Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 5A.748/2015
Zurück zum Index II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015
Retour à l'indice II. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2015


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
5A_748/2015

Urteil vom 3. August 2016

II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Herrmann,
Gerichtsschreiber Levante.

Verfahrensbeteiligte
A.________AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ralph Scheidegger,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Lüthy,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Provisorische Rechtsöffnung,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer,
vom 24. August 2015 (BEK 2015 7).

Sachverhalt:

A.

A.a. Mit als "Tilgungspezifikation" bezeichneter schriftlicher Erklärung vom 9.
April 2008 anerkannte C.B.________ gegenüber der A.________AG (vormals
A.F.________AG) eine Restschuld von Fr. 307'403.15.

A.b. Am 24. September 2008 erhob C.B.________ Klage gegen die A.________AG. Das
Bezirksgericht March verpflichtete die A.________AG mit Urteil vom 21. Dezember
2010 zur Zahlung von Fr. 498'326.--. Im Verfahren der (Anschluss-) Berufung
wurde die A.________AG mit Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 17. Dezember
2013 verpflichtet, B.B.________, Ehefrau und Rechtsnachfolgerin des
verstorbenen C.B.________, den Betrag von Fr. 643'661.90 zu bezahlen. Die
Beschwerde in Zivilsachen der A.________AG blieb ohne Erfolg (Urteil 4A_69/2014
vom 28. April 2014).

B.

B.a. Die A.________AG leitete gegen B.B.________ die Betreibung Nr. 122322
(Betreibungsamt Höfe) mit am 5. Mai 2015 zugestelltem Zahlungsbefehl ein.
B.B.________ erhob Rechtsvorschlag. Mit Gesuch vom 20. Mai 2015 ersuchte die
A.________AG provisorische Rechtsöffnung für den Betrag von Fr. 291'763.60
nebst Zinsen (10% seit dem 9. April 2008) sowie Zahlungsbefehlskosten und legte
als Rechtsöffnungstitel die "Tilgungsspezifikation" vom 9. April 2008 vor. Mit
Verfügung vom 28. Dezember 2014 erteilte das Bezirksgericht Höfe
(Einzelrichter) die provisorische Rechtsöffnung.

C.
Gegen die Rechtsöffnung erhob B.B.________ Beschwerde. Mit Beschluss vom 24.
August 2015 hob das Kantonsgericht in Gutheissung der Beschwerde den
Rechtsöffnungentscheid auf und wies das Rechtsöffnungsgesuch der A.________AG
ab.

D.
Mit Eingabe vom 22. September 2015 hat die A.________AG Beschwerde in
Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, es sei der
kantonsgerichtliche Beschluss vom 24. August 2015 aufzuheben. In der Sache sei
in der gegen B.B.________ (Beschwerdegegnerin) eingeleiteten Betreibung die
anbegehrte provisorische Rechtsöffnung zu erteilen. Weiter ersucht die
Beschwerdeführerin um aufschiebende Wirkung.
Mit Präsidialverfügung vom 7. Oktober 2015 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden. Es sind die kantonalen Akten, indes keine
Vernehmlassungen eingeholt worden.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Rechtsöffnungsentscheid,
mithin eine Zwangsvollstreckungssache (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG). Die
gesetzliche Streitwertgrenze wird erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist daher gegeben.

1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht gerügt
werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen
(Art. 106 Abs. 2 BGG), wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 133 III 589 E. 2 S.
591). Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung der Eigentumsgarantie (Art.
26 BV) durch falsche Anwendung des Verrechnungsrechts (Art. 120 ff. OR) rügt,
fällt ihr Vorbringen mit der Rüge der Verletzung von Bundesgesetzesrecht
zusammen.

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Zulässig ist einzig die Rüge, dass
eine Tatsachenfeststellung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG
beruhe oder eine Tatsache offensichtlich unrichtig festgestellt worden sei
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Das Kantonsgericht hat festgehalten, dass die von der Beschwerdeführerin
vorgelegte "Tilgungsspezifikation" unbestrittenermassen eine Schuldanerkennung
im Sinne von Art. 82 SchKG sei. Weiter hat die Vorinstanz erwogen, dass die im
Rechtsöffnungsverfahren bzw. mit der Schuldanerkennung geltend gemachte
Forderung nicht Gegenstand des vorangegangenen Prozesses - angehoben durch
Klage vom 24. September 2008 (Lit. A.b) - gewesen sei und insoweit keine
abgeurteilte Sache vorliege. Im Wesentlichen wird die Abweisung des
Rechtsöffnungsgesuchs wie folgt begründet:

2.1. Die Beschwerdeführerin (als Betreibungsgläubigerin) habe im
vorangegangenen Prozess (als Beklagte) die Verrechnungseinrede verspätet
erhoben, so dass diese nicht mehr berücksichtigt worden sei. Bei prozessual
verspäteter Verrechnungseinrede stelle sich die Frage nach der
materiellrechtlichen Wirkung der Verrechnungserklärung, d.h. ob Haupt- und
Gegenforderung gemäss Art. 124 Abs. 2 OR "trotzdem" untergegangen seien. Nach
überzeugender Lehre habe die rechtsgestaltende Erklärung der Verrechnung eine
materiellrechtliche Wirkung, auch wenn sie als Einrede in einem Prozess
unberücksichtigt geblieben sei. Als Zwischenfazit sei festzuhalten, dass die
von der Beschwerdeführerin (als Beklagten) im vorangegangenen Prozess
abgegebene Verrechnungserklärung materiell wirksam gewesen sei, d.h. zur
Tilgung ihrer Forderung aus der "Tilgungsspezifikation" - d.h. der heutigen
Betreibungsforderung - geführt habe.

2.2. Es könne indes gegen das Rechtsmissbrauchsverbot verstossen, wenn sich
Beschwerdegegnerin auf die materielle Wirksamkeit der Verrechnungserklärung der
Beschwerdeführerin berufe. Im konkreten Fall liege indes kein
rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beschwerdegegnerin vor, noch werde ein
solches von der Beschwerdeführerin dargetan, welche die verspätete
Verrechnungseinrede vielmehr selber zu vertreten habe. Die Vorinstanz ist zum
Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdegegnerin glaubhaft gemacht habe, dass die
Betreibungsforderung der Beschwerdeführerin durch ihre Erklärung der
Verrechnung untergegangen sei. Die provisorische Rechtsöffnung sei daher zu
verweigern.

3.
Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Verweigerung der provisorischen
Rechtsöffnung. Das Kantonsgericht ist zum Ergebnis gelangt, die
Beschwerdegegnerin als Betriebene mache glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin
als betreibende Gläubigerin die Verrechnungswirkung - und damit den Untergang
der Betreibungsforderung - bereits früher ausgelöst habe.

3.1. Die Beschwerdeführerin widerspricht der Auffassung des Kantonsgerichts und
macht im Wesentlichen geltend, dass die prozessuale Nichtberücksichtigung ihrer
Verrechnungseinrede im vorangegangenen Prozess nicht zu materiellen Wirkung
ihrer Verrechnungserklärung führen könne. Wenn die Beschwerdegegnerin sich
dennoch auf jene Verrechnungserklärung (der Beschwerdeführerin) und damit den
Untergang der Verrechnungsforderung (Betreibungsforderung) berufen dürfe, werde
die Beschwerdegegnerin in unhaltbarer und stossender Weise bevorteilt. Die
Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht eine Verletzung der Regeln über die
Verrechnung (Art. 120 ff. OR) vor.

3.2. Die Betreibungsforderung ist unbestrittenermassen nicht Gegenstand einer
abgeurteilten Sache. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte, als
"Tilgungspezifikation" bezeichnete schriftliche Erklärung vom 9. April 2008
stellt sodann unstreitig eine Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 Abs. 1
SchKG dar. Gemäss Art. 82 Abs. 2 SchKG wird die Rechtsöffnung ausgesprochen,
sofern der Betriebene nicht Einwendungen, welche die Schuldanerkennung
entkräften, sofort glaubhaft macht. Vorgebracht werden dürfen sämtliche
Einwendungen und Einreden, welche die geltend gemachte Schuldverpflichtung
dahinfallen lassen (vgl. BGE 132 III 140 E. 4.1.1 S. 142; KREN KOSTKIEWICZ,
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 580; GILLIÉRON,
Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 784).

3.3. Wenn die Verrechnung im Rechtsöffnungsverfahren vom Betriebenen als
Verrechnungsgegner (compensé) geltend gemacht wird, so behauptet er, der
betreibende Gläubiger habe die in Betreibung gesetzte Forderung durch
Verrechnung getilgt (AEPLI, Zürcher Kommentar, 1991, N. 153 zu Vorbem. Art.
120-126 OR). Grund dafür ist, dass der Verrechnende (compensant) nicht nur die
eigene Schuld (Hauptforderung, créance principale) tilgt, sondern auch die
eigene Forderung (Verrechnungsforderung, contre-créance) opfert (JEANDIN, in:
Commentaire romand, Code des obligations I, 2. Aufl. 2012, N. 1, 3 zu Intro.
Art. 120-126; PETER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 6. Aufl. 2015,
N. 1 zu Vor Art. 120-126). Die Verrechnung führt zum Erlöschen der Haupt- und
der Verrechnungsforderung (Art. 124 Abs. 2 OR).

3.4. Im vorliegenden Rechtsöffnungsverfahren ist vor Kantonsgericht umstritten,
ob sich die Beschwerdegegnerin als Verrechnungsgegnerin mit Erfolg auf die
Verrechnungswirkung - den Untergang der Forderung der Beschwerdeführerin als
Verrechnende - berufen konnte, wenn die Verrechnungseinrede im vorangegangenen
Prozess von der Beklagten verspätet erhoben worden ist.

3.4.1. Die prozessuale Einwendung der Verrechnung (objection de compensation)
ist von der Verrechnungserklärung (déclaration de compensation) gemäss Art. 124
Abs. 1 OR zu unterscheiden (BGE 63 II 133 E. 3b S. 140). Die
Verrechnungserklärung löst - nach materiellem Recht - die Verrechnungswirkung
aus; die Einwendung der Verrechnung im Prozess macht - nach den Regeln des
Prozessrechts - die Frage der Verrechnung zum Prozessgegenstand. Die
Verrechnungserklärung und die prozessuale Geltendmachung können
zusammentreffen, aber auch auseinanderfallen (BGE 63 II 133 E. 3b S. 140;
Urteil 4A_490/2007 vom 10. Dezember 2007 E. 8.3.1; Urteil 4C.90/2005 vom 22.
Juni 2005 E. 4; AEPLI, a.a.O., N. 117, 138 f. zu Vorbem. zu Art. 120-126;
JEANDIN, a.a.O., N. 1, 5 zu Art. 124; PICHONNAZ, La compensation, 2001, Rz.
2030 ff.).

3.4.2. Vorliegend steht fest, dass die Beschwerdeführerin im vorangegangenen
Prozess die Verrechnungseinrede verspätet erhoben hat, so dass diese nicht mehr
berücksichtigt worden ist. Die Frage, ob eine prozessual unberücksichtigt
gebliebene Verrechnungseinrede des Beklagten trotzdem zur Erlöschenswirkung
nach Art. 124 Abs. 2 OR führen soll, was ein Auseinanderfallen zwischen
materieller Rechtslage und richterlichem Urteil (bei Gutheissung der Klage) zur
Folge hat, ist umstritten (PETER, a.a.O., N. 2 zu Vor Art. 120-126). Die Lehre
hat verschiedene Theorien und Lösungen anhand prozessualer oder materieller
Ansätze entwickelt (zuletzt u.a. ZELLWEGER-GUTKNECHT, Berner Kommentar, 2012,
N. 144 ff., N. 159 ff. zu Vorbem. Zu Art. 120-126; SCHALLER, Einwendungen und
Einreden im schweizerischen Schuldrecht, 2009, Rz. 536 ff., Rz. 541 f.;
PICHONNAZ, Rz. 2016 ff., je mit weiteren Hinweisen und Stellungnahmen).

3.4.3. Nach bestätigter Rechtsprechung kann die Verrechnungserklärung jederzeit
erfolgen, d.h. ausserhalb oder innerhalb eines hängigen Prozesses (BGE 63 II
133 E. 3b S. 140; Urteil 4C.90/2005 vom 22. Juni 2005 E. 4); die materielle
Wirksamkeit hängt demnach nicht von der prozessualen Geltendmachung ab
(PICHONNAZ, a.a.O., Rz. 2033; PETER, a.a.O., N. 2 zu Art. 124). Wenn das
Kantonsgericht auf dieser Grundlage erwogen hat, dass eine rechtsgestaltende
Erklärung der Verrechnung gegenüber der Gläubigerin eine materiellrechtliche
Wirkung habe, auch wenn sie als Einrede in einem Prozess unberücksichtigt
geblieben ist, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung. Der Schluss des
Kantonsgerichts, dass die von der Beschwerdeführerin (damaligen Beklagten) im
vorangegangenen Prozess abgegebene Verrechnungserklärung materiell wirksam war
und Erlöschenswirkung hatte, d.h. zur Tilgung ihrer Forderung gemäss
"Tilgungsspezifikation" - d.h. der heutigen Betreibungsforderung - führte, ist
dies mit Bundesrecht vereinbar.

3.4.4. Zu Recht hat das Kantonsgericht (mit Hinweis auf die Literatur) erkannt,
dass die materielle Wirksamkeit einer prozessual unberücksichtigt gebliebenen
Verrechnungseinrede des Beklagten zu einer Schwierigkeit - zum erwähnten
Auseinanderfallen zwischen materieller Rechtslage und richterlichem Urteil -
führen kann: Die materiell wirksame Verrechnung führt zum Untergang der
Hauptforderung, währenddem die Beklagte gestützt auf das gutheissende Urteil
ebendiese Hauptforderung bezahlen muss. Dass die durch Urteil rechtskräftig
beurteilte Forderung Bestand hat, steht zu Recht nicht in Frage. In der Lehre
wird dargelegt, dass rechtsmissbräuchliches Verhalten des Verrechnungsgegners
(compensé) dem Gläubiger dennoch erlauben soll, die tatsächliche Bezahlung der
Verrechnungsforderung zu verlangen (PICHONNAZ, a.a.O., N. 2107). Dieser
Sichtweise kann gefolgt werden, weil damit der prozessual erklärten Verrechnung
die Erlöschenswirkung im Grundsatz belassen wird (E. 3.4.3). Wenn das
Kantonsgericht entsprechend erwogen hat, es könne gegen das
Rechtsmissbrauchsverbot verstossen, wenn sich Beschwerdegegnerin auf die
Wirksamkeit der Verrechnungserklärung der Beschwerdeführerin berufe, nachdem
ihre Klage (wie geschehen) gutgeheissen und die Verrechnungseinrede prozessual
nicht berücksichtigt worden sei, stellt dies als solches keine Verletzung von
Bundesrecht dar.

3.4.5. Das Kantonsgericht hat (unter Hinweis auf SCHALLER, a.a.O., Rz. 543) im
Einzelfall geprüft, ob die Beschwerdegegnerin sich im Rechtsöffnungsverfahren
rechtsmissbräuchlich auf die Wirksamkeit der vorangegangenen
Verrechnungerklärung der Beschwerdeführerin berufen hat. Zu Recht hat die
Vorinstanz den offenbaren Rechtsmissbrauch danach untersucht, ob unter den
besonderen Umständen des konkreten Falles die Berufung auf die Norm Treu und
Glauben widerspricht (BGE 140 III 583 E. 3.2.4 S. 589), denn Art. 2 Abs. 2 ZGB
setzt nicht allgemein für bestimmte Arten von Fällen die Bestimmungen des
Zivilrechts ausser Kraft, sondern dient als korrigierender Notbehelf für die
Fälle, in denen formales Recht zu materiell krassem Unrecht führen würde (BGE
134 III 52 E. 2.1 S. 58). Ob das Ergebnis der Vorinstanz, wonach die
provisorische Rechtsöffnung zu verweigern sei, mit Bundesrecht vereinbar ist,
bleibt im Folgenden zu erörtern.

3.5. Was die Beschwerdeführerin vorbringt, vermag keine Rechtsverletzung
darzutun.

3.5.1. Soweit die Beschwerdeführerin nicht die Wirksamkeit der
Verrechnungserklärung, sondern ihre Verrechnung aus anderen Gründen in Frage
stellen will, und insbesondere geltend macht, eine "Ausgleichung der
Forderungen gemäss Art. 124 Abs. 2 OR" habe nicht stattgefunden und "die
Forderungen [der Klägerin im vorangegangenen Prozess] im Umfang von Fr.
2'077'685.30" hätten gar "nicht die Forderungen aus der Tilgungsvereinbarung"
betroffen, sind ihre Vorbringen unbehelflich. Die Beschwerdeführerin übergeht,
dass sie selber im vorangegangenen Prozess die Verrechnungseinrede für
ebendiese Forderungen der Klägerin im erwähnten Umfang erhoben hatte, was auf
einer Feststellung der Vorinstanz beruht. Nach dem angefochtenen Urteil war
unbestritten, dass in der im vorangegangenen Prozess erklärten Verrechnung als
Verrechnungsforderung die vorliegende Betreibungsforderung gemäss
"Tilgungsspezifikation" enthalten war. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin
ändern nichts daran, dass vor dem Kantonsgericht die Wirksamkeit der von der
Beschwerdeführerin im betreffenden Prozess verspäteten Verrechnungserklärung
umstritten war, d.h. die - vor Bundesgericht gebrachte - Frage strittig war, ob
die im vorangegangenen Prozess verspätet erklärte Verrechnungseinrede der
Geltendmachung der Verrechnungsforderung (Betreibungsforderung) entgegensteht.
Dass die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen insoweit auf einer
Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen soll, legt die
Beschwerdeführerin nicht dar.

3.5.2. Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht vor, Rechtsmissbrauch
der Beschwerdegegnerin verkannt zu haben. Sie übergeht, dass die
Beschwerdegegnerin ihre Einwendung, wonach die Beschwerdeführerin nicht mehr
Gläubigerin der Betreibungsforderung sei, im Verfahren der provisorischen
Rechtsöffnung lediglich glaubhaft zu machen hat, d.h. mehr als zu behaupten,
aber weniger als zu beweisen hat (vgl. zum Begriff des Glaubhaftmachens u.a.
BGE 132 III 140 E. 4.1.2 S. 144; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 87 f. zu Art. 82).
Rechtsmissbrauch ist indes vom Vorwerfenden nachzuweisen (BGE 134 III 52 E. 2.1
S. 58) : Wenn die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin im
Rechtsöffnungsverfahren Rechtsmissbrauch vorwirft, hat sie die Glaubhaftmachung
der Einwendung der Betriebenen zu erschüttern. Das Kantonsgericht hat
festgehalten, von einer krass ungerechten Situation könne nicht die Rede sein
und die Beschwerdeführerin habe "im Übrigen keine Umstände dargetan, aufgrund
derer sich die Anwendung des Rechtsmissbrauchsverbotes aufdrängen würde". Die
Beschwerdeführerin setzt in diesem Punkt nicht auseinander (Art. 106 Abs. 2
BGG), inwiefern die Vorinstanz rechtserhebliche Umstände übergangen habe,
welche ihren Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt hätten. Dass das
Kantonsgericht das Mass der Glaubhaftmachung in rechtswidriger Weise angesetzt
habe, ist weder behauptet noch ersichtlich. Die Berufung auf Noven unter
Hinweis auf Art. 99 BGG ist ohnehin unbehelflich, zumal nicht erst das
angefochtene Urteil Anlass zum Vorbringen gegeben hat, sondern bereits in der
Beschwerdeschrift an die Vorinstanz Rechtsmissbrauch erörtert (bzw. bestritten)
worden ist. Die Beschwerdeführerin kritisiert im Wesentlichen lediglich, dass
die Vorinstanz ihr Verhalten bei der Beurteilung des Rechtsmissbrauchs
mitberücksichtigt habe. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern das Kantonsgericht
den Begriff des Rechtsmissbrauchs (E. 3.4.5) verkannt habe, wenn es bei der
Würdigung der besonderen Umständen des konkreten Falles das Verhalten der
Beschwerdeführerin - d.h. die selber zu vertretende Verspätung der
Verrechnungseinrede im vorangegangenen Prozess - miteinbezogen hat.

3.5.3. Die Beschwerdeführerin stützt sich im Übrigen vergeblich auf die
Lehrmeinung im Berner Kommentar. Wohl ist richtig, dass nach dort vertretener
Auffassung eine Verrechnungserklärung im Prozess berücksichtigbar sein müsse,
ansonsten sie materiell unwirksam sei (ZELLWEGER-GUTKNECHT, a.a.O., N. 162 zu
Vorbem. zu Art. 120-126). Allerdings führt die Kommentatorin fort, dass eine
Verrechnung dann materiell wirksam ist, wenn sie in einem Zeitpunkt erklärt
wird, in welchem die entsprechende Einwendung "vom Gericht noch berücksichtigt
werden könnte - ohne dass sie in der Folge aber prozesskonform vorgetragen
wird" (ZELLWEGER-GUTKNECHT, a.a.O., N. 163 zu Vorbem. zu Art. 120-126). Das
Kantonsgericht hat (auch) darauf Bezug genommen, wenn es erwogen hat, dass die
Beschwerdeführerin durchaus die Möglichkeit gehabt habe, die Verrechnung
prozesskonform vorzutragen, so dass ihre Verrechnungsforderung noch zu
beurteilen gewesen wäre. Darauf geht die Beschwerdeführerin indes nicht ein. Zu
Recht hat die Vorinstanz auf das bundesgerichtliche Urteil 4A_69/2014 vom 28.
April 2014 verwiesen, woraus hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin im
vorangegangenen Prozess (im Berufungsverfahren) die Möglichkeit zum
rechtzeitigen Vorbringen hatte. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführerin
wird die Verrechnungserklärung bedingungslos abgegeben, währenddem die sog.
Eventualverrechnung mit dem Prozessrecht verknüpft ist (u.a. Peter, a.a.O., N.
5 zu Art. 124; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl. 1997, S.
676) und - laut Kantonsgericht - sogar auch im vorangegangenen Prozess möglich
gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin übergeht, dass die Vorinstanz die -
ungenutzten - Möglichkeiten berücksichtigt hat, und aus diesen Gründen
geschlossen hat, dass sie selber dafür verantwortlich sei, die durch ihre
Verrechnungserklärung geschaffene materielle Rechtslage korrekt in den Prozess
einzuführen (vgl. ZELLWEGER-GUTKNECHT, a.a.O., N. 164 zu Vorbem. zu Art.
120-126). Der Einwand der Beschwerdeführerin, sie habe "Einiges" zu einer
rechtmässigen Geltendmachung der Verrechnungseinrede im vorangegangenen Prozess
vorgenommen, vermag daran nichts zu ändern.

3.6. Nach dem Dargelegten ist mit Bundesrecht vereinbar, wenn die Vorinstanz
zum Ergebnis gelangt ist, dass die Beschwerdegegnerin als Verrechnungsgegnerin
glaubhaft gemacht habe, dass die Betreibungsforderung der Beschwerdeführerin
durch ihre Erklärung der Verrechnung untergegangen sei, ohne dass die
Glaubhaftmachung durch den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs hinreichend in Frage
gestellt werde. Die Verweigerung der provisorischen Rechtsöffnung hält vor
Bundesrecht stand.

4.
Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist nicht zu leisten, da der Beschwerdegegnerin im
bundesgerichtlichen Verfahren keine ersatzpflichtigen Kosten entstanden sind.

 Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Eine Parteientschädigung ist nicht zu leisten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz,
Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. August 2016

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: von Werdt

Der Gerichtsschreiber: Levante

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben