenn ein Amt ausserhalb seiner
örtlichen Zuständigkeit, d.h. ausserhalb seines Kreises (Art. 1 SchKG) tätig
werden muss, wo es keine Amtsgewalt hat ( ROTH/WALTHER, in: Basler Kommentar,
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 1 a.E. zu
Art. 4 SchKG; MÖCKLI, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 1 f. zu Art. 4
SchKG). Umgekehrt kann das Amt für die Amtshandlung im eigenen Kreis nicht die
Rechtshilfe eines anderen Amtes verlangen; auch die Zustellung von
Betreibungsurkunden ausserhalb des Amtskreises durch die Post erfordert keine
Rechtshilfe (Art. 4 Abs. 2 a.E. SchKG); anders als im internationalen
Verhältnis können diese Amtshandlungen im ganzen Inland direkt vorgenommen
werden ( ROTH/WALTHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 4 SchKG).

3.2. Zur Inventaraufnahme (Art. 221 SchKG) ist das Konkursamt am Wohnsitz oder
Sitz des Schuldners zuständig, und falls die Vermögenswerte ausserhalb des
Zugriffsbereichs des Konkursamts liegen, ist die Rechtshilfe gemäss Art. 4
SchKG der am Lageort zuständigen Behörde in Anspruch zu nehmen (u.a. VOUILLOZ,
in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 16 zu Art. 221 SchKG;
SCHOBER, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 6, 7 zu Art. 221 SchKG). Zu
Recht steht ausser Frage, dass der Schuldner während des Konkursverfahrens
gemäss Art. 229 Abs. 1 SchKG der Konkursverwaltung zur Verfügung stehen muss;
dies gilt auch im Rahmen der Inventaraufnahme (Art. 37 KOV). Im Falle der
juristischen Person erfasst die Präsenzpflicht die betreffenden Organe
(VOUILLOZ, a.a.O., N. 2 zu Art. 229 SchKG). Zu prüfen ist zunächst, ob das
Konkursamt am Konkursort die Einvernahme des Schuldners bzw. Organes anlässlich
der Inventaraufnahme ausserhalb seines Kreises verlangen kann.

3.2.1. Die Einvernahme des Schuldners durch das Konkursamt ist zweifelsfrei
eine Amtshandlung, welche ausserhalb seines Amtskreises nicht direkt möglich
ist. Zur Einvernahme des Schuldners ausserhalb seines Amtskreises muss daher
das Konkursamt die Rechtshilfe beanspruchen. Die vom Konkursamt Kriens
ausserhalb seines Amtskreises verlangte Einvernahme der Schuldnerin durch das
betreffende Konkursamt ist taugliches Objekt der Rechtshilfe. Liegt aber ein
solcher Gegenstand vor, sieht Art. 4 Abs. 1 SchKG auf entsprechendes Verlangen
die Pflicht zur Rechtshilfe vor ("Requisition"). Die Rechtshilfe erstreckt sich
auf alles, was ein Betreibungs- oder Konkursamt kraft Gesetz zu tun in der Lage
ist: Das, was es selbst tun kann, kann es grundsätzlich auch durch ein anderes
Amt requisitionsweise vornehmen lassen (Boveri, a.a.O., S. 23). Der Sinn der
allgemeinen Rechtshilfepflicht der Betreibungs- und Konkursbehörden
untereinander liegt gerade darin, dass die Schweiz ein einheitliches
Rechtsgebiet für die Schuldvollstreckung darstellt (vgl. bereits BGE 83 III 129
S. 130; 54 I 166 E. 4 S. 174). Das requirierte Amt ist daher zur verlangten
Tätigkeit verpflichtet (u.a. BOVERI, a.a.O., S. 21; MÖCKLI, a.a.O., N. 6 zu
Art. 4 SchKG). Dies verkennt das Konkursamt Aargau, wenn es zur Einvernahme des
Schuldners u.a. ausführt, das Konkursamt am Konkursort habe "dem Schuldner in
die Augen zu schauen". Der Rechtshilfeauftrag macht das requirierte Konkursamt
zum zuständigen Amt und führt dazu, dass seine "Augen" zu denjenigen des
requirierenden Amtes werden.

3.2.2. Die Vorinstanz verneint die Pflicht zur Rechtshilfe mit der Begründung,
dass die Präsenzpflicht des Schuldners gemäss Art. 229 SchKG durch polizeiliche
Zuführung sichergestellt werden könne, so dass die Amtshilfe des Konkursamtes
Aargau gar nicht nötig sei. Die Begründung stösst ins Leere. Die angeführte
Bestimmung regelt die Mitwirkungspflicht des Schuldners gegenüber dem
Konkursamt bzw. der Konkursverwaltung. Sie gilt im Verhältnis zwischen der
Behörde und dem Schuldner und kann nicht herangezogen werden, um die
Rechtshilfepflicht der Konkursämter zu ersetzen. Die Präsenzpflicht des
Schuldners gemäss Art. 229 SchKG stellt keine Beschränkung des
Vollstreckungsbereiches auf das Gebiet des Kantons dar, wie dies z.B. ganz
früher für ausserkantonale öffentlichrechtliche Forderungen der Fall war (BGE
67 III 105 S. 106). Im Gegenteil: Die Rechtshilfepflicht ergibt sich
beispielhaft für die Konkursämter aus dem Grundsatz der Einheit und
Attraktivkraft des Konkurses (so BGE 54 I 166 E. 4 S. 174). Für die Pflicht zur
Rechtshilfe ist vorliegend einzig Art. 4 Abs. 1 SchKG massgebend, wie die
kantonale Praxis bereits in einem gleich gelagerten Fall zu Recht erkannt hat
(Entscheid der Aufsichtsbehörde Basel-Landschaft vom 5. Dezember 2011, BlSchK
2012 Nr. 48 S. 203, 205, mit zustimmender Anmerkung von VONDER MÜHLL ). Das
requirierte Konkursamt Aargau kann demnach die verlangte rechtshilfeweise
Einvernahme des Organes der Schuldnerin nicht verweigern.

3.3. Die obere Aufsichtsbehörde hat demgegenüber ausgeführt, dass weder
"sprachliche Schwierigkeiten" noch "gesundheitliche Probleme" der
Verwaltungsrätin der Schuldnerin vorliegen, welche die Einvernahme ausserhalb
des Amtskreises des Konkursamtes Kriens notwendig machen würden. Die Vorinstanz
ist davon ausgegangen, dass das requirierte Konkursamt Aargau die verlangte
Amtshandlung überprüfen darf. Diese und andere Erwägungen führen nicht weiter.

3.3.1. Die Vorinstanz hat selber (zu Recht) angenommen, dass die Einvernahme
des Schuldners zur Inventaraufnahme Gegenstand der Rechtshilfe sein kann.
Allerdings hat sie Voraussetzungen aufgestellt, unter welchen die Rechtshilfe
betreffend Einvernahme zu leisten ist. Damit hat sie übergangen, dass das
requirierte Amt - aus der dargelegten Pflicht zur Rechtshilfe heraus (E. 3.2) -
die gesetzliche Zulässigkeit der verlangten Amtshandlung allgemein und seit
jeher nicht zu untersuchen hat (BGE 67 III 105 S. 106/107; vgl. 96 III 93 E. 1
S. 95; bereits Urteil B.233/1895 vom 25. Februar 1896, Archiv für
Schuldbetreibung und Konkurs V/1896 Nr. 32, S. 84, 86; vgl. zuletzt Urteil
7B.251/2004 vom 24. Dezember 2004 E. 2.1), sondern die Berechtigten
betreibungsrechtliche Beschwerde gegen die Anordnung der betreffenden
Amtshandlung im Kanton der requirierenden Behörde erheben können (vgl.
DALLÈVES, a.a.O., N. 8 zu Art. 4 SchKG, mit Hinw.; MÖCKLI, a.a.O., N. 11 zu
Art. 4 SchKG).

3.3.2. Die Überlegung der Vorinstanz läuft darauf hinaus, wie das requirierende
Konkursamt sein Ermessen auszuüben habe, d.h. ob es eine weitere Vorladung
verfügen oder zur polizeilichen Vorführung schreiten soll. Die erwähnten
Kriterien sind wohl sachgerecht, aber nicht abschliessend; auch die Kosten für
den Beizug der Polizei (Art. 13 Abs. 1 GebV SchKG) könnten eine Rolle spielen.
Wenn die Vorinstanz - als Aufsichtsbehörde des requirierten Konkursamtes -
jedoch eigene Kriterien als Voraussetzungen aufgestellt hat und diese für nicht
erfüllt hält, hat sie offensichtlich in den Entscheid über die Anordnung und
damit in das Ermessen des requirierenden Konkursamtes Kriens bzw. der
Aufsichtsbehörden des Kantons Luzern eingegriffen. Das ist nicht nur - wie
dargelegt - mit der Pflicht zur Rechtshilfe gemäss Art. 4 Abs. 1 SchKG, sondern
auch mit der Aufsichtsbefugnis (Art. 13 SchKG) der Behörde im Kanton des
requirierenden Konkursamtes nicht vereinbar.

3.3.3. Aus der von der Vorinstanz zitierten Literaturstelle von LUSTENBERGER
(a.a.O., N. 1 letzter Satz zu Art. 229 SchKG) lässt sich nichts entnehmen, was
dem requirierten Amt das Recht geben würde, den Rechtshilfeauftrag
zurückzuweisen. Aus dem Kontext bzw. vorangehenden Satz, der sich auf Art. 229
Abs. 3 SchKG bzw. die Wohnung des Konkursschuldners bezieht, geht hervor, dass
es der Konkursverwaltung am Konkursort obliegt zu bestimmen, unter welchen
Voraussetzungen der Schuldner und seine Familie in ihrer der Konkursmasse
zugehörigen bisherigen Wohnung zu verbleiben ("... jedoch nicht das zur
Inventarisierung einer auswärtigen Liegenschaften beigezogene Konkursamt");
über die rechtshilfeweise Einvernahme des Schuldners anlässlich der
Inventaraufnahme und die Rechtshilfepflicht ist damit nichts gesagt.

3.3.4. Die übrigen Erwägungen der Vorinstanz zum polizeilichen Vollzug der
Präsenzpflicht gemäss Art. 229 Abs. 1 SchKG sind nicht erheblich. Das
Konkursamt Kriens verlangt vom Konkursamt Aargau nicht Rechtshilfe zum
polizeilichen Vollzug der Präsenzpflicht des Schuldners, d.h. Zuführung nach
Kriens. Streitgegenstand ist die rechtshilfeweise Durchführung der Einvernahme
beim Konkursamt Aargau, wofür - wie dargelegt (E. 3.2) - Rechtshilfepflicht
besteht. Ausser Frage steht sodann, dass das zur Einvernahme requirierte
Konkursamt Aargau ausschliesslich zuständig ist (Art. 4 Abs. 2 SchKG), um die
Vorführung durch die Polizei anzuordnen.

3.4. Nach dem Dargelegten ist mit Bundesrecht nicht vereinbar, wenn die
Vorinstanz zum Ergebnis gelangt ist, das Konkursamt Aargau habe den
Rechtshilfeauftrag des Konkursamtes Kriens zurückweisen dürfen.

4. 
Die Beschwerde ist begründet und antragsgemäss gutzuheissen. Es werden weder
Gerichtskosten auferlegt, noch eine Parteientschädigung zugesprochen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 14. Januar 2015 wird aufgehoben.
Das Konkursamt Aargau, Amtsstelle Oberentfelden, wird angewiesen, den
Rechtshilfeauftrag des Konkursamtes Kriens vom 17. Januar 2014 auszuführen.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten auferlegt.

3. 
Eine Parteientschädigung ist nicht zu bezahlen.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Oktober 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Levante

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