Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.767/2015
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
5A_767/2015        

Urteil vom 28. März 2017

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann, Schöbi, Bovey,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Mathias Ammann,
Beschwerdeführer,

gegen

B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reinmar J. Salzgeber,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ehescheidung (Liquidation der Ehegattengemeinschaft; güterrechtliche
Auseinandersetzung),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Zivilabteilung, 2. Zivilkammer,
vom 27. August 2015.

Sachverhalt:

A. 
A.________ (Ehemann) und B.________ (Ehefrau) heirateten 2003. Während der Ehe
unterstanden sie vorerst dem ordentlichen Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung (Art. 181 ZGB). Auf gemeinsamen Antrag beider
Parteien verfügte das Regionalgericht Berner Jura-Seeland die Gütertrennung per
30. Juni 2009. Die Parteien sind Gesamteigentümer bzw. einfache Gesellschafter
einer Liegenschaft an der C.________strasse xxx, in U.________.

B.

B.a. Die Ehefrau beantragte in ihrem Schriftsatz vom 12. März 2012 dem
Regionalgericht Berner Jura-Seeland die Scheidung der Ehe und stellte unter
anderem Anträge betreffend die güterrechtliche Auseinandersetzung. Der Ehemann
ersuchte seinerseits in der Vernehmlassung vom 12. März 2012 um güterrechtliche
Auseinandersetzung und begehrte die ungeteilte Zuweisung der unter Bst. A
erwähnten Liegenschaft an sich gegen volle Entschädigung der Ehefrau. Ein
weiterer Schriftenwechsel fand nicht statt. Im Rahmen des erstinstanzlichen
Verfahrens wurde ein Gutachten über die Bewertung der Liegenschaft eingeholt.
Es datiert vom 26. Oktober 2012. Die Parteien wurden zur Hauptverhandlung vom
13. Februar 2013 geladen, an welcher die Ehefrau Anträge betreffend die
Auflösung der einfachen Gesellschaft stellte und ihrerseits die Zuweisung der
Liegenschaft beantragte. Die Verhandlung wurde vertagt. An der
Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 reichte die Ehefrau die
Finanzierungsbestätigung der Bank D.________ AG vom 22. August 2013 und jene
der E.________ AG vom 23. August 2013 (betreffend Finanzierung der
Liegenschaft) ein.

B.b. Mit Urteil vom 21. Mai 2014 schied das Regionalgericht Berner Jura-Seeland
die Ehe der Parteien. Die einfache Gesellschaft (Ehegattengesellschaft) wurde
liquidiert und die eheliche Liegenschaft an der C.________strasse xxx in
U.________ dem Ehemann unter Anrechnung seiner güterrechtlichen Ansprüche zu
Alleineigentum zugewiesen. Die erste Instanz ging davon aus, die Ehefrau habe
die Finanzierungsbestätigungen verspätet eingereicht, weshalb die Liegenschaft
dem Ehemann zuzuweisen sei. Das Grundbuchamt V.________ wurde angewiesen, den
Ehemann als Alleineigentümer des Grundstücks U.________ Gbbl. Nr. yyy,
Liegenschaft an der C.________strasse xxx in U.________ einzutragen. Das
Gericht verpflichtete die Ehefrau dazu, dem Ehemann innert 60 Tagen seit
Rechtskraft des Ehescheidungsurteils aus Güterrecht (insbesondere unter
Berücksichtigung der Liquidation der Ehegattengesellschaft) einen Betrag von
Fr. 189'445.25 zu bezahlen. Nach einer weiteren Regelung des Urteils behält
jeder Ehegatte die in seinem Besitze befindlichen Gegenstände sowie die auf
seinen Namen lautenden Vermögenswerte und trägt die auf seinen Namen lautenden
Schulden. Damit gelten die Parteien als güterrechtlich auseinandergesetzt.

B.c. Mit Entscheid vom 27. August 2015 erkannte das Obergericht des Kantons
Bern, die einfache Gesellschaft (Ehegattengesellschaft) werde liquidiert. Das
Grundstück U.________ Gbbl. yyy, Liegenschaft C.________strasse xxx in
U.________ wurde Zug um Zug gegen Bezahlung des Ausgleichsbetrages von Fr.
613'212.-- durch die Ehefrau an den Ehemann unter Entlassung des Ehemannes aus
der Solidarhaftung für die aufhaftenden Schulden bei der F.________ von Fr.
1'337'500.-- (Stand März 2015), Hypothek Nr. zzz, in das Alleineigentum der
Ehefrau übertragen. Das Obergericht erachtete die Finanzierungsbestätigungen
der Ehefrau als rechtzeitig erbracht. Nach einer weiteren Regelung des
obergerichtlichen Urteils sind der Nachweis der Zahlung und der Entlassung aus
der Solidarhaftung innert drei Monaten nach Vollstreckbarkeit des Entscheides
beim Obergericht des Kantons Bern einzureichen. Das Grundbuchamt V.________
wurde angewiesen, nach Eingang der erforderlichen Nachweise die Ehefrau als
Alleineigentümerin des Grundstücks einzutragen. Mit der Grundbuchanmeldung
durch das Obergericht des Kantons Bern gilt die Bedingung gemäss Ziff. 9 des
Entscheides als erfüllt. Die Ehefrau wurde verpflichtet, dem Ehemann aus
Güterrecht innert 30 Tagen nach Vollstreckbarkeit des Entscheides den Betrag
von Fr. 18'233.15 zu überweisen. Im Übrigen behält jeder Ehegatte die sich in
seinem Besitze befindlichen Gegenstände und die auf seinen Namen lautenden
Vermögenswerte und trägt die auf seinen Namen lautenden Schulden (12).

C. 
Der Ehemann (Beschwerdeführer) hat am 28. September 2015 beim Bundesgericht
gegen den obergerichtlichen Entscheid Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er
beantragt, die Ziffern 9 bis 11 des angefochtenen Entscheides aufzuheben. In
der Hauptsache beantragt er zusammengefasst, die einfache Gesellschaft sei
unter Ausscheidung des Liquidationsanteils des Beschwerdeführers von Fr.
695'415.70 und des Liquidationsanteils der Ehefrau (Beschwerdegegnerin) von Fr.
-2'243.70 zu liquidieren und die Liegenschaft dem Beschwerdeführer unter
Anrechnung des auszugleichenden Liquidationsanteils an seine güterrechtlichen
Ansprüche zu Alleineigentum zu übertragen. Das Grundbuchamt V.________ sei
anzuweisen, den Beschwerdeführer als Alleineigentümer des Grundstücks
einzutragen. Die Beschwerdegegnerin sei zu verurteilen, ihm innert 60 Tagen
seit Rechtskraft des bundesgerichtlichen Urteils aus Güterrecht unter
Berücksichtigung der Liquidation der Ehegattengesellschaft einen Betrag von Fr.
189'445.25 (Fr. 187'201.55 zuzüglich Fr. 2'243.70 aus Liquidation) zuzuweisen.
Eventuell seien die Parteien güterrechtlich auseinanderzusetzen und die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer innert 60 Tagen seit
Rechtskraft des bundesgerichtlichen Urteils aus Güterrecht unter
Berücksichtigung der Liquidation der Ehegattengesellschaft Fr. 185'687.40 (Fr.
183'443.70 plus Fr. 2'243.70 aus Liquidation) zu bezahlen. In einem weiteren
Eventualbegehren zur güterrechtlichen Auseinandersetzung schliesst er dahin,
die Beschwerdegegnerin sei zu verurteilen, dem Beschwerdeführer innert 60 Tagen
seit Rechtskraft des bundesgerichtlichen Urteils aus Güterrecht unter
Berücksichtigung der Liquidation der Ehegattengesellschaft einen Betrag von Fr.
882'617.25 (Fr. 187'201.55 zuzüglich Fr. 695'415.70 aus Liquidation) zu
entrichten. Subeventuell sei die Beschwerdegegnerin zu verurteilen, dem
Beschwerdeführer innert 60 Tagen seit Rechtskraft des bundesgerichtlichen
Urteils aus Güterrecht unter Berücksichtigung der Liquidation der
Ehegattengesellschaft einen Betrag von Fr. 878'859.40 (Fr. 183'443.70 zuzüglich
Fr. 695'415.70 aus Liquidation) auszuzahlen.

D. 
Mit Präsidialverfügung vom 30. Oktober 2015 wurde dem Gesuch des
Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung entgegen dem Antrag der
Beschwerdegegnerin entsprochen und der Beschwerde mit Bezug auf die Zuweisung
der erwähnten Liegenschaft an die Beschwerdegegnerin aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

E. 
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegnerin hat
sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid eines
oberen kantonalen Gerichts als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 1 und 2, Art.
90 BGG) betreffend Liquidation einer Ehegattengesellschaft und güterrechtliche
Auseinandersetzung. Dabei handelt es sich um eine Zivilsache im Sinn von Art.
72 Abs. 1 BGG vermögensrechtlicher Natur, die den Streitwert von Fr. 30'000.--
(Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) erreicht. Die übrigen Eintretensvoraussetzungen
(Art. 76 Abs. 1 und Art. 100 Abs. 1 BGG) geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Die Beschwerde ist damit grundsätzlich zulässig.

1.2. Der Beschwerdeführer bringt in seinem Schreiben vom 4. Juli 2016 vor, die
"der Beschwerdegegnerin die Liegenschaft finanzierende Unternehmung" habe ihre
Finanzierungszusage zurückgezogen. Davon weiss der Beschwerdeführer nur vom
Hörensagen. Abgesehen davon handelt es sich dabei um ein nach dem angefochtenen
Entscheid eingetretenes, echtes Novum, das im bundesgerichtlichen Verfahren
nicht berücksichtigt werden kann (BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 133 IV 342 E. 2;
130 II 493 E. 2; 128 II 145 E. 1.2.1; je mit Hinweisen).

2. 
Die Parteien standen während der Ehe unter dem ordentlichen Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung (Art. 196 ff. ZGB). Im vorliegenden Fall verfügte
das Regionalgericht Berner Jura-Seeland per 30. Juni 2009 die Gütertrennung.
Ferner waren die Parteien Gesamteigentümer bzw. einfache Gesellschafter der
Liegenschaft C.________strasse xxx, U.________. Die Vorinstanz hat in einem
ersten Schritt die einfache Gesellschaft liquidiert, danach das
Liquidationsergebnis güterrechtlich zugeordnet und anschliessend die
güterrechtliche Auseinandersetzung vorgenommen. Schliesslich hat sie die im
Gesamteigentum der Parteien stehende Liegenschaft in Anwendung von Art. 205
Abs. 2 ZGB gegen Entschädigung des Beschwerdeführers der Beschwerdegegnerin
zugewiesen. In der Lehre ist strittig, ob diese Bestimmung auf den Fall
anwendbar ist, in dem ein Vermögenswert - wie hier - im Gesamteigentum beider
Parteien steht. Die Verfahrensparteien sind indes mit der Anwendung von Art.
205 Abs. 2 ZGB einverstanden, weshalb die Streitfrage wie bereits in einem
früheren Fall offen bleiben kann (zur Kontroverse und zur hier praktizierten
Lösung: Urteil 5A_283/2011 vom 29. August 2011 E. 2 publ. in: FamPra.ch 2011 S.
965).

3. 
Vor Bundesgericht strittig ist einmal die Zuweisung der Liegenschaft. Die
Beschwerdegegnerin hat die zwecks Sicherstellung der Entschädigung des
Beschwerdeführers eingeholten Finanzierungsbestätigungen der Bank D.________ AG
vom 22. August 2013 sowie der E.________ AG vom 23. August 2013 erst an der
Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 bei Gericht eingereicht. Fraglich
ist, ob die Bestätigungen im erstinstanzlichen Verfahren rechtzeitig
beigebracht worden sind.

3.1. Im vorliegenden Fall geht es um die güterrechtliche Auseinandersetzung und
insbesondere um die Zuweisung der ehelichen Liegenschaft. Diese Teilbereiche
unterstehen der Verhandlungsmaxime, sodass Art. 229 Abs. 3 ZPO, der die
Geltendmachung von Noven in den von der Untersuchungsmaxime beherrschten
Verfahren regelt, nicht zur Anwendung gelangt. Die Vorinstanz hat auf die im
erstinstanzlichen Verfahren geltende Bestimmung von Art. 229 Abs. 2 ZPO
verwiesen und erwogen, vorliegend sei mit der Hauptverhandlung vom 13. Februar
2013 grundsätzlich die "Novenschranke" gefallen. Die Vorinstanz hat indes
trotzdem die von der Beschwerdegegnerin erst an der Fortsetzungsverhandlung vom
27. August 2013 produzierten Unterlagen zur Belegung ihrer Zahlungsfähigkeit
zugelassen. Dabei war einmal entscheidend, dass die Beschwerdegegnerin am 21.
Januar 2013 erstmals eine Skizze der güterrechtlichen Auseinandersetzung
eingereicht hat. Der Beschwerdeführer reichte seinerseits am 7. Februar 2013
ein Berechnungsblatt ein. Die Vorinstanz hat alsdann hervorgehoben, anlässlich
der Hauptverhandlung vom 13. Februar 2013 seien von Seiten der Parteien keine
Rechtsbegehren bezüglich der güterrechtlichen Auseinandersetzung und die
Liquidation der Ehegattengesellschaft gestellt worden. Das erstinstanzliche
Gericht habe aber mit Verfügung vom gleichen Tag Replik/Duplik angeordnet.
Damit sei der Beschwerdegegnerin Gelegenheit geboten worden, sich zu den kurz
vor der Verhandlung vom 13. Februar 2013 (am 7. Februar 2013) vom
Beschwerdeführer eingereichten Beilagen und Belegen zu äussern. Anlässlich der
Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 seien die Parteien und Zeugen
einvernommen worden. Im Rahmen des zweiten Parteivortrages vom 31. Oktober 2013
habe der Beschwerdeführer seine Berechnungen zur Liquidation der einfachen
Gesellschaft nochmals abgeändert. Nach Auffassung der Vorinstanz sind die
Belege an der Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 rechtzeitig
eingereicht worden.

3.2. Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, die Vorinstanz gehe
selbst davon aus, die Beschwerdegegnerin habe die erforderlichen
Finanzierungsbestätigungen für die Übernahme der Liegenschaft nicht an der
Hauptverhandlung vom 13. Februar 2013, sondern erst an der
Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 beigebracht. Zum Zeitpunkt, als das
Verkehrswertgutachten vom 26. Oktober 2012 betreffend die strittige
Liegenschaft vorgelegen habe, mithin lange vor der Hauptverhandlung vom 13.
Februar 2013, seien die finanziellen Auswirkungen einer allfälligen Zuweisung
der Liegenschaft für beide Parteien erkennbar gewesen. Entgegen den
Ausführungen der Vorinstanz hätten bei Durchführung der ersten Parteivorträge
am 13. Februar 2013 keine Hindernisse für eine Novenschranke vorgelegen. Die
Beschwerdegegnerin habe anlässlich der Hauptverhandlung vom 13. Februar 2013
keine Editionsanträge gestellt, die ihr eine Ausgleichsberechnung im Falle der
Zuweisung der Liegenschaft ermöglicht hätten. Auch die Anpassung der
Berechnungsblätter, die keine Beweismittel darstellten, sondern als Ausdruck
rechtlicher Überlegungen zu bezeichnen seien, könnten im Urteil angepasst
werden. Mit der Zulassung der erst an der Fortsetzungsverhandlung vom 27.
August 2013 beigebrachten Finanzierungsbestätigungen habe die Vorinstanz Art.
229 ZPO verletzt.

3.3.

3.3.1. Nach Art. 229 Abs. 2 ZPO können neue Tatsachen und Beweismittel  zu
Beginn der Hauptverhandlung unbeschränkt vorgebracht werden, falls weder ein
zweiter Schriftenwechsel noch eine Instruktionsverhandlung stattgefunden haben.
Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung soll durch den im Zug der
Differenzbereinigung zwischen den Räten eingefügten Art. 229 Abs. 2 ZPO
sichergestellt werden, dass sich jede Partei grundsätzlich zweimal unbeschränkt
äussern kann, entweder im Rahmen eines doppelten Schriftenwechsels oder eines
einfachen Schriftenwechsels mit anschliessender Instruktionsverhandlung oder
eines einfachen Schriftenwechsels  im Rahmen der ersten Parteivorträge an der
Hauptverhandlung (BGE 140 III 312 E. 6.3.2.3 S. 314 f.). Die Lehre ist
einhellig der Auffassung, mit dem Ausdruck "zu Beginn der Hauptverhandlung" sei
gemeint, dass neue Tatsachen und Beweismittel in den ersten Parteivorträgen zu
Beginn der Hauptverhandlung (Art. 228 Abs. 1 ZPO) vorgebracht werden können
(CHRISTOPH LEUENBERGER, Kommentar zur schweizerischen Zivilprozessordnung, 3
Aufl. 2016, N. 12 zu Art. 229 ZPO; ERIC PAHUD, Schweizerische
Zivilprozessordnung (ZPO), Kommentar, 2. Aufl. 2016, N. 21 zu Art. 229 ZPO;
LAURENT KILLIAS, Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Band II,
2012, N. 19 zu Art. 229; DENIS TAPPY, Code de procédure civile commenté, 2011,
N. 20 zu Art. 229 ZPO; MICHAEL WIDMER, Schweizerische Zivilprozessordnung
(ZPO), 2010, N. 3 zu Art. 229 ZPO).

3.3.2. Die Beschwerdegegnerin beantragte vor erster Instanz in ihrem
Schriftsatz vom 12. März 2012 die Scheidung der Ehe und stellte unter anderem
Anträge betreffend die güterrechtliche Auseinandersetzung. Der Beschwerdeführer
ersuchte seinerseits in der Vernehmlassung vom 12. März 2012 um güterrechtliche
Auseinandersetzung und begehrte die ungeteilte Zuweisung der Liegenschaft an
sich gegen volle Entschädigung der Beschwerdegegnerin. Ein weiterer
Schriftenwechsel fand nicht statt. Schliesslich wurden die Parteien zur
Hauptverhandlung vom 13. Februar 2013 geladen. Nach Eröffnung der
Hauptverhandlung folgten die ersten Parteivorträge zur Hauptsache. Anlässlich
dieser Parteivorträge stellte die Beschwerdegegnerin - entgegen den
Ausführungen des Obergerichts - Anträge betreffend die Auflösung der einfachen
Gesellschaft; überdies beantragte sie nunmehr ihrerseits die Zuweisung der
Liegenschaft und erklärte, sie sei finanziell in der Lage, die Liegenschaft zu
übernehmen. Erst an der Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 und damit
im Lichte von Art. 229 Abs. 2 ZPO verspätet, reichte sie die
Finanzierungsbestätigung der Bank D.________ AG vom 22. August 2013 und jene
der E.________ AG vom 23. August 2013 ein. Entgegen der Auffassung des
Obergerichts liegt kein Fall einer Stufenklage vor, geht es doch hier nicht um
eine unbestimmte Forderungsklage, deren Rechtsbegehren nachträglich präzisiert
werden sollen (zum Begriff: STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht,
2. Aufl. 2013, S. 213 Rz. 6). Wie dargelegt, stellt sich vielmehr die Frage,
bis zu welchem Zeitpunkt die erforderlichen Finanzierungsbestätigungen
rechtswirksam beigebracht werden können.

3.3.3. Die erst am 27. August 2013 beigebrachten Bestätigungen können somit nur
noch unter den Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 lit. a (Vorliegen echter
Noven) bzw. lit. b (Vorliegen unechter Noven) ZPO berücksichtigt werden (BGE
140 III 312 E. 6.3.2.3 S. 314 f.). Die Beschwerdegegnerin hat an der
Hauptverhandlung vom 13. Februar 2013 erklärt, sie sei finanziell in der Lage,
die Liegenschaft zu übernehmen. Zum damaligen Zeitpunkt lag das Gutachten vom
26. Oktober 2012 über die Bewertung der Liegenschaft vor. Unter diesen
Umständen vermag nicht von vornherein einzuleuchten, warum die
Beschwerdegegnerin die entsprechenden Belege nicht bereits an der
Hauptverhandlung beigebracht hat bzw. nicht hätte beibringen können. Zwar ist
verständlich, dass das Obergericht aufgrund aktueller Angaben betreffend die
Finanzierung über die Zuweisung der Liegenschaft zu entscheiden beabsichtigte;
von daher ist auch nachvollziehbar, dass es die anlässlich der
Fortsetzungsverhandlung vom 27. August 2013 beigebrachten Bestätigungen noch
zugelassen hat. Das ändert aber nichts an der entscheidenden Feststellung, dass
die Beschwerdegegnerin an der Hauptverhandlung keinen Vorbehalt bezüglich einer
späteren Einreichung dieser Belege angebracht hat. Die Vorinstanz hat nicht
geprüft, ob unter den aufgezeigten tatsächlichen Gegebenheiten die
Voraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO für eine nachträgliche Einreichung und
Berücksichtigung der Belege erfüllt sind. Folglich kann heute nicht über die
Frage der Zuweisung der Liegenschaft befunden werden. Bei dieser Sachlage ist
das Bundesgericht nicht in der Lage, abschliessend über sämtliche gestellten
Rechtsbegehren zu entscheiden. Von daher rechtfertigt es sich, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Beweisverfahrens und
anschliessendem neuen Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4. 
Die Rückweisung zu erneutem Entscheid mit offenem Ausgang gilt praxisgemäss als
Obsiegen der beschwerdeführenden Partei (BGE 141 V 281 E. 11.1 S. 312; 137 V
210 E. 7 S. 271; Urteile 5A_378/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 6.2; 2C_60/2011
vom 12. Mai 2011 E. 2.4). Die Gerichtskosten sind daher der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen, die überdies den Beschwerdeführer zu entschädigen hat (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil aufgehoben. Die
Sache wird zur Ergänzung des Beweisverfahrens und zu neuem Entscheid im Sinn
der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3. 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern,
Zivilabteilung, 2. Zivilkammer, und dem Grundbuchamt V.________ schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 28. M ärz 2017

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Zbinden

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