Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.784/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_784/2015

Urteil vom 15. Januar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Schöbi,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch A.________ AG,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,

Betreibungsamt Baden, 5402 Baden.

Gegenstand
Rückweisung eines Fortsetzungsbegehrens,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche
Aufsichtsbehörde, vom 11. September 2015 (KBE.2015.8).

Sachverhalt:

A.

A.a. In der von der A.________ AG ("A.________") gegen B.________ laufenden
Betreibung Nr. xxx verlangte die Gläubigerin beim Betreibungsamt Baden am 21.
April 2015 die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung. Das Betreibungsamt wies
das Fortsetzungsbegehren am 27. April 2015 zurück.

A.b. Zur Begründung der Verweigerung der Fortsetzung erklärte das
Betreibungsamt, dass die A.________ in der gleichen Betreibung (Nr. xxx)
bereits am 20. Juni 2014 das Fortsetzungsbegehren gestellt habe und dem
Schuldner in der Folge am 9. September 2014 die Konkursandrohung zugestellt
worden sei. Das Bezirksgericht Baden habe am 13. Januar 2015 den Konkurs über
den Schuldner eröffnet; das Konkursverfahren sei am 1. April 2015 mangels
Aktiven eingestellt worden. Da die Betreibung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
bereits durch Konkursandrohung fortgesetzt worden sei, könne gemäss
massgebender Rechtsprechung einem Begehren auf Fortsetzung der Betreibung auf
Pfändung nicht stattgegeben werden.

A.c. Gegen die Rückweisung des Fortsetzungsbegehrens gelangte die A.________ an
das Gerichtspräsidium Baden als untere Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und verlangte, das Betreibungsamt sei anzuweisen, in der Betreibung Nr. xxx die
Fortsetzung auf Pfändung vorzunehmen und die Pfändungsurkunde auszustellen. Mit
Entscheid vom 27. Mai 2015 wurde die Beschwerde abgewiesen.

B. 
Die A.________ zog den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde an das
Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission, als
obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde weiter, welches die Beschwerde mit
Entscheid vom 11. September 2015 ebenfalls abwies.

C. 
Die A.________ hat mit Eingabe vom 5. Oktober 2015 Beschwerde in Zivilsachen
erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Entscheides der
oberen kantonalen Aufsichtsbehörde vom 11. September 2015 und (wie im
kantonalen Verfahren) die Anweisung an das Betreibungsamt, in der Betreibung
Nr. xxx die Fortsetzung auf Pfändung vorzunehmen.
Es sind die kantonalen Akten, jedoch keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Entscheide kantonaler Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen betreffend Verfügungen (Art. 17 SchKG) der
Zwangsvollstreckungsorgane - wie die verweigerte Fortsetzung einer Betreibung
durch das Betreibungsamt - unterliegen unabhängig eines Streitwertes der
Beschwerde in Zivilsachen (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG).
Der Beschwerdeführerin steht ein schutzwürdiges Interesse an der Anfechtung des
vorinstanzlichen Entscheides zu (Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2. Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht in diesem
Bereich grundsätzlich von Amtes wegen und mit freier Kognition an (Art. 106
Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der
angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 III 102 E. 1.1 S.
104).

2. 
Die obere Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen (unter Hinweis auf BGE 124 III
123) festgehalten, dass nach Einstellung des Konkurses mangels Aktiven die
gegen den Schuldner laufenden Betreibungen (gemäss Art. 230 Abs. 4 SchKG)
wiederaufleben und auf Pfändung fortgesetzt werden könnten, sofern die
Betreibung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht auf Konkurs fortgesetzt
worden sei. Wenn - wie im konkreten Fall - im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
die Art der Betreibung feststehe, könne die in Art. 230 Abs. 3 SchKG erlaubte
Wahl (der Betreibung auf Konkurs oder Pfändung) nicht ausgeübt werden. Die Art
der Betreibung sei definitiv festgelegt. Das Betreibungsamt habe daher das
Fortsetzungsbegehren in der Betreibung Nr. xxx zu Recht zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin beruft sich demgegenüber auf das Urteil PS150113 des
Obergerichts Zürich (als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde) vom 18. August
2015 (in: www.gerichte-zh.ch). Danach rechtfertige es sich nach Sichtung von
Lehre und Rechtsprechung bei einer Betreibung, in welcher die Konkursandrohung
zwar ausgestellt, jedoch nicht der Konkurs eröffnet worden ist, die Wahl nach
Art. 230 Abs. 3 SchKG (als besondere Option) zu ermöglichen, wenn der Konkurs
mangels Aktiven eingestellt wird. Die Beschwerdeführerin erblickt in der
Nichtanwendung der Zürcher Praxis, d.h. in der Rückweisung des
Fortsetzungsbegehrens einen Verstoss gegen Bundesrecht.

3. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Fortsetzung einer Betreibung gegen
einen Schuldner, nachdem das gegen ihn eröffnete Konkursverfahren mangels
Aktiven eingestellt worden ist.

3.1. Gemäss Art. 206 Abs. 1 SchKG werden mit der Konkurseröffnung alle gegen
den Schuldner hängigen Betreibungen aufgehoben (mit Ausnahme von Betreibungen
auf Drittpfandverwertung). Nach der Einstellung des Konkursverfahrens mangels
Aktiven kann der Schuldner während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben
werden (Art. 230 Abs. 3 SchKG). Die vor der Konkurseröffnung eingeleiteten
Betreibungen leben nach der Einstellung des Konkurses wieder auf (Art. 230 Abs.
4 SchKG).

3.2. Im konkreten Fall steht fest, dass die umstrittene Betreibung (Nr. xxx)
nicht jene Betreibung ist, welche Grundlage für das Konkursbegehren und die
Konkurseröffnung über den Schuldner war. In der Betreibung (Nr. xxx) wurde das
Fortsetzungsbegehren gestellt und in der Folge am 9. September 2014 die
Konkursandrohung zugestellt. Zu Recht ist unstrittig, dass diese Betreibung mit
Eröffnung des Konkurses über den Schuldner am 13. Januar 2015 aufgehoben wurde,
was Rechtsfolge von Art. 206 Abs. 1 SchKG ist (BGE 93 III 55 E. 1 S. 57;
GILLIÉRON, Commentaire sur la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la
faillite, Bd. III, 2001, N. 10 zu Art. 206). Umstritten ist, welche Wirkung die
Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven am 1. April 2015 hat. Die
Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Auffassung der oberen
Aufsichtsbehörde, welche in der Betreibung, die im Stadium nach Begehren um
Fortsetzung und Zustellung der Konkursandrohung aufgehoben wurde, die
Betreibungsart als festgelegt und eine Fortsetzung auf Pfändung als unzulässig
erachtet hat.

3.3. Die Beschwerdeführerin leitet aus BGE 124 III 123 (E. 2 S. 124) ab, dass
nur eine Betreibung, für welche das Fortsetzungsbegehren gestellt worden ist
und welche zusätzlich zur Eröffnung des Konkurses geführt hat, die Einleitung
einer neuen Betreibung gemäss Art. 230 Abs. 3 SchKG nötig mache. Sie hält die
von der Vorinstanz als massgebend erachtete Rechtsprechung für nicht
einschlägig, weil die hier umstrittene Betreibung nicht diejenige sei, welche
zur Konkurseröffnung geführt habe.

3.3.1. Gemäss BGE 124 III 123 (E. 2 S. 124/125) muss die Bestimmung von Art.
230 Abs. 4 SchKG mit Art. 206 Abs. 1 SchKG in Bezug gesetzt werden, dessen
Ausnahme sie bildet. Alle gegen den Gemeinschuldner gerichteten hängigen
Betreibungen werden mit der Eröffnung des Konkurses aufgehoben, mit Ausnahme
der Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die Dritten gehören. Die
Generalexekution gegen den Schuldner kann (ausser der genannten Ausnahme) den
"gleichzeitigen" Bestand von Spezialexekutionen nicht umfassen. Dem Urteil ist
zu entnehmen, dass die Fortsetzung der Betreibung auf Pfändung nur für
Betreibungen möglich ist, welche noch nicht nach Art. 88 und Art. 159 ff. SchKG
fortgesetzt sind (BGE 124 III 123 E. 2 S. 124). Im beurteilten Fall musste die
Gläubigerin, welche die Konkurseröffnung erreicht hatte und den Schuldner noch
einmal belangen wollte, eine neue Betreibung einleiten und nicht - was bereits
erfolgreich gemacht wurde - die Fortsetzung der fraglichen Betreibung
verlangen, welche ohnehin zu ihrem Ende geführt wurde. Die Nichtanwendung von
Art. 230 Abs. 3 SchKG auf Betreibungen, die nach Art. 230 Abs. 4 SchKG
wiederaufleben, wird nicht als ungerechtfertigte Verweigerung von
Gläubigerrechten erachtet (BGE 124 III 123 E. 2 S. 125).

3.3.2. Mit dem Urteil wird klargestellt, dass der Gläubiger die Fortsetzung der
Betreibung auf Pfändung verlangen kann, wenn das Recht auf Fortsetzung noch
nicht durch Konkursandrohung (Art. 159 SchKG) ausgeübt worden ist (vgl. KREN
KOSTKIEWICZ/WALDER, SchKG Kommentar, 18. Aufl. 2012, N. 3 zu Art. 206), d.h.
die Betreibung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung (auf Pfändung) fortgesetzt
werden konnte (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5.
Aufl. 2012, Rz. 1851). Damit und mit dem Hinweis, dass dies insbesondere für
eine zu Ende geführte Konkursbetreibung nicht der Fall sei (AMONN/ WALTHER,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 44 Rz. 23;
GILLIÉRON, Commentaire, a.a.O., N. 56 zu Art. 230), kommt zum Ausdruck, dass
für das Wiederaufleben gemäss Art. 230 Abs. 4 SchKG einer Betreibung nicht nur
das Stadium massgebend ist, in welchem sie sich bei Konkurseröffnung befand,
sondern dass auch die Art der Betreibung definitiv bestimmt ist (BGE 130 III
481 E. 2.1 S. 385; GILLIÉRON, a.a.O., N. 55 zu Art. 230; SPÜHLER/DOLGE,
Schuldbetreibung und Konkursrecht II, 6. Aufl. 2014, Rz. 108). Der Gläubiger,
welcher den Ex-Gemeinschuldner mit Betreibung auf Pfändung verfolgen will, hat
daher im Fall, dass durch die Konkursandrohung (oder den Zahlungsbefehl für
Wechselbetreibung oder für Pfandverwertungsbetreibung) eine andere
Betreibungsart bestimmt worden ist, keine Wahl. Er muss - wie in der Lehre
bestätigt wird - eine neue Betreibung gemäss Art. 230 Abs. 3 SchKG einleiten
(GILLIÉRON, Commentaire, a.a.O., N. 58 zu Art. 230).

3.3.3. Zu Recht hat daher das Obergericht Zürich (als obere Aufsichtsbehörde im
zitierten Urteil vom 18. August 2015, E. 3d) aus BGE 124 III 123 abgeleitet,
dass "bereits die Fortsetzung auf dem Weg zum Konkurs ausreicht", damit nach
Einstellung des Konkursverfahrens eine neue Betreibung auf Pfändung einzuleiten
ist. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist BGE 124 III 123
einschlägig und wird die Frage, ob nach Einstellung des Konkursverfahrens in
der "bloss" auf Konkurs fortgesetzten Betreibung eine Fortsetzung auf Pfändung
verlangt werden kann, verneint. Die Weigerung des Betreibungsamtes, nach
Einstellung des Konkursverfahrens die Betreibung auf Pfändung fortzusetzen,
weil dem Schuldner vor Konkurseröffnung die Konkursandrohung zugestellt worden
sei, steht im Einklang mit BGE 124 III 123.

3.4. Mit Urteil 5A_370/2010 vom 22. September 2010 (E. 2; BlSchK 2011 S. 50/51)
wurde die Rechtsprechung gemäss BGE 124 III 123 trotz teilweiser Kritik
bestätigt (RÜETSCHI, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Entwicklungen 2010,
2011, S. 132). Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, die bereits auf Konkurs
fortgesetzte Betreibung könne nach Einstellung des Konkursverfahrens dennoch
auf Pfändung fortgesetzt werden, verlangt sie (unter Hinweis auf eine
abweichende kantonale, der Kritik folgende Praxis), dass die Rechtsprechung
geändert werde. Entscheidende neue Argumente, welche eine Änderung der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtfertigen würden, werden von der
Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

3.5. Nach dem Dargelegten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die
Weigerung des Betreibungsamtes, nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels
Aktiven die Betreibung Nr. xxx fortzusetzen, weil dem Schuldner vor
Konkurseröffnung die Konkursandrohung zugestellt worden sei, geschützt hat. Da
die Betreibungsart vor Konkurseröffnung festgelegt worden ist, kann bzw. muss
die Beschwerdeführerin für eine Betreibung auf Pfändung - wie jeder andere
Gläubiger, für dessen Betreibung eine andere Art bereits festgesetzt worden ist
- die Neueinleitung gemäss Art. 230 Abs. 3 SchKG verlangen.

4. 
Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zu leisten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere
betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Januar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Levante

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