Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.768/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_768/2015

Urteil vom 25. Januar 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Herrmann, Bovey,
Gerichtsschreiber Möckli.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Liliane Kobler,
Beschwerdeführer,

gegen

Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Dufner,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Stockwerkeigentümerbeiträge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 16.
Juni 2015.

Sachverhalt:

A. 
Die Stockwerkeigentümergemeinschaft B.________ setzt sich aus den Eigentümern
der 19 Stockwerkeinheiten der Parzelle U.________-GBB-xxx zusammen. A.________
ist Eigentümer von zwei Einheiten mit Wertquoten von 73/1000 und 74/1000.
Die Gemeinschaft hatte seit dem Jahr 2000 Probleme mit der Verwaltung. Der
inzwischen verstorbene Verwalter der Jahre 2000 bis 2007 genügte den
Anforderungen an eine ordentliche Verwaltungstätigkeit offenbar nicht. Auch mit
dem Wechsel der Verwaltung gemäss den Beschlüssen vom 27. September 2007, 29.
Juni 2010, 29. November 2011 und 11. Januar 2013 konnten offenbar nicht alle
Versäumnisse korrigiert werden. Die Jahresrechnungen 2000 bis 2006 genehmigte
die Stockwerkeigentümerversammlung erst am 1. Oktober 2013 auf der Grundlage
der vorhandenen Belege und gestützt auf einen Vergleich der Ausgaben mit den
vorangehenden und nachfolgenden Jahren und einer entsprechenden
Plausibilitätsprüfung. Die Jahresrechnungen 2007 bis 2011 hatte sie bereits am
11. Januar 2013 und die Jahresrechnung 2012 am 26. März 2013 genehmigt.
Gestützt auf diese Jahresrechnungen (mit Kostenverteilschlüssel gemäss
Wertquoten) wurden den Stockwerkeigentümern die entsprechenden Beiträge in
Rechnung gestellt. Bis auf A.________ bezahlten alle Stockwerkeigentümer ihre
Beiträge.

B. 
Am 26. November 2013 klagte die Stockwerkeigentümergemeinschaft gegen
A.________ auf Zahlung von Fr. 37'500.45 zuzüglich Zins sowie Aufhebung des
Rechtsvorschlages in der angehobenen Betreibung.
Mit Entscheid vom 23. Oktober / 12. Dezember 2014 verpflichtete das
Bezirksgericht Arbon A.________ zur Bezahlung von Fr. 34'052.45 nebst Zins und
hob den Rechtsvorschlag in diesem Umfang auf.
In teilweiser Gutheissung der Berufung von A.________ verpflichtete ihn das
Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 16. Juni 2015 zur Bezahlung
von Fr. 29'071.85 nebst Zins, unter Aufhebung des Rechtsvorschlages in diesem
Umfang.

C. 
Gegen diesen Entscheid hat A.________ am 25. September 2015 eine Beschwerde
erhoben mit den Begehren um dessen Aufhebung und vollumfänglicher Abweisung der
Klage bzw. Feststellung, dass der geforderte Betrag nicht geschuldet sei. Es
wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1. 
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid in einer Zivilsache
(Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Der Betrag der vor Obergericht
streitig gebliebenen Begehren übersteigt Fr. 30'000.-- (Art. 51 Abs. 1 lit. a
und Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen steht somit
offen.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). In diesem Bereich kann lediglich
eine offensichtlich unrichtige, d.h. willkürliche Sachverhaltsfeststellung
gerügt werden, wobei hierfür das strenge Rügeprinzip gilt; auf ungenügend
substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das
Bundesgericht nicht ein (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404
E. 10.1 S. 445; 140 III 264 E. 2.3 S. 266).

2. 
Im Kern ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beschlüsse der
Stockwerkeigentümergemeinschaft, mit welchen die Jahresrechnungen und die
Kostenverteilung genehmigt wurden, nichtig sind.

2.1. Das Obergericht hat festgehalten, es gehe nur formal um einen
Forderungsprozess. Dieser gründe auf den beschlussweise genehmigten
Jahresrechnungen sowie auf der genehmigten Kostenverteilung. Daraus hat es
gefolgert, dass der Beschwerdeführer nicht die Berechnungsgrundlagen in Frage
stellen und die Begründetheit der Beitragsforderungen bestreiten könne. Hierfür
hätte er binnen eines Monates die Beschlüsse der
Stockwerkeigentümergemeinschaft anfechten müssen (Art. 75 i.V.m. Art. 712 Abs.
2 ZGB). Es könne sich einzig noch die Frage stellen, ob die Beschlüsse nichtig
seien, weil sie diesfalls unbekümmert und die unterbliebene Anfechtung keine
Verbindlichkeit entfalten könnten.
Die Nichtigkeit der Beschlüsse hat das Obergericht verneint. Es hat
festgestellt, dass es objektiv unmöglich gewesen sei, eine auf den Rappen
genaue Buchhaltung zu erstellen, weil nicht mehr alle Belege erhältlich gewesen
seien. Auch der Beschwerdeführer, welcher die Grundlagen der Berechnung
bestreite, vermöchte die fehlenden Belege nicht beizubringen und bessere
Berechnungsgrundlagen zu schaffen. Die Stockwerkeigentümergemeinschaft habe
einlässlich und plausibel dargelegt, dass alle Bemühungen und Anstrengungen
unternommen worden seien, um eine pragmatische und für alle Stockwerkeigentümer
akzeptable Lösung zu finden. Die Jahresrechnungen seien auf gewissenhafte und
nachvollziehbare Art erstellt worden. Dabei sei keine Partei besonders
begünstigt oder über Gebühr belastet worden.

2.2. Was der Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, ist nicht geeignet, eine
Nichtigkeit der Beschlüsse aufzuzeigen.
Gemäss Art. 712h Abs. 1 ZGB haben die Stockwerkeigentümer an die Lasten des
gemeinschaftlichen Eigentums und an die Kosten der gemeinschaftlichen
Verwaltung Beiträge nach Massgabe ihrer Wertquoten zu leisten. Dies erfolgt
grundsätzlich durch Deckungsbeiträge oder durch Vorschüsse (WERMELINGER,
Zürcher Kommentar, N. 134 f. zu Art. 712h ZGB). Grundlage für diese von den
einzelnen Stockwerkeigentümern zu tragenden Kosten bilden reglementarische
Bestimmungen oder Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung (WERMELINGER,
a.a.O., N. 136 zu Art. 712h ZGB). Die Höhe von Vorschussleistungen ergibt sich
in der Regel aus dem Voranschlag (WERMELINGER, a.a.O., N. 137 zu Art. 712h
ZGB). Die Versammlung der Stockwerkeigentümer ist aber nicht nur für die
Genehmigung des Kostenvoranschlages, sondern auch der Rechnung und Verteilung
der Kosten (Art. 712m Abs. 1 Ziff. 4 ZGB) sowie für die Schaffung eines
Erneuerungsfonds (Art. 712m Abs. 1 Ziff. 5 ZGB) zuständig.
Demnach haben die Stockwerkeigentümer im Rahmen der Kompetenzordnung Beschluss
gefasst. Gemäss den obergerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen wurden die
Jahresrechnungen auf der Grundlage der verfügbaren Belege und eines Vergleiches
mit den Ausgaben der vorangehenden und nachfolgenden Jahre nach bestem Wissen
und Gewissen erstellt. Die Verteilung der Kosten erfolgte gemäss Wertquoten,
ohne dass einzelne Stockwerkeigentümer bevorzugt oder benachteiligt worden
wären.
Die Vorbringen des Beschwerdeführers erschöpfen sich in appellatorischer Kritik
(er habe Anspruch auf eine transparente und auf nachvollziehbaren Grundlagen
beruhende Rechnung, welche durchwegs auf Belegen basieren müsse; viele Belege
hätten gefehlt und seien durch Annahmen ersetzt worden; verschiedene Buchungen
seien nicht korrekt erfolgt; einzelne Konten seien nicht vollständig; es seien
falsche bzw. unzulässige Kosten aufgenommen worden, insbesondere im
Zusammenhang mit der Gebäudeversicherung, mit Anwaltskosten, mit Aufwendungen
eines Bauunternehmens und mit Büromaterial), mit welcher sich weder eine
willkürliche Sachverhaltsfeststellung durch das Obergericht noch eine
Nichtigkeit der Beschlüsse dartun lässt.
Eine Nichtigkeit der Beschlüsse könnte nur bei schwerwiegenden formellen oder
materiellen Mängeln zur Diskussion stehen, etwa wenn keine ordnungsgemässe
Versammlung stattgefunden hätte, wenn an der Versammlung über Gegenstände
ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches der Gemeinschaft Beschluss gefasst
worden wäre oder wenn die Beschlussfassung materiell krass zu Ungunsten eines
einzelnen Mitgliedes ausgefallen wäre (vgl. WERMELINGER, a.a.O., N. 208 ff. zu
Art. 712m ZGB). Davon kann keine Rede sein. Der Beschwerdeführer macht denn
auch nicht geltend, dass er individuell benachteiligt worden wäre; er behauptet
vielmehr, wegen Fehlbuchungen bzw. unberechtigten und nicht nachgewiesenen
Kosten seien die einzelnen Stockwerkeigentümer gegenüber der
Stockwerkeigentümergemeinschaft massiv benachteiligt worden. Die Gemeinschaft
ist aber nichts anderes als die Gesamtheit der Stockwerkeigentümer, weshalb die
Behauptung, die Einzelnen seien zugunsten der Gemeinschaft benachteiligt, an
der Sache vorbeigeht. Nicht zu sehen ist sodann, inwiefern die
Stockwerkeigentümergemeinschaft durch die Beschlüsse angeblich in ihrer
Struktur schwerwiegend verletzt sein soll. Keine Nichtigkeit zu begründen
vermag schliesslich, dass die Jahresrechnungen 2007 bis 2012 einige Monate vor
denjenigen für die Jahre 2000 bis 2006 genehmigt wurden.

2.3. Liegt in Bezug auf die relevanten Beschlüsse keine Nichtigkeit vor und
sind diese vom Beschwerdeführer seinerzeit nicht angefochten worden, so gehen
im vorliegenden Forderungsprozess auch seine Gehörs- und Willkürrügen fehl (die
Berechnungsgrundlagen seien offensichtlich falsch; die kantonalen Gerichte
hätten seine Beweisanträge in Bezug auf die Bilanzen und Erfolgsrechnungen
nicht berücksichtigt, insbesondere die Anträge auf Erstellung eines Gutachtens
und Befragung zahlreicher Zeugen im Zusammenhang mit einer transparenten und
rechtmässigen Erstellung der Jahresrechnungen). Wie das Obergericht zutreffend
festgestellt hat, sind die Jahresrechnungen und die Kostenverteilung für den
Forderungsprozess der Stockwerkeigentümergemeinschaft verbindlich, wenn die zu
Grunde liegenden Beschlüsse nicht rechtzeitig angefochten wurden und auch kein
Nichtigkeitsgrund gegeben ist. Vor diesem Hintergrund konnten keine
Beweisanträge in Bezug auf die Überprüfung der materiellen Richtigkeit der
Rechnungen gestellt werden und gehen die Gehörsrügen mithin fehl.
Ferner ist nicht zu sehen, inwiefern die kantonalen Gerichte gegen Art. 8 ZGB
verstossen haben könnten. Insbesondere wurde kein falsches Beweismass zur
Anwendung gebracht, wenn das Obergericht auf die von der Gemeinschaft
beschlossene Kostenverteilung abgestellt hat, denn die Tatsache, dass nicht
mehr sämtliche Belege greifbar waren, steht entgegen der Behauptung des
Beschwerdeführers in keinem Zusammenhang mit dem Beweismass im vorliegenden
Forderungsprozess. Leidet die Beschlussfassung über die Jahresrechnungen und
die Kostenverteilung an keinem Nichtigkeitsgrund, so durften die kantonalen
Gerichte darauf abstellen und hat die klagende Stockwerkeigentümergemeinschaft
den ihr obliegenden Beweis für die Beitragsforderungen gegen den
Beschwerdeführer erbracht.
Neu und damit unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG) - sowie im Übrigen
tatsachenwidrig - ist schliesslich die Behauptung, die Beschlussfassung über
die Rechnungen 2000 bis 2006 sei erst nach Klageeinleitung erfolgt.

2.4. Soweit sich der Beschwerdeführer zum Vorhalt des Obergerichtes äussert, er
habe die jahrelang ungenügende Verwaltungstätigkeit toleriert, weshalb seine
heutigen Vorbringen missbräuchlich seien, ficht er eine nicht tragende
Zusatzbegründung des Obergerichtes an. Hält die obergerichtliche
Hauptbegründung, wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, vor Bundesrecht stand,
erübrigen sich Äusserungen zur Zusatzbegründung.

3. 
Im kantonalen Verfahren stellte der Beschwerdeführer verschiedene
Gegenforderungen zur Verrechnung. Davon macht der Beschwerdeführer noch eine
einzige der vom Obergericht nicht anerkannten Gegenforderungen zum
Beschwerdegegenstand.

3.1. Dies betrifft eine an ihn adressierte Rechnung der C.________ vom 20.
Januar 2014 über Fr. 1'430.--. Das Obergericht hielt dazu fest, nach
Sachdarstellung des Beschwerdeführers gehe es um Aufwendungen der Buchprüferin
D.________, welche in die vorhandenen Belege Einsicht genommen und festgestellt
habe, dass diverse Zahlen, zu welchen die Belege fehlten, Annahmen darstellten.
Das Obergericht folgerte, dass es sich um vorprozessuale Kosten des
Beschwerdeführers zur Verteidigung gegen die gegen ihn erhobene Kostenforderung
handle, und es erwog, dass kein Grund ersichtlich sei, weshalb die Gemeinschaft
für diese Kosten einzustehen hätte. Im Übrigen sei die Rechnung zu pauschal und
es fehle an einem detaillierten Tätigkeitsnachweis. Dazu komme, dass der
Beschwerdeführer gerade in Bezug auf die Frage, für welche er eine Buchprüferin
beigezogen habe, vollständig unterlegen sei.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet sich einzig gegen die zusätzliche Begründung
des Obergerichtes, dass die Rechnung auch zu pauschal sei. Hingegen setzt er
der Hauptbegründung, dass es sich beim privaten Beizug einer Buchprüferin um
vorprozessualen Aufwand handle, für welchen nicht die
Stockwerkeigentümergemeinschaft einzustehen habe, zumal der Beschwerdeführer
bezüglich der betreffenden Frage im gerichtlichen Verfahren vollständig
unterlegen sei, nichts entgegen. Seine Beschwerde bleibt deshalb mit Bezug auf
die Verrechnungsforderung unbegründet (Art. 42 Abs. 2 BGG).

4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein
entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Januar 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Möckli

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