Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.799/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_799/2015

Urteil vom 9. November 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Betreibungsamt Bern-Mittelland, Dienststelle Mittelland.

Gegenstand
Pfändung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 24. September 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ wurde von der Stadt Bern auf Rückzahlung von Sozialleistungen
betrieben. Am 8. Juni 2015 pfändete das Betreibungsamt Bern-Mittelland,
Dienststelle Mittelland, bei A.________ 12 von insgesamt 20 Stammanteilen an
der B.________ GmbH mit einem Nennwert von je Fr. 1'000.--.

B. 
Mit Entscheid vom 24. September 2015 wies das Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, eine von A.________ dagegen
erhobene Beschwerde ab.

C. 
A.________ (Beschwerdeführerin) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 8.
Oktober 2015 (Postaufgabe) an das Bundesgericht und beantragt, den
angefochtenen Entscheid aufzuheben. In der Sache beantragt sie sinngemäss, ihr
die Stammanteile an der B.________ GmbH als unpfändbar zu belassen. Zudem
ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.
Es wurden die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen ist streitwertunabhängig die Beschwerde in Zivilsachen gegeben
(Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c und Art. 75 Abs. 1 BGG). Die
zehntägige Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG) ist gewahrt.

1.2. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f.
BGG geltend gemacht werden. Zwar wendet das Bundesgericht das Recht
grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; vgl. für Ausnahmen Abs.
2 dieser Norm) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid
Recht verletzt. Es befasst sich aber nur mit formell ausreichend begründeten
Rügen (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.). In der Begründung
ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht
verletzt. Allgemein gehaltene Einwände, die ohne aufgezeigten oder erkennbaren
Zusammenhang mit bestimmten Entscheidungsgründen vorgebracht werden, genügen
nicht (BGE 137 III 580 E. 1.3 S. 584 mit Hinweisen).
Der vorinstanzlich festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht
grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn die Feststellung offensichtlich
unrichtig - d.h. willkürlich (BGE 135 III 127 E. 1.5 S. 130 mit Hinweis) - ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die
Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97
Abs. 1 BGG). Will der Beschwerdeführer die Sachverhaltsfeststellungen der
Vorinstanz anfechten, muss er darlegen, inwiefern die genannten Voraussetzungen
erfüllt sein sollen (BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234; 137 II 353 E. 5.1 S. 356).
Bei der Rüge der offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellung gilt das
strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 137 II
353 E. 5.1 S. 356).

2. 
Anlass zur Beschwerde gibt die Pfändung von zwölf, der Beschwerdeführerin
gehörenden, Stammanteilen an einer GmbH.

2.1. Die Beschwerdeführerin beruft sich auf die Unpfändbarkeit nach Art. 92
Abs. 1 Ziff. 3 SchKG. Danach sind die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und
Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs
notwendig sind, unpfändbar. Der Begriff des Berufes im Sinne der vorerwähnten
Gesetzesbestimmung setzt die Anwendung persönlicher Fähigkeiten, eigener
Arbeitskraft und eigenen Wissens voraus (Urteil 5A_728/2011 vom 27. Januar 2012
E. 4.1; BGE 91 III 52 E. 2 S. 55; AMONN/WALTHER, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 23 Rz. 22). Ferner muss
sich der vom Schuldner ausgeübte Beruf als wirtschaftlich erweisen. Verlangt
wird damit eine lohnende, konkurrenzfähige und nicht dauernd defizitäre
berufliche Tätigkeit (BGE 86 III 47 E. 2 S. 51 f.; Vonder Mühll, in: Basler
Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl.
2010, N. 21 zu Art. 92 SchKG).

2.2. Die Beschwerdeführerin macht - wie bereits im kantonalen Verfahren -
geltend, die Stammanteile bzw. ihre finanzielle Beteiligung an der 2013
gegründeten B.________ GmbH seien Arbeitsmittel (Werkzeuge) für ihre
Medikamentenentwicklung.

2.3. Die Vorinstanz hat diese Argumentation verworfen und die Pfändung im
Wesentlichen mit zwei Begründungen geschützt, von denen jede für sich den
angefochtenen Entscheid selbständig zu stützen vermag:
In der Hauptbegründung hat sie erwogen, dass die Stammanteile an der B.________
GmbH keine Werkzeuge oder ähnliche Hilfsmittel im Sinne der unpfändbaren
Berufswerkzeuge gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG darstellen würden. Die
finanzielle Beteiligung an einem Unternehmen sei nicht zwingend mit der
Ausübung des Berufs verbunden, ebenso wenig wie das Eigentum an einem
landwirtschaftlichen Grundstück zwingend mit der Ausübung der
landwirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sei (vgl. dazu Urteil 7B.88/2002 vom
10. Juli 2002 E. 2.2; VONDER MÜHLL, a.a.O., N. 13 zu Art. 92 SchKG). Auch die
Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Forscherin und Entwicklerin setze im
Allgemeinen keine Beteiligung an einem Unternehmen und im Besonderen keine
Beteiligung an der B.________ GmbH voraus; dies gelte umso mehr, als die
Beschwerdeführerin zwar die Mehrheit der Stammanteile besagter GmbH besitze (12
von 20), jedoch auch noch zwei weitere Gesellschafter mit je 4 Stammanteilen
beteiligt seien.
In der Eventualbegründung ist die Vorinstanz zum Schluss gekommen, dass sich
der von der Beschwerdeführerin ausgeübte Beruf - soweit in Bezug auf ihre
wissenschaftliche Forschung überhaupt von einem solchen gesprochen werden könne
- als unwirtschaftlich erweise. Gemäss eigenen Angaben sei sie ohne Verdienst.
Ihr steuerbares Einkommen im Jahr 2014 habe Fr. 0.00 betragen. Auch in den
früheren Jahren habe die Beschwerdeführerin kein substanzielles Einkommen
erzielen können.

2.4. Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen,
die je für sich den Ausgang des Rechtsstreits besiegeln, so hat der
Beschwerdeführer darzulegen, dass jede von ihnen Recht verletzt; andernfalls
kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 133 IV 119 E. 6.3 S. 120
f.).

2.5. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit dem zweiten Begründungsansatz nicht
in nachvollziehbarer Weise auseinander. Ihre Ausführungen erschöpfen sich
letztlich darin, die eigene Forschungstätigkeit ohne jeglichen Beleg als
wirtschaftlich zu bezeichnen und die gegenteilige Schlussfolgerung der
Vorinstanz pauschal zu bestreiten. Auf die Rüge der Verletzung von Art. 92
SchKG ist mangels Auseinandersetzung mit einer den Entscheid selbständig
tragenden Begründung nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG), so dass nicht zu
prüfen ist, ob die Begründungen der Vorinstanz vor Bundesrecht standhalten.

3. 
Die weiteren Vorbringen und Rügen stehen in keinem erkennbaren Zusammenhang mit
dem angefochtenen Entscheid, so dass auch auf diese nicht einzutreten ist (Art.
42 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S. 89). Gegenstand des angefochtenen
Entscheids ist weder die Rechtmässigkeit der Rückforderung der von der
Beschwerdeführerin bezogenen Sozialhilfeleistungen noch die Löschung von
Einträgen aus ihrem Betreibungsregisterauszug, sondern einzig die Pfändung der
Stammanteile an der B.________ GmbH (E. 2 oben).

4. 
Aus den dargelegten Gründen ist auf die Beschwerde insgesamt nicht einzutreten.
Die Beschwerdeführerin hat für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Wie die vorstehenden Erwägungen aufzeigen, muss die Beschwerde als von
Anfang an aussichtslos betrachtet werden. Damit mangelt es an einer materiellen
Voraussetzung für die unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 Abs. 1 BGG). Das
entsprechende Gesuch ist abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Betreibungsamt Bern-Mittelland,
Dienststelle Mittelland, und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde
in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. November 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Buss

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