Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.777/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_777/2015

Urteil vom 2. Dezember 2015

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Buss.

Verfahrensbeteiligte
A.________, gesetzlich vertreten durch seine Mutter B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bertisch,
Beschwerdeführer,

gegen

C.________,
Beschwerdegegner,

Betreibungsamt Emmental-Oberaargau.

Gegenstand
Verlustschein/Pfändung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
und Konkurssachen, vom 17. September 2015.

Sachverhalt:

A.

A.a. A.________ betrieb seinen Vater C.________ in der Betreibung Nr. xxx des
Betreibungsamtes Emmental-Oberaargau für eine Forderung von Fr. 3'214.05
(Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 1'071.35 für die Monate November 2014 bis
Januar 2015) zuzüglich Zinsen und Kosten.

A.b. Am 23. April 2015 wurde die Pfändung vollzogen (Pfändungsgruppe Nr. yyy).
Bei der Einvernahme gab der Schuldner unter anderem zu Protokoll, er sei
geschieden und habe drei Kinder (A.________ geb. 1998; D.________ geb. 2004 und
E.________ geb. 2007). D.________ und E.________ würden zum Teil (zu 50 %) bei
ihm leben, da er und seine Ex-Frau ein gemeinsames Sorgerecht über sie hätten.

A.c. Gestützt auf die protokollierten Angaben und eingesehenen Belege
berechnete das Betreibungsamt am 29. April 2015 das Existenzminimum des
Schuldners. Es veranschlagte Nettoeinkünfte in der Höhe von Fr. 5'141.80 und
berücksichtigte einen Bedarf von Fr. 5'747.75 (Grundnotbedarf Fr. 1'350.--,
Kinderzuschlag Jahrgang 2004 und 2007 Fr. 500.--, Alimente Fr. 1'071.35,
Mietzins inkl. Nebenkosten Fr. 1'300.--, Krankenkasse Fr. 257.--, Auswärtige
Verpflegung Fr. 220.--, Arbeitsplatzfahrten Fr. 1'049.--).
Am 26. Mai 2015 stellte das Betreibungsamt einen Verlustschein aus. Es hielt
fest, beim Schuldner habe weder Vermögen festgestellt noch künftiger Lohn
gepfändet werden können. Zur weiteren Begründung verwies es auf die
Existenzminimumsberechnung, wonach er mit seinem Einkommen das ihm zustehende
Existenzminimum nicht erreiche.

B.

B.a. Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 5. Juni 2015 Beschwerde an das
Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen. Er beantragte, es sei der Verlustschein aufzuheben und den
Schuldner für die gesamte Betreibungsforderung zu pfänden (Rechtsbegehren 1).
Das Betreibungsamt sei anzuweisen, die Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr.
1'071.35 in der Existenzminimumsberechnung nicht anzurechnen (Rechtsbegehren 2)
und für die Position "Arbeitsplatzfahrten" einen Betrag von Fr. 250.-- anstatt
von Fr. 1'049.40 zu berücksichtigen (Rechtsbegehren 3). Ferner sei ein
Grundnotbedarf von Fr. 1'200.-- anzurechnen (Rechtsbegehren 4).

B.b. Am 17. September 2015 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Zwar sei
richtigerweise für die Position "Grundbetrag" ein Betrag von Fr. 1'275.--
einzusetzen, woraus ein Existenzminimum von Fr. 5'672.75 resultiere, doch
ändere dies nichts daran, dass der Schuldner das Existenzminimum nicht
erreiche.

C. 
A.________ (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 3.
Oktober 2015 an das Bundesgericht. Er beantragt, den ergangenen Verlustschein
vom 26. Mai 2015 aufzuheben und C.________ (Beschwerdegegner) für die gesamte
Betreibungsforderung zu pfänden (Beschwerdeantrag 1). In der Betreibung Nr. xxx
folgenden Pfändung des Beschwerdegegners seien bei der Berechnung des
Existenzminimums die Unterhaltsbeiträge von Fr. 1'071.35 ausser Acht zu lassen
(Beschwerdeantrag 2).
Es sind die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den Entscheid der (einzigen) Aufsichtsbehörde ist die Beschwerde in
Zivilsachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74
Abs. 2 lit. c, Art. 75 BGG). Sie ist fristgerecht erfolgt (Art. 100 Abs. 2 lit.
a BGG). Die Beschwerde ist somit grundsätzlich zulässig.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591).

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass
eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).

2. 
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Ausstellung eines
Pfändungsverlustscheins für in Betreibung gesetzte Unterhaltsforderungen. Der
Beschwerdeführer verlangt, die rechtskräftig festgesetzte
Unterhaltsverpflichtung des Schuldners in Höhe von Fr. 1'071.35 aus dessen
Notbedarf zu streichen, weil er ihn gerade für rückständige Unterhaltsbeiträge
betreibe. In einer Eventualbegründung macht er geltend, dass der
Beschwerdegegner rein taktisch gehandelt habe und nicht davon ausgegangen
werden könne, dass er tatsächlich die Absicht habe, die Unterhaltsbeiträge in
Zukunft regelmässig zu begleichen.

2.1. Erwerbseinkommen kann soweit gepfändet werden, als es nach dem Ermessen
des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt
notwendig ist (Art. 93 Abs. 1 SchKG). Diese Bestimmung räumt dem Betreibungsamt
bzw. der Aufsichtsbehörde für die Bestimmung des Existenzminimums ein Ermessen
ein, in welches das Bundesgericht nur eingreift, wenn bei dessen Ausübung
sachfremde Kriterien berücksichtigt oder rechtserhebliche Umstände ausser Acht
gelassen worden sind (BGE 134 III 323 E. 2 S. 324).

2.2. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen, hat der Beschwerdegegner die
Unterhaltsbeiträge in den Monaten September, Oktober und Dezember 2014 sowie
von Januar bis April 2015 bezahlt. Gestützt auf die entsprechenden
Zahlungsbelege ist die Vorinstanz zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die
Unterhaltsbeiträge - soweit ersichtlich - mittels Dauerauftrag bezahlt worden
seien und es nicht den Anschein mache, der Schuldner habe diese nur im Hinblick
auf das laufende Verfahren beglichen. Diese Sachverhaltsfeststellung bzw.
Beweiswürdigung ist für das Bundesgericht verbindlich und dem vorliegenden
Urteil zugrunde zu legen (Art. 105 Abs. 1 BGG). Soweit der Beschwerdeführer von
einem im vorinstanzlichen Verfahren nicht festgestellten Sachverhalt ausgeht,
ist darauf nicht einzugehen. Der Beschwerdeführer stützt sich dabei einzig auf
Tatsachen und entsprechende Beweismittel (Beschwerdebeilagen 2-22), die bereits
anlässlich des vorinstanzlichen Verfahrens Bestand hatten, aber nicht
vorgebracht wurden (BGE 136 III 123 E. 4.4.3 S. 128 f.). Diese Tatsachen und
Beweismittel sind unzulässig und unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. E. 1.3
oben). Inwiefern dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert worden
wäre, ist nicht nachvollziehbar. Wie aus dem angefochtenen Entscheid
hervorgeht, wurde ihm die Vernehmlassung des Betreibungsamtes vom 22. Juni 2015
zugestellt.

2.3. In rechtlicher Hinsicht hat die Vorinstanz die
zwangsvollstreckungsrechtliche Praxis angewendet, dass dem Schuldner jene
familienrechtlichen Unterhaltspflichten an ausserhalb seines Haushalts lebende
Angehörige in seinem Notbedarf angerechnet werden, die er in der letzten Zeit
vor der Pfändung regelmässig und belegbar erfüllt hat, falls darauf vertraut
werden kann, dass er sie weiterhin erfüllen wird (vgl. Ziff. 4 der Richtlinien
der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1. Juli 2009
für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums [Notbedarf] nach
Art. 93 SchKG). Sie hat zutreffend erwogen, dass der Zuschlag bei ungenügendem
Nachweis nicht gewährt werden dürfe (s. dazu BGE 111 III 13 E. 4 S. 15). Als
Indiz für die regelmässige Erfüllung einer monatlichen Leistung gelte nach
ihrer Praxis die vollständige Bezahlung mindestens während der drei letzten
Monate vor der Pfändung.
Gründe, weshalb im konkreten Fall von diesen bundesrechtskonformen Grundsätzen
abgewichen werden müsste, sind nicht ersichtlich. Ausgehend von den
verbindlichen Feststellungen, dass der Beschwerdegegner die Unterhaltsbeiträge
in den letzten Monaten vor dem Pfändungsvollzug vom 23. April 2015 regelmässig
bezahlt hat und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies
zukünftig nicht mehr der Fall sein werde (s. E. 2.2), kann der Vorinstanz keine
bundesrechtswidrige Ausübung des ihr zustehenden Ermessens angelastet werden,
wenn sie die Unterhaltsverpflichtung von Fr. 1'071.35 im Existenzminimum des
Beschwerdegegners berücksichtigt hat. Der festgestellte Alimentenausstand für
den Monat November 2014 vermag daran nichts zu ändern. Die Rüge ist demnach
unbegründet.

2.4. Nicht thematisiert hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid die unter
dem Aspekt der Durchsetzung in der Zwangsvollstreckung in bestimmtem Rahmen
bestehende Möglichkeit eines Eingriffs in den Notbedarf des
Unterhaltsschuldners (s. zur Ermittlung der - trotz des Eingriffs in das
Existenzminimum - pfändbaren Quote BGE 111 III 13 E. 5 S. 15 f.).
Vollstreckungsrechtliche Voraussetzung für einen derartigen Eingriff ist
insbesondere, dass auch das Existenzminimum des Unterhaltsgläubigers nicht
gedeckt ist. Es muss eine unvermeidbare Notwendigkeit der Unterhaltszahlungen,
eine unerträgliche und nicht anders abwendbare Not auf Seiten des
Unterhaltsgläubigers vorliegen (BGE 111 III 13 E. 6 und 7 S. 18 ff.; GEORGES
VONDER MÜHLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 40 zu Art. 93 SchKG). Eine solche wird vom
Beschwerdeführer vorliegend nicht behauptet, geschweige denn belegt. Ausserdem
wirft er der Vorinstanz nicht vor, den Sachverhalt diesbezüglich in Verletzung
von Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG mangelhaft ermittelt zu haben. Weiterungen
dazu erübrigen sich daher.

3. 
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit
darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer
für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist
kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Emmental-Oberaargau und dem
Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Dezember 2015
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Escher

Der Gerichtsschreiber: Buss

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